#1 - Perfektes Timing
[2013]
Wie viel Stress konnte ein einziger Mensch an einem Tag eigentlich ertragen?! Das war ja Wahnsinn!
Erst Schule. Jeder hatte mich gelöchert. Wirklich. Jeder. Sogar die Lehrer.
„Oh mein Gott, deine Cousine ist so toll!"
„Oh, Sam ist jetzt berühmt!"
„Ist Sam wirklich mit Harry Styles zusammen?"
„Wo ist Sam gerade!"
„Deine Cousine ist jetzt Tänzerin?"
„Ist das deine Cousine?"
„Jana, ich hab von deiner Cousine gehört..."
„Hey Jana!"
„Jana!"
„Erzähl doch mal!"
„Jana!"
„Jaaana!"
„Jana!!"
Ich hatte gedacht, ich würde gleich in tausend kleine Einzelteilchen explodieren. Und zwar mit einem gewaltigen Knallbumms.
Mit Mühe und Not hatte ich die Stunden in dem Gefängnis namens Bildungseinrichtung überstanden. Natürlich war mein Mund wie versiegelt. Ich würde keine Informationen preisgeben, was Sam tat und was Sam ließ, denn das ging verdammt noch mal keinen dieser Pappnasen an, das sollte sie endlich mal kapieren. Aber ihre Spatzenhirne waren natürlich viel zu klein dafür, wie sollte es auch anders sein.
Naja, zu Hause hatte Mama dann weiterhin einen auf Miesepeter gemacht, weil ich nach London flog. Da Manu nicht da war und Papa auch nicht und ich Mamas Nerven nicht noch mehr strapazieren wollte, war ich mit der S-Bahn zum Flughafen gefahren.
Ich glaube, ich war fast noch nie so hibbelig gewesen.
Also vor einem Flug war ich noch nie so hibbelig gewesen. Wahnsinn. Waaaahnsinn.
Als ich dann in die Flughafenhalle kam, war es aber vorbei mit der Vorfreude und der Nervosität.
Verspätung.
Ernsthaft jetzt?
Verspätung für einen Popelflug nach London?! Man musste zweimal umfallen, dann war man schon beinahe in London – und jetzt hatte der Flug Verspätung?!
Das durfte ja wohl nicht wahr sein.
Ich tigerte wie eine unruhige Raubkatze durch den Sicherheitsbereich und spitzte jedes Mal die Ohren, wenn etwas zu unserem Flug durchgesagt wurde.
Okay, cool bleiben, Jana. Cool bleiben. Aufregen bringt nichts, nur Falten, schlechte Laune und einen früheren Tod.
Irgendwann flogen wir dann endlich mit tausend Jahren Verspätung los. Ich saß die ganze Zeit wie auf heißen Kohlen und sah auf mein Handy. Also auf die Uhr. Die Minuten krochen nur so dahin. Wir waren echt schon viel zu spät. Das Konzert ging um sechs Uhr los – also 5 Seconds of Summer würde um sechs (Londoner Zeit) als Vorband auftreten, das hatte Luke mir erzählt.
Luke...
Sofort begann meine gesamte Haut zu kribbeln. So etwas hatte ich noch nie gespürt.
Ich hatte Sam nichts davon erzählt, weil sie zu sehr mit ihrem eigenen Leben eingespannt war, aber ich hatte so viel mit Luke in der letzten Woche geschrieben. Ich hatte das Gefühl inzwischen, dass ich ihn schon seit einer Ewigkeit kannte. Jede Nachricht, die er mir schickte, jeder Smiley, alles – ich konnte es förmlich hören, wie er es mit seiner Stimme sagte.
Ich war wirklich hoffnungslos einfach verliebt in ihn.
Anders konnte man es nicht nennen.
Ich hatte ihm nicht erzählt, dass ich heute nach London aufs Konzert kam. Er hatte ständig geschrieben, dass es so schade war, dass wir uns nie sahen, aber er würde bald nach München kommen, und wenn es nur für ein paar Stunden war, um mich zu sehen.
Jana. Tot. Mause. Tot.
