Kapitel 2

Bald schon komme ich an meinem gewünschten Zielort an. Die Grenze.
Bislang hat niemand von hier, es gewagt hinüber zu gehen. Vielleicht zu Recht. Aber ich bin eben ich. Mutig und warscheinlich auch naiv.

Schnell klettere ich über den Zaun, bevor ich es mir anders überlege, und springe in das nächste Gebüsch, da ich jemand genau in meine Richtung laufen sehe. Dieser jemand sieht stark gebaut aus, weshalb es wohl eher ein Mann oder Junge ist. Er ist ebenso wie ich schwarz gekleidet und hat die Kapuze seines Sweaters tief ins Gesicht gezogen. Mehr kann ich nicht erkennen, denn da springt er auch schon mit einem Satz über den Zaun, in das Viertel von dem ich gerade gekommen bin. Da bin ich wohl doch nicht die Einzige gewesen, die die Regeln bricht und die Viertel wechselt.

Als ich sicher bin, dass die Luft rein ist, krabbele ich aus dem Busch und laufe langsam und mit gebeugtem Kopf, so dass man meine braunen, seidigen Haare und mein Gesicht nicht sieht, weiter in die heruntergekommenen Straßen hinein. Es ist dunkel und ich kann nur wenig erkennen, aber die Umgebung scheint wie leer gefegt. Niemand hält sich auf den Straßen auf und die Lichter der kleinen Häuser sind aus. Das Einzige, dass mir ein bisschen zu sehen ermöglicht, sind ab und zu die Straßenlaternen, die immer wieder flackern und auch ausgehen. Im großen und ganzen ist es hier wirklich einfach nur unheimlich. Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich jetzt zurück nach Hause rennen würde.

Plötzlich ertönen Schüsse nicht weit von mir entfernt. Ich kann mir einen kleinen Schrei nicht verkneifen, was sich als äußerstes Problem entpuppt.

"Na, wen haben wir denn da?" höre ich es direkt hinter mir und jemand hält mir einen spitzen Gegenstand an den Hals. Ich fange an zu zittern, jedoch beabsichtigt. Denn im nächsten Moment ramme ich der Person hinter mir meinen Ellbogen in den Magen und flüchte nach vorne. Hinter mir höre ich Schreie, jedoch bin ich schneller und biege schon in die nächste Seitenstraße rein. Leider war das eine noch schlechtere Idee als mein kleiner Schrei vorhin. Denn ich renne genau in jemanden rein. Langsam blicke ich hoch und will schon wieder zuschlagen, als ich in das nettaussehende Gesicht eines Mädchens blicke.

"Hey. Du hast es aber eilig." lacht sie und ich atme gestresst aus.

"Hallo. Tut mir leid, dass ich in dich reingerannt bin."

"Schon gut. Du kommst aus dem Reichen-Viertel, oder? Was machst du hier alleine?"

"Woran hast du das erkannt?"

"Auf deinem Pullover steht hinten ganz groß 'Hollister' oben. "

"Oh. Ach ja."

"Es ist gefährlich hier. Und du fällst mit deinen Klamotten auf, obwohl du das Gegenteil bewirken wolltest. Du solltest zurück in dein Viertel."

"Ja, das ist es ja. Ich passe dort nicht rein. Es ist echt grauenhaft dort. Gerade bin ich von dem großen Sommerball geflüchtet."

Sie lacht.

"Okay, du bist echt anders als die Snobs dort drüben. Und glaub mir, ich kenn mich aus. Ich habe früher dort gewohnt, bin aber nach dem Tod meiner Mutter zu meinem Vater hierrüber gekommen. Ach ja, ich bin Elly." Ich kichere, denn wir haben viel geredet, aber unsere beiden Namen kennen wir nicht.

"Ich heiße Lara. Wie alt bist du?"

"18, du?

"Leider noch 17." Ich grinse.

"Okay. Weißt du, du solltest jetzt wirklich zurück. Ich gebe dir meine Nummer. Da ich ja aus deinem Viertel bin, habe ich glaube ich als Einzige hier eins. Erweist sich manchmal als nicht ganz so praktisch, denn meine Freunde wollen es ständig haben."

Wir beiden lachen wieder. Sie könnte eindeutig meine Freundin werden.

Wir tauschen schnell Nummern aus und verabschieden uns dann. Ich mache mich wieder auf den Weg zurück, den ich mir zum Glück halbwegs merken konnte.

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