H - Die ganze Bande!
Wir verbrachten den restlichen Tag in dem kleinen Restaurant, in welches Louis mich an dem Tag, an dem er mich auf dem Friedhof gefunden hatte, mitgenommen hatte. Es war wie verhext, ich fühlte mich so unglaublich wohl in Doncaster, wie noch nie zuvor. Die Straßen wirkten anders, die Restaurants freundlicher, das Wetter besser.
Natürlich war Letzteres völliger Schwachsinn, denn es regnete mittlerweile Bindfäden, doch es störte mich nicht. Im Gegenteil, es fühlte sich beinahe friedlich an und die Luft roch so gut. Einzig der Gips um Louis‘ Handgelenk trübte meine Stimmung. Immer wieder strich ich mit meiner Hand darüber oder musterte Louis, überprüfte, ob es ihm wirklich gut ging.
Als wir gemeinsam mit Zayn schließlich Louis‘ Wohnung betraten, hielt ich ihm die Tür auf und für einen Moment kniete ich mich sogar fast vor ihn, war geneigt, ihm beim Ausziehen der Schuhe zu helfen.
„Okay, jetzt reicht’s!“ sagte Louis jedoch lachend und zog mich sanft hoch, küsste meine Nasenspitze. „Hör auf damit, Harry. Es geht mir super!“
Ich musterte ihn erneut und nickte leicht. „Wieso nennst du mich nicht Curly?“ fragte ich ihn.
„Willst du das denn?“ hakte er nach und verzog leicht das Gesicht. „Ich weiß noch nicht, ob das der richtige Spitzname für dich ist. Ich suche noch.“
Leise lachte ich und zog mir die Jacke aus, fuhr mir durch die Haare und richtete sie, ehe ich ihn ansah. „Ich mag Curly. So hast du mich in Italien genannt.“
Auf Louis‘ Gesicht erschien ein breites Grinsen und er nickte. „Du hast es dir gemerkt.“
„Natürlich!“ sagte ich. „Ich habe mir alles gemerkt. Jede Geste und jeden Satz“, gab ich leise zu. Denn es war die Wahrheit. Ich erinnerte mich an alles, was er mir gesagt hatte, oder wie er mich fühlen lassen hatte.
Louis wollte etwas erwidern, doch Zayn räusperte sich. Wir sahen beide zu ihm und ich musste mir eingestehen, dass ich für einen Moment vergessen hatte, dass wir nicht allein waren. Ich war ein schlechter Freund.
„Soll ich schlafen gehen?“ fragte Zayn mit einem frechen Grinsen.
Louis lachte auf. „Vergiss es! Du und ich trinken jetzt etwas. Ich mixe dir was, hast du einen Lieblingsdrink?“ fragte er ihn und ging an uns vorbei ins Wohnzimmer und öffnete einen Schrank.
Zum Vorschein kam eine herausziehbare Plattform, auf der ein schier unendliches Sammelsurium aus Flaschen und Gläsern stand.
„Du hast es mit versteckten Dingen, oder?“ fragte ich ihn grinsend.
„Also bitte!“ sagte Zayn und sah mich gespielt pikiert an, woraufhin Louis und ich in lautes Gelächter ausbrachen.
„Louis hat in seiner Bar noch einen Extraraum, falls es zu voll wird, öffnet er die Wand und da ist dann noch ein geheimes Zimmer“, klärte ich Zayn schmunzelnd auf und er hob anerkennend die Augenbrauen und sah Louis an.
„Die Bar will ich mir auch nochmal ansehen. Ich muss ja wissen, wo Harry sich so rumtreibt.“
Während ich die Augen verdrehte, sah Louis amüsiert zu Zayn und nickte schmunzelnd. „Wirst du noch, keine Sorge. Ich zeige dir alles und dann musst du dir überhaupt keine Sorgen machen. Aber jetzt sag mir trotzdem erstmal, was du gerne trinkst, sonst steh ich hier ewig rum!“
Ich musste mir ein Lachen verkneifen, denn es freute mich wahnsinnig, dass er mit Zayn so umging, als würden sie sich schon seit Ewigkeiten kennen.
„Vodka, mit irgendwas gemixt“, antwortete dieser schlicht und Louis sah automatisch mit einem fetten Grinsen im Gesicht zu mir.
„Ich mag ihn.“
Leise lachte ich und sah Zayn für einen Moment liebevoll an. „Das war mir klar.“
Louis mixte Zayn einen Spezialdrink, den er ihm wortlos in die Hand drückte, ehe er mir ein Glas Wein gab und meine Stirn küsste. Zayn und ich ließen uns auf die Couch fallen, Louis kam mit einem Bier in der Hand zu uns und setzte sich neben mich. Er zögerte nicht, sondern zog mich nah an sich heran und küsste meinen Kopf.
Zayn beobachtete uns lächelnd für einen Moment, ehe er einen Schluck nahm. „Heilige Scheiße“, rief er aus und hustete leicht, woraufhin Louis in schallendes Gelächter ausbrach.
„Du solltest Niall kennenlernen. Ihr zwei könnt beide nicht mit meinen Mischungen umgehen!“ sagte er lachend und ich sah grinsend zu ihm.
„Hast du was von ihm gehört?“ fragte ich ihn neugierig. Die Frage, ob er mit Niall und Tommi noch in Kontakt war, hatte ich mir ohnehin gestellt.
