-02-

„Hallo. Störe ich?"

„Nein. Komm rein."

Rasch schlüpfte Taylor in das Zimmer seines Teamkollegen und folgte diesem, nachdem Josh die Tür geschlossen hatte.

„Setzt dich. Möchtest du was Trinken?"

„Wenn du eine Schorle hättest, würde ich gerne eine nehmen."

Vergeblich versuchte Taylor sich zusammen zu reißen. Aber er konnte nichts gegen seine aufkommende Angst tun und rutschte deswegen etwas auf dem Sofa hin und her, als Josh mit der Schorle kam und ihm diese reichte.

„Alles in Ordnung?"

„Nein, eigentlich nicht."

War es eine gute Idee gewesen? Kannte er Josh gut genug, um sich diesen anzuvertrauen? Bis jetzt wussten doch nur sein Trainer und Paul Bescheid und das waren schon viel mehr Menschen, als seiner Meinung nach überhaupt Bescheid wissen sollten.

„Du bist nicht wegen den Rennen hier?"

„Doch auch. Aber nicht nur."

„Aha."

Neugierig musterte Josh seinen Teamkollegen und setzte sich Taylor gegenüber. Schon seit Monaten beschlich ihm das Gefühl das Taylor was verbarg, dass diesen irgendwas sehr zusetzte. Aber er hatte noch nicht rausgefunden war den Briten so zu schaffen machte, da dieser bis jetzt jeden Versuch darüber zu reden abgeblockt hatte.

„Ich habe was beobachtet und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll."

„War es was schlimmes?"

„Nein, das nicht. Und ich finde es auch nicht schlimm, möchte der Person aber nicht zu nahetreten, wenn ich sie darauf anspreche."

„Wenn es nichts Schlimmes ist, spricht nichts dagegen mit der Person zu reden. Sie wird dir sicher sagen, ob es dich Interessieren darf oder nicht."

„Läuft da was zwischen Sebas und dir?"

Gehört und verstanden hatte Josh die Frage, kam diese aber nicht direkt in seinem Kopf an. Seine Gedanken überschlugen sich fast so wild wirbelten diese.

„Wie?"

Geistreich war seine Antwort nicht, aber mehr war einfach nicht möglich, nachdem Taylor ihn so sehr mit dieser Frage überrumpelt hatte.

„Bist du mit Sebas zusammen?"

„Nein?"

„Aber du möchtest es?"

Nun war Josh vollkommen von der Rolle, öffnete mehrmals den Mund und versuchte gedanklich zu verstehen was gerade passiert war. Da hatte er seinen Teamkollegen in sein Zimmer gelassen und eigentlich nur damit gerechnet, dass sie etwas reden würden. Viel hatten sie Privat noch nicht zusammen unternommen, mochten sich aber gegenseitig schon sehr. Taylor war zwar sehr zurückhaltend und stand sehr ungern im Mittelpunkt, aber wenn es drauf ankam, konnte der Brite auch aus sich hinauskommen.

„Wie kommst du darauf das ich mit Sebas zusammen sein will? Müsste ich dann nicht Interesse an Männern haben?"

„Nichts zwangsläufig. Du könntest bi sein. Nicht unbedingt nur schwul. Nachdem ich dich gestern beobachtet habe, war da das Gefühl, das du was für Sebas empfinden würdest. Sorry, wenn ich dir damit zu Nahe getreten bin oder dir eine Sexualität angedichtet habe, die nicht der Wahrheit entspricht."

Die nächste Aktion kam noch überraschender als die Frage über Sebas und ihn. Taylor sprang auf und eilte zu Tür.

Geistesgegenwärtig eilte er dem Briten hinterher und hielt diesem am Handgelenk fest, bevor Taylor die Tür erreichen und öffnen konnte.

„Taylor was ist los? Was sollte diese Frage und warum flüchtest du?"

„Ich bin dir offensichtlich zu Nahe getreten und habe dir was unterstellt. Das war falsch. Und es war falsch und blöd das ich hierhergekommen bin. Aber irgendwie hatte ich den kleinen Funken Hoffnung das Paul und mein Trainer Recht hatten."

