18. Dezember
Sanft fiel das Sonnenlicht ins Zimmer und küsste Tamikas Stirn und ihre Augen.
Naomi, die Neunjährige, mit der sie sich das Hochbett teilte, ließ ab und zu versehentlich die Vorhänge offen, obwohl ihre drei Zimmergenossinnen sie oft genug gebeten hatten, daran zu denken. Tamika stöhnte müde auf und wollte sie gerade bitten, sie zuzuziehen, als ihre Zunge auf Widerstand in ihrem Mund traf.
Verwundert öffnete sie blinzelnd die Augen und hob die Hand, um was auch immer da war herauszuziehen, doch auch ihre Hand konnte sie nicht heben. Irritiert drehte sie sich zu ihrer Hand, die über ihrem Kopf lag und musste feststellen, dass sie mit einem Schal und etwas Panzertape an die Bettpfosten gebunden war.
Sie runzelte die Stirn und hätte sich jetzt die Schläfen gerieben, wenn sie denn ihre Hand hätte bewegen können.
Ihr Blick schweifte durch das Fremde Zimmer, es kam ihr fremd vor.
Als sie links neben sich sah, setzte ihr Herz für einen Schlag aus. Neben ihr lag niemand anderes als Gesa Benz. Und sie sah Tamika an, müde wie sie.
Auch in ihrem Mund steckte ein Knebel, doch dafür, dass sie hier schon etwa drei Wochen war, sah sie recht gepflegt aus. Klar, ihre Haare waren ungekämmt, aber nicht fettig und sie schien unversehrt.
Gesa brummte und Tamika sah, wie sich ihre Gesichtsmuskulatur verzog. Sie nahm an, dass das ein Lächeln sein und hi heißen sollte, also brummte sie zurück und ließ ihren Kopf wieder aufs Kissen sinken.
Während ihr Hirn noch hochfuhr, versuchte Tamika, sich zu erinnern wie sie hier gelandet war. Gestern Abend... das war das letzte, woran sie sich erinnerte.
Sie war durch den Wald gelaufen und hatte mal wieder ein Fotomotiv gesucht, denn bei Dunkelheit schienen ihre Fotos immer wie aus einer anderen Welt. Selbst die Dinge, wie ihr Waisenhaus, die sie schon hunderte Male fotografiert hatte, sahen bei Nacht plötzlich anders, ja, fast magisch aus. Die verschiedenen Lichtverhältnisse waren auch einer der wenigen Dinge, die sich in der Gegend änderten.
Deshalb ging sie auch so gerne in den Wald: er veränderte sich konstant, anders als ihr Dorf, das seit Jahren und Jahren dieselben Farben, dieselben Häuser, dieselben Leute hatte.
Irgendwann war sie an die kleine Hütte im Wald gekommen, die dort stand, solange sie sich erinnern konnte. Tamika hatte sie schon oft fotografiert, aber eigentlich besuchte sie ihn nicht oft - maximal alle zwei Monate, im Sommer manchmal öfter und im Herbst bist Winter manchmal seltener. Sie lag tief im Wald, da, wo sie normalerweise nicht hinging, um rechtzeitig vor dem Abendessen wieder zuhause zu sein. Über die Jahre war der Eindruck entstanden, dass dort niemand lebte.
Doch gestern brannte Licht.
Noch nie zuvor hatte sie dort ein Lebenszeichen gesehen. Tamika hätte nicht einmal gedacht, dass die Hütte einen Stromanschluss hatte. Immerhin war sie mitten im Wald und unbewohnt - oder zumindest schien es ihr immer so.
Die Tür ging auf und riss sie zurück ins Hier und jetzt. Ruckartig drehte Tamika den Kopf dem Geräusch zu.
Ein Typ, der größenmäßig den gesamten Türrahmen einnahm, kam rein. Er war in etwa Ende 30, Anfang 40. Sein Blick zuckte vom Bett neben der Tür (in dem, wie sie erst jetzt bemerkte, ein Junge lag) zu Tamikas und Gesas Betten.
Seinen Mund verzog sich zu einem Lächeln, das seine Vorderzähne entblößte. „Ihr seid ja schon wach“, kommentierte er mit warmer Stimme, „wie schön.“
Vor einer Weile hatte Seppl mit ein paar anderen Waisenkindern über die bereits veröffentlichten Angaben zum Aussehen des Entführers geredet. Der Fremde sah 1:1 so aus; groß, brünett mit Rotstich, längliches Gesicht. Er erinnerte sie vom Gesicht her an ein Eichhörnchen.