Sofort nickte er lächelnd. „Niall und ich schreiben ab und an. Er will, dass wir nach Italien zurückkommen, denn ob du es glaubst oder nicht, er ist mit der Kleinen dortgeblieben. Sie haben beschlossen, sich dort Jobs zu suchen.“
Sprachlos sah ich ihn an. Diese Information musste ich erst einmal verarbeiten. „Aber sie kennen sich doch noch gar nicht lange.“
Louis zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck von seinem Bier, ehe er mir in die Augen sah und lächelte. „Wenn man’s weiß, dann weiß man es.“
„Diese Singlereise scheint ja echt zu funktionieren!“ sagte Zayn und holte mich in die Realität zurück, ehe ich auf Louis‘ Aussage reagieren konnte. Der Blauäugige bestätigte Zayn’s Aussage sofort und sie verfielen in ein begeistertes Gespräch, während ich noch in der Szene zuvor hing.
Sein Spruch ließ mich nachdenklich werden. Wann wusste man es? Ich hatte mir die letzten zwei Jahre gesagt, dass ich niemals mehr nach Doncaster zurückkommen würde, dass diese Stadt nichts mehr hatte, was mich hier halten würde.
Doch nun saß ich bei Louis auf der Couch und nicht ein einziges Mal war mir der Gedanke gekommen, dass ich zurück nach Hause fahren sollte. Stattdessen blieb ich wie selbstverständlich bei dem Wuschelkopf in der Wohnung und ließ mich von ihm umgarnen. Ich wusste nicht, ob das richtig war und ein wenig bekam ich sogar ein schlechtes Gewissen. Ich hatte Louis nicht einmal gefragt, ob ich bei ihm bleiben durfte, so lange. Womöglich wartete er nur darauf, dass ich endlich wieder nach Hause fuhr.
Nachdenklich sah ich ihn an und hörte den Beiden überhaupt nicht bei ihrem Gespräch zu.
„…da solltest du auch mal hin! Die Seilbahnfahrt ist schon ziemlich cool!“ sagte Louis und blickte kurz zu mir, ehe er Zayn wieder ansah. Doch er sprach nicht weiter, stattdessen sah er mich sofort wieder an, als er mein nachdenkliches Gesicht bemerkte. „Alles okay bei dir?“ fragte er amüsiert.
Ich nickte nur und lächelte leicht, sah zu Zayn wieder. „Lou und ich haben dir übrigens das Gästezimmer hergerichtet. Du musst also nicht auf der Couch schlafen.“
Zayn lachte leise. „War das die Aufforderung, dass ich ins Bett gehen soll?“
Ich riss die Augen auf und schüttelte den Kopf sofort. „Nein, nein! Es ist mir nur eingefallen! Redet weiter!“ sagte ich sofort und wurde knallrot.
Louis legte lachend die Arme um meinen Oberkörper und zog mich näher heran, küsste meinen Kopf und legte das Kinn darauf ab.
„Es ist, als würde er hier wohnen. Ich liebe einfach alles daran“, sagte er zu Zayn und vergrub sein Gesicht für einen Moment in meinen Haaren. „Bleib einfach hier. Geh nie wieder weg“, flüsterte er und auf meinem Körper entstand eine Gänsehaut und mein Herz klopfte schneller.
„Du weißt immer, was du sagen musst“, sagte ich leise.
Grinsend küsste er meinen Kopf.
„Wollt ihr nicht auch nach Italien ziehen?“
Beleidigt sah ich zu Zayn, der uns lächelnd und neugierig betrachte. „Willst du mich loswerden, oder was?“ fragte ich ihn.
„Ja, du bist zu viel Arbeit. Ich halse alles Louis auf“, konterte er lachend, ehe er den Kopf schüttelte.
„Natürlich nicht, Hazza. Aber du liebst Italien, ihr hattet eine wunderbare Zeit dort und Immobilien verkaufen kannst du überall!“ Zayn zuckte mit den Schultern.
„Aber The Socialist gibt’s nicht überall. Louis hat ein laufendes Geschäft, Zayn“, erinnerte ich ihn an den Job meines Freundes, der mir durch die Haare kraulte, während wir sprachen, und mich somit immer entspannter werden ließ.
„Perfekte Möglichkeit, um zu expandieren. Oli kümmert sich hier in Donny drum und ich mache eine neue Bar in Italien auf.“
„Der Mann gefällt mir!“ sagte Zayn lachend und ich stimmte darin ein, während mein Herz beinahe explodierte und ich lehnte mich mehr gegen Louis, verkniff mir die Frage, ob er das ernst meinte und genoss einfach den Moment, erlaubte mir, die Vorstellung von Louis und mir in Italien zuzulassen.
„Und dann hätten wir ein Haus am Meer, dass Harry und du uns besorgen, du kriegst dein eigenes Zimmer bei uns und kannst kommen, wann immer du willst. Oli kriegt auch eins. Oder wir nehmen sie einfach alle mit. Die ganze Bande“, plapperte Louis weiter und lachte schließlich, drückte mich einen Moment fester.
Ich lachte leise, weil Zayn uns ganz begeistert ansah. „Perfekter Plan einfach!“ sagte er und die Beiden verfielen in lautes Gelächter, während sie sich gegenseitig immer mehr anstachelten und weitere Szenarien fantasierten.
Mir ging das Herz auf und die vorangegangene Angst um Louis war verschwunden. Ich vertraute langsam darauf, dass nichts Schlimmes passieren würde. Ein lang vermisstes Grundvertrauen breitete sich in mir aus, während ich in den Armen des Mannes lag, der mir so viel Schmerz genommen hatte in der letzten Zeit.
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