+

Taylor wirkte, wie ein kleines Häufchen Elend und so verloren in der Ecke seines Sofas. Es hatte wirklich ein paar Minuten und viel gutes Zureden seitens seiner Seite gebraucht, um den anderen wieder dazu zu bringen in den Wohnbereich mitzukommen.

„Ja."

„Ja?"

„Ja, ich wäre gerne mit Sebas zusammen. Ja, ich bin bi."

„Ohhhh."

Taylor schien diese Informationen erstmal verarbeiten zu müssen. Aber diese hatte ihn doch direkt nach Sebas gefragt. Wieso war Taylor so überrascht, als er dessen Vermutung nun bestätigt hatte?

„Ich habe gesehen, wie du dich nach Sebas Crash Verhalten hast. Das war kein Verhalten eines Kollegen, der sich einfach nur Sorgen macht und hofft, dass der Fahrer von allein aussteigt."

„Ich wäre fast durchgedreht. Das zurück schleudern und drehen hätte so schlimm enden können. Mir ist bewusst das wir daran nicht denken sollen, aber verhindern konnte ich es auch nicht. Ich war so erleichtert als das OK kam und als Sebas ausgestiegen ist."

„Ja, das habe ich dir ansehen können. Aber du bist nicht mit ihm zusammen?"

Schmerzlich lächeln schüttelte Josh den Kopf, nippte etwas an seinem Glas Wasser, bevor sein Blick sich wieder auf Taylor fokussierte.

„Sebas weiß nichts von meinen Gefühlen. Zwar glaube ich nicht, dass er nicht weiß, dass es mich gibt. Aber wir Treffen uns jetzt auch nicht regelmäßig. Klar, wenn Formel 2 und Formel 3 zusammen Rennwochenenden haben sieht man sich zwangsläufig und wechselt vielleicht ein paar Worte. Aber mehr als das war bei Sebas und mir auch noch nie."

„Hmm. Und du hast dich trotzdem in ihn verliebt?"

„Ja. Ganz heimlich hat sich mein Herz entschlossen sich in diesen hübschen Jungen zu verlieben. Was soll ich sagen? Ich hatte nicht viel Gegenwehr zu Bieten."

Nachdenklich war es nun an Taylor sich einen großen Schluck von seiner Schorle zu genehmigen. Nachdem seine Flucht nicht gelungen war, hatte er schon nach Ausflüchten gesucht, aber Josh schien nicht böse oder sauer zu sein, nachdem er diesen so direkt nach Sebas gefragt hatte. Aber im Grunde war Sebas auch nur die perfekte Ausrede, damit er nicht über den wirklichen Grund seines Besuches reden musste.

„Du bist ziemlich entspannt, dafür das ich jetzt weiß das du bi bist. Und das du in Sebas verliebt bist."

„Was soll ich den machen? Dir drohen? Außerdem bist du zu mir gekommen und hast nach Sebas gefragt. Schlussfolgerung. Du hast keine Probleme mit Homosexualität. Wobei ich das Gefühl habe, das du meine Gefühle nur als Ausrede nimmst. Eigentlich bist du wegen was anderen hier und ich lehne mich weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, es hat was mit deinem Verhalten der letzten Wochen und Monate zu tun und dem Anschein das Paul Aron darüber Bescheid zu wissen scheint, so oft wie ihr euch in letzter Zeit getroffen habt."

Taylor konnte es gar nicht verhindern, dass seine rechte Hand sich über die linke schob, und er anfing sich zu Kratzen. Immer wieder grub er seine Fingernägel in die feine Haut, während in seinem Kopf das pure Chaos herrschte.

Besorgt verfolgte Josh das Verhalten des Jüngeren. Es war offensichtlich das Taylor schwer was belastete. Sollte er diesen direkt darauf ansprechen oder würde das seinen Teamkollegen nur weiter verschrecken? Das Taylor scheinbar seinen Mut zusammengenommen hatte, um zu ihm zu kommen, hatte diese sicher vieles abverlangt, da durfte er jetzt einfach nichts falsch machen.

„Hey."

Vorsichtig streckte Josh seine Hände aus, legte diese auf die von Taylor, unterband so das Kratzen und sich daher eingehende Selbstverletzen.