Mit nur wenigen Schritten durchquerte er den Raum, in dem insgesamt sechs Betten standen, von denen drei belegt waren: Tamicas, das zu ihrer Linken und das Bett, welches ihr schräg gegenüber, neben der Tür stand.
Der Fremde stellte sich neben Gesas Bett. Als wäre sie das schon gewohnt, streckte sie ihm nacheinander ihre Hände und Füße entgegen und er löste die Fesseln. Überrascht sah Tamika dem zu.
Gesa stand auf und verließ das Zimmer; er lief direkt hinter ihr her. Er sah aus wie ein Bodyguard, was Tamika ironisch fand, wenn man bedachte, dass er ihr Entführer war.
Gelassen verließen beide den Raum.
Gelassen. Tamika war alles andere als das. Sie zog und zerrte an ihren Fesseln und schrie gegen den Knebel an. Sie würde sich ganz sicher nicht so widerstandslos abführen lassen - wo auch immer er sie hinbrachte.
Ihr Blick fiel auf die Tür und wanderte von da aus weiter zu dem Typen im Bett daneben. Er war maximal 10 Jahre alt und versuchte genauso krampfhaft wie sie, gegen die Fesseln anzukommen. Tamika hatte ihn schon ein paar mal gesehen, ganz im Gegensatz zu ihrem Entführer. Dunkel erinnerte sie sich daran, dass Taro von einem neuen Vermisstenfall erzählt hatte - demzufolge musste er das sein. Wenn sie sich recht erinnerte, hieß er Tim Helmer.
Die Klospülung rauschte im Hintergrund und etwa ein Minute später brachte der Typ Gesa wieder rein.
Tamika richtete sich, so gut es, trotz Fesseln, ging, in ihrem Bett auf, um sie zu sehen. Zu ihrem Glück stellte sie fest, dass sie unversehrt schien. Gesa sah sie sogar an und lächelte ihr beruhigend zu (zumindest interpretierte sie es so).
Widerstandslos setzte sie sich aufs Bett und ließ sich wieder festbinden. Nur fesselte er sie dieses Mal so, das sie bequem sitzen konnte.
Der Mann drehte sich um, sah Tamika direkt ins Gesicht und lächelte. Er sah nicht gefährlich aus, auch nicht verrückt. Eher... freundlich?
„Tamika, richtig?“, erkundigte er sich. Seine Stimme war angenehm dunkel, sie erinnerte an ein prasselndes Kaminfeuer.
Zögerlich nickte sie.
Er setzte sich an ihre Seite.
„Ich erkläre dir am besten erstmal, wie das funktioniert: ich würde dich gerne wieder gehen lassen, aber ich kann nicht. Tim hier, schon, das verspreche ich. Aber du weißt schon jetzt einfach zu viel zu viel. Es tut mir wirklich leid.“ Er sah wirklich bedauernd auf sie drein.
Ihr Herz schlug schneller. Will er mich umbringen?
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, beruhigte er sie: „Oh keine Sorge, ich tue dir nichts. Gesa hier weiß auch zu viel und - wie du siehst - lebt sie immer noch. Ich habe auch kein Bedürfnis, das zu ändern, keine Sorge.“
Und wie sie sich sorgte. Was konnte sie schon auf das Wort eines Entführers geben?
„Ich werde dich jetzt erstmal losbinden“, informierte er sie, „versuch gar nicht erst, abzuhauen; ich bin größer, stärker und schneller. Wenn ich dich los mache, darfst du zur Toilette laufen, ich bin direkt hinter dir. Dort kannst du ganz normal dein Geschäft verrichten, ich bin ja nicht grausam. Ich muss mich nur darauf verlassen können, dass du nicht versuchst, zu rebellieren. Kann ich auf dich vertrauen?“
Natürlich nicht. Er war ein Fremder, der ihr soeben gesagt hatte, dass er plante, eins ihrer essentiellen Grundrechte dauerhaft wegzunehmen, nur weil sie zufällig über sein Haus gestolpert war? Wie vertrauenswürdig.
Trotzdem nickte sie brav.
Es lief genau ab, wie er es gesagt hatte: er befreite sie, zeigte ihr den Weg zur Toilette, brachte sie dorthin und ließ sie auf Toilette gehen.
