48. TIME TO MOVE ON
S E R E N A
Mehr als drei Tage waren vergangen, seit ich Louis das letzte Mal für zwei Jahre gesehen hatte. Er durfte sich mir ja nicht mehr annähern bis ich mein Abitur nachgeholt hatte, und dazu kam die Zeit, die er im Gefängnis verbringen musste.
Alles nur wegen mir; wegen uns.
Wie hatte ich mir nur etwas Anderes erhoffen können?
Ich hatte seitdem weder das Haus, noch mein Zimmer ein einziges Mal verlassen. Den ganzen Tag starrte ich nur die Decke an, und überlegte wie ich mit dieser Situation fertig werden sollte. Als allererstes hatte ich Anzeige gegen Eleanor erstattet. Nes und Zayn hatten mich dazu überredet, immerhin hatte sie mein Testament gefälscht. Ihre Freundin kam nochmal mit einer Vorstrafe davon, und El selbst saß in Untersuchungshaft.
Und ich?
Ich musste mein Abitur nachholen.
Alle Arbeit war umsonst gewesen, so wie die ganze Aufregung ebenfalls. Und das nur, weil sie glaubten, ich hätte mit ihm geschlafen, um an die Lösungen für das Abitur zu kommen, doch so unmenschlich war ich nicht.
Ich liebte ihn.
Verdammt nochmal, ich musste hier raus. Aber wohin sollte ich gehen? Louis durfte ich eh nicht besuchen und vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, für diese zwei Jahre, erstmal in eine andere Gegend zu ziehen...
Ich war ja schließlich schon 18. Das musste ich vorher aber unbedingt mal mit Nes besprechen. Da sie nun eh ungefähr ein halbes Jahr mit Zayn Flitterwochen machte, und die Welt bereiste, wäre ich komplett alleine gewesen.
Sogar Tatze und Niall hatten besseres zu tun, als sich um mich zu kümmern, aber ich konnte es ihnen nicht verübeln, schließlich war ich zurzeit ein absolutes Nervenbündel.
Sarah war mit Liam auf die nächste Insel geflogen, um dort Urlaub machen zu können, und Harry? Den wollte ich nicht zu sehr mit meinen Problemen belasten.
Vielleicht war es auch besser, komplett zu gehen.
„Was redest du da nur für einen Bullshit? Man du hast ihm versprochen es durchzuhalten! Und von euch beiden geht es mit Sicherheit dir besser, also hör auf so rum zu jammern, verdammt nochmal", schnauzte mein Unterbewusstsein mich an, und ich wettete, dass es mir genau in diesem Moment am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte.
Aber wenn es doch so war...
Ich wollte einfach nur noch weg hier, seit ich angekommen war, gab es nur noch Probleme. Wenn ich doch nur niemals hergekommen wäre, doch dann wäre ich wahrscheinlich in meinem Elend versunken und hätte keine Ablenkung von dem Tod meiner Eltern gefunden.
Die ganze Situation war eine reine Zwickmühle.
„Serena!", schrie es mich wieder an und beobachtete mich mahnend.
Aber davon ließ ich mich nicht beirren.
Es war an der Zeit zu gehen, und ich war so entschlossen wie noch nie.
In zwei Jahren würde ich bestimmt wieder zurückkehren. Zurück zu Louis, es sei denn es hatte sich dann alles verändert. Vielleicht waren meine Gefühle für ihn weg, oder er durfte sich mir dann noch immer nicht annähern.
Mit Tränen in den Augen klappte ich meinen Laptop auf und suchte einen günstigen Flug aus. Wo es hingehen würde? Dorthin, wo ich schon immer mal sein wollte. New York. Mit einem Klick war der erstbeste Flug geöffnet. Ich las mir das Angebot durch, und überdachte alles nochmal. War dies wirklich die richtige Entscheidung?
Nein, ich konnte nicht.
Schnell schloss ich den Browser mit einem kurzen Klick auf das rote Kreuz, überlegte es mir dann aber doch anders und öffnete die Seite nochmal.
Darüber würde ich vielleicht später nochmal nachdenken.
