#16 - Spinnt ihr eigentlich?!

„Kann ja nicht sein, du hast es ihr noch nicht erzählt?!"

Harry war ganz empört. Er stemmte die Hände in die Hüften wie eine wütende Mutter, die ihrem Kind gleich einen Vortrag halten würde, und sah Sam an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Nicht nur er war empört. Ich auch!

Was zur Hölle denn?!", hakte ich nach und richtete mich auf meinem Stuhl auf. Die zwei ignorierten mich einfach.

Sam verdrehte die Augen, konnte sich ein Schmunzeln aber nicht verkneifen. Anscheinend sah sie das ganz gechillt, denn ihre entspannte Haltung in ihrem Gartenstuhl hatte sich keinen Millimeter verändert. Sie hatte ihr Bein über die Armlehne gehängt und ihr Fuß baumelte vergnügt hin und her.

„Ich hätte es ihr heute schon gesagt, keine Sorge", beschwichtigte sie Harry und wedelte mit der Hand – was es eindeutig nicht besser machte, weder für Harry noch für mich. Harry schnaubte und schüttelte den Kopf.

„Wenn sie aber keine Zeit hätte oder so?", schob Harry hinterher.

„Was ist denn los mit dir", lachte Sam und schüttelte den Kopf, „sie ist doch hier und fertig, ist doch alles gut, baby."

„Könnt. Ihr. Mir. Endlich. Sagen. Was. Zur. Hölle. Los. Ist", sagte ich durch zusammengebissene Zähne. Ich starrte meine Cousine genervt an. Ich saß nur noch auf der Kante des Stuhls und war kurz davor, ihr an die Gurgel zu springen, wenn sie nicht endlich damit rausrückte, was ich nicht wusste! „Ich find das nicht mehr lustig! Hört auf, mich zu ignorieren!"

„Wir heiraten."

„Ja, das weiß ich auch, ihr seid jetzt ein Dreivierteljahr verlobt", gab ich patzig zurück.

„Ich meine Samstag. Wir heiraten am Samstag", sagte Sam ruhig, ohne mich aus den Augen zu lassen.

.

.

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„WAS?!?", platzte ich heraus, nachdem ich sie zwei Sekunden sprachlos angestarrt hatte.

„WAS?!"

Sam lächelte mich einfach nur an und zuckte mit den Schultern. Sie warf Harry kurz einen Blick. Keine Ahnung wie der grad dreinschaute, denn mein Blick hing an meiner Cousine, die ja wohl von allen guten Geistern verlassen worden war. Meine Kinnlade war heruntergeklappt und wenn sie nicht festgewachsen wäre, müsste ich sie jetzt sicher vom Boden aufklauben.

Hatte sie mir gerade wirklich mitgeteilt, dass sie am Samstag heiraten?!

Ich wiederholte:

Hei. Ra. Ten.

„SPINNT IHR EIGENTLICH?!", rief ich und sprang auf. Die zwei Schritte zu Sam hatte ich im Bruchteil einer Sekunde hinter mir und Ich schüttelte ihre Schultern, und sie lachte. Das war ihre einzige Reaktion. Sie lachte schallend, und dabei strahlte sie mehr als die Sonne, die immer noch schien.

„Ich bin voll angepisst!!"

Ich ließ sie los, als hätte ich mich an ihr verbrannt, und ließ mich wieder auf meinen Stuhl sinken, aber nicht lang – zwei Sekunden später sprang ich wieder auf und riss Sam in meine Arme. Fuck, sie heirateten! Am Samstag! Also in ...

„Moment – was für ein Wochentag ist heute überhaupt?!" Für einen Moment hielt ich inne und starrte meine Cousine schockiert an.

„Montag", warf Harry von der Seite ein.

Oh Gott! Montag! Whaaat!?

Und schon flippte ich wieder aus.

„Ich hasse euch grad beide so sehr, aber oh mein Gott, ich freu mich so!", rief ich aus und wirbelte Sam durch die Gegend. Wir rempelten gegen den Tisch und ich nahm Harry im Hintergrund wahr, wie er den kleinen Tisch gerade noch festhielt, damit er nicht umfiel. Das war mir gerade aber ehrlich gesagt ziemlich egal.

„Ich check's nicht, wieso weiß ich davon noch nichts?!"

Ich löste mich von meiner Cousine und wischte mir die Tränen von den Wangen, die gerade angefangen hatten zu laufen.

