❽ ⊱ • 「🎹」 • ⊰
➷ 𝟶𝟿. 𝙽𝚘𝚟𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛 𝟸𝟶𝟷𝟺
「 ⓟ🅞🅘ⓝⓣ 🅞🅕 ⓥⓘ🅔🅦:
𝐓𝐬𝐮𝐤𝐢𝐬𝐡𝐢𝐦𝐚 𝐊𝐞𝐢 」
✁- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Es ist todlangweilig. Ich würde fast sagen, es ist ätzend. Trotzdem bewege ich mich nicht von diesem Fenster weg, vor welchem ich sitze und still nach draußen schaue. Ich brauche ein wenig Zeit. Nein, so stimmt das auch nicht. Ich brauche viel, viel Zeit. Ich muss nachdenken und ich hasse es, dass ich das muss. Es ist erst zweieinhalb Monate her, seit Tadashi und ich den Tag am Bach verbracht haben. Nicht nur, dass dieser Tag ein irgendwie besonderer Tag für mich ist, weil es einer der wenigen Tage ist, an denen ich mal gute Laune hatte, ich wirklich einen schönen Tag hatte, trotz der damaligen Hitze. Denn dieser Tag war außerdem der Letzte, an dem er gelächelt hat. Ja, denn seit diesem Ereignis unten am Bach ist wieder irgendwas falsch. Es muss etwas passiert sein, aber ich weiß nicht, was. Er bekommt wieder mal, genauso wenig wie ich, den Mund nicht auf und ich habe das Gefühl, dass unsere Freundschaft darunter leidet. Natürlich tut sie das, wenn er ein scheinbar sehr schwerwiegendes Problem hat und er dazu aber nichts sagt. Ich sage ja nicht, dass das Problem nur bei ihm liegt. Ich frage ja auch nicht danach, also lebt er vielleicht mit dem Gewissen, dass ich nichts merke oder es mich nicht kümmert. Aber natürlich merke ich das! Und es macht mich wütend, weil ich wirklich ratlos bin. Es ist ungewohnt, weil es sonst immer eine Antwort gibt. Was soll ich denn machen? Natürlich, es gibt nur zwei Wege. Ich warte, bis er was sagt und wenn nicht, dann halt nicht. Also so wie beim letzten Mal, schließlich hat es da auch geklappt und es hat sich alles wieder eingekriegt. Aber andererseits kann es auch kein Dauerzustand sein, dass mal alles gut ist und mal nicht und er alles für sich behält. Also bleibt mir nur der zweite Weg, und das wäre, mit ihm darüber zu reden. Ihn von mir aus anzusprechen und zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Mittlerweile würde ich es auch vorziehen, diese Methode zu nehmen. Dann springe ich halt über meinen Schatten und dann ist halt alles wieder gut und wenn nicht, muss ich halt eben Beihilfe leisten. Der Unterschied zu dem Mal von vor zwei Jahren ist, dass ich langsam immer mehr begreife, wie wichtig es ist, dass Yamaguchi bei mir ist und dass ich ihn als Freund habe. Es wird mir immer wichtiger, dass es ihm gut geht und all das hat mir nur die Zeit bewiesen, die wir miteinander verbracht haben. Ist ja auch klar, dass man sich näher kommt, je länger man sich kennt. Er ist mein bester Freund, er weiß alles über mich und hätte niemals solche Beklemmungen gehabt, mich zu fragen, ob es mir auch wirklich so gut geht, wie ich vorgebe. Ich vertraue ihm blind. Er ist der einzige Mensch, der nicht zu meiner Familie gehört, den ich wirklich leiden kann und ich schaffe es nicht, dass er offen mit mir spricht, dass er mir sein scheinbar größtes Geheimnis nicht anvertrauen mag, obwohl er all meine kennt. Natürlich würde ich ihm nichts von dem auch ins Gesicht sagen, geschweigedenn es laut sagen oder deswegen emotional werden. Aber es wäre ein Anfang, wenn er zumindest mal weiß, dass er gefälligst den Mund aufmachen soll, statt alles in sich reinzufressen und dicht zu machen. Und deshalb überlege ich, wie ich das anstellen soll. Es ist Sonntag, etwa siebzehn Uhr, für heute waren wir nicht verabredet. Generell haben wir uns verhältnismäßig wenig gesehen. Mein Geburtstag dürfte das letzte Mal gewesen sein, dass wir uns außerhalb der Schule oder des Trainings gesehen haben. Klar, wir sind immer noch in den Pausen zusammen und gehen auch gemeinsam nach Hause. Aber trotzdem treffen wir uns nach der Schule nicht mehr. Nicht, um für die letzten Prüfungen zu lernen, da er behauptet hat, er kann alles. Das ist auch wahr, er ist fast so gut wie ich geworden. Also habe ich da Nachsicht gehabt. Aber wir haben uns auch nicht mehr so getroffen, immer hatte er irgendwas zu tun. Entweder waren es die neuen Songs, die noch nicht fertig waren oder Probleme mit der Geldüberweisung oder er musste sich um sonst was kümmern. Aber jetzt reicht mir das langsam. Es sind alles Ausreden und Lügen. Ich weiß, dass es schon ein wenig spät ist, aber das ist mir egal. Langsam muss ich was tun und ich will nicht warten, bis er morgen nach der Schule wieder eine neue Ausrede hat. Außerdem hat er ja morgen sowieso Geburtstag, da wäre auch keine Zeit dazu. Dann muss es noch heute passieren. Ich bewege mich nun das erste Mal seit einer Stunde und hole mein Handy zu mir. Ich suche seinen Kontakt und wähle ihn an, dann schreibe ich ihm eine Nachricht.