Das einzig Merkwürdige war, dass er ihr dabei zusah. Es war ihr peinlich, wie sein Blick sie fokussierte. Er stand nur da, sein Blick nicht lüstern oder belustigt oder irgendetwas in der Art. Spätestens nach dem dritten Toilettengang wurde ihr klar, dass er nur verhindern wollte, dass sie flohen. Indem sie ihre Hände, wann immer er hinsah, einfach dahin tat, wo er sie sehen konnte, löste sich mit der Zeit dieses Problem.
Als er zurück kamem, fesselte er sie genauso wie er es mit Gesa getan hatte. Dasselbe Spielchen führte er mit Tim durch, nur brachte er ihn nicht zurück ins Zimmer. Als die Klospülung rauschte, verstrichen etwa drei Minuten, ehe er allein wieder ins Zimmer trat.
Geschockt sah Tamika zu Gesa, die auch etwas verdutzt guckte.
Der Mann schien ihren Blick bemerkt zu haben und kommentierte: „Keine Sorge, er ist bloß im Wohnzimmer. Ich möchte ihn bald wieder nach Hause lassen, aber das geht nur, wenn er von nichts weiß.“
Er schloss die Tür, dann ging er auf sie zu und löste ihren Knebel. Gesas ebenfalls. Lässig setzte er sich auf das Bett Tamika gegenüber.
„Du hast sicherlich viele Fragen und ich bin bereit, sie dir zu beantworten. Also, schieß los!“, ermutigte er sie.
Sie sah prüfend zu Gesa. War das eine Falle?, versuchte sie, mit ihren Augen zu fragen. Gesa zuckte mit den Schultern. Ob das eine Antwort oder ein Ich habe keine Ahnung, was du sagst war, wusste sie nicht.
Tamika beschloss, es zu wagen.
„Warum sind wir hier?“, wollte sie wissen.
Der Mann holte einen Tennisball unter einem der Betten hervor und drehte ihn in einer Hand.
„Der Sinn des Lebens ist ein interessantes Thema“, meinte er und begann, den Ball zwischen seinen Händen hin und her zu werfen.
„Willst du meine Meinung hören oder soll ich dir die häufigsten Glauben präsentieren?“ Er grinste.
„Ich verspreche auch, frei zu sprechen und viele Bilder zu benutzen.“
Ungläubig sah sie zu ihm. War das gerade sein Ernst?
Er hörte auf, den Ball hin und her zu werfen, aber er lachte auf.
„Ich weiß natürlich, was du meinst.“ Er räusperte sich, doch das Lächeln verschwand nicht aus seinem Gesicht, als er sagte: „Du bist hier, weil ich ein Kind opfern muss.“
Sie lachte, unsicher, ob das auch ein Witz war oder nicht. Sein Lächeln irritierte sie.
„Das ist kein Witz, Tamika“, meldete sich Gesa düster. Ihr Gesicht war so ernst, dass sie um Jahre gealtert zu sein schien.
Sich zurücklehnend, kommentierte der Fremde: „Wieso nicht? Das Leben ist ein Witz.“
Beide ignorierten ihn.
„Warum sind hier dann vier Kinder? Haben sie Dyskalkulie?“, hinterfragte Tamika stattdessen.
Der Fremde lachte erneut und zog die Brauen hoch, als freue er sich darauf, diese Frage zu beantworten. „Das ist einfach: ich suche eine reine Opfergabe, habe aber bisher noch keine gefunden. Vielleicht ist Tim hier ja passend. Dann opfere ich ihn, verschwinde und ihr zwei könnt gehen und in euer normales Leben zurückkehren.“ Er sah so fröhlich aus wie ein Kind, dass von seinem Hobby erzählte.
Tamika runzelte die Stirn, skeptisch. War das jetzt ein ein Witz oder keiner? Sie bekam hier äußerst gemischte Signale.
„Warum würden sie ein Kind opfern wollen?“, fragte sie daher.
Er seufzte, schien aber nicht genervt. Er klang eher wie Seppl nach einem langen Tag, da er die Kinder nie anschreien wollte.
„Das ist leider nicht so einfach. Vielleicht erkläre ich es dir ein andermal, aber nicht heute.“
Sie sah weg. Ein andermal... Wohl eher nicht.
„Noch Fragen?“
„Wer sind sie?“
Entsetzt riss er die Augen auf. „Habe ich mich denn noch gar nicht vorgestellt?“
Tamika schüttelte den Kopf.
„Kein Wunder, dass du mich siezt! Noch mal ganz von vorne: hallo, Tamika, freut mich, Dich kennenzulernen. Du kannst mich Graham nennen.“
Er stand auf, verbeugte sich scherzhaft und setzte sich wieder.
