H - Die Louis-Wärme
Wir entschieden uns, mein Auto später zu holen und es auf dem Parkplatz stehen zu lassen. Louis bestand darauf, dass ich in meinem Zustand auf gar keinen Fall ein Fahrzeug bedienen würde und ich diskutierte nicht einmal. Ich war erschöpft und einfach nur dankbar, dass er das Ruder in die Hand nahm und mich führte.
Wir stiegen in seinen Wagen und er fuhr eine Weile, während wir schwiegen. Es brauchte keine Worte in diesem Moment und das schienen wir beide gleichermaßen so zu sehen.
Louis parkte den Wagen vor einem kleinen Restaurant, dass von außen so unauffällig war, dass ich es beinahe übersehen hätte.
"Niedlich", sagte ich leise, als ich aus dem Wagen stieg. Ich war irgendwie unsicher, doch ich wusste nicht, wieso.
"Danke!" antwortete Louis grinsend und zwinkerte mir frech zu, weshalb ich leise lachen musste und den Kopf schüttelte. Er schmunzelte, lief um den Wagen herum und legte die Hand auf meinen unteren Rücken, führte mich in das kleine Lokal und suchte uns einen Tisch aus. Als wir uns setzten, sah ich mich einen Moment um. "Das kenne ich hier gar nicht", bemerkte ich.
Er nickte lächelnd. "Ist nicht wirklich bekannt. Ich wohne nur zwei Straßen weiter, daher kenne ich es", entgegnete er.
"Du wohnst hier in der Nähe?" hakte ich noch einmal nach und er nickte und nahm sich die Karte zur Hand. "Keine Sorge, ich fahre dich zurück zu deinem Auto."
Ich musterte ihn und kaute unsicher auf meiner Lippe herum, während in meinem Kopf das Gedankenkarussel anging. Ich konnte nicht behaupten, dass es mich sonderlich stark in das unbequeme Hotelbett zog, außerdem wurde mir jetzt mehr denn je bewusst, wie sehr ich Louis doch vermisst hatte. Ich blieb dennoch stumm und nahm mir die Karte ebenfalls. Auf der Speisekarte standen typisch englische Gerichte. Es war so herrlich heimatlich, dass mein Herz einen kleinen Hüpfer machte.
"Was wirst du essen?" unterbrach Louis meine Gedanken und ich sah zu ihm.
"Sheperd's Pie", antwortete ich lächelnd.
Er lehnte sich zurück und musterte mich lächelnd, nickte dann. Er wollte etwas sagen, doch die Kellnerin unterbrach uns, also bestellten wir zunächst unsere Speisen und Getränke.
"Wie lange bist du schon hier in Doncaster?" fragte mich Louis.
"Fünf Tage", antwortete ich. "Ich war an all unseren Orten, also an fast allen. Die Wohnung, die Schwimmhalle. Die Felder, auf denen ich immer joggen war. Und noch einige andere Orte." Ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe quasi eine Reise in die Vergangenheit gemacht. Nur halb so schön, wie es klingt", ergänzte ich mit einem schiefen Lächeln.
"Aber du hast sie gemacht. Und das ist das Wichtigste", antwortete er. Seine Stimme war getränkt von Zuversicht und ich seufzte leise auf und blickte in seine Augen.
"Lou?" sagte ich leise.
Er beugte sich ein wenig vor und sah mich aufmerksam an. "Ja, Harry?"
Ich schluckte leicht und sah auf die Tischplatte. "Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich will nicht...könnten wir..." stammelte ich unsicher und seine Hand schnellte über den Tisch und drückte meine sanft. "Atmen, Harry", sagte er zwinkernd. "Was möchtest du sagen?"
Ich sah auf unsere Hände und atmete tief durch. "Könnten wir das Essen vielleicht to go kaufen und zu dir gehen?" flüsterte ich und war mir sicher, dass er es nicht einmal gehört hatte, so leise hatte ich gesprochen.
"Oh...na logisch!" sagte er jedoch mit einem breiten Lächeln und gab der Kellnerin ein Handzeichen, die gleich darauf an unseren Tisch kam. "Könnten Sie es bitte einpacken? Wir würden das Essen lieber zuhause essen!" fragte er sie mit einem charmanten Lächeln und sie nickte sofort.
"Na klar! Ich kümmere mich darum!" sagte sie und schwebte sogleich davon.
Ich sah ihn verträumt an, ehe ich blinzelte und mich ein wenig aufrechter hinsetzte. "Danke, Lou."
Er lachte leise. "Doch nicht dafür. Du sollst dich wohlfühlen, Harry. Ich hätte es selbst vorgeschlagen, aber ich wollte dich nicht zu irgendetwas drängen."
Ich schüttelte sofort den Kopf. "Nein, tust du nicht. Aber ich...fühle mich gerade nicht danach, in der Öffentlichkeit zu sein", sagte ich leise.
Louis nickte sofort. "Das verstehe ich. Der Tag war hart bis jetzt, da ist das eigentlich klar. Ich hätte selbst dran denken sollen."
Eilig drückte ich seine Hand und schüttelte den Kopf. "Du machst schon so viel, in dem du nur da bist. Was ich tatsächlich noch immer nicht glauben kann. Das fühlt sich so surreal an."
Wir sahen uns wieder tief in die Augen und er lächelte so charmant wie eh und je. "Hätte ich gewusst, was du vorhast, hätte ich mich dir schon viel eher aufgedrängt. Niemand sollte so etwas allein durchleben müssen, Harry. Ich wollte wirklich unbedingt für dich da sein."