< Hey, was machst du? >
Es dauert auch nicht lange, bis er darauf antwortet.
< Hey, Tsukki! Ich mache nicht viel, wieso fragst du? >
"Nicht viel". Das heißt, er tut nichts. Er sagt das nur, weil er nicht sicher ist, was ich von ihm möchte.
< Tadashi.
Ich weiß, dass du nicht beschäftigt bist. Und ich weiß auch, dass irgendwas nicht mit dir stimmt. Ignorier diese Nachricht bitte nicht und sag mir die Wahrheit. Bist du zuhause? >
< Ja, ich bin zuhause. >
< Gut. Dann triff mich an der Brücke am Bach. Keine Widerrede. Wir müssen reden. >
Dann schalte ich das Handy aus und gehe nicht mehr daran. Ich spiele ein bisschen mit ihm. Wenn ich nicht mehr antworte, hat er ja keine Wahl als zu kommen, genauso stumpf zu sein wie ich und dann einfach trotzdem nicht zu kommen, sehe ihm gar nicht ähnlich. Also stehe ich endlich auf, strecke mich richtig und mache mich dann daran, mir zumindest richtige Socken statt den Wollsocken anzuziehen, wenn ich schon die Jogginghose anlasse. Außerdem komme ich mit so dicken Socken eh nicht in meine Schuhe. Dann gehe ich die Treppe runter, sage noch kurz meinen Eltern Bescheid, dass ich mir die Beine vertreten gehe und werfe mir noch fix eine Jacke über.
So, und jetzt heißt es wieder nachdenken. So eine Art von Gespräch ist mein Erstes dieser Art. Ich habe keine Ahnung, wie das von Statten gehen soll. Das Wetter ist irgendwie bedrückend. Es ist nebelig, kalt und der Himmel ist grau, wirkt, als würde er immer tiefer sinken. Die Laternen leuchten schon, aber die meisten sind kaputt und flackern. Das nervt eher, als dass es hilfreich ist und wenn ich es könnte, würde ich sie lieber ganz ausreißen, wenn ich es nicht vorher schaffe, sie zu reparieren. Wegen des verfluchten Nebels kann ich nicht sehen, wie weit es noch bis zur Brücke ist. Aber ich höre den Bach fließen und das leise Surren des geladenen Drahtzaunes, der in der Nähe steht und manchmal ein paar Pferde in sich beherbergt. Schließlich komme ich aber an der Brücke an und bemerke, dass Yamaguchi noch nicht da ist. Dabei habe ich es viel weiter als er. Na ja, noch kann ich warten. Es ist zwar ziemlich kalt und es wird auch immer dunkler, aber noch ist es auszuhalten. Meine Hände zittern wieder mal vor Kälte und ich stecke sie tiefer in meine Tasche, aber das hilft nicht. Meine Güte, wo bleibt der Junge? Zieht er doch diese Nummer ab und bleibt aus Trotz zuhause? Nein, das würde Tadashi niemals abziehen, vor allem nicht bei mir. Also ziehe ich irgendwann mein Handy aus der Tasche und schaue, ob er abgesagt hat.
