H - Ein guter Zuhörer

Sanfte Berührungen weckten mich aus dem Schlaf und gleichzeitig aus meinen wirren Träumen. Erschrocken riss ich die Augen auf, doch es war alles dunkel, es musste mitten in der Nacht sein. Neben mir ging das gedämpfte Licht der Nachttischlampe an und ich blickte in Louis' Gesicht, der vor mir saß und mich mit sorgenvollen Augen ansah. 
Verwirrt blickte ich ihn an. "Was ist denn?" sagte ich rau und räusperte mich. 
"Das sollte ich dich fragen. Harry, wieso weinst du?" fragte er mich leise, seine Stimme war ganz sanft und die Besorgnis war deutlich herauszuhören. 

Ich setzte mich auf und runzelte die Stirn, fasste mir in mein Gesicht und spürte, dass meine Wangen nass waren, sah zu Louis und schluckte leicht. "Alles gut", sagte ich sofort und wollte aufstehen, doch er hielt mich zurück und sah mir in die Augen.
"Liegt das an mir? Harry, soll ich lieber gehen? Ist das dir das zu viel?" 
Wortlos sah ich ihn an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, doch er sah mich so sanft an, dass sich meine Augen mit Tränen füllten, ohne dass ich etwas daran ändern konnte. 
Louis reagierte sofort. Er zog mich an sich und nahm mich in die Arme, drückte mich fest an sich. "Alles gut, Harry", flüsterte er sanft und strich mir über den Rücken. 
"Es wird nie wieder etwas gut", antwortete ich, gefolgt von einem Schluchzer und der Blauäugige zog mich nur fester an sich.
"Man kann immer alles regeln, Harry. Auch wenn etwas ausweglos scheint, dennoch gibt es immer einen Weg", sagte er, nachdem er sich löste und mir in die Augen sah. 
Ich seufzte leise auf. "Das nicht. Dafür gibt es keinen Ausweg", hauchte ich und in dem Moment, in dem er so für mich da war, brachen bei mir alle Schutzmauern. 

Er strich mir über die Wange und legte den Kopf schief. "Willst du drüber reden?" flüsterte er und lächelte mich leicht an, während seine Hände mich nie verließen. 
Ich schluckte und sah ihn unsicher an, ehe ich den Blick senkte und schniefte. 
"Mein Verlobter ist.... Er ist gestorben vor zwei Jahren", flüsterte ich. " Er war trainieren abends und alleine und..." Ich brach ab und schluchzte auf, vergrub das Gesicht in meinen Händen. 
Noch nie hatte ich einem Außenstehenden davon erzählt und eigentlich hatte ich auch nie vorgehabt, das zu tun. Doch ich fing an, Louis zu mögen und sogar ein wenig zu vertrauen. Also hob ich meinen Blick wieder an und sah in seine Augen, die mich ganz erschrocken ansahen. 
"Er ist tot", sagte ich leise. "Ich habe seitdem nie...ich habe nichts...ich war allein." 

Er sah mich bestürzt an, legte die Hände auf meine Wangen und strich mir die Tränen sanft weg. "Das tut mir so leid", flüsterte er betreten. 
Ich nickte leicht und atmete tief durch. "Es ist nicht so leicht für mich, Louis. I-Ich fühle mich nicht mehr gut, schon sehr lange nicht mehr. Ich habe meine Person verloren." Ich sah auf meine Hände und schniefte leise. "Ich habe bei dir das erste Mal wieder gelacht", fügte ich flüsternd hinzu und schloss die Augen. "Das ist ungewohnt für mich. Es ist neu und ich bin ehrlich, ich bin noch nicht darüber hinweg." 

"Was vollkommen verständlich ist! Hätte ich es gewusst, wäre ich nicht so penetrant gewesen, Harry, das tut mir sehr leid." 
Ich sah verwirrt zu Louis. Wieso entschuldigte er sich? 
"Du hast doch nichts falsch gemacht", sagte ich leise. 
"Willst du dich mit mir hinlegen und mir erzählen, was passiert ist?" fragte er mich leise und ich nickte leicht. Vielleicht würde es mir guttun, mit ihm darüber zu sprechen. 
Wir legten uns ins Bett, ich legte den Kopf auf seiner Brust ab, Louis deckte uns zu. Seine Hände fanden meine Haare und er kraulte mich sanft. 
"Er war Profischwimmer. An dem Abend hat er gesagt, er will trainieren gehen. Ich wollte es nicht, ich wollte dass wir uns einen Film ansehen und Zeit verbringen. Wir haben uns gestritten", setzte ich an und neue Tränen fanden den Weg aus meinen Augen. "Er ist trotzdem gegangen und war Ewigkeiten weg. Ich dachte, er müsste den Streit verarbeiten. Irgendwann war es mir zu bunt und ich war wütend, also bin ich zur Schwimmhalle gefahren. A-Als ich hinein bin, da..." Meine Stimme brach und Louis streichelte mich mehr, blieb ganz sanft. 
"Er trieb leblos im Wasser, als ich in die Halle kam. Er ist ertrunken, weil er einen Herzinfarkt hatte, das hatte sich später herausgestellt", sagte ich leise. 

