38. LÜGEN UND GEHEIMNISSE
S E R E N A
Ich schluckte diesen ekligen Geschmack der sich in meinem Mund verbreitet hatte, herunter. Dann sah ich Louis and, meine Augen füllten sich mit Tränen. Das konnte doch jetzt nicht ernst gemeint sein. Der Zettel rutschte mir samt dem restlichen Inhalt aus der Hand und verteilte sich auf dem Boden. Mein Blick fiel an die Wand, das einzige was ich jetzt noch wollte, war im Erdboden zu versinken oder am besten gleich zu sterben. Lou bückte sich und hob die ganzen Sachen auf. Seine Augen flogen über das Papier und plötzlich weiteten sie sich. Er hatte es gelesen. Und ich konnte es immer noch nicht glauben.
Meine große Liebe war mein leiblicher Bruder.
E L E A N O R
Vor gut einer Stunde hatte mich meine Freundin Alana, die in Glasgow Zuhause war angerufen. Was ich da am Telefon gehört hatte gefiel mir ganz und gar nicht. Lou hatte bei ihr angerufen. Mein Lou. Und sie war bei ihm gewesen. Wie oft musste ich dieser Bitch denn noch sagen, dass sie ihn endlich in Ruhe lassen sollte?! Alana arbeitete schon seit Ewigkeiten bei Mr. Blackfield im Büro, weswegen ich ziemlich viel darüber wusste. Sie hatte mir erzählt, dass Louis und die blöde Kuh in ihrem Testament nachschauen wollte, ob sie noch Geschwister hatte. Keine Ahnung wie die beiden auf diese Schnapsidee gekommen waren aber das war mir auch sowas von egal...
Bis mir eine super Idee kam. Ich hatte Alana gesagt, dass sie das Testament fälschen sollte, und Louis' Namen unter die Familienangehörigen setzen sollte. Ob das Mädel nun wirklich einen leiblichen Bruder hatte wusste ich nicht, aber wie gesagt war es mir so oder so egal. Ich wollte nur meinen Louis wiederhaben. Und wenn sie herausfand, dass er ihr Bruder war, hatte ich natürlich die besten Chancen um Lou wieder näher zu kommen. Hoffentlich würde alles gut aufgehen.
S E R E N A
Immer noch geschockt, saß ich wieder wie als ich hier angekommen war vor dem Grab meiner Eltern, um nachzudenken. Lou war zuerst total perplex gewesen und dann einfach nur noch geschockt. Der Notar hatte uns echt viele Fragen beantwortet unter anderem auch die, wer das Haus verkauft hatte, denn Louis war es sicherlich nicht gewesen. Er hatte uns erklärt, dass, wenn ein Haus längere Zeit leer stand und man keine Miete mehr zahlte, es automatisch wieder zum Verkauf gestellt wurde. Damit hatte sich eine meiner Hauptfragen wieder geklärt, obwohl ich das alles ziemlich irritierend fand. Fast unsere ganzen Möbel waren noch gestanden. Aber auf der anderen Seite... Wenn keine Miete mehr gezahlt wurde... Die Vermieter mussten ja auch von was leben, und da uns das Haus nicht gehörte... Ich hatte keine Lust mehr mir Gedanken über was längst Vergangenes zu machen, wehalb ich alles was damit zu tun hatte erstmal zur Seite schob und mich auf die wesentlichen Probleme konzentrierte. Ich wollte nicht mehr leben, wenn Lou wirklich mein Bruder war.
Ich liebte ihn einfach.
Und der Gedanke daran, dass er mit mir Verwandt war, ließ mein Herz zerbrechen.
Verdammt, warum musste mir immer so ein Scheiß passieren? Ich fluchte lauthals los, als mir wieder auffiel wo ich gerade war. Auf einem verdammten Friedhof. Bei meinen Eltern. Und ich hatte echt nichts Besseres zu tun, als über mein beschissenes Leben zu fluchen?! Zuerst diese ganze dumme Lehrersache und jetzt auch noch das. Ich beschloss mich jetzt endgültig von meinen Eltern zu verabscheiden, und dann mit Louis zurück nach Doncaster zu kehren. Ob wir uns jetzt wirklich zumuten konnten, sechs Stunden gemeinsam in einem kleinen Auto zu verbringen? Da musste ich eben durch. Aber jetzt waren erstmal meine Eltern wieder im Vordergrund. Ich seufzte laut auf.
"Ich hoffe ihr könnt mich grade hören... Oder ihr seit bestenfalls sogar anwesend. Ich habe gerade erfahren, dass meine große Liebe und noch dazu mein Lehrer, mein leiblicher Bruder ist. Warum verdammt habt ihr mir nie etwas davon erzählt?!"
Mir war klar, dass sowieso keine Antwort kommen würde weshalb ich einfach weiterredete.
"Ich habe euch vertraut! Ich dachte ihr seid meine Eltern! Ich habe euch geliebt! Ich habe euch verdammt nochmal geliebt!", schrie ich und heulte wieder los, wie so eine Tussi deren Nagel gerade abgebrochen war.
Verflucht nochmal, ich wollte mich hier eigentlich verabschieden und meinen toten Eltern keine Vorwürfe machen.
"Jetzt ist es ja eh zu spät. Mein Leben ist zerstört. Ich liebe euch immer noch, bin aber wahnsinnig enttäuscht und wütend. Ihr werdet trotzdem immer in meinem Herzen weiterleben. Habe euch lieb Mom und Dad. Passt bitte gut auf euch auf, bis wir uns wiedersehen."
