H - Tristan Hiddleston

"Wie geht es dir damit?" fragte mich Zayn, den ich angerufen hatte, nachdem ich abends stundenlang in der Rhino Bar gesessen hatte und die Menschen herum beobachtet hatte. Ich war nun seit vier Tagen hier und die wichtigste Sache, die Sache wegen der ich gekommen war, hatte ich noch nicht getan. 
"Nicht gut. Ich weiß nicht ob das hier so eine gute Idee war", gab ich leise zu, während ich mich auf mein Hotelbett legte. 
Der Wunsch, nach Hause zu gehen, wurde immer größer. 

"Ich bin stolz auf dich, Harry. Wenn du willst, dann komme ich zu dir und wir gehen es gemeinsam an. Das wäre kein Problem für mich!" schlug mein bester Freund mir vor und ich musste unwillkürlich lächeln. Zayn war immer für mich da, schon mein halbes Leben. Ich wusste nicht, was ich ohne ihn tun würde. Als der Unfall passiert war, hatte Zayn alles stehen und liegen gelassen und war noch Doncaster gekommen, hatte mitten in der Nacht eine Kanne Tee für uns aufgesetzt und mich im Arm gehalten, während ich mich in den Schlaf geweint hatte. Er hatte ein Herz aus Gold, so viel war klar. 
Dennoch schüttelte ich den Kopf. "Nein, Zaynie, alles gut. Das ist etwas, was ich allein tun muss. Wenn es getan ist, komme ich heim." 
"Wann wirst du es tun?" fragte er leise nach. 
Seufzend zog ich die Decke über meinen Körper. "Keine Ahnung", antwortete ich so leise, dass es beinahe ein Flüstern war. 
"Nimm dir all die Zeit, die du brauchst. Die im Büro wissen Bescheid und alle haben Verständnis, wenn du deinen Urlaub verlängern möchtest. Ich habe Richard gesagt, dass ich ihm Bescheid geben werde." 

"Zaynie, du bist ein großartiger Freund, weißt du das?" fragte ich ihn leise, woraufhin sein Lachen durch die Lautsprecher meines Handys ertönte. "Das weiß ich, aber trotzdem danke! Versuch zu schlafen, ja?" 
Seufzend schaltete ich das Licht aus. "Wir reden morgen, ja?"
"Klar, Haz. Und wenn du so weit bist, schreib mir kurz. Damit ich an dich denken kann", antwortete er und wir verabschiedeten uns. 
Ich öffnete Spotify und startete meine Playlist, ehe ich die Augen schloss und mich von den sanften Klängen einlullen ließ. Es war der Song, zu dem ich in Louis' Armen eingeschlafen war und für einen Moment, nur einen kurzen Moment, gestattete ich mir, mir dieses Gefühl vorzustellen. Seine Arme, die sich schützend um meinen Körper legten und die sanften Berührungen seiner Fingerspitzen. Mir wurde warm und ich seufzte leise auf. 

In den letzten Tagen hatte ich häufiger an Louis denken müssen. Ein kleiner Teil von mir wünschte sich, dass wir uns vielleicht irgendwann wiedersehen würden. Ich hatte ihn sogar gegoogelt und herausgefunden, dass ihm die BarThe Socialist gehörte. Einen treffenderen Namen hätte er sich gar nicht überlegen können. Doch so lange ich meine Abschluss noch nicht gefunden hatte, konnte ich nicht zu ihm gehen. Es wäre nicht fair ihm gegenüber, denn ich würde ihm erneut wehtun. Ich war nicht bereit und vermutlich war er sowieso unglaublich sauer auf mich. Ich war einfach gegangen, kein Abschied. Keine Erklärung. 
Es hatte keine Zukunft, noch nicht. Ich dachte darüber nach, ob es jemals eine Option wäre, wurde dabei immer ruhiger. Es war eine Option, ganz definitiv. Für mich war es das. Louis war verliebt in mich, doch sicherlich könnte er sich genau so schnell wieder entlieben, schließlich kannten wir uns nicht lange. Ich war vermutlich nicht mehr als eine zufällige Bekanntschaft in einem fremden Land. Mit diesen Gedanken fiel ich in einen unruhigen Schlaf, der weit weg von erholsam war. 

***

Der nächste Morgen verlief wie die davor auch. Ich ging hinunter in den Frühstücksraum und nahm mir etwas zu essen vom Buffet. Ein Ei, etwas Bacon. Brot, Butter und Käse. Der Cappuccino war grässlich, also hatte ich ihn schon ab dem zweiten Tag nicht mehr angerührt. Ich wollte italienischen, echten Cappuccino trinken. Diese Plörre, die sie hier anboten, kam nicht einmal ansatzweise daran heran. Allgemein war das Frühstück jenseits von Gut und Böse, doch ich brauchte die Stärkung, sonst funktionierte ich nicht. Und da heute der Tag war, an dem ich den nächsten Versuch starten würde, brauchte ich das Essen dringend. 
Die ersten beiden Tage, die ich voll hier verbracht hatte, war ich um den Friedhof herumgeschlichen, doch ich hatte mich nicht getraut und in den darauffolgenden zwei Tagen war ich gar nicht ernst hingegangen. Sobald ich nur in die Nähe kam, schnürte sich mir die Kehle zu und ich konnte kaum atmen. Doch heute wollte ich es erneut probieren, denn es war der fünfte Tag in Doncaster und ich ärgerte mich über mich und meine Feigheit selbst.

