H - Gar nicht mehr so dunkel
Louis' Bar war ganz genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Relativ klein und gemütlich, glich eher einem Club, als einer typischen Bar. Dunkle Möbel und rot-schwarze Dekoration ließen es ein wenig verrucht wirken, die Musik war laut aufgedreht und gefühlt war jeder Stuhl und jeder Tisch anders als der daneben. Es war absolut chaotisch, hatte jedoch den nötigen Charakter, damit man sich wohl fühlte.
Und das schienen die Leute zu tun. The Socialist war brechend voll.
"Wie soll ich denn hier einen Platz finden?" fragte ich ihn und er lachte auf und lief zu den Wänden, drückte irgendeinen Knopf und dann schob sich die Wand vor meinen Augen auf und verschwand im Gemäuer. Zum Vorschein kam ein weiterer Raum, die Bar war nun doppelt so groß geworden wie vorher und die Leute jubelten lautstark und verteilten sich mehr auf den Stühlen und Hockern.
Ich beobachtete das fasziniert, als mich jemand streifte und auf Louis zuging.
"Das wollte ich gerade auch machen! Die Leute rennen hier alles ein!" rief der junge Mann und fiel Louis um den Hals und zog ihn fest an sich. "Endlich bist du wieder da! Wehe du machst nochmal Urlaub, das halte ich nicht aus!" jammerte er.
Louis lachte und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken. "Du hast es doch überlebt!"
Der Mann schnaubte. "Aber nur fast!"
Louis schüttelte lachend den Kopf und packte ihn an den Schultern, drehte ihn in meine Richtung. "Das da ist Harry. Sei nett zu ihm, ich will keine Klagen hören!" sagte er eindringlich.
"Harry, das hier ist Oli!" stellte Louis ihn vor und ich hob überrascht die Augenbrauen, ehe ich Oli's Hand schüttelte, der mich skeptisch musterte. "Hi!" sagte ich und er nickte mir zu, ehe er Louis wieder ansah. "Wo hast du den denn aufgegabelt?"
Louis schlug ihm gegen den Hinterkopf und lachte leise, sah ihn an. "Ich hatte Glück in Italien und habe jemand Besonderen getroffen."
Oli's Augen wurden groß und er sah noch einmal zu mir, während sich meine Wangen rosa färbten und ich die Hände in die Hosentasche steckte.
Louis lächelte mich an, beugte sich zu Oli und flüsterte ihm etwas zu, ehe er zu mir kam. "Setz dich doch hier neben die Bar. Dann habe ich dich im Blick!" schlug er vor, seine Stimme hatte einen deutlich sanfteren Unterton. Wenn er mit mir sprach, schien er ganz anders zu sein und ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob er sich für mich verstellte.
Ich nickte einfach und setzte mich an den Tisch, Louis lächelte zufrieden und verschwand hinter der Bar.
Eigentlich wollte ich mehr über seine Arbeit wissen, doch ihn zu beobachten kam mir falsch vor, weshalb ich stattdessen die Leute musterte, die in den Gängen herum standen oder an den Tischen saßen. Sie alle schienen die Zeit ihres Lebens zu haben.
"Was möchtest du trinken?"
Mein Blick schoss zu Louis, der sich auf dem Tisch abstützte mit beiden Händen und mich lächelnd ansah. Er hatte ein enges, schwarzes Shirt an und ein Geschirrtuch lag über seiner Schulter. Ich wusste sofort, dass ich mich an den Anblick enger Kleidung an ihm absolut gewöhnen konnte. "Was empfiehlst du?" fragte ich ihn.
Er begann sofort zu mehr zu lächeln. "Ich habe einen ziemlich guten Wein und kann einen verdammt guten Gin Tonic. Außerdem noch Long Island Icetea und, mein Favorit, Vodka."
Ich lachte auf. "Vodka ist dein Favorit?"
Er nickte grinsend und zwinkerte mir zu. "Wein?" hakte er nach und ich nickte. Ich fühlte mich nicht nach Party, eher nach zuhause sein und die Ruhe genießen. Doch ich wollte wissen, wie Louis' Leben aussah, wie er mit anderen agierte, wie er arbeitete. Ich wollte alles wissen.