Meine Stimme verstummte, ich erhob mich, und wäre fast über meine eigenen Füße gestolpert. Das Grab wurde hinter mir immer kleiner, und bevor ich durch den großen Torbogen schritt, drehte ich mich noch einmal um.
"Lebt wohl...", flüsterte ich und machte mich auf den Weg zu Louis' Auto.
Er saß bereits hinter dem Steuer, seinen Kopf auf dem Lenkrad gebettet. Weinte er? Okay, wie war ich denn jetzt bitte auf diese Idee gekommen. Warum sollte er weinen?
„Wegen dir du Dumpfbacke"', zischte meine innere Stimme.
Achso, ja diese Sache...
Ich streckte ihr die Zunge heraus, und setzte mich ins Auto. Unser Gepäck war schon im Kofferraum verstaut. Lou schreckte hoch und wischte sich schnell mit dem Ärmel seiner Jeansjacke übers Gesicht.
Hatte er vielleicht doch...?
Ich sollte mir diesen Gedanken schleunigst aus dem Kopf schlagen. Er startete den Motor und schon waren wir zurück auf dem Weg nach Doncaster. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Kühle Fensterscheibe und sah die an mir vorbeiziehende Natur an.
Die angespannte Stille in diesem Auto brachte mich fast um den Verstand.
"Können wir vielleicht das Radio einschalten?", fragte ich leise.
Louis' Hand drückte auf den Knopf und schon ertönte Musik aus den Lautsprechern neben mir. Es liefen sogar ein paar Lieder, die ich ganz in Ordnung fand. Aber eine sonderliche Ablenkung von dem riesigen Problem hier neben mir, war es nicht wirklich.
Es machte mich verrückt zu wissen, dass ich ihn nie wieder mit solch einer Liebe küssen konnte, wie vor dieser ganzen Sache.
Ehrlich gesagt war ich sogar ein bisschen angeekelt von der Vorstellung, dass ich meinen Bruder geküsst hatte. Mein Herz pochte wild und ich rieb mir die Schläfen. Seit ungefähr zehn Minuten hatte ich fürchterliche Kopfschmerzen. Verzweifelt versuchte ich einzuschlafen, um von allem hier wenigstens mal kurz abzuschalten.
Wenige Minuten später wurde mir dieser Wunsch endlich erfüllt.
*
Als ich aufwachte, guckte ich mich erstaunt um. Ich war in meinem Zimmer. Verschlafen streckte ich mich. War ich nicht gerade noch in Louis' Auto gewesen? Verwirrtheit machte sich in mir breit. Ich hatte keine Lust nach unten zu gehen und mich von Nesrin ausquetschen zu lassen, weshalb ich mich entschieden hatte hier zu bleiben. Ich drehte mich auf die Seite und wäre fast aus dem Bett gefallen. In der Ecke stand mein Gepäck. Louis hatte mich hier also quasi abgesetzt während ich geschlafen hatte.
Super.
Dabei hatten wir doch noch so viel zu klären. Wie sollte es denn bitteschön jetzt weitergehen? Ich war absolut planlos. Draußen im Flur knarzte die Treppe, was mich zusammenzucken ließ.
Dann ging die Tür auf und Nes spazierte wie von selbstverständlich herein.
"Ich wusste doch, dass du wach bist. Wurde ja auch mal Zeit. Was ist denn mit dir und Lou los? Der war ja mal sowas von depressiv drauf vorhin."
"Nichts. Alles in Ordnung, er hat heute Nacht bloß schlecht geschlafen, das ist alles."
"Aha", sagte meine beste Freundin und betonte das 'a' extra lange.
Warum zum Teufel musste sie gleich wieder an sowas denken?! Ich rappelte mich auf und gab ihr einen Klaps auf die Schulter.
"Ja was denn, ist doch so."
Ich zuckte mit den Schultern.
"Habe ich irgendwas Wichtiges verpasst?", hakte ich nach, und wechselte somit geschickt das Thema.
"Nicht wirklich... OH! Doch. Zayn und ich heiraten schon diese Woche. Übermorgen um genau zu sein. Und du wirst meine Brautjungfer sein. Selbst meine Eltern werden kommen, was mich echt ziemlich erstaunt hat."
Mir klappte die Kinnlade herunter.
"Übermorgen?!", zischte ich aufgeregt, und meine Stimme war um ein paar Oktaven höher gewesen.
Sie nickte und hüpfte fröhlich aus dem Zimmer. Wieso konnte ich nicht einmal so ein Glück wie sie haben? Aber ich gönnte es ihr sowas von. Sie hatte nur das Beste verdient. Ich stand auf und beschloss duschen zu gehen. Im Bad begutachtete ich mich schnell im Spiegel. Meine Haut sah grauenhaft bleich aus, die Augen dafür aber einigermaßen normal. Ich konnte ein gähnen nicht unterdrücken, weswegen ich so schnell wie möglich unter die Dusche und anschließend wieder ins Bett wollte.
Unter der Dusche dachte ich wieder mal viel zu viel nach. Zirka 15 Minuten vergingen, und ich war komplett fertig fürs schlafen gehen.
Mir fielen ja schon fast die Augen im Stehen zu.
Müde kuschelte ich mich in meine Bettdecke. Die letzten zwei Tage waren einfach hart gewesen. Und bevor mir schließlich die Augen zufielen, hatte ich eine Lösung für mein Problem gefunden. Ich hatte mich schweren Herzens dazu entschieden, Louis zu ignorieren.
Fürs erste.
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