15. EIERSCHLACHT UND PHYSIK BEI LOUIS
"Oh, komm schon, Seri! So schwer ist das doch gar nicht."
Fast hätte ich laut losgelacht. "Für dich vielleicht."
Meine Füße schmerzten unglaublich und es fühlte sich fast ein wenig so an, als wäre mir eine Horde Elefanten über die Zehen getrampelt. Zudem fiel es mir unfassbar schwer einen Fuß vor den anderen zu setzen und dabei auch noch das Gleichgewicht zu halten.
"Ich habe eine Idee. Zieh die Schuhe aus, ich bin gleich wieder da", sagte sie und sprintete aus dem Zimmer. Wenige Minuten später kam sie mit 4 Eiern und Klebeband zurück. Ich schaute sie mit einem verständnislosen Blick an.
Was sollte das jetzt werden?
"Setz dich hin!", befahl sie.
Meine Augenbrauen trafen sich in der Mitte, trotzdem lies ich lmich auf den kleinen roten Plüsch-Sessel fallen. Sie streifte mir die Socken von den Füßen, drückte die Eier vorsichtig jeweils an eine Ferse und klebte anschließend das Klebeband darüber. Dann machte sie dasselbe bei sich selbst, während ich sie weiterhin mit einer verwirrten Miene begutachtete.
"Los gehts!", rief sie und klatschte in die Hände.
"Was geht denn los?", fragte ich noch immer ahnungslos.
Als ich die Frage ausgesprochen hatte, ging mir jedoch auf einmal ein Licht auf: ich musste auf Zehenspitzen laufen. Und zwar so, dass die Eier nicht den Boden berührten. Diese Taktik sollte mir das Laufen auf höheren Schuhen beibringen; irgendwie echt schlau.
Es dauerte zwar etwas, bis ich es wirklich schaffte, halbwegs anständig zu laufen, aber nach ein paar Minuten hatte ich den Dreh endlich raus.
Sarah legte mir stolz die Hände auf die Schultern.
"Das hast du sehr gut gemacht und das..." Sie drückte mich nach unten, weshalb die Eier an meinen Füßen mit einem leisen Krachen zerplatzten. "...hast du dir verdient", beendete sie ihren Satz und grinste mich an.
Ein ekliges Gefühl war das und zu wissen, dass man nun rohe Eier an den Füßen kleben hatte, machte die ganze Sache auch nicht wesentlich besser. Ich schubste sie, was aber nicht viel brachte. So leicht wollte ich sie aber nicht davonkommen lassen. Also rannte ich um meine Freundin herum und sprang ohne Vorwarnung auf ihren Rücken. Auch die Eier unter ihren Füßen zerplatzten.
"Jetzt sind wir quitt."
Meine Handlung und auch die Aussage hatten die Schlacht eröffnet und bereits nach einer kurzen Zeit war der ganze Boden letztendlich voller Eierschalen und Eigelb.
Lachend ließen wir uns irgendwann auf die Couch fallen, als mein Handy plötzlich zu klingeln begann; es war Nesrin.
"Hey Nes", blökte ich in das Telefon. Man hätte fast meinen können, dass ich auf Drogen war oder etwas Alkoholisches zu mir genommen hatte. Vielleicht war in den Muffins ja Marihuana oder irgendeine andere Droge gewesen, zumindest würde das mein Verhalten halbwegs erklären.
"Hey. Bist du schon Zuhause?", lautete ihre Frage, sichtlich unbegeistert von meiner guten Laune.
"Nein, wieso?", antwortete ich mit einer Gegenfrage.
"Ich auch noch nicht. Bist du in der Nähe vom Starbucks?", kam die nächste Frage und ich kaute einen Hautfetzen von meinem Fingernagel ab, ehe ich ihr eine weitere Antwort schenkte.
"Nicht direkt. Du musst glaube ich über den Platz laufen und dann ein gutes Stück geradeaus gehen, bis du an einer Kreuzung stehst. Dort ist es dann das erste Haus. Oder?", fragte ich an Sarah gewandt, die mir dann in einer lauteren Stimmlage zustimmte, sodass meine beste Freundin ihre Antwort ebenfalls hören konnte.