„Weißt du was? Wir beide sind ein super Team. Als Teamkollegen sind wir richtig gut. Wir haben Spaß, verstehen uns sehr gut und unser Team ist auch richtig großartig. Vielleicht können wir auch als Freunde ein gutes Team werden? Ich weiß, wir kennen uns noch nicht lange. Sind erst seit dieser Saison Teamkollegen, aber ich finde wir schlagen uns dafür sehr gut. Seit Wochen fällt mir auf, dass dich was bedrückt. Irgendwas belastet dich und ich verstehe es, dass du mit mir darüber nicht reden wolltest. Ich war nicht fremd, aber auch nicht sehr vertraut. Das würde ich gerne ändern und dir Anbieten jederzeit mit mir reden zu können. Du kannst immer zu mir kommen, wenn du Probleme hast, oder Sorgen. Wenn dich was bedrückt. Ich werde dir zuhören und versuchen dir zu Helfen. Oft wird gesagt 'vertraue mir.'. Und die Enttäuschung ist groß, wenn das Vertrauen missbraucht oder gebrochen wird. Taylor ich kann dir ehrlich aus tiefsten Herzen Versprechen, das niemand was erfahren wird, was immer du mir anvertrauen würdest."

Taylor zögerte lange, bevor er sich entschied, sich Josh anzuvertrauen. Er spürte, dass er Josh vertrauen konnte und dass er Unterstützung brauchte, um mit seiner eigenen Situation umzugehen. Für einen weiteren Moment schloss er die Augen, erinnerte sich daran, was Paul gesagt hatte. Zweifel hatten sich in seinen Gedanken breit gemacht. Durfte er es noch jemanden Zumuten von seiner Situation zu erfahren? War es Josh gegenüber nicht unfair, diesen mit seiner Erkrankung zu belasten? Sowohl Paul und sein Trainer erschien es als keine falsche Entscheidung sich noch jemanden anzuvertrauen.

„Ich verletzte mich selbst. Noch nicht lange. Aber lange genug, um zu wissen das ich Hilfe brauche. Paul hat mich in Berlin gesehen, als ich mich geritzt habe. Vor ein paar Wochen konnte ich ihm nicht mehr aus dem Weg gehen und musste zwangsläufig mit ihm reden. Und das war das Beste, was mir passieren konnte."

Ängstlich öffnete Taylor ein Auge, versuchte einen Blick auf Josh und dessen Reaktion zu bekommen.

Die Unruhe überkam seinem Körper, als Josh auch nach ein paar Minuten noch kein Wort von sich gegeben hatte. Nur Sekunden später, spürte Taylor wie Panik und Scham sich ausbreiten wollten. Was wenn Josh das jetzt bei ihrem Chef erzählen würde? Oder den anderen Jungs? Er hatte so viel Arbeit in seinen Traum gesteckt, durfte und konnte sein Cockpit einfach nicht verlieren, nur weil in seinem Kopf einfach Chaos herrschte und er zum Selbstverletzen neigte, wenn alles zu viel wurde.

„Nicht weinen. Es ist alles gut."

Behutsam wurde er in eine liebevolle Umarmung gezogen. Sanft wiegte man seinen Körper und streichelte über seinen Kopf und Rücken.

„Ich habe gesagt, du kannst mit mir reden. Jetzt gerade weiß ich noch nicht wie ich dir helfen kann. Aber das werde ich rausfinden. Magst du mir vielleicht ein wenig erzählen? Warum du meinst dich selbst verletzen zu müssen? Nur wenn es nicht zu schlimm oder privat für dich ist."

Leise weinend nickte Taylor an der Brust seines Teamkollegen, traute sich langsam die Arme, um Josh zu schlingen und sich fest an diesen zu klammern.

„Shhh. Wir bekommen das hin."

Worte waren schnell gesagt. Versprechen schnell gegeben.

Aber so wirklich hatte Josh keine Ahnung, was er machen konnte um Taylor richtig Unterstützen zu können. Sobald er Zeit hatte, musste er sich über selbstverletzendes Verhalten Informieren und solange hoffen das sein Teamkollege keinen weiteren Grund hatte, um sich selbst zu schädigen.

TBC...

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top