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➷ 𝟶𝟿. 𝙽𝚘𝚟𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛 𝟸𝟶𝟷𝟸
「 ⓟ🅞🅘ⓝⓣ 🅞🅕 ⓥⓘ🅔🅦:
𝐓𝐬𝐮𝐤𝐢𝐬𝐡𝐢𝐦𝐚 𝐊𝐞𝐢 」
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Seit diesem Vorfall sind nun schon drei Wochen vergangen. Yamaguchi kommt wieder in die Schule, aber wir haben nicht darüber gesprochen, was da eigentlich am Freitagabend und Samstag war. Ich kämpfe ein wenig mit mir selbst, will das Thema eigentlich endlich abschließen, schließlich ist das schon eine Weile her und überhaupt, alles wirkt so, als gäbe es keinen Grund mehr dazu, noch einen Gedanken daran zu verschwenden. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es doch noch nicht vorbei ist. Nicht nur mein Gefühl, auch meine Beobachtungsgabe. Wenn man nicht nachdenkt und Yamaguchi nicht so gut kennt wie einen Film, den man zwanzig Mal schon gesehen hat, würde Einem da auch nichts auffallen. Generell achtet doch sowieso niemand auf niemanden, also fällt so etwas in unserer Gesellschaft eh schon viel schwieriger. Er verhält sich wie immer und alles ist normal, es gibt keine Veränderungen seit den letzten Wochen. Ich glaube auch teilweise, dass sein Lächeln nicht immer bloß aufgesetzt ist. Aber ich merke, dass etwas immer noch nicht stimmt. Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, aber es muss einen guten Grund dafür geben, dass Tadashi nicht mehr summt oder singt, wenn wir unter uns sind, im Unterricht sitzt er still da, schreibt mit und hampelt nicht, normalerweise spielt er mit Fingern und Stiften immer leise irgendeinen Rhythmus, indem er auf den Tisch schlägt, Mitschreiben ist da meist nicht. Dafür gebe ich ihm meistens meine Mitschriften mit, die er sich dann abschreibt. Wieso ich das noch mache, ist mir allerdings ein Rätsel. Ist ja eigentlich seine Schuld, wenn er nicht mitschreibt. Aber ich will mal Milde walten lassen, immerhin weiß ich, dass er gewiss nicht dumm ist und das auch so irgendwie schafft. Er scheint ja mittlerweile sogar in Englisch die Kurve zu kriegen. Mein Blick gleitet wieder zur Fensterseite, wo er sitzt. Ich sitze eher mittig im Klassenraum. Ich mag diese neue Sitzordnung nicht. Ich hasse es, hier zu sitzen. Von hier aus kann jeder von überall zu mir rübersehen und ich werde nie das Gefühl los, dass mich alle anstarren. Ich bin nicht wirklich schüchtern, daran liegt es nicht, dass es mich stört. Das Problem liegt darin, dass es mich einfach nervt. Es gibt keinen Grund, mich anzusehen. Vielleicht würde auch mal ein Funken Wissen in ihr Gehirn fließen, wenn sie endlich aufhören würden mit dem Mist und den Blick nach vorne richten würden. Yamaguchi hat einen guten Sitzplatz, er ist unauffällig und deshalb bemerkt ihn auch niemand. Beispielsweise folgt er gerade auch dem Unterricht nicht, er schaut aus dem Fenster. Ich frage mich, was er denkt. Früher war er immer so durchschaubar, ich habe ihn gesehen, egal ob von hinten oder direkt in seine Augen, ich konnte sofort seine Stimmung und ungefähr seine Gedanken einschätzen. Jetzt gerade könnte alles Mögliche sein. Seinen Gesichtsausdruck sehe ich nicht, da er aus dem Fenster schaut. Erst jetzt fällt mir auf, was er sich da überhaupt ansieht. Es hat begonnen, zu schneien. Komisch, Anfang November ist doch ein wenig zu früh? Aber es hat schon die ganze Nacht geschneit. Heute Morgen war kurz Pause, aber es scheint, wieder losgegangen zu sein. Ich mag keinen Schnee. Es ist kalt und zur Winterzeit werden alle so anhänglich, zeigen plötzlich immer mehr Liebe, ich hasse das. Das ist alles bloß Heuchlerei, im Winter ist tendenziell alles so wie immer