Ich hatte ihm nicht erzählt, dass ich heute nach London zum Konzert kam. Ich war so gespannt, wie er reagieren würde! Hauptsache, Niall und Liam hatten ihm nichts erzählt. Und die anderen beiden auch nicht, falls sie davon wussten. Ich hatte nicht einmal mehr ein schlechtes Gewissen, weil ich Sam doch ein wenig hintergangen hatte. Aber sie war ja auch nicht sauer auf mich. Zumindest hatte sie das behauptet, und ich glaubte ihr da einfach mal.
Ich hastete aus dem Flugzeug, kaum dass die Türen offen waren, und hetzte in den Sicherheitsbereich hinaus.
Gott sei Dank hatte ich keinen Koffer, sodass ich darauf nicht warten musste!
Ich sah einige Leute an der Absperrung stehen, die auf die Ankommenden warteten.
Stand Sam hier auch? Nee, eher nicht, schließlich konnte sie jetzt nicht mehr einfach nur so draußen herumspazieren.
Mein Weltstar.
Stolz war ich wie Oskar auf sie, das gab ich offen zu!
Plötzlich stach mir ein weißes Blatt Papier ins Auge, das ein Mann in der Hand hielt.
‚Sams Jana', stand dadrauf.
Verwirrt blickte ich vom Schild zu seinem Gesicht auf. Er starrte mich erwartungsvoll an und nickte fragend. Ich ging auf ihn zu und zögerte. Was, wenn er irgendein Perverser war, der mich jetzt kidnappen würde? Ich konnte Sam nicht einmal schreiben, weil ich hier in London kein Internet hatte!
Ja okay, ich konnte mich jetzt theoretisch noch in das WLAN des Flughafens einloggen, aber das würde viel zu lange dauern, wir waren ja eh schon zu spät dran!
„Jana? Bist du Jana? Hallo, ich bin Eric. Sam und Perrie sitzen draußen im Auto", begrüßte mich der Herr freundlich und ich schüttelte mechanisch seine Hand, die er mir entgegenhielt.
„Hallo."
Verstohlen sah ich mich um, aber ich entdeckte niemanden, der mich ansah oder mir Beachtung schenkte. Niemand, der mich abzuholen schien.
Ich drehte mich wieder zu Eric und er sagte: „Komm, wir müssen uns beeilen, schließlich geht es um sechs doch eigentlich schon los!"
Okay, also wenn er ein Kidnapper war, dann hatte er erstaunlich gute Arbeit geleistet und sich umfangreich informiert...
Ich folgte ihm trotzdem hinaus zu seinem Wagen. Ich konnte kurz vorher ja noch umdrehen, einen Haken schlagen und abhauen. Da ich nichts außer meinem kleinen Hipsterrucksack auf dem Rücken bei mir hatte, war ich nicht eingeschränkt, sondern konnte das tun.
Als die Autotür dann aber aufging und ich eine schwarze Lockenmähne sah, beschleunigte ich meinen Schritt. Ich überholte Eric und schlitterte schon regelrecht in das Auto hinein.
Ich warf mich in Sams Arme und zerquetschte ihren Hals regelrecht mit meinen Ellbeugen. Ich sah vor lauter schwarzer Lockenmähne nichts mehr, aber das störte mich nicht – im Gegenteil. Ich hatte diese Haare so vermisst, Himmel, ich hatte meine Cousine sooooo vermisst!
„Oh mein Gott, war das ein Stress, ich glaube, ich kriege die Krise, erst können wir nicht losfliegen, dann nicht landen, tausend Jahre Verspätung, ich musste so dringend aufs Klo, ich hatte nicht einmal Netz, damit ich dir schreiben kann, - oh, hi Perrie", stoppte ich meinen Redefluss, als ich Sam aus meiner Klammerumarmung entließ und jetzt erst checkte, dass Perrie ja auch hier war.
„Hey Jana", begrüßte Perrie mich lächelnd. „Schön, dass du mitkommst zum Konzert!"
Jetzt war ich erst einmal ein wenig sprachlos. Ich saß wirklich mit Perrie Edwards in einem Auto.
Ja gut, meine Cousine war mit Harry Styles zusammen (oder auch nicht, aber vielleicht auch bald doch wieder, keiner wusste das) und ich hatte mit Niall Horan einen Deal gemacht (beziehungsweise hatte mich von ihm erpressen lassen, dieser Schuft) – langsam sollte ich mich mal daran gewöhnen, dass ich von Stars umgeben war.