Verdammt, gerade kam ich mir vor, wie eine Person mit zwei komplett gespaltenen Persönlichkeiten. Verzweifelt schmiss ich mich aufs Bett, und überlegte, wie es jetzt weitergehen sollte.
Es klopfte an meiner Zimmertür.
Ohne eine Antwort oder Reaktion meinerseits abzuwarten, öffnete die Person die Tür. Es entstand ein kleiner Luftzug, und meine beste Freundin ließ sich neben mir auf dem Bett nieder.
"Wie gehts dir?", wollte sie erfahren.
Ich zuckte mit den Schultern. Wie ging es mir eigentlich? Nachdem diese ganze Sache geschehen war, wusste ich die Antwort auf diese Frage selber nicht so genau. Ein grummeln verließ ihren Mund. Ich hob den Blick und sah ihr in die braunen Augen.
"Übermorgen gehts los. Bist du schon aufgeregt?", verlangte ich zu wissen.
Ein Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht.
"Schon etwas...", murmelte sie.
Die Stille, die sich genau in diesem Moment ausbreitete war fast unerträglich. Deshalb beschloss ich aufzustehen, und ein bisschen joggen zu gehen. Schnell verabschiedete ich mich von Nes, und ging ins Bad um mir meine Sportsachen anzuziehen.
Jetzt hatte ich endlich mal wieder richtig Zeit, über alles nochmal genau nachzudenken; vielleicht würde sich meine Meinung doch noch einmal ändern.
N E S R I N
Leicht erstaunt blickte ich meiner Freundin hinterher.
Irgendwas bedrückte sie ganz gewaltig, und ich war mir sowas von sicher, dass es etwas mit Louis zu tun hatte. Sämtliche Dinge die sie traurig machten, hatten immer etwas mit Louis zu tun. Warum musste sie das alles durchstehen? In ihrem Leben hatte sie doch eigentlich schon genug mitgemacht. Ich fühlte mich so schlecht neben ihr, da ich mit Zayn überglücklich war.
Hätte es nicht einfach alles anders laufen können?
Mir fiel der aufgeklappte Laptop auf Serena's Schreibtisch auf. Normalerweise würde ich sowas nie im Leben tun, aber im Moment machte ich mir einfach zu viele Sorgen und war zudem noch neugierig. Leise ließ ich mich auf den Stuhl gleiten und sah mir die geöffnete Seite etwas genauer an. Die Maus war genau auf dem roten Kreuz des Fensters, aber anscheinend hatte sie es nicht schließen wollen. Erst jetzt fiel mir auf, dass es sich um eine Seite handelte, auf der man sich Flugtickets kaufen konnte. Verblüfft musste ich feststellen, dass meine beste Freundin auf eine Reise nach New York geklickt hatte. Was hatte sie damit vor? Wollte sie etwas von hier verschwinden?
Zuerst war ich ein wenig schockiert, doch dann fielen mir ihre ganzen Probleme wieder ein. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee. Serena musste unbedingt, und das so schnell wie möglich, die ganzen Probleme und den Stress, aus ihrem Kopf verbannen.
Und wo ginge, dass denn besser, als in New York?
Noch von unserer Kindheit wusste ich, dass sie dort unbedingt mal hinwollte. Ich beschloss zu handeln.
Ich wollte nicht mehr, dass es ihr so schlecht ging und wenn das der einzige Weg für ihr Glück war, dann musste sie ihn wählen.
S E R E N A
Lange war ich unterwegs gewesen, und hatte mich darauf fokussiert, über mein Handeln nachzudenken. Immer noch war ich unentschlossen, was die Sache mit New York betraf. Ich beschloss noch kurz eine Runde durch den Park zu joggen, und mich dann so langsam auf den Weg zurück nach Hause machen. Es war eine angenehme Kälte, die meine Beine um fegte, während ich mich im Takt zu Dark Paradise, dass ich gerade auf meinem iPod anhörte, im leichten Laufschritt bewegte.
Der Wind fegte um meine Beine und jagte eine leichte Gänsehaut über fast alle Stellen meines Körpers. Die Blätter, Sträucher und Äste bogen sich sanft von der einen auf die andere Seite, ebenso wie die saftigen Grashalme einer Wiese, an der ich vorbeikam.