Tatsächlich hat er das nicht, aber eine Zusage kam auch nicht. Ich tippe langsam eine Nachricht, meine Finger sind fast taub vor Kälte, ich frage ihn, ob er kommt, weil ich hier gerade zu einer Statur gefriere und nur für ihn da bin. Gerade, als ich sie abschicken möchte, steht eine dunkle Gestalt in der Nähe, welche ich nur mit dem Augenwinkel betrachte. Sie tritt nun näher und ich erkenne immer mehr, bis der Schal sie verrät. Da ist er ja endlich.
Ich stecke das Handy weg und sehe ihm entgegen. Showtime.
Am besten beginne ich wohl mit einer Begrüßung. Lockerer Einstieg und dann knallhart dranbleiben.
"Hey."
"Guten Abend. Du wolltest reden?"
Seine Stimme klingt tiefer. Aber nicht, weil er einen zweiten Stimmbruch durchwandeln musste, sondern klingt seine Stimme so traurig tief, so leer eben, als würde er ohne jegliches Gefühl dabei reden.
"Na ja, so ähnlich. Ich will, dass du redest. Du, nicht ich. Irgendwas ist los und ich merke es. Und ich hasse es, wenn du nicht ehrlich bist, also erzähle jetzt keinen Mist. Dafür habe ich dich nicht hergerufen. Ich möchte ein ehrliches Gespräch und klare Antworten. Ich tue das für dich, nicht für mich, also missbrauche meine Empathie nicht und spiel nicht mit mir. Sei einfach ehrlich. Wenn du Hilfe brauchst, finden wir auch gemeinsam eine Lösung, aber es kann nichts passieren, wenn du die Zähne nicht auseinander kriegst. Also erzähl mir alles, das von vor zwei Jahren und das von jetzt, einfach alles, das du langsam loswerden musst."
War das gut? Macht man das so?
Er schaut für einen kurzen Moment überrascht aus. Klar, von mir erwartet man das nicht. Dann lehnt er sich mit den Armen auf die Brücke und schaut einfach runter, ich tue es ihm gleich. Es ist das selbe Szenario wir vor exakt zwei Jahren, bloß mit viel beschissenerem Wetter.
Er seufzt melancholisch und schweigt weiterhin. Ich überlege, ob ich mich nochmal klarer ausdrücken soll, aber ich sollte ihm wohl Zeit geben. Da kommt noch was, rede ich mir ein. Und das tut es auch.
"Es sind... Viele Dinge auf einmal. Ein paar davon sind wichtig, andere nicht, aber alles trägt einen Teil zu meinem Zustand bei. Ich weiß nicht, was davon ich sagen sollte und... Es ist nicht so, dass ich den ganzen Tag darüber nachdenke, also habe ich mir meine Worte nicht zurecht gelegt und ich brauche Zeit, um nachdenken zu können, wie ich was sagen will."
"Das ist schon okay. Dann hast du ja jetzt Zeit dazu. Ich gebe sie dir, dafür sind wir hier."
Es bleibt eine Weile still, man merkt, dass er noch eine Weile überlegen muss.
"Vielleicht fängst du erstmal mit dem an, was vor zwei Jahren war. Vielleicht ist das einfacher, weil es schon vorbei ist.", rate ich ihm.
"Das ist ja das Problem. Es hängt alles miteinander zusammen. Nichts ist vorbei. Aber vielleicht hast du Recht und ich sollte dort anfangen."
Er wendet seinen Blick wieder ab und starrt ins Wasser hinab.
"Vor zwei Jahren, da war es ja so, dass ich bei dir übernachtet habe. Ich habe damals einen Anruf von meinem Vater bekommen und er hat mir erzählt, dass meine Mutter ihren zweiten Schlaganfall hatte und ins Krankenhaus kam. Deshalb bin ich am nächsten Tag gegangen, um sie im Krankenhaus zu besuchen. Und deshalb habe ich an meinem Geburtstag auch nicht mit dir gefeiert, sondern war mit meinem Vater bei ihr im Krankenhaus. Ich habe gelogen, ich bin nicht zu Verwandten gefahren. Tut mir Leid."
Ach, so war das also...
"Ich verstehe... Und weiter?"
"Und an dem Tag am Bach, als ich nach Hause kam, da waren sie beide nicht da. Da habe ich erfahren, dass es das dritte Mal passiert ist."
"Drei Schlaganfälle? Wie kommt es dazu?"
