10. HOFFNUNG UND ENTTÄUSCHUNG
Gerade stand ich mal wieder vor dem Raum des Schuldirektors alias Mr. Payne, aka Sarahs heimlicher Schwarm. Um ehrlich zu sein, konnte ich das immer noch nicht glauben. Wie konnte man eine Affäre mit dem Schulleiter haben? Das war doch mehr als nicht verantwortungsvoll. Zögernd klopfte ich gegen die hölzerne Tür und wartete auf irgendeine Reaktion.
"Ja bitte?", kam es von drinnen. Meine Hände waren schweißnass und ich knackste einmal kurz mit den Fingern, bevor ich vorsichtig öffnete und dann durch den entstandenen Türspalt lugte. Ich musste einmal kurz blinzeln, da der Raum in ein helles Licht getaucht war. Hinter dem großen und breiten Schreibtisch saß in seiner vollen Pracht, Mr. Payne. Hatte er sich seit unserer letzten Begegnung überhaupt einmal von der Stelle gerührt?
"Ah Ms. Stone. Was kann ich denn heute für sie tun?", fragte er und schenkte mir ein Lächeln, welches seine Augen (so wie letztes Mal auch) nicht ganz erreichte.
"Ich bin gekommen, weil ich doch noch Nachsitzen muss", brachte ich hervor, und versuchte seinem prüfenden Blick auszuweichen. Er schien mir irgendwie nicht zu glauben, das konnte ich in seinen Augen erkennen. Dennoch waren seine nächsten Worte wieder etwas beruhigender.
"Sehr verantwortungsvoll von ihnen. Sie sind heute die einzige, die Nachsitzen muss", meinte er während er ein paar Blätter und Bleistifte auf einen Stapel legte, und diesen an das andere Ende des Tisches schob. Gut, niemand hatte bemerkt, dass ich weg gewesen war. Für dieses Problem musste ich mir aber echt noch etwas Besseres überlegen. Am liebsten hätte ich die Schule auf der Stelle wieder geschmissen, doch ich wollte meine Eltern stolz machen.
"Gehen sie bitte in Raum 211. Dort ist gerade unser einziger freier Lehrer", sagte er und wandte sich wieder an einen anderen Stapel Blätter. Sah nach Klassenarbeiten aus. Die armen Menschen. Grundsätzlich hatte ich ja nichts gegen Mr. Payne und das nicht nur, weil er Sarahs Flamme war, sondern irgendwie sympathisch wirkte. Streng, aber sympathisch.
"Okay", meinte ich leicht abwesend und machte auf dem Absatz kehrt. Die schwere Holztür des Direktorats fiel hinter mir ins Schloss. Die Sekretärinnen sahen mich mitleidend an, als ich meinen Weg durch die Tür des Sekretariats nahm, um zu Raum 211 zu gelangen.
Innerlich betete ich, dass es sich nicht um Louis handelte. Oder um Mr. Styles. Um genau zu sein, betete ich auch irgendwie äußerlich. Ich konnte ihm jetzt nicht begegnen. Nicht jetzt. Keinem von den Beiden. Bei Louis war es einfach noch zu früh.
Wie sich das anhörte.
So als wäre ich irgend so eine Psycho Tante, die nicht das bekam, was sie wollte. Hoffnungsvoll ging ich die Treppen hoch. Wieso sollte es auch ausgerechnet Louis sein. Es gab tausende Lehrer an dieser Schule. Außer, das Schicksal plante mal wieder einen weiteren Schachzug gegen meine Existenz.
"Mach dich nicht verrückt Serena!", murmelte ich vor mich hin.
Raum 211 war leer. Kein Lehrer, kein Schüler. Niemand. Seufzend lehnte ich mich gegen die Wand und atmete ein wenig erleichtert aus. Mit dem Fuß tappte ich auf dem Boden irgendeine Melodie, bis ich die Präsenz von etwas ganz in der Nähe bemerkte. Neben mir stand wie aus dem nichts jemand. Ich fing an zu schreien vor Schreck.
"Sehe ich so schlimm aus?", fragte er und setzte ein freches Grinsen auf.
Schachmatt. Niente. Nada; ich war so gut wie erledigt.
Mein Herz zog sich zusammen und ein riesiger Kloß machte sich in meinem Hals breit, hinderte mich daran, diesen ekligen Geschmack in meinem Mund hinunterzuwürgen. Sofort nahm ich meine Lippe mal wieder mit den Zähnen in die Mangel und knabberte darauf herum. "Nein, du hast mich aber zu Tode erschreckt!", zischte ich nach einer Weile mit zusammengebissenen Zähnen und versuchte die Übelkeit, die sich in meinem Mund ausgebreitet hatte, hinunterzuschlucken.
Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. So ein Mist! So ein verdammter Dreckmist! Wieso musste ausgerechnet er das Nachsitzen beaufsichtigen? Warum war ich immer das Opfer des Schicksals? Ich hatte doch gar nichts getan... Hasste das Schicksal mich wirklich so sehr?