Es begann schon leicht zu dämmern, als ich Zuhause eintraf. Völlig außer Atem stieß ich die Haustür auf, und wäre fast über zwei riesige Koffer gestolpert. Was zur Hölle ging hier gerade vor sich? Etwas verwirrt blickte ich meine beste Freundin, ihren Mann, meinen Bruder, Tatze, Sarah, Niall und Sky an. Was zum Teufel machten die alle hier?
"Ähm... Hallo?"
Meine Begrüßung hörte sich wie eine unvollständige Frage an. Aber jetzt mal ernsthaft... Was hatte ich verpasst, während ich draußen joggen gewesen war? Alle schauten sie mich unschlüssig und abwartend an. Ich wusste nicht, wie ich handeln sollte.
"Was ist denn los? Wer verreist denn?", hakte ich nach und deutete dabei auf die Koffer.
Nes seufzte und lehnte sich gegen Zayn. Harry kam auf mich zu, er baute sich vor mir auf und legte seine Hände auf meine Schultern. Irgendwie war ich ganz und gar nicht bereit dazu, zu begreifen was hier vor sich ging. Ein kleines bisschen verängstigt streifte ich die Hände meines Bruder's von meinen Schultern und starrte ihn erwartungsvoll an.
"Du wirst verreisen", sagte sie mit fester Stimme und schaute bedrückt auf den Boden.
Ich verstand nur Bahnhof, auf meinen Zügen bildete sich ein großes, rotes, dickes und fettes Fragezeichen. Wieso...? Meine Gedanken spulten zu dem Punkt zurück, an dem Nes in mein Zimmer gekommen war. Sie musste den offenen Laptop gesehen, und gleich unter die Lupe genommen haben.
"Es ist besser, wenn du dir eine Auszeit von alldem hier nimmst", warf meine beste Freundin ein.
"Ihr wollt mich abschieben?", fragte ich fassungslos.
So war das also. Ich war ihnen anscheinend zu anstrengend. Zu viel Arbeit. Allgemein zu viel.
"Nein, auf gar keinen Fall. Es ist besser für dich, wenn du hier mal rauskommst. Wenigstens für die nächste Zeit. Wir haben alles geregelt. Deine Unterkunft ist schon bezahlt, genau wie der Flug, der in knapp zwei Stunden geht", sagte Harry ruhig, und sah mich mit seinen durchdringlichen grünen Augen an.
Wäre mein Kiefer nicht angewachsen, dann wäre ich jetzt eindeutig um ein Körperteil ärmer. Sarah kam auf mich zu, und fiel mir um den Hals. Erst als ich über ihre Schulter blickte, entdeckte ich, dass Liam ebenfalls anwesend war.
"Ich werde dich so vermissen, Seri. Aber Liam und ich kommen dich mit Sicherheit besuchen."
Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel. Gerade noch so, schaffte ich es, einen meiner Gefühlsausbrüche zu unterdrücken. Liam stellte sich vor mich, seine braunen Teddyaugen ruhten besorgt auf mir.
"Pass gut auf sie auf, und lass sie niemals gehen. Lasst euch nicht trennen", flüsterte ich und schaffte es nicht mehr, mich zu kontrollieren. Mein ehemaliger Schuldirektor zog mich in eine feste Umarmung und strich mir am Rücken beruhigend auf und ab.
Als er sich von mir entfernte, wurde ich fast von Tatze zerquetscht. Ein kleines Kichern entwich meiner Kehle.
Ihre langen blonden Haare, lagen ihr heute in wunderschönen Wellen über der Schulter. Nach ihr war Niall an der Reihe mit verabschieden, auch er drückte mich ziemlich fest an sich. Die kurzen blonden Haare waren zerstrubbelt und ich hatte eine Ahnung, was er und Tatze hiervor getrieben hatten. Das erweiterte mein Grinsen noch etwas.