Sie verengte die Augen zu Schlitzen. Graham, Graham, Graham... nein, sie hatte noch nie gehört, dass jemand in Silberweiler von einem Graham sprach. Auch gesehen hatte sie diesen Typen in dieser Gegend (oder überhaupt) noch nie.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, bestätigte er: „Ich bin nicht von hier.“
„Woher dann?“
„Kommt ganz darauf an, was du hören willst. Geboren bin ich in München, eine Weile habe ich in der Nähe von Ulm gelebt und vor vielleicht zwei Monaten bin ich dort aus dem Gefängnis ausgebrochen. Bin dann etwas rumgereist - oder eher getrampt. Obwohl, an sich isf der Unterschied gering. Als Tramp kommt man viel rum, weißt du? Aber es war auch mühselig, sich jeden Abend One-Night-Stands zu holen, damit ich nicht auf einer Parkbank schlafen musste. Aber irgendwann habe ich diese liebliche kleine Hütte gefunden. Ich meine, sieh dich um: es ist einfach perfekt.“
Er breitete seine muskulösen Arme aus und sah sich um wie ein Kleinkind im Schnee am Weihnachtsmorgen.
Auch wenn er es wie nebenbei erwähnt hatte, war Tamika nicht entgangen, dass er vom Gefängnis gesprochen hatte. Es schien, dass sie nicht allzu viel zu verlieren hätte, wenn sie es ansprach, denn der Fremde schien nicht sonderlich intelligent oder schnell reizbar. Im Gegenteil: er schien offen und freundlich, wobei sie sich natürlich vorsah, ihm zu vertrauen.
Aber was war das Schlimmste was passieren sollte, wenn sie fragte? Der Tod? In den würde er sie vermutlich sowieso früher oder später reißen. Carpe diem, dachte sie sich daher und fragte.
„Wofür ich ins Gefängnis gekommen bin?“ Lächelnd verdrehte er die Augen.
Während er sprach, zählte er es an seinen Fingern ab: „Ach, für nichts. Entführung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Mord, Kannibalis- ... ich meine- ich sag ja, es ist nichts Erwähnenswertes.“ Er zuckte mit den Schultern, eine entspannte Mine im Gesicht.
Er begann, wieder den Tennisball hin und her zu werfen. „Davon mal abgesehen war ich in jedem Fall unschuldig.“
Es war klar, dass dieser Typ psychisch gestört oder (dauerhaft) auf Drogen war, so entspannt wie er darüber redete. Vielleicht auch beides, dachte sich Tamika.
Vielleicht ist das auch nur seine Art von Humor, fügte sie in Gedanken hinzu, Adrian würde sich mit ihm bestimmt glänzend verstehen...
Gequält lachte sie auf bei dem Gedanken an ihren (Ex-)Freund. Sie vermisste ihn. Warum hatte sie sich nur wegen des blöden Trips mit ihm gestritten? Was, wenn sie ihn nie wieder sah? Das Letzte, woran er sich erinnern würde, war, dass sie ihm nicht vergeben wollte. Würde er weinen? So wie sie ihn behandelt hatte, würde es sie auch nicht wundern, wenn er nicht einmal traurig wäre...
Sie schüttelte den Kopf; so durfte sie nicht denken. Sie musste überleben. Es könnte helfen, sich bei dem Entführer einzuschleimen, überlegte sie weiter. Hoffend, dass es wirklich ein Witz war, lobte sie daher: „Der war gut.“
Graham warf ihr einen Blick zu, der nicht lange genug in seinen Augen blieb, als dass sie ihn definieren könnte.
Super gemacht.
„Das waren viele Fragen“, sagte er nach etwa einer Minute Stille, „Gesa hat in ihrer ganzen Zeit hier nicht so viele Fragen gestellt.“
Er senkte den Kopf für etwa fünf Sekunden, sodass sie seinen Gesichtsausdruck nur schwer erkennen konnte. Als er ihn wieder hob, glitzerte so etwas wie Stolz in seinen Augen.
„Du bist neugierig und furchtlos, das gefällt mir.“ Graham nickte ihr ein anerkennend zu, dann stand er auf und verließ den Raum. Zurück ließ er die beiden Mädchen, eins von ihnen verwirrter und angsterfüllter denn je.
❆
Tamika hatte Zeit. Viel Zeit. In dem Zimmer, in dem sie und Gesa lagen, gab es keine Uhr, trotzdem fühlten sie, wie die Stunden dahin krochen.