"Okay, bis gleich", verabschiedete sie sich von mir und legte auf.
Ich steckte das Handy weg und begann meine Sachen zusammenzupacken. "Ich muss jetzt los. Ziehen wir morgen beide die Schuhe an?"
"Klar. Partnerlook", antwortete sie und streckte mir die Zunge heraus.
"Also dann... vielen Dank für den heutigen Tag. Es hat sehr viel Spaß gemacht und war noch dazu eine prima Ablenkung", bedankte ich mich bei meiner neu gewonnenen Freundin und umarmte sie kurz.
"Find ich auch. Wir sehen uns dann morgen."
Im Treppenhaus war es angenehm kühl. Ich stolperte die Treppen herunter und wäre die letzten Stufen fast heruntergefallen. Nes wartete erstaunlicherweise bereits geduldig vor der Tür.
"Hi. Na, wie war dein Tag?", fing sie unser Gespräch an.
"Super und deiner?", stieg ich mit ein und hoffte, dass ich einigermaßen interessiert klang.
"Auch super." Aus irgendeinem Grund herrschte eine angespannte Stimmung zwischen uns, ich war mir nicht sicher, ob es an der Sache mit Louis lag oder ob irgendetwas anderes passiert war, worauf ihre Laune abzuleiten war.
"Machen wir einen Filmabend?", hakte ich nach und versuchte somit die Stimmung etwas aufzustocken.
"Wir haben morgen Schule, das ist dir klar, oder?"
"Na und? Oh komm schon, nur einen Film", flehte ich sie an. Augenverdrehend dachte sie für einen Moment lang nach und nickte dann schließlich. Ich freute mich und stellte gleich danach die nächste Frage, die mir schon eine Zeit lang auf der Zunge lag.
"Du, sag mal, hat das eigentlich geklappt wegen meiner Arbeitszeiten?"
"Ja. Du arbeitest montags, mittwochs und donnerstags ab 15 Uhr", war ihre einfache Antwort.
"Dankeschön."
"Nicht der Rede wert", winkte sie ab und schenkte mir ein Lächeln.
Zuhause angekommen, fiel uns die Filmauswahl nicht sonderlich schwer; schon nach ein paar Minuten hatten wir uns für Hangover 3 entschieden.
Der Abend verlief noch ziemlich witzig und war mit relativ vielen Gesprächen gefüllt, bevor ich letztendlich um ein Uhr hundemüde ins Bett ging. Beinahe automatisch wanderten meine Gedanken zu Louis. Was sollte ich nur tun? Sollte ich wirklich auf Sarahs Rat hören und ihn einfach so ignorieren?
Trotz der vielen Gedanken dauerte es nicht mehr lange, bis ich den Weg ins Land der Träume fand.
*
"Serena, Zeit zum Aufstehen!", brüllte Nes in mein Ohr.
"Ich bin ja schon wach", nuschelte ich verschlafen.
"Sieht aber nicht so aus. Das müssen wir ändern."
Ich riss die Augen auf, aber es war bereits zu spät; eine Packung Eiswürfel begrub mich unter sich. "NESRIN!", brüllte ich. Sie rannte davon, während ich erst einmal vor Schreck um ein Haar aus dem Bett gefallen wäre.
"Wir sind quitt!"
Das würde trotzdem noch Rache geben!
Ein wenig durchgefroren und noch dazu etwas verschlafen sprang ich kurz unter die Dusche, ehe ich mir frische Klamotten anzog; mein komplettes Outfit bestand aus den Kleidungsstücken, die ich mir am gestrigen Tag neu gekauft hatte. Ich musterte mich kurz im Spiegel, schnappte mir im Anschluss meine Tasche und sprintete dann die Treppen nach unten, wo ich geradewegs auf die Schuhe, die ich von Sarah bekommen hatte, zuging.
"Wow. Was ist denn mit dir passiert?"
Oh Mist! Ich hatte ihr ja die Sache mit Louis im Laden noch gar nicht erzählt!
"Ich war shoppen...", murmelte ich.