"Ich weiß es nicht. Nach jedem der Schlaganfälle war sie eine Zeit im Krankenhaus, aber es wurde nichts gefunden. Beim ersten Mal hat sie sich selbst entlassen, ich war zu jung, um so lange allein zu bleiben. Beim zweiten Mal wurde sie zwar erst nach sehr langer Zeit wieder entlassen, aber sie haben wieder nichts gefunden und haben sie mit Misstrauen nach Hause geschickt, unter der Bedingung, dass sie bei der kleinsten Kleinigkeit wiederkommt. Anderthalb Jahre lang ist nichts passiert. Bis eben zu diesem Tag am Bach. Seit dem liegt sie wieder im Krankenhaus, mit dem Unterschied, dass sie diesmal nicht entlassen wird, bis etwas gefunden wird. Und sie haben die Ursache jetzt auch gefunden."
Untypisch, dass eine junge Frau drei Schlaganfälle erleidet, aber absolut nichts gefunden wird. Jetzt interessiert es mich aber, was sie herausgefunden haben.
"Und?"
"Meine Mutter hat über Jahre einen Tumor gehabt, der nicht entdeckt wurde. Es gab schließlich auch kaum weitere, auffällige Anzeichen und die Ärzte haben deshalb immer in Betracht gezogen, dass es sich vielleicht um einen Herzfehler handelt. Aber das hat es nicht. Sie haben ihn gefunden, aber..."
"Aber?"
"Aber es ist zu spät. Der Tumor hat gestreut, Kei. Mittlerweile sind immer weitere Organe betroffen worden und man kann ihr nicht mehr helfen."
Das trifft selbst mich wie ein Messer im Herzen. Ich erschrecke mich, als ich diese Worte höre. Vorallem aber weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll. 'Wird schon wieder" und 'Das ist ja blöd' sagt man in so einer Situation eben nicht. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber doch nicht mit sowas. Darauf bin ich jetzt gar nicht vorbereitet.
"Das tut mir wirklich Leid.", ist alles, das mir dazu einfällt. Ich weiß aber nicht, wie ich jetzt helfen kann. Egal was ich tue, es würde nichts besser machen, weil ich nicht das verändern kann, dass ihn so zerstört. Ich kann nur hier stehen und hoffen, dass diese unangenehme Stille bald auffhört.
"Tut mir Leid, dass ich so grob zu dir war oder nicht früher gefragt habe. Das hast du nicht gebraucht..."
"Schon okay. Woher hättest du es wissen sollen? Ich hätte es dir auch sagen können."
"War es das, was du damals am Strand meintest?"
"Am Strand? Was meinst du?"
"Du hast gesagt: 'Wenn ich dir mal eines Tages etwas erzählen sollte, wozu ich jetzt noch nicht bereit bin..' War es das, was du mir nicht erzählt hast?"
Jetzt ist es ganz still, als hätte ich das verbotene Thema angesprochen.
"...Nein."
Es war also doch noch nicht alles.
"Dann raus damit. Wenn ich schon hier bin, dann möchte ich auch alles wissen."
Yamaguchi seufzt, dann sieht er wieder weg.
"Tsukki... Das ist das Thema, das ich am wenigsten ansprechen kann. Ich weiß nicht, ob ich darüber reden kann."
"Schwachsinn. Du stehst hier vor deinem besten Freund und es wäre mir neu, wenn es jemanden gäbe, dem du mehr vertraust. Also sprich. Lass einmal alles raus. Du wirst schon merken, dass sich das gut anfühlt. Egal, was es ist, du musst mit mir reden."
Ich weiß noch immer nicht, wie ich mich halte und ich weiß auch nicht, ob es die beste Idee war, ihn zu zwingen. Es fällt mir so schwer, diese Worte auszusprechen, aber ich muss mich wohl dieses eine mal überwinden.
"Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Vielleicht sollte ich es umschreiben. Stell dir vor, dass-"
"Nein! Du sollst es nicht umschreiben, sag es mir! Hör auf, in Rätseln zu sprechen, ich will nicht erraten, was dein Problem ist. Sag es einfach."
Wieder setzt er neu an. Ich sehe ihm an, wie unwohl er sich fühlt und dass ich ihn da in etwas dränge, wozu er nicht bereit ist und was er gar nicht will. Aber ich muss Druck aufbauen. Bei allen anderen hat das so auch immer funktioniert.
"Also... ich... Ach, verdammt, ich krieg's nicht hin."