Hin und wieder fragte sie sich, was wohl wäre, wenn einer von ihnen noch mal müsse oder etwas zu trinken brauchte, fragte aber nicht. Sie würde es ohnehin früher oder später rausfinden - denn es schien nicht, als würden sie in nächster Zeit hier wegkommen.
Irgendwann begann Gesa eine Konversation. Tamika war anfangs noch skeptisch, ob ihnen das überhaupt erlaubt war, wärmte aber irgendwann zu dem Gespräch auf. Vorsichtshalber sprach sie trotzdem leise.
Erst fragte Gesa, wie sie entführt worden sei und Tamika erzählte ihr, was passiert war. Sie hörte zu und registrierte, was sie sagte.
Anschließend berichtete Gesa, dass sie lange nicht mehr mit anderen gesprochen hatte. „Die meisten Leute lässt Graham wieder zurück“, erklärte sie, „ deshalb erlaubt er mir nicht, mit ihnen zu reden. Ich weiß schon zu viel, alsdass er mich wieder gehen lassen könnte. Und würde ich mit ihnen reden, könnte ich es ihnen verraten, was er natürlich nicht will.“
Gesa sprach es nicht aus, aber sie implizierte dadurch, dass sie es gut fand, dass sie hier genauso gefangen war wie sie.
Aber Tamika blieb verständnisvoll. Es musste schlimm sein, beinahe einen Monat lang mit so gut wie niemandem zu reden.
„Und was ist mit Elaisa? Warum weißt du Dinge die sie nicht weiß? Ist sie deshalb drüben?“
Daraufhin wandte sie sich von ihr ab. „Elaisa ist nicht drüben“, wisperte sie.
„Wo dann?“, wollte Tamika wissen.
Es wurde still im Zimmer.
Gespannt sie zu ihrer Mitwaisin herüber, die jedoch schwieg. Als etwa zwei Minuten vergangen waren, erwartete Tamika keine Antwort mehr. Wo auch immer sie war, Gesa wollte wohl nicht darüber reden.
Vielleicht war es besser, wenn sie nicht zu genau darüber nachdachte.
Wieder hingen beide ihren eigenen Gedanken nach, Zeit verging.
Wie viel, konnte keiner von ihnen sagen.
Vor Langeweile war Tamika fast schon eingenickt, als sich Gesa wieder meldete: „Sagtest du nicht, du bist mit dem Fahrrad hier?“
Überrascht sah sie auf und nickte.
„Und du warst ja schon öfter?“, drängte sie weiter.
Erneut nickte Tamika.
Gesa erstrahlte. „Wir könnten abhauen!“, wisperte sie aufgeregt,„wir müssen nur irgendwie nachts aus dem Haus kommen und dann dein Fahrrad finden!“
Tamika neigte den Kopf von ihr weg.„Was ist mit Tim und Elaisa?“
Gesa, eben noch voll Energie, sackte müde wieder in ihr Bett zurück.
„Oh. Tim habe ich ganz vergessen... Ach, wir kommen hier nie raus!“, ärgerte sie sich und schlug ihren Kopf gegen den Holzrahmen des Bettes. „Au“, wimmerte sie.
Plötzlich rutschte Tamika in ihrem Bett hin und her, nach einer aufrechteren Position suchend. „Nein, warte!“, ried sie aus, „ich habe eine Idee: dir beschreibe ich den Weg und du und Tim fahrt mit dem Fahrrad zurück nach Hause. Ich kann gut rennen und klettern- ich könnte einfach vor ihm wegklettern. Das könnte doch funktionieren, oder nicht?“
Gesa nickte; erst langsam und dann immer schneller.
„Ich denke, du hast recht“, freute sie sich. Sie setzte dazu an, noch mehr zu sagen, brach aber ab, da sich die Tür öffnete.
Augenblicklich verstummten beide und sahen zur Tür, in der Graham stand.
Aufmerksam sah er zwischen ihnen hin und her, kommentierte es aber nicht weiter. Kurz drehte er sich um und streckte sich, vermutlich, um Tim zu sehen.
Kühle Luft strömte unterdessen durch die offene Tür ins Zimmer, aber mit ihr auch ein angenehmer Duft nach... Spaghetti?
Graham drehte sich lächelnd zu ihnen zurück. „Ich hoffe, ihr habt Hunger“, verkündete er, „ denn es ist Essenszeit!“
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