"Okay. Sieht gut aus. Das nächste Mal, wenn du shoppen gehst, sagst du mir aber Bescheid!", gab sie in einem leicht empörten Tonfall von mir.
"Danke. Und ja, werde ich."
Ich lächelte sie an und holte meine Sonnenbrille aus dem Schrank, welcher im Flur stand. "Fertig", sagte ich und warf ihr einen abwartenden Blick zu. Sie nickte und verließ mit ihrem Schlüssel in der Hand die Wohnung; ich trabte ihr hinterher.
Eine knappe halbe Stunde später trafen wir vor dem Schultor auf Sarah und Zayn, die beide in ein Gespräch vertieft waren.
"Wow", rutschte es Zayn bei meinem Anblick heraus.
Nesrin schenkte ihm einen bösen Blick, ehe sie spielerisch gegen seine Schulter boxte. "Wir sehen uns dann später", meinte sie knapp und ließ uns stehen.
Zayn sah mich entschuldigend an und rannte ihr hinterher.
Sarah pfiff durch die Zähne. "Das Outfit steht dir. Du bist bereit; los, geh Tommo beeindrucken."
"Ähm... ich weiß nicht", stammelte ich. "Komm, der Unterricht geht los. Wir haben ihn doch dann eh noch."
"Okay." Sarah hakte sich bei mir unter und wir stolzierten durch den Gang. Mehrere Jung's pfiffen uns hinterher. "Oh Gott, alle starren uns an", raunte ich ihr zu. "Stur Lächeln und weiterlaufen", antwortete sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Am Ende des Gangs erblickte ich Louis. "Da ist er! Pass bloß auf!", wisperte Sarah. Ich nickte unauffällig, bevor wir an ihm vorbeiliefen. Er wollte mich ansprechen, doch ich zeigte ihm die kalte Schulter und ignorierte ihn.
"Gut gemacht!", wurde ich von Sarah gelobt.
"Können wir uns jetzt beeilen? Wir kommen zu spät", ignorierte ich ihre Aussage und verschnellerte mein Schritttempo.
Wir gingen ins Klassenzimmer, auch diesmal lagen alle Blicke auf uns. Ich entdeckte in der hintersten Reihe Zayn, der neben ein paar anderen saß, die wohl ebenfalls ein Referendariat machten und zog Sarah mit mir mit.
"Was war denn mit Nes?", wollte ich von dem schwarzhaarigen wissen, der seinen Rucksack vom Stuhl entfernte, damit wir uns hinsetzen konnten.
"Sie war eifersüchtig." Ich kicherte. "Oh."
"Was ist daran lustig?", fragte Zayn mit einer verwirrten Miene.
"Wegen was war sie denn eifersüchtig?", wollte ich erfahren und presste mir die Hand auf den Mund, um ein weiteres Lachen zu unterdrücken.
"Sie dachte für einen Moment, dass ich auf dich stehe." Jetzt konnte ich es nicht mehr zurückhalten und lachte los. War das ihr Ernst? Ich würde niemals auf die Idee kommen, meiner Freundin den Freund auszuspannen! Außerdem gehörte mein Herz bereits jemand anderem, der meine Gefühle jedoch nicht erwiderte. Und ich hasste es darüber nachzudenken.
"Guter Witz, Zayn", kicherte ich und hielt mir den schmerzenden Bauch.
"Das war mein Ernst."
Mist! Wie konnte sie denn so etwas denken? Nes wusste doch, dass ich ein Auge auf meinen Lehrer und nicht auf Zayn geworfen hatte. Oh man, typische Nesrin-Logik...
Der Unterricht fing an; wir hatten zuerst Mathematik.
Mr. Styles ließ mich keine Sekunde aus den Augen, was mich langsam wirklich ein bisschen nervte. Was hatte ich ihm getan? Ich beschloss ihn nach dem Unterricht abzufangen und ihn darum zu bitten mich künftig nicht mehr so durch dringlich anzusehen.
Ein Blick auf meinen Stundenplan verriet mir, dass ich danach Physik bei Louis hatte.
Der Ärger war also vorprogrammiert.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top