Louis blieb stumm für einen Moment, während ich wieder anfing zu weinen. Er hielt mich fest und streichelte mich unaufhörlich, während ich mich in seinem Beisein in ein einziges Wrack verwandelte. Die Scham, die ich verspürte, wuchs ins Unermessliche in diesem Moment. Doch ich konnte mich nicht beruhigen, es war, als würde die schon teils verschlossene Wunde wieder aufgerissen und der Schmerz sich in meinem Kreislauf verteilen und alles schwarz färben. Louis schob mich von sich, drehte sich auf die Seite und schloss seine Arme fest um mich, hielt mich einfach fest und strich mir immer wieder durch die Haare, gab mir sanfte Küsse auf die Stirn. 

"Jetzt verstehe ich die traurigen Augen", flüsterte er und ließ mich sofort aufsehen zu ihm. Sein Lächeln war warm, wenn auch ein wenig bedrückt. 
"Wie meinst du das?" murmelte ich. 
"Ich sehe es in deinen Augen. Man sieht dir an, dass dir etwas Schlimmes zugestoßen ist. Ich hatte den Blick auch lange, wegen meinem Dad. Es tut mir so leid, dass du das durchmachen musst. Seine Liebe zu verlieren ist furchtbar", antwortete er sanft und ich nickte leicht und seufzte auf. 
"Ich hätte niemals gedacht, dass ich es jemals jemandem erzählen würde", sagte ich leise. "Und dann bin ich hier in Italien und erzähle es einfach dir." 
Louis lächelte. "Ich sage ja, ich bin ein guter Zuhörer." 

Ich nickte leicht und schloss die Augen. 
"Sag mal, Harry...kann ich dich was fragen?" Ich nickte bestätigend. "Klar." 
Er atmete tief durch, ehe er etwas sagte. "War dein Verlobter...redest du von Tristan Hiddleston?" 

Sofort setzte ich mich auf und sah ihn an. "Woher weißt du das?" fragte ich ihn alarmiert und eine unangenehme Gänsehaut überzog mich. 
Louis setzte sich ebenfalls auf. "Es ist in Doncaster passiert, nicht? Es war...die Sache war überall in den Zeitungen." 
Ich atmete hektisch aus und nickte leicht, spannte mich vollkommen an. "Du...du hast es gelesen." 
Er nickte und sah mich an. "Ich weiß wie komisch sich das jetzt anhören muss, aber ich kannte Tristan. Wir waren zusammen in der Schule, er war in meiner Klasse." 

Es fühlte sich an, als würde mein Blut in den Adern gefrieren, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Auch wenn Louis aus Doncaster kam, dass sie sich kennen könnten, war mir nicht in den Sinn gekommen. 
Sofort stand ich auf und fuhr mir durch die Haare. "Das wird mir irgendwie gerade zu nah", gab ich zu und wusste im ersten Moment nicht, wohin mit mir. 
Louis stand ebenfalls auf. "Harry, geht es dir gut?" fragte er vorsichtig und kam auf mich zu, doch ich trat einen Schritt zurück von ihm und schüttelte leicht den Kopf. 
"Kannst du bitte gehen?" flüsterte ich. 
Er sah mich überrascht an, nickte aber sofort und zog sich an. Bevor er ging, kam er noch einmal zu mir.
"Soll ich nicht doch bei dir bleiben? Du bist so aufgewühlt, Harry. Mir ist nicht wohl dabei, dich jetzt allein zu lassen", sagte er und wirkte unglaublich besorgt.
"Ich bin lange allein klar gekommen", entgegnete ich, meine Stimme brach dabei und ich wischte mir über die Augen. Ich verstand mich in diesem Moment selbst nicht, begriff nicht, wieso es mich so traf, dass er ihn kannte. 

Louis nickte leicht. "Das musst du aber nicht." 
"Geh bitte", hauchte ich und sah ihn bittend an. Er nickte sofort und nahm sein Handy, ging zur Tür. Ich sah ihm hinterher und er drehte sich noch einmal um.
"Er war ein wirklich toller Mann. Wir können gerne über ihn reden, über die Schulzeit, solltest du das irgendwann mal machen wollen. Oder über irgendetwas anderes, was immer du willst. Ich sehe dich in der Früh, ja?" 
Ich nickte leicht. "Beim Frühstück", antwortete ich leise. 
Er lächelte mich sanft an und nickte. "Ich bin in Zimmer 12, wenn du mich brauchst." 
Und dann schloss sich die Tür und er war weg. 


Ich sah ihm nach, während ich wieder begann zu weinen und schüttelte leicht den Kopf, legte mich zurück in das nun leere Bett und atmete tief durch.
Es roch nach ihm. Schluchzend zog ich die Decke über mich und nahm mein Handy, öffnete das Fotoalbum mit den Bildern von Tristan und scrollte durch die unzähligen Erinnerungen, die sich darin befanden. Nichts würde ihn zurückbringen und ich wusste nicht, wie ich es aus der Dunkelheit schaffen sollte. Allein würde ich es nicht schaffen, das wusste ich mittlerweile nur zu gut. Zu oft hatte ich dunkle Tage gehabt, an denen ich keinen Sinn mehr sah, sah keinen Ausweg. Und während ich mir die Bilder ansah, wurde der Schmerz größer. Genau wie mein Wunsch, mich wieder in Holmes Chapel verkriechen zu können. 

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