"Du bist die, die heute als einzige Nachsitzen muss? Ich dachte dir ging es vorhin nicht so gut?", fragte er verwundert. Oh verdammte Scheiße! Das wurde ja immer besser. Sein Blick lag prüfend auf mir, die blaugrauen Augen blitzten einmal kurz warnend auf. Was sollte ich jetzt nur sagen? Mein Herzschlag verschnellerte sich und ich hatte ein kleines Problem mit meiner Lunge, dieser blieb nämlich die Luft weg.
"Ähm.... Ich... Mir geht's wieder besser. Das war irgendwie bloß so ein kurzer Infekt und ich dachte mir, dass ich heute sowieso nichts Besseres zu tun habe", stammelte ich wirr und versuchte selbstsicher zu wirken. Dieser Schuss ging glatt daneben, mein Bauchgefühl sagte mir nichts Gutes.
"Komm setz dich erst einmal hin und dann erklärst du mir, wieso du gelogen hast", meinte Louis während er die Tür aufsperrte und schob mich in das Klassenzimmer.
"Ich habe nicht gelogen!", schrie ich ein kleines bisschen zu laut und noch dazu viel zu voreilig.
"Wieso wirst du dann jetzt rot?", hakte er wieder nach. Wieso konnte er sich nicht einfach zufriedengeben? "Ich habe eben eine gute Durchblutung."
„Und weil du absolut heiß aussiehst, Tomlinson!", schrie ein Teil meines Inneren auf einmal.
Hatte ich das grade wirklich gedacht? Okay, konnte jemand bitte so schnell wie möglich einen Arzt, oder am besten noch einen Seelenklempner bestellten? Mir war auf einmal so richtig heiß. Die Wackelpuddingbeine hatten sich nicht wirklich gebessert. Mit einem gequälten Blick setzte ich mich an eines der freien Pulte.
"Mir ist warm", motzte ich und fächerte mir theatralisch ein wenig Luft zu. Die Luft schien mir meinen gesamten Oberkörper abzuschnüren, ich hatte mich noch nie in meinem bisherigen Leben so seltsam gefühlt.
"Die Fenster sind offen und draußen hat es grade einmal unter 20 Grad", konterte er.
"Vielleicht habe ich ja doch noch Fieber", antwortete ich schnippisch.
"Dann solltest du nach Hause", konterte er wieder. Energisch sog ich die Luft ein und legte mir gedanklich einen Satz zurecht, den ich als Nächstes sagen konnte.
"Nein, ich bleibe jetzt hier und sitze meine Strafe ab." Am liebsten hätte ich noch mit den Zähnen geknirscht, um den Ausdruck meines Satzes noch ein bisschen zu verstärken, aber ich wollte nicht wie ein aggressiver Hund herüberkommen.
"Wie dem auch sei. Also, was hast du wirklich gemacht?" Der war doch echt wahnsinnig verbohrt. Man war das nervenaufreibend und nervtötend noch dazu. Moment einmal, war das nicht eigentlich das Gleiche?
Er guckte mich mit diesem intensiven Blick an. Den hatte er vorhin auch schon drauf gehabt. Ich wollte protestieren, sagte dann aber doch die Wahrheit, und das ziemlich kleinlaut.
"Ich habe gearbeitet." Meine Lippen presste ich zu einer geraden Linie zusammen.
"Wieso arbeitest du schon? Du bist doch noch viel zu jung! Das ist total unvernünftig!"
Wow, war er aufgebracht. Warum der nur so ausflippte... Wieso sorgte er sich außerdem so um mich? Ich sollte aufhören, die ganze Zeit Fragen an mich selbst zu stellen.
"Ich brauche das Geld", sprach ich leise weiter, darauf hoffend, dass er es nicht wahrgenommen hatte.
"Du bist aber noch minderjährig. Das geht nicht Serena." Ups. Da kommst du aber ein bisschen spät, Tomlinson.
"Das geht dich gar nichts an Louis", sagte ich und schluckte den Kloß in meinem Hals herunter. Meine Stimme zitterte. Vor Wut, Angst und Trauer gleichzeitig. Er guckte mich sprachlos an, ich knirschte mit den Zähnen. Wie ich es hasste, wenn mich jemand die ganze Zeit beobachtete.
"Das lasse ich aber nicht zu."
Er beugte sich über das Lehrerpult, bis zu mir. Auch ich lehnte mich demonstrativ nach vorne. Der Geruch seines Aftershaves stieg mir in die Nase. Verflucht roch das gut! Diese Sache mit dem Vorbeugen war vermutlich der größte Fehler meines gesamten Lebens gewesen.
"Misch dich nicht in mein Leben ein", knurrte ich und biss mir danach auf die Lippe, um darauf herumzukauen.
"Das muss ich aber Serena", kam es zurück, ich hatte Schwierigkeiten damit, seine leise Stimme die wie ein Hauch geklungen hatte, zu hören.
Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich bekam bei dieser Berührung eine Gänsehaut. Selbst an den Stellen, von denen ich das nie erwartet hätte. Irgendwas war ganz gewaltig mit mir schiefgelaufen. Sein Gesicht kam immer näher.
Ich wollte abblocken, aber da bemerkte ich seine Hände, die meine Wangen leicht festhielten. Wie Statuen starrten wir uns in die Augen. Ich versuchte dem Blickkontakt möglichst standzuhalten.
"Louis, das ist keine gute Idee."
Er ignorierte meine Worte und seine Lippen pressten sich auf meine.
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