"Jetzt reiß dich zusammen! Du verhälst dich erbärmlich. Du bist derjenige, der mich zurechtweisen sollte, mir beibringen sollte, wie man sich richtig verhält, stattdessen muss ich dich dazu zwingen, mit mir zu reden. Ich kriege jahrelang den Mund nicht auf und gebe dir das Gefühl, dass du mir egal bist und dann will ich dir helfen, und du kriegst die Zähne nicht auseinander."
Ich atme aus. Ich muss meine Kälte bewahren und darf jetzt nicht emotional werden. Vielleicht versuche ich es nochmal ruhiger.
"Ich habe mir die Zeit genommen, um für dich Sorgenfresser zu spielen und habe dir all die Zeit gegeben, um mit mir zu sprechen, also bitte, sag es mir. Das ist vielleicht deine einzige Chance, denn du weißt, dass ich sonst niemals wieder so drauf sein werde, wie jetzt. Nutz es doch bitte auch."
"Na gut, du hast ja Recht. Ich sage es dir ja. Also... Wo fange ich an? Ich habe den gesamten Anfang meines Lebens allein verbracht, bis du in mein Leben getreten bist. Ich kannte nie etwas wie Freundschaft und Akzeptanz, was damals mein erster nicht materieller Wunsch war, war einfach nur jemand, der für mich da ist, wie jeder Andere auch so jemanden hatte. Ich hatte niemanden, du hattest niemanden und wir haben uns perfekt ergänzt. Wir haben Jahre miteinander verbracht und du warst immer der, der mich irgendwie zu dem gemacht hat, der ich bin und der, der mir Hoffnung gegeben hat, einfach nur, weil du existiert hast und dich immer mit mir abgegeben hast, die anderen aber links liegen gelassen hast. Und irgendwann habe ich gemerkt, wie mir das immer und immer mehr bedeutet hat. Dass ich nicht mehr brauchte, als dich, dass ich wunschlos glücklich war, soweit du in meinem Leben warst und mir meinen Wunsch von früher erfüllt hast, zu jeder Zeit, selbst wenn du es nicht ausgesprochen hast. Anfangs war es mir immer egal, in welcher Beziehung wir zueinander stehen und ich wollte einfach nur jemanden, der mich akzeptiert. Bis ich gemerkt habe, dass ich mir... Mehr als nur eine Freundschaft wünsche. Ich wollte Liebe von jemandem, der mir wichtig war und... Fing an, mich in den zu verlieben, der mir dieses Gefühl schon all die Zeit über vermittelt hat. Was ich wollte, war deine Aufmerksamkeit, dein Lob, deine Freundschaft und vorallem, deine Liebe. Ich wollte das von niemand anderem als von dir. Und das trage ich schon so lange mit mir rum, dass es weh tut. Weil ich immer wusste, dass ich es jederzeit zerstören könnte, diesen Frieden, den ich schon hatte. Ich hatte solche Angst vor dem Tag, an dem ich es laut ausspreche und das Wenige, das mir noch bleibt, dadurch zerstöre."
Das muss ich erst einmal schlucken. Von jedem erdenklichen Szenario ist das hier jenes, welches mir nicht in tausend Jahren in den Kopf gekommen wäre. Wie reagiert man auf sowas? Klar, ich muss antworten und etwas dazu sagen. Aber mein Kopf ist leer. Ich habe ihn dazu gezwungen, etwas zu sagen, wozu er nicht bereit ist und jetzt bin ich der, der nicht bereit für eine Antwort ist. Meine Antwort ist dabei eigentlich klar. Ich habe noch nie darüber nachgedacht. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass unsere Freundschaft überhaupt in eine andere Richtung gehen könnte. Ja, die Antwort ist dann doch klar. Ich liebe ihn nicht. Er konnte mir einen gesamten Roman erzählen, aber ich habe nicht bei einer Aussage eine Regung in mir gespürt. Ich fühle mich vielleicht ein wenig geschmeichelt, was ich niemals zugeben würde, und bin davon hin und weg, dass er sowas sagen kann, auch wenn ich ihn eher dazu gezwungen habe, aber... Ich fühle nicht das selbe. Und ich glaube auch nicht daran, dass das jetzt wirklich so ernst gemeint war. Nein, ich glaube nicht an diese Art von Gefühlen. Es hat niemals meinerseits solche Gefühle gegeben. Er muss sich täuschen. Er verwechselt Liebe mit Freundschaft. Verdammt, das ist lächerlich. Es ist Mist, den er da erzählt.
