Einhörner gibt es nicht


Wir allen kennen doch das Pummeleinhorn, oder? Lustige Sprüche und Bilder auf Postkarten, Memes und Tassen. Aber habt ihr schon mal ein echtes Einhorn gesehen?

Du weißt, dass es ein weißes Pferd mit einem silbernen Horn auf der Stirn ist. Aber weißt du auch, was dieses Horn bewirken kann? Es ist magisch. Auf jeden Fall.


Ich sitze an einem Tisch in unserem Dorf. Bayala heißt es. Es ist die Heimat der Elfen. Und genau das bin ich: eine Elfe.

"Lyla?", ertönt Joyce Stimme neben mir. Ich wende mich von meinem Kuchen ab und sehe sie an. Ihr Gesicht strahlt vor Freude und  ihre gelben Flügel flattern aufgeregt hin und her. Sie ist und bleibt ein aufgeregtes Mäuschen. "Ja, was gibt es?", entgegne ich ihr und nehme ein Stück von meiner Himbeersahnetorte.

Lou hat sie gemacht. Sie ist unsere beste Bäckerin. Jeder mochte ihre Torte, Küchlein und Kekse. Und ich durfte glücklicherweise ihr Tester sein. Jedes neue Rezept, was sie kreiert, muss mindestens einmal gekostet und für gut befunden werden.

"Ich darf doch heute mit zum See kommen, oder?", fragt Joyce aufgeregt und streicht ihr rotes, lockiges Haar zurück. "Lou, Cayden, Jo und Reyvan sind doch auch dabei. Du weißt ja, dass mir Jo schon länger gefällt und da dachte ich..., ihr seid ungerade... ich benehme mich auch" Meine Freundin plappert ohne Punkt und Komma weiter, bis ich sie unterbreche:" Natürlich darfst du mitkommen." 

Mit ihren großen blauen Augen sieht sie mich ungläubig an, ehe sie hochspringt und ihre Kreise in der Luft zieht. "Oh, danke. Ach, endlich gehöre ich auch dazu", seufzt sie erleichtert und fällt mir in die Arme.

Leicht überfordert umarme ich sie ebenfalls und lache dann. Joyce ist erst 15 und manchmal merkt man das auch sehr deutlich. Doch bei einem konnte sie sicher sein, dass die Sache mit Jo glatt gehen würde, denn Reyvan, mein Gefährte, hat mir verraten, dass Jo ein wenig zu schüchtern sei, um Joyce anzusprechen.

Kein Wunder bei dem aufgeregten Ding!

"Ahh, ich weiß noch gar nicht, was ich anziehen soll. Ich glaube, ich mache mich gleich auf den Weg.", überlegt sie laut und fliegt ohne Umschweife davon.

Ich schüttle nur belustigt den Kopf und esse weiter mein Stück Torte, ehe ich das Tablett zur Waschschale bringe und mich auf den Weg zu Reyvan mache. Sicherlich ist er schon fertig und wartet auf mich.


"Guten Tag, Schönheit", begrüßt er mich schließlich, gibt mir einen kurzen Kuss auf die Lippen und tritt zu mir heraus. Ich lächle. Reyvan ist schon ziemlich süß. Wir sind erst frisch zusammen gekommen, doch gestern hat er mir gebeichtet, dass er schon länger in mich verliebt ist. Das hat mich wirklich beflügelt.

Nun nahm er wie selbstverständlich meine Hand und gemeinsam liefen wir zu vereinbarten Treffpunkt. Zum See im Tal ist es ein wenig weiter, weshalb wir nie allein flogen. Dort draußen lauerten vielleicht Gefahren, gegen die wir nicht gewappnet sind. Deshalb fliegen wir immer mit mehreren dort hin.

Denn auch wenn es gefährlich sein konnte, ist es ein wunderschönes Reiseziel. Der See lag am Waldrand, es führte ein Steg bis weit in den See hinein, auf dem wir gerne ein Picknick aufschlagen oder unsere Beine im Wasser baumeln lassen. Wirklich herrlich.

