37. DER MOMENT, IN DEM MEIN HERZ AUSSETZTE

S E R E N A

So waren wir also jetzt auf dem Weg zum Notar.

Die Aufregung stieg in mir. Aber auch die Angst wurde immer größer. Würde ich es wirklich ertragen die Wahrheit zu erfahren? Wenn ich sie ohnehin nicht schon wusste.

Ich konnte oder wollte größtenteils einfach nicht glauben, dass ich Geschwister hatte und meine Eltern darüber nie ein auch nur ein Sterbenswörtchen verloren hatten. Wenn es so wäre, hätten sie es mir erzählt, da war ich mir sicher.

"Serena, ist alles in Ordnung?"

Ich war kurz davor nur den Kopf zu schütteln, überlegte es mir aber doch anders.

"Louis, ich weiß nicht ob ich das kann... Ob ich dafür schon bereit bin...", murmelte ich.

Er bremste und fuhr rechts ran, das Auto wurde immer langsamer bis es schließlich komplett stehen blieb. Dann seufzte er und ich atmete kräftig aus. Ein paar Schweißperlen hatten sich auf meiner Stirn gebildet, die ich nun mit meinem Handrücken entfernte. Ich wusste doch nicht einmal ob es wirklich so war, wie Lou es gesagt hatte...

Wieso machte ich mir dann auch so einen Kopf darüber?

'Weil es praktisch fiftyfifty steht. Du hast keine Ahnung ob dir deine Eltern auch wirklich alles erzählt haben', warf meine innere Stimme ein und sah mich mit einem erwartungsvollen Blick an.

Na super. Jetzt war ich noch verunsicherter und aufgeregter als vorher.

'Solltest du mich nicht eigentlich irgendwie aufbauen?', bluffte ich zurück.

Daraufhin verdrehte sie nur die Augen und verschwand. Nun war ich wieder alleine.

Moment, Louis war ja auch noch da.

Man hätte mich für eine geistig verwirrte halten können. Ohne irgendwas zu sagen öffnete ich die Autotür, stieg aus und setzte mich am Straßenrand in die Wiese. Die frische und natürliche Luft durchströmte sofort meine Lungen. Ich fühlte mich dadurch gleich viel wohler. Erst jetzt realisierte ich, dass Lou sich ebenfalls neben mir niedergelassen hatte.

"Du musst das nicht machen, wenn du nicht willst", flüsterte er.

"Lou, ich will es ja machen... Ich weiß bloß noch nicht wie ich es verkraften werde, wenn ich... Wenn ich wirklich noch Geschwister habe. Meine Eltern haben mich dann mein ganzes Leben lang belogen und...", sagte ich, aber meine Stimme versagte.

"Ich werde für dich da sein... Zusammen schaffen wir das schon, ich glaube an dich. Du bist das stärkste Mädchen, das ich je gesehen habe."

Gerührt von seinen Worten fiel ich ihm um den Hals. Am liebsten hätte ich ihn in dem Moment nie wieder losgelassen. Ich hatte wirklich zu schnell entschlossen, dorthin zu fahren. Ich hätte es vorher gründlich überdenken sollen. Da ich aber nicht weiter in dieser Ungewissheit leben wollte, hatte ich mich nun endgültig entschieden.

"Alles klar, wir können weiterfahren."

Er schenkte mir ein Lächeln, und nicht einmal zehn Sekunden später saßen wir wieder im Auto. Eine Welle von Gefühlen überrollte mich. Es waren für mich unerklärliche Gefühle, zumindest gerade in diesem Moment. Louis musterte mich immer noch etwas besorgt, konzentrierte sich aber dann auf die Straße.

Gut eine halbe Stunde später parkten wir vor einem riesigen Gebäude, dass überhaupt nicht einladend aussah. Und hier sollte ich es also erfahren? Eigentlich hätte ich es mir ganz anders vorgestellt, hatte es komplett anders in Erinnerung gehabt.

Wieder nahm Louis meine Hand, diesmal ignorierte ich das Kribbeln gekonnt und zusammen liefen wir durch die Eingangstür.

Hier drinnen sah es ganz anders aus, als man es vom Aussehen von draußen erwartet hätte. So nobel. Der Boden war fast komplett mit Marmor überzogen und unter dem Schreibtisch der Sekretärin lag ein roter Teppich. Sie lugte über ihre Brillengläser und checkte uns ab. Mir würdigte sie keines Blickes, aber Louis hatte ihre volle Aufmerksamkeit bekommen. Ich verdrehte nur genervt die Augen.