Louis nickte zufrieden und entfernte sich, während ich ihn nun doch unverhohlen beobachtete. Er lächelte die ganze Zeit, während er Getränke mischte, abkassierte oder aufwusch. Er und Oli wirkten wie ein perfekt eingespieltes Team hinter der Bar, außerdem wirkten sie unglaublich vertraut. Offenbar brauchten diese beiden keine Worte, denn jeder Handgriff und jede Bewegung zwischen ihnen schien zu sitzen.
Ich ertappte mich dabei, dass ich anfing, Zayn zu vermissen. Gerade als ich mein Handy aus der Hosentasche ziehen wollte, tauchte Oli vor mir auf und stellte den Wein ab.
"Danke", sagte ich mit einem schüchternen Lächeln.
Er blieb stehen und musterte mich, weshalb in mir sofort die Nervosität nach oben kroch. Unsicher sah ich ihn an und er lächelte schlicht. "Harry, also?" fragte er und ich nickte einfach.
Er legte den Kopf schief.
"Wenn du ihm wehtust, mach ich dich fertig."
Mir klappte der Mund auf und ich sah ihn erschrocken an, während sein Blick vollkommen ernst war. Offensichtlich scherzte er ganz und gar nicht.
"Ich...w-will...nein, das..." stammelte ich hilflos und er nickte nur und sah zu Louis. "Er ist der beste Mensch auf der Welt. Das solltest du wissen, also brich ihm nicht das Herz. Das hat er nicht verdient", sprach er und ich sah ebenso zu Louis, der gerade in ein Gespräch mit einem Gast vertieft war und herzlich lachte.
"Habe ich nicht vor", sagte ich leise und Oli sah zu mir.
"Dann ist ja gut!" antwortete er und verschwand hinter der Bar und ließ mich allein.
Ich sah ihm nach und dann nahm ich das Glas in die Hand und blickte auf die Flüssigkeit darin. Unwillkürlich fragte ich mich, was Louis erlebt hatte, dass Oli so beschützend ihm gegenüber war. Erzählt hatte er mir nichts, doch er hatte mir allgemein sehr wenig erzählt. Die Sache mit seinem Vater war die einzige Sache, die er mir gegenüber erwähnt hatte.
"Schmeckt er nicht?"
Ich sah zu Louis, der neben mir stand und mich fragend ansah.
"Ich habe noch gar nicht gekostet", gab ich zu und lachte leise. Louis grinste und stellte zwei klare Schnäpse auf den Tisch. "Dann ist dein Gaumen noch nicht versaut. Los!" sagte er und nahm ein Shotglas in die Hand, sah mich auffordernd an mit diesem breiten Grinsen.
"Ich wollte doch keinen Vodka", sagte ich lachend und er winkte ab.
"Ich gehe davon aus, dass Oli hier wieder den Oberarsch hat raushängen lassen, also vermute ich entsprechend, dass du einen Shot gebrauchen kannst. Du siehst nämlich aus wie ein verängstigtes Reh, das zitternd am Straßenrand steht!"
Ich lachte. "Sehr spezifisch", bemerkte ich und nahm ebenfalls den Shot und stieß an, ehe ich die Flüssigkeit herunterschluckte. Angewidert verzog ich das Gesicht und sah zu Louis, der absolut unbekümmert sogar noch einen Tropfen aus dem Glas leckte.
"Völlig geisteskrank", murmelte ich, woraufhin er lachte und mir in die Augen sah.
"Ich würde dich so gerne küssen jetzt", gab er leise zu.
Auf meiner Haut bildete sich eine Gänsehaut und ich dachte gar nicht weiter darüber nach, beugte mich zu ihm und küsste ihn sanft. Louis wirkte einen Moment überrascht, doch dann erwiderte er sofort. Ohne zu zögern fand seine Zunge ihren Weg in meinen Mund, ließ mein Herz höher schlagen und er schob sich näher an mich heran am Tisch vorbei, unterbrach den Kuss dabei nicht und ich seufzte leise auf.