Reyvan plaudert ein wenig über seine Arbeit. Er ist Jäger und versorgt das Dorf mit Fleisch und Fisch, genauso wie sein Vater. Viele Kinder im Dorf gehen der Berufung ihrer Eltern nach, ich jedoch nicht. Mein Vater ist ein Beschützer, er sorgt dafür, dass wir sicher sein konnten und meine Mutter ist Dienerin im Elfenpalast. Sie ist die engste Vertraute der Königin.

Ich jedoch bin eine Blumenelfe. Ich kümmere mich mit vielen anderen Elfen um die Blumen in unserem Reich, versorge sie mit Wasser, pflanze neue Samen oder schneide die welken Blüten ab. Es ist nicht besonders spannend, aber sehr beruhigend.

Am Ahornbaum treffen wir auf die anderen: Louisa, Joseph, Cayden und Joyce. Joyce strahlte in einem blassblauen Kleid vor sich hin und ich nicke ihr zu. Das Kleid steht ihr wirklich gut, es passt zu ihren roten Haar und den gelben Flügeln. Und Joseph sieht ganz ähnlich aus in seinem Aufzug. Sie wären ein tolles Paar. Mal abwarten, wie sich dei Sache entwickelt.

"Sind wir soweit?", fragt Cayden und erntet ein einstimmiges Nicken, ehe wir abheben und uns auf den Weg zum See machen.

Es ist ein wirklich schöner Tag. Die Sonne scheint hell auf uns herunter und die Temperatur ist angenehm warm. Ich schultere meine Tasche noch einmal ordentlich und greife wieder nach Reyvan Hand.

Wir fliegen den anderen etwas abseits hinterher, damit wir ein bisschen Zeit für uns haben.

"Wie war dein Tag?", fragt er mich interessiert und drückt meine Hand. Darauf wird mir ganz warm. Seine Berührungen lösten so ein Kribbeln in mir aus, dass ich manchmal so fühle, als wäre ich nicht von dieser Welt.

Als ich mich zusammenreiße, fange ich an zu schwärmen:" Heute war es wirklich schön. Die Rosen blühen endlich auf und Hanna hat heute eine neue Blume entdeckt. Sie war sehr aufgeregt, ähnlich wie Joyce, wenn sie ihren irren Moment hat." Reyvan lacht.

"Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber nun sag schon, welche Blume Hanna entdeckt hat", drängt er neugierig. Ich lache ebenfalls. Es ist erstaunlich, dass er immer bei der Sache ist und so viel  Interesse an mir hat, dass ich manchmal den Faden verlor. Jeden anderen kann ich erzählen, was ich will, er würde eh nicht zu hören. Aber Reyvan ist anders.

"Sie nennt sich Mondblume. Es gab eine Legende, in der es hieß, wenn die Mondblume erscheint, dann es das Einhorn nicht weit. Hanna sucht jetzt überall nach dem Einhorn. Bin gespannt, ob sie es findet", lachte ich. Einhörner gibt es nicht. So viel ist sicher.

Reyvan sieht mich ungläubig an und entwickelt tausende Theorien zu dem Fund eines Einhorns. In einer davon, versteckt das Einhorn sich als Blume im Wald. In der nächsten Theorie ist das Einhorn einfach ein Pferd, welches sich verwandelt, wenn es von der Mondblume isst.

Ganz gleich was es ist, ich kann ihn nicht ernst nehmen. Lauthals lache ich los und kann mich kaum mehr einkriegen. "Du bist so schön, wenn du lachst", sagt Reyvan irgendwann und ich werde rot. "Danke", murmle ich verlegen. "Nicht dafür", grinst er und streicht mir im Flug eine Strähne aus dem Gesicht. "Ich sehe dich nämlich gerne an" Ich wehre seine Hand ab und rufe:" Lass das. Ich sehe gleich aus wie eine Tomate, wenn du so weiter machst" Wieder dieses Grinsen. "Vielleicht möchte ich das ja"

"Duuu", drohe ich spielerisch und fliege ihm hinterher, als er versucht zu flüchten. Eine Zeit lang versuche ich, ihn zu fassen, aber ohne Erfolg. Reyvan ist einfach schneller als ich.