Ach: und ich war in Luke Hemmings verliebt, der mir rund um die Uhr schrieb und mir mein Herz geklaut hatte.
Halleluja.
Amen.
Vor ein paar Wochen hatte ich noch eines der langweiligsten Leben, die es jemals in der Geschichte der Menschheit gab, geführt – und jetzt schaut, wo ich gelandet war.
In Erics Wagen. Mit Perrie Edwards und Harry Styles' Momentannichtaberbaldwiedervielleichtfreundin.
Ich konnte es nur wiederholen: Halleluja.
Die Stimmung wurde ziemlich gedrückt, als wir an einem Unfall vorbeikamen. Ich versuchte, nicht an die Opfer oder an ihre Familien zu denken.
Gott sei Dank dauerte es auch nicht mehr lange, dann waren wir endlich bei der O2-Arena.
Perrie steuerte mit selbstbewusstem Schritt auf den Hintereingang zu, vor dem Eric uns abgesetzt hatte.
„Hi Gonzo", begrüßte sie den Türsteher.
What the hell, wieso kannte sie den Türsteher der O2-Arena?!
Sam sah genauso verwirrt aus wie ich.
„Hallo Perrie."
„Das sind Sam und Jana. Paul hat dir gesagt, dass ich sie mitbringe, oder?", fragte sie ihn, aber wenn ihr mich fragt, dann war das Ganze keine Bitte, uns mit ihr reinzulassen, sondern eher ein Befehl, seinen Hintern wegzubewegen, damit wir endlich durch konnten.
Ich war nicht einmal in der Lage, irgendetwas zu sagen. Sam war wenigstens so freundlich und gefasst, dass sie ihn auch grüßte. Da musste ich mir eindeutig noch eine Scheibe von ihr abschneiden.
„Ja, Higgins hat mir Bescheid gesagt."
Higgins. Kann er nicht Paul sagen oder was? Ich hasste es, wenn Leute sich beim Nachnamen nannten. Wenn jemand zu mir „ey, Ferroni!" sagte, würde ich der Person jedes Mal freundlich die Augen auskratzen. Ja, freundlich. Immer schön nett bleiben.
Wir gingen jetzt einfach an dem Türsteher vorbei und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.
„Krass, so leicht sind wir noch nie irgendwo reingekommen."
Sams Mundwinkel zuckte und ich wusste, dass sie genau das Gleiche gedacht hatte.
Während Sam und Perrie ein wenig redeten, warteten wir auf jemanden, der uns um Backstage-Bereich führen würde. Mein Gott, als würden wir den Weg nicht selber finden. Allzu schwer war das ja wohl nicht!
Einfach immer dem Geschrei und Lärm hinterher und schon landete man im hinteren Bühnenbereich.
Endlich tauchte so ein Knilch auf, der uns schüchtern angrinste und den Perrie mit Benjamin ansprach.
Na dann los, Benjamin, beweg deinen Hintern, ich will endlich zu Lukiepatootie kommen!
Ich sah im Augenwinkel, dass Perrie sich zu mir umdrehte. Sie wackelte bedeutungsschwanger mit den Augenbrauen und ich brauchte einen Moment, bis ich schnallte, was sie meinte.
„Bitte?!", zischte ich empört, aber Perrie hatte sich schon wieder weggedreht.
Ich schloss schnell zu den beiden auf und sagte so leise, dass dieser Knilch es nicht hören konnte: „War das dein Ernst?!"
Pah, als ob ich Interesse an so einem haben könnte.
Ne, danke.
Wir trafen jetzt noch auf Lou Teasdale, was mich auch schon wieder ein wenig flashte. Dann gingen wir aber endlich weiter und kamen in den Backstage-Bereich.
Also wenn ihr mal ein perfektes Timing haben wollt, dann erzähle ich euch jetzt von einem.
Es war wie im Film.
Wir kamen durch den Gang in den Backstage-Bereich – und 5 Seconds Of Summer hatten ihren Auftritt gerade beendet und kamen von der Bühne.
Als erster Ashton, dann Calum, dann Michael – und dann Luke.
Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden. Ich wartete ungeduldig die paar Sekunden, die er die Treppe hinunterstieg und endlich wieder aufschauen würde, dass er mich entdeckte.
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