und es gibt keinen Grund, plötzlich so zu sein. Training nervt noch mehr, weil man mit zugefrorenen Fingern nichts machen kann und wir außerdem in langen Klamotten rumrennen müssen. Mir wird viel zu schnell warm und ich schwitze meist mehr im Winter als im Sommer. Aber ich mag auch den Sommer nicht. Der Herbst ist am besten, viel Regen hält die Leute im Haus, es ist nicht zu warm und nicht zu kalt. Das Einzige, das ich am Schnee mag, ist, dass alles so rutschig ist und ich mich über alle lustig machen kann, die sich auf die Schnauze legen. Das ist so ziemlich meine Hauptbeschäftigung im Winter. Kaum zu glauben, dass dafür Tadashi den Winter so mag. Er hat Schnee schon immer gern gemocht, obwohl er meist derjenige ist, den ich am meisten auslache, wenn er hinfällt. Ich weiß nicht, was er am Schnee so findet und wie er so lange nach draußen starren kann, nur um zu sehen, wie etwas weißes vom Himmel auf die Erde fällt. Ein Wunder, dass niemand ihn ermahnt. Hoffentlich bleibt der Schnee nicht liegen. Ich wende meinen Blick nun von ihm ab. Ich kann ihn gerade nicht durchschauen und ich will ihn nicht grundlos anstarren. Immerhin dauert es nicht lange, bis der Unterricht schließlich vorbei ist. Die meisten packen ihre Sachen sofort ein und machen sich auf den Weg zu ihren Clubräumen oder nach Hause, eine Clubmitgliedschaft ist an unserer Schule ja ausnahmsweise keine Pflicht. Nach und nach gehen alle raus, also packe auch ich langsam meine Sachen. Tadashi regt sich immer noch nicht, also stehe ich mit meiner Tasche auf und stelle mich vor seinen Tisch. Ich muss nicht einmal etwas sagen, sein Blick richtet sich von allein zu mir. Er erschreckt leicht, als er mein Gesicht dann aber erkennt, lächelt er und sieht erleichtert aus. Er packt schlussendlich auch und wir verlassen gemeinsam das Klassenzimmer. Ich könnte schon jemandem den Hals umdrehen, wenn ich jetzt daran denke, mich mit meinen eisigen Fingern umzuziehen, weil ich mich jedesmal erschrecken werde, sobald ich mich selbst versehentlich berühre und es schaudert mich jetzt schon vor den Gefühl, wenn wir uns gleich beim Warmmachen die Bälle zuspielen, dann meine Finger auftauen und es sich anfühlt, als würden tausend Nadeln in meine Finger eindringen. Am besten ist wohl, es schnellstens hinter mich zu bringen, also stecke ich meine Hände in meine Taschen, um sie schonmal ein wenig zu wärmen. Ich wünschte, wir hätten sowas wie Heizungen in unserem Klassenraum, dann hätte ich diese so einfach vermeidbaren Probleme nicht. Ich beschwere mich den ganzen Flur lang darüber, Tadashi hat Glück, seine Hände sind immer schön warm. Als Yamaguchi die Tür zur Treppe aufschiebt, will ich gerade durchgehen, als Kageyama und Hinata durch die Tür rennen, beziehungsweise, sie zwängen sich eher zu zweit dadurch. Ich rolle mit den Augen, auch die noch. Als die Beiden bemerken, dass ich und Yamaguchi hier stehen, macht Hinata halt und hält Kageyama fest. Der brummt sofort wütend und weist ihn daraufhin, dass seine Hände kalt sind und er ihn nicht anfassen soll. Gerade diese Aussage bringt ihn natürlich dazu, nur noch weiter zu machen und provokativ seine Hände auf die Orte zu legen, wo Kageyama Haut zeigt, sodass Kageyama kurzerhand Hinatas Hände in seine nimmt und sie so fest und lange drückt, dass sie innerhalb kürzester Zeit warm werden sollten. So hat er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, ganz so blöd ist er ja doch nicht. Yamaguchi sieht dem Ganzen belustigt zu, doch dann blickt er zu meinen Händen und sieht mich fragend an. Er hat doch wohl nicht vor, meine Hände aufwärmen zu wollen, oder?