Zu unserem Glück gelangen wir endlich an den See, der unter uns in der Sonne schimmert. Freudestrahlend landen wir auf dem Steg und breiten unsere Decken aus. Danach wird geschlemmt. 

Es gibt Erdbeere, Äpfel, Kekse und Törtchen. Jeder bedient sich und gemeinsam lachen wir zusammen.

Irgendwann schlage ich Reyvan einen Spaziergang vor, um unsere Zweisamkeit ein wenig auskosten zu können. Er kommt natürlich sofort mit und lässt einen Spruch in Richtung der anderen raus, den Cayden sofort kontert:" Tut nichts, was ich nicht auch tun würde."

Und wieder läuft mein Gesicht rot an. Natürlich würden Reyvan und ich nicht hinter einem Busch verschwinden und uns die Kleider vom Leib reißen. Aber wir würden vielleicht ein wenig knutschen.

Hand in Hand laufen wir eine Runde um den See und genießen den  freien Nachmittag. Um uns herum zwitscherten die Vögel und der Wald umhüllte uns.

"Hier könnte ich bleiben", sage ich seufzend und schließe einen Moment die Augen. Es fühlt sich so friedlich an. Um uns herum lebt die Natur ganz auf sich allein gestellt und es funktioniert - überall erblühen Blumen in den schönsten Farben.

"Ich auch. Es ist wirklich schön hier.", erwidert Rey, hält an und bückt sich, um mir ein Gänseblümchen zu pflücken. Grinsend zupft er es ab, dreht sich zu mir und steckt es mir ins Haar. Ich lächelte.

"Passt perfekt", meint er grinsend und stupst mir auf die Nase, ehe er sich vorbeugt, um mich zu küssen.

Augenblicklich schließe ich die Augen, warte auf seine weichen Lippen und schmiege mich an ihn. Es fühlt sich berauschend an. Erst ist er noch ganz sanft, als würde Rey warten, ob ich zögere, doch dann wird es leidenschaftlicher. Ich lege meine Arme um seinen Hals und er zieht mich näher an sich.

Unsere Münder öffnen sich und unsere Zungen vollführen eine Art Tanz, sodass ich beinahe vergesse zu Atmen. Hitze steigt mir in die Wangen und mein Bauch kribbelt so stark, als wäre hunderte Schmetterlinge darin.

Irgendwann verliere ich mich so sehr in diesen Kuss, dass ich nicht einmal mehr merke, was um mich herum geschieht. Reyvan presst mich gegen einen Baum und fährt mit seinen Händen meine Seiten entlang, dann greift er plötzlich unter mein Kleid und beginnt es hochzuschieben.

In diesem Moment geht es mir eindeutig zu schnell, ich wehre seine Hände ab und stoße ihn von mir. "Reyvan, nicht!", rufe ich entrüstet.

Eben ist alles noch so schön gewesen, doch das hier wollte ich nicht.

Atemlos halte ich ihn auf Abstand, als Rey erschrocken realisiert, dass er zu weit gegangen ist. "Es tut mir leid, Lyla. Ich wollte nicht, dass es sich so entwickelt", meint er verlegen und kratzt sich am Kopf. Er sieht zerzaust aus und seine Lippen sind eindeutig geschwollen. Wie lange haben wir uns geküsst?

Ich ziehe mein Kleid herunter und nicke immer noch atemlos, dann drehe ich mich um und erstarre. Ein paar Schritte von mir entfernt, steht ein weißes Pferd mit einem silbernen Horn auf der Stirn.

Ein Einhorn.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top