Und deshalb zog ich mir die Jacke nach dem Frühstück über und verließ das Hotel, um den kurzen Weg zum Friedhof zu fahren. Ich parkte auf dem kleinen Parkplatz davor und stieg aus dem Auto, schlug die Tür zu und starrte den Eingang an. So weit war ich bis jetzt noch nicht gekommen, die letzten Male hatte ich weiter weg geparkt und den Eingang von weit entfernt angestarrt. Es war also ein Fortschritt, so redete ich es mir zumindest ein.  

Wieder schnürte sich mir die Kehle zu und mein Herz begann zu wummern, während ich langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Kurz vor dem Eingang stoppte ich erneut und atmete tief durch. 
"Dir wird nichts passieren", flüsterte ich mir selbst zu, während ich die Augen schloss und meine Atmung versuchte zu beruhigen. Ich spürte die Panik, die in mir hochkroch, doch ich wollte sie unterdrücken. So konnte es einfach nicht weitergehen. Gemma hatte recht, ich musste dieses Kapitel abschließen und weitermachen. Für ihn und in erster Linie auch für mich. Also öffnete ich die Augen wieder und setzte meinen Weg fort. 
Vorbei an unzähligen Gräbern mit unbekannten Namen, voller Seelen die ihren Frieden gefunden hatten. Meine Beine wurden immer schwerer, doch ich setzte den Weg fort. Tristan's Grab war am Ende des Friedhofes, nah an am Waldrand. Es war ruhig, kein Lärm der Hauptstraße schaffte es bis hier hinter und als sein Grab in meinem Blickfeld auftauchte, wurde mein Herz nur noch schwerer. 

Die letzten Schritte lief ich zu ihm und dann blieb ich davor stehen. Tränen stiegen auf und mein Herz fühlte sich an, als würde es zerreißen. "Hey Schatz", hauchte ich zittrig und ging in die Hocke, musterte das gut gepflegte Grab und den Grabstein, auf dem nur wenige Worte und darunter die Jahreszahlen standen. 

Tristan Hiddleston

Innig geliebt und niemals vergessen

Leise schluchzte ich und fuhr mit den Fingerspitzen über die Buchstaben seines Namens. "Es tut mir leid, dass ich nie da war. Ehrlich, Tristan. Ich konnte es einfach nicht. Ich habe dich so schrecklich vermisst und es tut mir so leid, dass ich mich nicht vernünftig von dir verabschiedet habe", sagte ich tränenerstickt und schüttelte den Kopf, während die Tränen über meine Wange liefen. "Ich hätte viel eher kommen müssen. Ich war nicht bereit. Du fehlst mir, mein Leben fehlt mir!" 
Ich schluchzte mehr und in meinem Inneren schienen sich die Gefühle zu überschlagen, weshalb ich auf die Knie fiel und die Schultern sinken ließ. "Erinnerst du dich an unser letztes Weihnachten? Du hast gesagt, dass wir beide ewig sein werden. Du hast darüber gesprochen, wie du niemals jemand anderen lieben könntest und dass ich das Wertvollste bin, was du je geschenkt bekommen hast. Es ging mir ganz genauso, Tristan. Du warst der beste Freund und Verlobte, den man sich wünschen kann. Und deshalb habe ich die letzten zwei Jahre nur an dich gedacht. Daran, wie sehr ich dich vermisse." 

Ich musste vermutlich völlig irre aussehen, wie ich hier so saß und mit einem Grabstein redete. Doch ich fühlte mich, als würde ich das brauchen, als würde es genau das sein, was ich jetzt tun musste. "Aber Tristan, ich...du musst mir verzeihen, aber ich glaube ich muss weitermachen. Bitte nimm es mir nicht übel, mein Schatz. Ich werde dich niemals vergessen, wirklich nicht. Ich werde dich immer lieben." 
Schluchzend warf ich die Hände vor mein Gesicht und sackte mehr zusammen, weinte noch viel mehr und zitterte heftig am ganzen Körper. 
Das hier fühlte sich gar nicht wie ein friedlicher Abschluss an, sondern eher wie ein völliger Nervenzusammenbruch. Dennoch, ich spürte wie Druck von mir abfiel, ein Druck den ich die letzten Jahre immer gespürt hatte. Irgendetwas in mir löste sich gerade und die unaufhörlich fallenden Tränen fühlten sich beinahe befreiend an unter all dem Schmerz. 
"Wir hatten eine wundervolle Zeit, Tristan, ich will dir dafür danken. Danke für alles", hauchte ich und wischte mir über die Augen, doch es half nichts. 

Ich zitterte und weinte weiter stumm vor mich hin, ignorierte vorbeigehende Leute und hoffte inständig, dass ich niemanden störte. Der Anblick des Grabs war zu viel, weshalb ich die Augen zusammenkniff und meinen Tränen und meiner Trauer einfach freien Lauf gab, als wäre ich gerade ganz allein und niemand könnte mich sehen. All das herauszulassen fühlte sich gut an. Ich hatte oft geweint, doch nie hatte ich die Worte zu Tristan gesagt oder ihn hier besucht. Das hier war wichtig und ich realisierte, wie sehr Gemma doch recht gehabt hatte. 
Ich verkrampfte mich immer mehr beim Weinen, bis hinter mir ein paar auf dem Boden liegende Zweige knackten. Nur Augenblicke später legten sich Arme um meinen Körper und jemand zog mich fest an sich heran. 

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