"Wag es dich ja nicht.", warne ich ihn und stecke meine Hände nur noch tiefer in die Taschen. Er lacht nur, ich weiß nicht, ob es ein "Oho-ich-bin-ja-so-witzig"-Lachen oder ein peinlich berühmtes Lachen war.
"Dann lass deine Finger eben weiter einfrieren", antwortet er darauf und zieht daraufhin belustigt an mir vorbei, ist jetzt gleichauf mit Kageyama und Hinata. Ich rolle mit den Augen und ziehe einfach hinterher. Ich denke gar nicht daran, mich in eine Reihe mit denen zu stellen und wie eine Mädchenclique in der Innenstadt rumzurennen. Am besten haken wir uns noch ein, kaufen uns Partnerklamotten, flechten uns Zöpfchen und lästern über die Chicks und fangirlen über die Boys. Nein danke, ohne mich. Schließlich sind wir draußen und ich muss mit Bedauern feststellen, dass der Schnee liegen bleibt. Als könnte das eiskalte Puder auf dem Boden mir etwas antun, trete ich lieber in die Fußstapfen der anderen, da ich weiß, dass es dort dann nicht rutschig ist. Das erweist sich als überaus schlau, da es nicht lange dauert, bis Hinata das erste Mal ausrutscht. Nicht nur Hinata, Yamaguchi ist hilfsbereit und will ihn an der Schulter zurückhalten, er wird sofort mitgerissen. Während Kageyama ausdruckslos da steht, konzentriert nach unten zu ihnen sieht und seine letzte Gehirnzelle sich wohl gerade fragt, was er dazu noch sagen soll, Hinata und Yamaguchi bedröppelt im Schnee liegen und umstehende Schüler erschrocken zu uns sehen, breche ich in Gelächter aus. Zuerst ist es nur leise, aber je öfter ich zwischen diesen drei unbeschreiblichen Gesichtsausdrücken hin- und her schaue, desto mehr muss ich darüber lachen. Ich weiß nicht, was das ist, vielleicht eine Mischung aus Schadenfreude und den in mir glückliche Gefühle auslösenden Rückblicken an ihre Gesichter, während es passiert ist und nachdem es passiert ist, vielleicht sowas in die Richtung, aber Mitleid habe ich nicht. Doch, vielleicht für Yamaguchi, aber ich kann mein Gelächter trotzdem nicht zurückhalten. Als ich mich wieder einkriege, kann ich mich zumindest dazu überreden, Yamaguchi meine Hand hinzuhalten, um ihm wieder hoch zu helfen. Hinata kann da meinetwegen ruhig sitzen bleiben. Als Yamaguchi wieder auf zwei Beinen steht, meckert Hinata sofort los und verlangt, dass man ihm auch hochhilft. Schließlich fasst sich seine Hoheit ein Herz und hilft seinem Untergebenem aus der Kälte.
"Danke, Tsukki.", flüstert Tadashi, bevor er sich wieder an die Kette klickt und ich hinterher ziehe. Ich umgehe natürlich die rutschige Stelle, wenn ich selbst da jetzt hinfallen würde, hätte ich mir wohl ins eigene Bein geschossen. Also folge ich ihnen weiter bis zum Clubraum, auf dem Weg stoßen auch Tanaka und Nishinoya noch zu uns, weshalb ich immer weiter zurückfalle. Schließlich denke ich ein wenig nach. Ich bin echt neidisch auf Yamaguchis Körpertemperatur. Er lag im Schnee, ich habe ihm hochgeholfen und seine Hände waren noch immer warm. Irgendwie ist er das ziemliche Gegenteil von mir, er friert sich in Wahrheit ab, ist aber echt warm von außen, während ich sehr leicht schmelze, aber von außen gefühlt ein lebendiger Eisklotz bin. Na ja, immerhin hatte ich was zu lachen.
