23. WIE ICH WIEDER IN EINEM HEIM LANDETE

"Lass es mich bitte erklären. Bitte, Serena", flehte er mich an, in seinen Augen spiegelte sich die Reue wider.

"Was willst du da erklären?! Es gibt nichts zu erklären! Du hast es ihr einfach so gesagt!", zischte ich und versuchte mir die Tränen noch schnell zu verkneifen, doch es war bereits zu spät. 

Meine Augen fingen an höllisch zu brennen, dicke Tropfen fielen abwechselnd auf den kalten, trostlosen Boden, in dem ich am liebsten auf der Stelle versunken wäre.

Es klingelte, die Stunde war vorbei. 

Als alle Schüler draußen waren, stürmte ich an ihm vorbei und holte meine Tasche. 

Louis wollte mich an meiner Hand festhalten, doch ehe er sie berühren konnte, hatte ich sie bereits weggerissen.

"Lass mich in Ruhe", hätte ich fast gebrüllt, konnte meine Stimme aber gerade noch in Zaum halten.

"Ich wollte dir nur helfen, Serena", meinte er schulterzuckend, was mich nur noch mehr provozierte. Helfen... fast hätte ich losgelacht. "Niemand hat gesagt, dass du dich in mein Leben einmischen sollst. Also lass es, ist besser so glaub mir", antwortete ich wieder.

"Wie du meinst", flüsterte er und starrte mir weiterhin unbeirrt in die Augen.

Die Wut hatte meine Tränen getrocknet und schließlich ganz verschwinden lassen. Bevor er in den Klassenraum ging, hatte ich das dringende Bedürfnis noch ein was zu sagen. "Louis?", rief ich.

Er drehte sich erwartungsvoll um und guckte mich erneut an. "Tief Luft holen", erinnerte ich mich in Gedanken. 

"Ich dachte, dass es du warst und nicht Zayn."

Damit ließ ich ihn verdattert stehen; jetzt hatte er wenigstens etwas zum Nachdenken.

*

Müde und mit blanken Nerven lag ich auf meinem Bett und wartete auf Nesrin. Ich musste mit ihr reden und die ganze Sache klären. Sie musste wissen, dass ich für Zayn rein gar nichts außer Freundschaft empfand. 

Was machte Sarah eigentlich? Ich hatte sie seit der fatalen Party nicht mehr gesehen oder irgendetwas von ihr gehört.

Die Tür fiel unten ins Schloss und riss mich somit aus meinen Gedanken. Eilig sprang ich aus dem Bett und lief vorsichtig die Treppen nach unten, wobei ich so leise wie möglich zu sein versuchte. 

"Warum schleichst du dich so an?", giftete mich meine beste Freundin jedoch an. 

So hatte ich sie noch nie erlebt. Ihre Augen funkelten bitterböse, was eine Gänsehaut bei mir verursachte.

"Ich wollte mit dir reden", fing ich ganz ruhig an, wollte nicht mit in ihren giftigen Ton einsteigen. 

"Ich auch mit dir, Serena." Ich nickte ihr zu, was so viel wie 'Klar, schieß los' heißen sollte.

"Ich möchte nicht, dass du hier weiterhin wohnst. Ich will kann deine Anwesenheit nicht mehr ertragen, es tut mir leid." 

Mein Körper erstarrte. Das konnte doch jetzt nicht ihr ernst sein?! Hatte sie das gerade wirklich gesagt oder halluzinierte ich mir mal wieder ein paar Sachen zusammen, um mich selbst für meinen fatalen Fehler zu bestrafen?

"Du... du willst mich auf die Straße setzen?", fragte ich fassungslos und riss die Augen auf. 

"Du hast bis heute Abend Zeit zum Packen, dann möchte ich dich hier nicht mehr sehen", sagte sie kalt.

"Aber...", fing ich an und wurde sogleich von meiner ehemaligen besten Freundin unterbrochen. 

"Ich würde anfangen zu packen. Du hast nur noch drei Stunden." Sie stapfte an mir vorbei, hoch in ihr Zimmer. 

Was zum Teufel war hier gerade passiert?

'Deine beste Freundin hat dich rausgeschmissen und jetzt stehst du auf der Straße.' Wie ich diese innere Stimme hasste. 

Ich hoffte insgeheim auf einen schlechten Alptraum und wollte nur noch aufwachen. Ich wartete kurz ab, kniff mir ein paar Mal in den Arm, aber nichts passierte. 

Seufzend ging ich zurück in mein Zimmer und fing an meine Sachen zu packen; schließlich blieb mir nichts anderes übrig. 

Nicht einmal eine Stunde später war ich schon fertig und stellte sie nach unten.

Nesrin kam zu mir.

"Nes... Ich...", fing ich an und versuchte die Sache wie ein normaler erwachsener anzupacken, und anschließend auch noch zu regeln.