„Ach Gott, weinst du? Nicht weinen, Hase!", sagte Sam und ich konnte aber auch in ihren Augen Tränen stehen sehen. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und wischte eine weitere Träne von meiner Wange. Und schon lief die erste über ihr Gesicht und sie schniefte ein wenig. Trotzdem strahlte sie wie verrückt.

„Ich freu mich so für euch", flüsterte ich und schlang wieder die Arme um ihren Hals.

Oh man, wieso war ich denn jetzt so emotional?! Ich hatte damals schon so geheult, als sie sich verlobt hatten letzten Herbst! Anscheinend hatte das nicht ausgereicht. Ich musste jetzt einfach nochmal heulen. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich emotional einfach gerade nicht die Stärkste war.

„Danke", schniefte Sam und drückte mich nochmal fest an sich, bevor wir uns voneinander lösten.

Harry blieb das Ganze natürlich nicht erspart, auch ihn herzte ich jetzt ausgiebig, doch das schien ihn nicht zu stören.

Ich ließ mich wieder auf meinen Stuhl sinken.

„Jetzt informiert mich mal bitte. Ich dachte, ihr wolltet erst im Herbst heiraten?", fragte ich und wischte mir nochmal mit dem Handrücken über die Wange. Ich atmete tief durch. Puh, okay, komm wieder runter, Jana.

„Wollten wir auch, aber dann kam uns beiden einfach zu viel dazwischen...", fing Sam an und seufzte. „Harry will eigentlich auf Tour gehen mit seinem neuen Album und ich hab das Angebot für einen Tanzfilm bekommen. Und da eine Hochzeit unterzubekommen, ist total schwer... Also haben wir uns überlegt, wir verlegen die Hochzeit einfach."

„Wer weiß denn davon schon so alles?"

Ich hatte das schlechte Gefühl, dass ich eine der Letzten war, die es erfahren hatte...

„Mama weiß es. Und sonst ...fast niemand", sagte Sam und verzog das Gesicht. „Wir werden heute die ganzen Anrufe tätigen, oder, Harry? Eigentlich hatten wir das für morgen Abend geplant, aber dann machen wir das eben schon heute."

„Wer nicht kann, der kann nicht", ergriff nun Harry das Wort. Er trank einen Schluck aus seinem Wasserglas, bevor er weitersprach: „Uns ist schon klar, dass sich jetzt nicht jeder einfach so das Wochenende freinehmen kann oder mal eben nach London fliegen kann, wenn wir uns spontan entscheiden, mal eben zu heiraten. Ich muss das meiner Familie auch erstmal sagen."

Sam wandte sich mir zu. „Ich weiß auch gar nicht, ob Caro und Leo zum Beispiel kommen können", meinte sie ein wenig bedrückt und ich sah den Kummer in ihren Augen.

Stimmt, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich überlegte für einen Moment, dann schüttelte ich leicht den Kopf. „Naja, das müssen sie selbst entscheiden, ob sie mit Rafael fliegen wollen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wenn sie Zeit haben, nein sagen. Das ist so ein kurzer Flug, Sam, das kriegen die mit dem kleinen Hosenscheißer schon hin."

Sam nickte nachdenklich. „Ja, wahrscheinlich hast du Recht."

„Ruf ihn doch einfach mal an", schlug ich vor. „Dann weißt du Bescheid."

„Ne, so schnell geht das nicht", sagte Sam und grinste jetzt, „wir wollen erst allen für Freitagabend einen Flug buchen, und dann sagen wir ihnen erst, dass wir heiraten."

„Würd ich nicht machen." Ich schüttelte den Kopf. „Überleg doch mal, vielleicht hat jemand noch irgendeinen Termin am Nachmittag und kann deswegen nicht den Flug wahrnehmen, den ihr ihm bucht?! Oder vielleicht will Ali früher kommen?"

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Tante erst Freitag kommen würde. Außerdem wusste sie doch schon Bescheid, sie hatte sich sicher schon darauf eingestellt, früher herzukommen und nicht erst auf den letzten Drücker.

„Oder Caro kommt schon früher mit Rafi."

Ich könnte ihr noch tausend weitere Sachen aufzählen.

„Okay, okay", Sam hielt abwehrend die Handflächen in die Höhe, „du hast Recht. Dann rufen wir eben erst alle an und dann schauen wir, wem wir wann einen Flug buchen."

Ich nickte zufrieden. Na, immerhin konnte ich meinen sinnvollen Senf dazugeben.

Ohhh, das konnte nur ein amüsanter Abend werden! Da würden sicher genügend Tränen fließen.

„Können wir mit Caro anfangen?", schlug ich vor und grinste Sam breit an.

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