Das Training entspricht genaustens meiner Vorstellung. Ich rege mich im Stillen ständig über meine Finger auf. Letztenendes creme ich mir zur Sicherheit meine Hände ein, erstens werden meine Hände dadurch wärmer und zweitens sind meine Hände so trocken, dass ich durch das Blocken blutige Risse in meiner Haut bekommen könnte. Schließlich verbinde ich meine Finger dann und hoffe, dass ich endlich über etwas anderes nachdenken kann, als über meine zehn länglichen Glieder. Aber heute scheint ein guter Tag zu sein, das Training ist schnell vorbei und so hat sich die Sache mit meinen digitus manus sowieso erledigt. Ich packe meine Sachen zusammen und gehe schließlich mit Tadashi und den Anderen, die hinterher hängen weil sie mit uns aufräumen mussten, in den Clubraum. Die meisten sind schon fertig und ziehen an uns vorbei, sodass es nurnoch Yamaguchi, Kageyama und Hinata sind, die mit mir dort sind. Freitags räumen immer die Erstklässler auf, also sind wir das gewohnt, Freitagabends noch im Clubraum zu sitzen. Zumindest eher ich, und toll finde ich das nicht. Normalerweise ist es immer so, dass Hinata und Kageyama ihren Wettstreit haben, wer am schnellsten ist und Tadashi und ich dann allein hier zurückbleiben. Yamaguchi ist meist sehr lahm, weshalb ich lange warten muss. Vor drei Wochen haben sie Yamaguchi eingeladen, bei ihrem Rennen mitzumachen, ich kann bis heute nicht verstehen, dass er da zugestimmt hat, aber nun gut. Heute sind sie alle ganz gelassen und keiner macht ein Rennen, also verlassen wir genauso ruhig auch wieder den Clubraum. Hinata und Kageyama gehen in die selbe Richtung, ich vermute, dass Hinata wieder über Nacht bei Kageyama bleibt. Na ja, sollen sie doch, solange ich kein Teil davon sein muss. Ich habe heute Abend meine Ruhe, zumindest wenn meine Familie mir die denn auch lässt. Stillschweigend gehen Yamaguchi und ich den gewohnten Weg nach Hause. Solangsam geht mir die Stille aber doch auf den Sack, also sehe ich zu ihm rüber. Ich bemerke, dass er am ganzen Körper zittert. Wenn meine Augen mir keinen Streich spielen, sind seine Lippen vor Kälte schon blau. Ungewöhnlich, dass es Anfang November schon so kalt ist.
"Alles gut?", frage ich trotzdem, weil dieser Anblick mir so kläglich erscheint, dass ich fast Mitleid habe.
"Ich friere.", kommt trocken zurück und er versucht, seine Jacke noch weiter zuzuziehen, aber der Reißverschluss hat bereits sein Limit erreicht. Dieser Anblick ist so erbärmlich, dass es doch tatsächlich ein schlechtes Gewissen in mir erzeugen würde, wenn ich jetzt nichts tue, also reiche ich ihm meinen Schal. Es ist sowieso nicht der schönste, also soll er ihn doch nehmen und damit glücklich werden.
"Wirklich?", fragt er ungläubig und nimmt ihn entgegen.
"Ja ja, sonst muss ich eine Eisskuptur nach Hause schieben und darauf habe ich keine Lust. "
"Danke, Kei."
Dann legt er sich den Schal um. Ob es so viel hilft, weiß ich nicht, aber immerhin sieht er nicht mehr so kläglich aus. Wir sind bald an dem Ort angekommen, wo sich unsere Wege sonst normalerweise trennen würden, aber Tadashi bleibt stehen. Ich drehe mich zu ihm um, als ich es bemerke und sehe, dass er auf der Holzbrücke stehen geblieben ist, die über einen Fluss führt. Dahinter ist eine große Wiese und dann erstrecken sich Wohnhäuser dort. Er steht da auf der Brücke und lehnt sich über das Holzgeländer.