"Den Schlüssel bitte...", flüsterte sie und mied es, mir in die Augen zu sehen. Ich legte ihn ihr zögernd auf die ausgestreckte Hand. "Und jetzt geh. Bitte."

Ihre Stimme war nichts weiter als ein Hauch, der aus Wut, Schmerz und Trauer bestand. Ich nahm meine einzige Tasche und schlüpfte in meine Chucks. Sie hielt mir die Tür auf, ich verließ das Haus und drehte mich nochmal um, um sie anzusehen. 

Nesrin erwiderte den Blick für zwei Sekunden und schlug dann die Tür zu.

Und somit stand ich auf der Straße, ohne irgendeine Übernachtungsmöglichkeit. 

Meinen Job konnte ich auch so gut wie vergessen, da ich heute nicht aufgetaucht war und die 600 Pfund meines Kontos würden wohl kaum für eine Wohnung reichen. 

Ich zückte mein Handy und wählte Sarahs Nummer. Ans Handy ging sie nicht ran, also probierte ich es auf dem Festnetz. Dort wurde mir aber nur von der Roboterstimme mitgeteilt, dass diese Nummer nicht mehr vergeben sei. 

Bestimmt steckten die ganzen Menschen alle mit meinem Schicksal unter einer Decke.

Wütend lief ich in irgendeine Richtung. Es war wahnsinnig kalt und hatte zudem angefangen zu regnen. Die einzige Möglichkeit, die mir in diesem Moment offen blieb, war, in ein Heim zu gehen. Da ich noch 17 war, würde dies wahrscheinlich kein allzu großes Problem sein. Zusammen mit meinem Handy hatte ich eines der vielen Waisenhäuser nach einer guten halben Stunde gefunden. 

Ich holte tief Luft und klingelte.

Die Tür wurde von einer ziemlich streng aussehenden Frau geöffnet.

"Wir kaufen nichts." Waren die hier alle so? Sie wollte die Tür gerade zumachen, aber ich stellte meinen Fuß in den Spalt. "Ich möchte auch nichts verkaufen, sondern fragen, ob ich hier eine Weile wohnen könnte. Ich bin 17 Jahre alt, Vollwaise und habe keine Unterkunft."

Sie zögerte kurz, nickte dann aber schließlich. Eine wohlige Wärme empfing mich in der Eingangshalle. "Sie müssten ein Formular ausfüllen. Ich bin übrigens Mrs. Pensy."

Die Frau hielt mir die Hand hin. Ich griff danach und schüttelte diese.

"Serena Stone."

"Herzlich Willkommen. Ich hoffe, dass du dich bei uns wohlfühlst", sagte sie und lächelte mich warmherzig an.

Damit reichte sie mir das Formular, woraufhin ich alles ausfüllte. Mir fiel auf, dass ich ja bereits am Sonntag Geburtstag haben würde. Ganz toll; in spätestens zwei Tagen würde ich also wieder obdachlos sein. 

Ich musste mir dringend etwas suchen.

"Komm mit, ich bringe dich auf dein Zimmer."

Schüchtern nickend folgte ich ihr. Es sah alles ziemlich heruntergekommen, alt und kaputt aus. Anscheinend fehlte dem Heim das Geld, um zu renovieren. 

Vor einem Zimmer im zweiten Stock blieben wir stehen. 

Sie klopfte, machte danach auf. Ein blondhaariges Mädchen, ungefähr in meinem Alter saß auf dem unteren Teil eines Stockbettes. Sie sah sehr verwildert aus, hinterließ aber trotzdem einen halbwegs freundlichen Eindruck auf mich. 

"Tabea, das ist deine neue Mitbewohnerin. Sei nett zu ihr. Erklär ihr bitte unsere Regeln, ich muss mich jetzt um die ganzen Rechnungen kümmern." 

Als Mrs. Pensy den Raum verlassen hatte, begann mich meine Mitbewohnerin zu mustern. 

"Hey, ich bin Serena."

"Tatze." 

Ich blickte sie etwas verdutzt an. "Was?"

"Nenne mich bitte Tatze, ich hasse den Namen Tabea."

"Geht klar", erwiderte ich mit einem milden Lächeln. 

Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis sie mich über alle Regeln des Hauses aufgeklärt hatte. Zum Beispiel, wann es Essen gab und zu welchen Zeiten man duschen konnte. Um zehn Uhr abends war Bettruhe. 

Ich machte mich fertig und zog mir einen Pulli und eine bequeme Hose an, hier war es sehr kalt. Die Matratze war hart wie ein Brett und die Decke kühl.

'Besser als auf der Straße zu übernachten, du Nörgeltante!'

Wie immer ignorierte ich die Stimme, bevor mir letztendlich die Augen zufielen. 

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