Ich wollte etwas erwidern, doch die Kellnerin unterbrach uns erneut.
"Hier ist es!" rief sie fröhlich und setzte uns zwei in Styropor verpackte Portionen vor die Nase. "Lasst es euch schmecken!"
Louis zog seine Geldbörse und zwischen uns entstand eine Diskussion darüber, wer bezahlen durfte, welche ich letztendlich gewann. Schmollend sah Louis mich an, während ich unsere Rechnung beglich und wir kurz darauf das Restaurant zu meiner großen Zufriedenheit. Ruhe und Wärme lag nah am Horizont und ich konnte es kaum erwarten.
Nur wenig später betraten wir seine Wohnung und ich sah mich neugierig für einen Moment um. Es war ordentlich, die Koffer standen noch im Flur, einer davon geöffnet. Die Kleidung darin chaotisch verteilt und ich musste schmunzeln, während ich die Schuhe auszog.
Er tat es mir gleich und führte mich in sein Wohnzimmer. Es war klein und gemütlich, er hatte sogar einen Kamin.
Louis schaltete zwei kleine Lampen an und ein indirektes, gemütliches Licht entstand im Raum, die Vorhänge waren nur halb geöffnet. Hier gefiel es mir auf Anhieb.
"Ich kann den Kamin anmachen und dir einen Tee machen. Welche Sorte magst du am Liebsten? Oder willst du lieber etwas anderes trinken?"
Ich sah den Blauäugigen an. Er wirkte beinahe besorgt und ich lächelte ihn leicht an. "Mach dir keine Umstände", sagte ich.
"Tee machen ist kein Umstand, Harry. Feuer machen auch nicht, das konnten schließlich schon die Höhlenmenschen. Und ich habe sogar ein Feuerzeug!" Er machte eine beeindruckte Miene und ich lachte leise.
Louis schmunzelte. "Setz dich auf die Couch, ich kümmere mich um dich!" forderte er mich auf und bugsierte mich zu seiner Couch, also ließ ich mich darauf fallen. Ich sah hoch zu ihm und er küsste meine Stirn, ehe er in einem anderen Raum verschwand. Ich sah ihm nach und runzelte leicht die Stirn, strich mit der Hand über das Polster der Couch. Ganz augenscheinlich wollte er sichergehen, dass es mir gutging, doch ich wollte keinen Tee. Ich traute mich nicht, es auszusprechen. Fieberhaft grübelte ich darüber nach, wie ich ihn um das bitten konnte, was ich mir gerade so wünschte.
"Erde an Harry? Alles okay? Brauchst du irgendwas?"
Louis holte mich aus meinen Gedanken und kniete sich vor mich, seine Hände legte er auf meine Oberschenkel und er sah mich besorgt an.
Ich blickte ihn an und nickte leicht. "Ja", hauchte ich leise. Sofort lächelte er. "Pfefferminz, schwarz oder grün? Ich hab sonst auch noch Waldfrucht, aber keine Ahnung. Der ist wirklich ziemlich widerlich und gehört eigentlich auch Lottie", plapperte er und lachte leise.
Ich kaute auf meiner Lippe und schüttelte den Kopf.
"Nichts davon? Also, eine andere Sorte habe ich leider nicht", sagte er und wirkte einen Moment lang tatsächlich absolut ratlos.
"Lou, ich..." begann ich leise. "Ich habe dein Wärme vermisst. Wenn es dir keine Umstände macht, dann würde ich statt Tee zu trinken lieber einfach nur kuscheln wollen", gab ich leise und unsicher zu.
Seine Augen leuchteten auf und er fing an breit zu strahlen. "Bist du dir sicher?" fragte er mich leise. "Meinst du das wirklich ernst?"
Ich nickte leicht. "Du hast mir gefehlt. Ich glaube, das könnte mir jetzt helfen", hauchte ich.
"Oh, Harry", sagte er leise und sah mir eine Sekunde in die Augen, ehe er sich auf die Couch fallen ließ und mich umgehend in seine Arme schloss. Sanft aber bestimmt zog er mich an sich und ich schlang die Arme um seinen Oberkörper und bettete meinen Kopf auf seiner Brust ab. Beinahe sofort fanden seine Finger meine Haare und er strich mir sanft durch die Strähnen, weshalb mir ein leichtes Seufzen entfleuchte.
"Ich bin so froh, dass ich dich hier gefunden habe", flüsterte er. "Ich hatte Angst, dass dir etwas passiert ist. Jetzt kann ich endlich auf dich aufpassen, Harry. Und das werde ich, das verspreche ich dir."
Ich sah hoch zu ihm und lächelte. "Woher weißt du immer, was du sagen musst?" fragte ich ihn.
Er lachte und ich spürte das Vibrieren seiner Brust an mir. "Keine Ahnung. Ich denke, ich bin ein Naturtalent!" erwiderte er frech und wir lachten beide.
"Anscheinend!" antwortete ich amüsiert. "Nein, im Ernst, Lou. Bitte halt mich einfach fest, ja?" sagte ich nach einer Weile, nun wieder ernster und auch deutlich unsicherer.
Er streichelte weiter durch meine Haare und küsste meinen Kopf sanft. "So lange du willst", antwortete er mit zärtlichem Unterton.
Lächelnd schloss ich die Augen und kuschelte mich fester an ihn, atmete tief durch und spürte zum ersten Mal seit Tagen, wie mich Entspannung durchfloss.
"Endlich", wisperte ich kaum hörbar und sog seinen Duft unauffällig ein, während ich immer ruhiger wurde und mich von der Louis-Wärme einfach nur umhüllen ließ.
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