"Was ist?"
"Nichts, ich wollte nur... Na ja..."
Ich geselle mich zu ihm, ist ja nicht so, als hätte ich sonst was zu tun.
Sobald ich meine Unterarme auch auf dem Geländer ablege, fängt es wieder zu schneien an. Ich folge seinem Blick und sehe, dass er wieder nur den Schneeflocken zusieht. Ich habe eher Augen für den großen Vollmond, der näher erscheint als sonst.
"Hey, Tsukki, meinst du, der Bach ist morgen zugefroren?"
"Ich weiß nicht, kann sein. Bei den Temperaturen kann ich es mir tendenziell vorstellen. Aber an manchen Stellen ist die Strömung zu stark, schließlich fließt der Bach abwärts, also denke ich eher weniger. Wieso?"
"Ich weiß nicht. Ich würde gerne dem Bach folgen und schauen, wo er hinführt. Wegen den ganzen Straßen und Zäunen kann man nicht so lange nebenherlaufen. Wenn der Bach friert, kann ich aber so lange darauf laufen, bis ich das Ende finde."
"Oder bis du einstürzt. Du wirst kein Ende finden, dieser Bach oder Fluss, wie man es auch nennen mag, endet irgendwann in einem größerem Fluss im Süden, der wiederum ins Meer mündet. Dafür musst du nicht den Bach ablaufen. Und generell musst du nicht auf dem gefrorenem Bach laufen. Man betritt kein dünnes Eis. Du wirst nur fallen. Das weißt du doch, wieso halte ich dir gerade darüber eine Predigt? Wenn du auf Eis willst, die Eislaufhalle ist gleich um die Ecke."
"Schön, du hast ja Recht. Ich finde es nur interessant, wie dieses bedeutungslose Wässerchen eines Tages in so einem endlosen Gewässer wie dem Meer endet."
"Jeder fängt mal klein an."
"Wohl wahr."
"Wobei Hinata und Nishinoya nicht nur klein angefangen haben, die bleiben auch klein.", scherze ich und entlocke Yamaguchi so einen kleinen Lacher.
Eine Weile lang ist es still, ich lasse meinen Blick von ihm ab und sehe nach vorn. Auf dem Bach glitzert das Mondlicht, vielleicht auch der Strahl der umstehenden Laternen, immer wieder fallen Schneeflocken auf die Wasseroberfläche und dann lösen sie sich auf. Der Bach schlängelt sich nur noch ein kleines Stückchen weiter, zumindest sichtbar. Er läuft in den Wald, der aber so dunkel ist, dass man nur schwarz sieht. Vermutlich liegt die Quelle dieses Bachs in den nahen Bergen, schließlich verbreitet sich der Wald bis dorthin und wächst dort dann auch den Berg hoch. Unwahrscheinlich wäre das nicht.
"Schade, dass wir früher nie am Bach gespielt haben. Im Sommer hätte das sicher Spaß gemacht.", erwidert er, er scheint meinem Blick gefolgt zu sein.
"Vielleicht. Aber deine Mutter hat dich doch sowieso allein nicht einmal die Straße überqueren lassen, bis du dreizehn warst, da kann ich doch nichts dafür, dass wir nie sowas unternommen haben."
"Oh man, erinner' mich nicht daran. Es war immer gemein, wenn Kinder in meinem Alter abends noch allein auf dem Spielplatz waren und ich das nicht durfte. Aber letztenendes wollte sie mich auch nur beschützen, auch wenn mir das heute eher zum Verhängnis wird."
"Nicht schlimm. Mittlerweile bist du fast sechzehn und hast deine Freiheiten ja, also passt das doch. Wir haben auch jetzt noch Zeit. Aber im Bach spielen muss auch nicht mehr sein."
Da fällt mir etwas ein.
