Kapitel 10

Im Café setzen wir uns an den selben Tisch, wie schon am Donnerstag letzter Woche. Wie üblich werden die Gäste, somit auch wir, sehr schnell bedient, weshalb das Café einen zu Recht guten Ruf hat.

"Was möchten Sie?", fragt die Kellnerin freundlich, die schräg hinter mir steht an Freya gewandt. Nickend notiert sie sich den Eiskaffee.
"Und der junge Herr?"
Ich brauche einen Moment um zu merken, dass ich gemeint bin.
"Auch. Ich hätte gerne auch einen Eiskaffee", stottere ich halb, während ich eine unbegründete Freude spüre. Wie durch einen Nebel nehme ich die Entschuldigung der Kellnerin dafür wahr, mich für einen Jungen gehalten zu haben.

Ich bringe ein "Ist schon gut" hervor, wobei in mir ein komisches Gefühl aufsteigt und ich mir fast schon auf die Zunge beißen muss, um nicht... vor Freude zu lachen? Warum bin ich glücklich darüber, offensichtlich misgendered zu werden? Ich war mir doch sicher, kein Junge zu sein?

Kaum, dass die Kellnerin sich abgewandt hat, beginne ich ein Gespräch, um meine Gedanken zu vertreiben.

"Charlie, warte mal kurz", sagt meine Mutter und legt mir die Hand auf die Schulter, als ich von der Haustür zu meinem Zimmer zurück gehe. "Du hast schon mehrfach angedeutet, dass du nicht auf Jungen stehst. Wenn du lesbisch bist, dann sag es mir bitte jetzt."

"Ich stehe auf Mädchen, ja und? Ändert das jetzt irgendwas?", frage ich als Antwort.

"Wenn da etwas zwischen dir und Freya ist, ja, definitiv! Du kannst doch nicht einfach eine lesbische Beziehung führen. Such dir lieber einen netten, gleichaltrigen Jungen. Anstatt auch noch ein anständiges Mädchen mit in deine Probleme zu ziehen. Ich habe dir doch meine Hilfe angeboten, die du nicht annehmen wolltest, stattdessen hast du immer abgeblockt! Wir müssen einmal klar darüber sprechen und zwar nicht morgen, nicht nächste Woche, nicht nächsten Monat, sondern jetzt. Ihr zusammen, richtig? Ich hab doch gesehen, wie ihr auf der Couch eben gekuschelt habt."

"Mama, das geht dich einen scheiß Dreck an! Ich kann sehr wohl mit einem Mädchen zusammen sein, genauso gut wie mit einem Jungen! Sei doch einfach froh, dass ich nicht ungewollt schwanger werden kann. Für mich ist es kein Problem auf Mädchen zu stehen, das liegt nur bei dir. Außerdem darfst du mich nicht als unanständig bezeichnen."

Mir läuft eine Träne über die Wange.
"Du hast nie versucht, mich zu verstehen.  Deine Hilfe war doch auch nur der Versuch, mich als psychisch krank abzustempeln. Ich habe abgeblockt, weil du mich sowieso nicht akzeptierst. Und ich habe Freya in nichts reingezogen! Übrigens sind ihre Eltern im Gegensatz zu dir verständnisvoll! Ich kann verstehen, warum Papa abgehauen ist, wenn ich erwachsen wäre, würde ich das auch tun!"

Wütend wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht, allerdings kann ich die nächsten nicht zurückhalten.
"Lass mich doch einfach in Ruhe, ich will nichts mehr über Sexualitäten von dir hören!"

Ich stürme aus dem Raum und schließe mich in meinem Zimmer ein. Ich höre noch, wie meine Mutter zu einer Antwort ansetzt, ich solle doch warten. Nein, ich werde ganz sicher nicht wieder zu ihr gehen und mir anhören, was sie zu sagen hat. Vielleicht ist es das Beste, wenn ich einfach weiterlebe wie bisher - mit ihr nur über belanglose Sachen rede, ihr aus dem Weg gehe und meine Zeit alleine, mit Freunden oder Freya verbringe. Es ist mir mehr als egal, wie verletzt sie sich jetzt stellt. Als würde sie Papa immer noch hinterhertrauern!

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