Er war forsch und sanft zugleich, spielte mit meiner Zunge und ich merkte, wie es in mir warm wurde, während seine Hand an meinen Hals glitt, schließlich fest in meinem Nacken lag.
Irgendwann löste er sich und sah mir in die Augen. "Egal, was Oli gesagt hat, lass dir keine Angst einjagen. Es ist seine Lebensaufgabe, mich zu beschützen." Er lachte. "Dabei wird ihm ständig das Herz gebrochen, das projiziert er auf mich!"
Ich sah in seine Augen. "Ist das wirklich so, oder machst du mir etwas vor?" fragte ich ihn direkt.
Louis lächelte mich an und küsste meine Stirn. "Bis auf die eine oder andere Jugendsünde und gescheiterte Beziehungen ist nichts passiert. Also eigentlich gar nichts. Versprochen, ja?" Er lächelte und ich nickte leicht und konnte nicht anders, als mich von seinem Lächeln anstecken zu lassen.
"Louis?"
"Ja?"
"Kann ich bei dir schlafen heute?" fragte ich ihn unsicher.
Sein Blick wurde verträumt und er lächelte noch breiter, wenn das überhaupt möglich war, ehe er nickte. "Das fände ich schön. Wenn du so lange aushältst? Die Bar ist bis um drei geöffnet."
Ich nickte und sah ihn weiter an. Mein Magen füllte sich mit Schmetterlingen und ich konnte den Blick nicht abwenden. Louis ließ Doncaster gar nicht mehr so sehr wie den Schreckensort aussehen, zu dem die Stadt sich für mich entwickelt hatte. Ich spürte immer mehr, dass ich ihm nahe sein wollte, am liebsten jetzt sofort. Doch er musste arbeiten, das wusste ich.
Er hingegen schien das vergessen zu haben, denn er blieb wie angewurzelt stehen, blickte mir weiter fest in die Augen und wirkte, als wäre er auf einem völlig anderen Planeten. Wir sahen uns einfach nur an und mein Herz klopfte wieder schneller, das tat es jedes Mal, wenn er mich so ansah mit diesen wundervollen Augen.
Doch auch diese Momente endeten irgendwann, als Oli in meinem Blickfeld auftauchte und Louis gegen die Schulter boxte.
Er sah zu seinem besten Freund, der ihn angrinste. "Brauchst du eine Einladung, oder soll ich den Abend heute lieber übernehmen? Ihr zwei seht aus, als wölltet ihr gerade lieber ganz woanders sein!" sagte er und ich musste schmunzeln und sah scheu zu Louis.
Dieser sah Oli lächelnd an. "Das wäre ich wirklich. Aber es ist meine Bar und ich habe Verantwortung."
Er sah zu mir mit fragendem Blick. "Ist es okay für dich? Willst du lieber deine Ruhe? Das wäre auch okay, alles wie du es willst."
Schmunzelnd nickte ich. "Sei fleißig, Lou. Ich schaue dir zu."
Er grinste, küsste meine Wange zärtlich und sah mir in die Augen. "Wir machen es uns dann gemütlich und schlafen morgen aus, ja?" sagte er leise und ich nickte, ehe ich mir erneut einen kleinen Kuss stahl.
"Ich freu mich drauf."
Er seufzte theatralisch und legte die Hand auf sein Herz, während er rückwärts in den Barbereich lief und mich mit schief gelegtem Kopf ansah.
"Ich wiederhole mich ja nur ungern, aber Harry, wo hast du dich nur versteckt?!" rief er.
Grinsend zuckte ich mit den Schultern und wurde rot, schüttelte leicht den Kopf. Das hatte er in Italien am Strand gesagt, ich konnte mich noch genau daran erinnern. Und dieses Mal fühlte es sich um mich herum gar nicht mehr so dunkel an, wie an jenem Tag. Und ich merkte in diesem Moment, dass er mir viel wichtiger war, als ich es bis jetzt realisiert hatte.
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