"Ab morgen bist du wieder so alt wie ich. Dann können wir Kageyama damit aufziehen, dass er jetzt der Jüngste ist."
"Stimmt. Aber wir können ihn mit nichts aufziehen, wofür er nichts kann. Genauso wie gewisse klein geratene Personen. Es ist manchmal schon fies. Hinata ist auch älter als du und zieht dich nicht auf."
Ich brumme dazu nur.
"Mich kann man ja auch nicht aufziehen. Außerdem, was kümmert es dich denn. Dich habe ich doch nie beleidigt, also warum stört es dich so?"
"Ach, schon gut, ich will nicht streiten. Lass uns über was Anderes reden."
"Schon gut. Mit dir könnte man sich gar nicht streiten. Du gibts immer nach und stimmst jeder Beleidigung zu, das würde gar keinen Spaß machen. Du bist manchmal eher dein eigener Feind, da muss niemand mehr nachhelfen. Außerdem würde ich keinen Grund dazu finden, weshalb man dich anprangern könnte."
"Das nehme ich als Kompliment."
"Nimm es wie du willst. Vielleicht nimmst du es als Hinweis. Du solltest schlagfertiger werden. Du wärst nämlich ein leichtes Ziel für mich, wenn ich dich nicht mögen würde oder jemand von der Sorte wäre, die wahllos, grundlos und vorallem mit bösen Absichen jemanden aufziehen. Also bist du auch für Andere ein leichtes Ziel. Obwohl ich mich frage, warum man dich nicht mögen könnte. Also solltest du dir ein dickeres Fell anschaffen."
Darauf bekomme ich keine Antwort, ist vielleicht auch besser so. Das zu sagen ist mir sowieso schon unangenehm genug. Wieso sage ich sowas überhaupt? Am besten wechsele ich das Thema.
"Und, wann soll ich morgen kommen?"
"D-du willst morgen kommen?"
"Klar. Soll ich nicht? Man wird nur einmal sechzehn, oder?"
"Also, nicht, dass ich dich nicht da haben wollen würde, aber... Na ja, ich feiere meinen Geburtstag nicht."
"Was? Wieso das nicht?"
"Also doch, schon, ich feiere schon, aber nicht hier. Ich fahre weg, zu, äh, Verwandten. Genau, so ist das, wir feiern nicht hier. Aber Sonntag, da bin ich zuhause, da können wir nachfeiern, wenn du willst, natürlich."
"Du bist ein schlechter Lügner, Tadashi."
Es macht mich irgendwann noch irre. Was verheimlicht er denn vor mir? Was ist denn bitte los und wieso macht er so ein Drama daraus? Entweder er sagt es, oder er tut es nicht, aber dann soll er auch mit dem Thema abschließen und sich nicht so verletzlich geben.
"Tut mir Leid."
Er streitet nicht einmal ab, dass er lügt. Woran liegt das? Will er, dass ich frage? Oder gibt er sich einfach geschlagen, weil ich sowieso weiß, dass er lügt?
"Gut, dann eben Sonntag.", murmele ich. Gut, dass meine Laune nicht ganz im Keller ist, sonst hätte ich gar nicht erst mit ihm nachgefeiert.
"Danke dir."
"Was auch immer. So langsam wird's langweilig. Lass uns gehen."
"Okay."
Und das tun wir dann auch. Bis zum Ende der Straße bleiben wir dann auch beide still, bis Tadashi sich verabschiedet und geht. Ich tue es ihm gleich und komme wenig später zuhause an. Wurde auch Zeit, es war schon fast schwarz draußen. Und meine Brille ist voller geschmolzenem Schnee, ich hätte auch so nichts mehr gesehen. Sobald ich das Haus betrete, beschlägt meine Brille auch noch. Verdammt, ich hasse diese Gläser. Aber ohne sehe ich auch komisch aus, also sind Kontaktlinsen auch keine Lösung. Egal, bis Sonntag muss ich das Haus sowieso nicht mehr verlassen und mich damit rumärgern.
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