Sky flüsterte ich Worte wie „Pass bloß auf meinen Bruder auf" oder „Wehe du verletzt ihn" ins Ohr, ehe ich auch sie einmal umarmte. Der Abschied von Harry fiel mir um einiges schwerer, als von den bisherigen. Unser Verhältnis hatte sich so verdammt arg gebessert, ich hatte ihn mittlerweile sehr in mein Herz geschlossen. Seine Rolle als älterer Bruder spielte er auch einfach nur perfekt.
"Wir sehen uns bald wieder, spätestens, wenn ich Louis aus deiner neuen Wohnung vertreiben muss", meinte er lächelnd und zwinkerte mir dabei zu. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr mich diese Worte getroffen hatten, ich ließ es mir jedoch nicht anmerken. Schon allein sein Name trieb mir das Wasser in die Augen. Schnell wischte ich mir über die Augen und wandte mich an Zayn.
"Dich habe ich noch nie leiden können", scherzte ich, ehe er auch mir um den Hals fiel.
Hinter uns schluchzte Nesrin einmal kurz auf. Mit trüben Augen blickte ich meine Seelenverwandte an und legte ihr die Arme um die Schultern.
"Es wird alles wieder gut", flüsterte ich.
"Und eigentlich wollte ich dich trösten...", kam die Antwort sogleich zurück.
"Ich bin stärker, als man vielleicht denkt."
Alle hatten ein Lächeln auf ihrem Gesicht, sogar bei Nes hatten sich die Mundwinkel angehoben. Da klingelte es an der Tür. Verwundert guckte ich in die Runde.
Zayn stolperte zur Tür und öffnete.
"Serena, hier ist jemand für dich."
"Jason!", quiekte ich auf.
"Was machst du denn hier?"
Mein ehemaliger Lieblingsmitarbeiter strahlte mich an, und nickte zu Nesrin. "Sie hat mich angerufen, und mir die Nachricht überbracht, dass du abhaust. Ich kann dich doch nicht einfach gehen lassen, ohne mich vorher gemäß zu verabschieden."
Jetzt bekam ich es wirklich nicht mehr auf die Reihe, auch nur eine Träne zurückzuhalten.
"Gruppenkuscheln", platzte Sky in die traurige Atmosphäre, und alle schlossen ihre Arme um mich herum. Nun wusste ich eins: Diese Gruppe würde immer für mich da sein, egal was noch passieren würde. Und genau dafür war ich ihnen mehr als dankbar.
Während es sich alle auf der Couch bequem machten, brauchte ich ein paar Minuten für mich alleine, da ich mich ja auch noch umziehen musste, schließlich konnte ich in Sportklamotten ja wohl schlecht ins Flugzeug steigen. Glücklicherweise hatte Nes eine Hose und einen Hoodie extra draußen gelassen. Meine Socken und auch die Unterwäsche behielt ich an. Als ich dann endlich umgezogen war, verstaute ich die Sportsachen in einem der beiden Koffer, alle erwarteten mich bereits.
"Der Flug geht in einer guten Stunde, lasst uns alle zum Flughafen fahren."
Wir verteilten uns auf drei Autos, meine Sachen wurden alle im Kofferraum verstaut. Mein Bauch fing an zu grummeln, in meinem Körper breitete sich Adrenalin aus, ich wurde unsicher. Konnte ich das wirklich tun? Wieder mal vor allem davonrennen? Ich versuchte mich zu entspannen, meinen Körper zu lockern, doch es klappte nicht.
*
Ungefähr eine halbe Stunde später standen wir in der Eingangshalle, und warteten darauf, dass mein Gate aufgerufen wurde. Aufgeregt lief ich auf und ab. Die anderen waren erstaunlich ruhig, und sogar relaxt, das genaue Gegenteil von mir in diesem Moment. Ich hatte nicht einmal mehr mitbekommen, dass mein Flug gerade eben aufgerufen wurde.
"Jetzt wird es ernst", hauchte Nes und fiel mir noch ein zweites Mal um den Hals.
Und genau in diesem Moment wurde mir klar, dass ich dies nicht tun konnte. Ich konnte nicht schon wieder vor allem wegrennen. Ich musste hierbleiben und mich den ganzen Problemen stellen.
War das die richtige Entscheidung?
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