Letztendlich bekam ich doch noch ein Stück Aufmerksamkeit von ihr, aber die war nach ihrem missbilligenden Blick auf der Stelle wieder weg.

"Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?", fragte sie und klimperte mit den Wimpern.

Am liebsten hätte ich ihr mitten ins Gesicht auf ihre große Nase geschlagen.

"Ehm, ich glaube wir haben miteinander telefoniert. Wir beide haben einen Termin bei... Mr. Blackfield."

"Ah, stimmt. Setzen sie sich bitte kurz, Mr. Blackfield wird sie gleich empfangen."

Total unruhig dackelte ich Louis, der auf den Weg zu den Stühlen war, hinterher. Da gab es nur ein Problem. Es war nur noch einer frei, und der Rest besetzt. Innerlich war ich schon wieder am rumfluchen. Er setzte sich hin und ehe ich mich versah, landete ich auf seinem Schoß. Mein Herz begann wie schon so oft, so wild zu schlagen, dass ich echt Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen. Louis lehnte seinen Kopf gegen meinen Rücken.

Alles begann erneut zu kribbeln, mir wurde schwindlig und richtig heiß.

Gerade als ich kurz davor war mich umzudrehen und ihn zu küssen, weil ich einfach nicht widerstehen konnte, wurden wir aufgerufen.

"Jetzt wird's ernst", hauchte er in mein Ohr, was das Kribbeln in mir drinnen nicht wirklich verringerte, sondern eher noch steigerte.

Wir wurden in ein streng aufgeräumtes Büro geführt, und glücklicherweise war es nicht diese blöde Sekretärin, die uns hierher gebracht hatte. Außer uns und der Frau war noch niemand hier.

"Mr. Blackfield kommt gleich, er holt nur noch ihr Testament, Ms. Stone."

Ich nickte, und die Frau verließ den Raum wieder. Ich war so aufgeregt wie noch nie, Lou legte beruhigend seine Hände auf meine. Das ich im Nacken anfing zu schwitzen vor lauter Angst, konnte ich leider auch nicht verhindern.

Immer wenn ich richtig Angst vor etwas hatte, begann ich zu schwitzen und das seitdem ich sechs Jahre alt gewesen war. Da wurde die Tür wieder geöffnet und ich blickte in das Gesicht von Mr. Blackfield. Der alte, freundliche Mr. Blackfield. Er hatte sich seit dem letzten Mal nicht wirklich viel verändert, und das war schon ein paar Jahre her.

"Ms. Stone, es ist schön sie mal wieder zu sehen. Sie wollten ihr Testament haben?"

"Ich freue mich auch, sie wieder zu sehen. Ja genau, mein Testament."

"Dürfte ich fragen, warum genau?", fragte er vorsichtig, aber dennoch freundlich.

"Ich hatte die Vermutung, dass ich... Dass ich vielleicht Geschwister haben könnte."

Er bedachte mich mit einem ruhigen Blick, ehe er ein Blatt Papier hervorholte.

"Nun ja, ich denke sie werden die Antworten hier drinnen finden. Wenn sie mich kurz entschuldigen, ich müsste einen wichtigen Anruf tätigen. Falls sie noch etwas benötigen, dann lassen sie es mich oder einer meiner Sekretärinnen wissen", verabschiedete er sich mit einem Lächeln und einem herzlichen Händedruck.

Louis hatte er total ignoriert, was ich irgendwie sehr amüsant fand. Ganz langsam nahm ich das Blatt Papier, das sich doch als Umschlag entpuppte in meine Hände und wartete ab.

"Willst du ihn nicht öffnen? Dann hast du es hinter dir", meinte Lou und stupste mich an.

Ich holte tief Luft, öffnete den Umschlag und las Zeile für Zeile. Was dort stand schockte mich zutiefst. Ich hatte also tatsächlich einen Bruder. Mein Blick fiel auf den Namen, und mein Herz setzte einen Schlag aus, und ich schien fast an meiner eigenen Spucke zu ersticken. Das Adrenalin pumpte ebenso wie das Blut im doppelten Tempo durch meine Venen.

Dort stand tatsächlich in geschwungener Schrift:

Louis Tomlinson.

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