"Das ist ein schlechter Scherz. Du weißt, dass ich das nicht erwidere, also mach keine Witze."
Oh-oh. Schon allein an seinem Gesichtsausdruck kann ich sehen, was ich mit diesen beiden Sätzen in ihm ausgelöst habe.
"Also... Nein. Tadashi, im Ernst. So etwas wie Romantik existiert nicht zwischen uns."
Auf einmal werde ich irgendwie... Ich weiß nicht, ich will diese unangenehme Situation so schnell aus der Welt schaffen, dass ich immer hektischer und unbedachter werde und auf Konfrontation gehe.
"Sieh dich an. Du bist durch und durch ein Mitläufer und hast dich immerzu an mich angepasst, es gibt kein 'wir zwei ergänzen uns'. Diese Gefühle sind nichts als Bewunderung und allerhöchstens Freundschaft, Yamaguchi. So etwas wie Liebe kann und werde ich dir niemals geben, verstehst du?"
Es fällt eine Schneeflocke. Immer mehr folgen darauf und landen auf meinen Brillengläsern. Ich kann hier nicht mehr stehen bleiben. Ich bin zu durcheinander, zu verwirrt und kann nicht länger in dieses tief verletzte Gesicht sehen. In diese glasigen Augen, aus denen in wenigen Sekunden Tränen ausbrechen werden.
"Lebewohl. Das ist mein letztes Wort."
Dann verlasse ich die Brücke am Bach, an der wir so viele Erinnerungen teilen, genauso, wie wir auch diese letzte miteinander teilen. Er bleibt allein zurück, mit all dem Gewicht, das nun auf seinen schmalen Schultern lastet.
✁- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
「 ⓟ🅞🅘ⓝⓣ 🅞🅕 ⓥⓘ🅔🅦:
𝐘𝐚𝐦𝐚𝐠𝐮𝐜𝐡𝐢 𝐓𝐚𝐝𝐚𝐬𝐡𝐢 」
✁- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Durch den dichten Nebel und das Schneegestöber kann ich ihm nicht lange hinterhersehen, also kann ich nur schätzen, ab wann er mich nicht mehr hören würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit lasse ich langsam eine einzelne Träne aus meinem Auge rollen. Darauf folgen dann immer weitere, bis ich mich nach vorne auf die Knie fallen lasse, meine Hände vors Gesicht halte und lautlos alles laufen lasse. Und genau deshalb wollte ich es ihm niemals sagen. Genau deshalb habe ich so gezögert. Ich hätte auf ihn hören sollen, als er mir sagte, wie klar es doch sei, dass dünnes Eis einbricht. Hätte ich es doch einfach gelassen. Dann wäre mir dieser Stich, der tief in meinem Herzen steckt, erspart geblieben. Ich hätte weitere Jahre mit Tsukki als meinen besten Freund verbringen können. Jetzt bleibt mir nicht einmal mehr das. Ich habe so viele Fehler gemacht. Ich habe mir selbst alles kaputt gemacht und das letzte zerstört, worauf ich eine Garantie hatte. Wieso habe ich die Zeit zum denken nicht genutzt, um mir eine Lüge auszudenken, wenn er schon nicht locker ließ? Jetzt habe ich mir wohl alles verdorben. Es ist vorbei. Es hat an diesem Ort geendet, an dem Ort, an dem ich so viele Erinnerungen mit ihm teile. Als wäre es ein Abschluss, die Abrechnung mit diesem Ort. Also genauso, wie er sich ausgedrückt hat.
"Lebewohl. Das ist mein letztes Wort."
Diese Worte werden wohl noch für die nächsten Jahre in meinem Kopf fest stecken.
Ich möchte nicht wahrhaben, dass es das jetzt gewesen sein soll. Aber das ist es wohl. Ich habe das Ende der Route wohl erreicht. Ich erinnere mich an den Tag zurück. Der Tag, an dem ich 16 wurde und ich die Geburtstagskerze ausgeblasen habe. Ich habe mir gewünscht, dass Tsukki mich sieht. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass er mich liebt. Doch er hat mich niemals als das gesehen, das ich für ihn sein wollte. Ich habe mir damals nicht einmal eine Besserung für meine Mutter gewünscht. Und nun soll mir wohl beides verwehrt bleiben.
Schlimmer könnte es wohl nicht gelaufen sein. Das denke ich, zumindest, bis ich einen Anruf erhalte.
"Tadashi, Mama hat es nicht geschafft."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top