09. STARBUCKS, EINE NEUE FREUNDIN UND NACHSITZEN
"... und dort stehen die ganzen Becher", sagte Jason zu mir und deutete dabei auf ein Regal, in dem sich Starbucks Becher in verschiedensten Größen und sogar Farben stapelten.
Er hatte mir alles ganz genau gezeigt. Eigentlich mochte ich so eine Art Kerl wie er war, nicht sonderlich, doch bei ihm schien es ein bisschen anders zu sein. Er war so nett zu mir und ich war mir sicher, dass wir mal richtig gute Kollegen werden würden.
Irgendwie.
"Dankeschön für die Erklärung von den ganzen Sachen, bei denen ich mir vor diesem Job noch nicht einmal sicher war, ob sie wirklich existieren. Und auch für die Führung durch den kompletten Laden", sagte ich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das ausnahmsweise einmal teilweise echt und nicht gekünstelt war. Er winkte ab und erwiderte mein Grinsen.
Die Ladentür ging auf und eine junge Frau lief zielstrebig auf die Theke zu. Ihre Absätze klackerten auf dem Boden. Mit ihren Händen strich sie ihre Klamotten glatt und richtete dann den Blick wieder gerade aus. Unbemerkt verdrehte ich die Augen, sie sah aus wie eine richtige Tusse. Hoffentlich täuschte da der erste Eindruck.
Moment, ich würde sie doch sowieso nie wiedersehen? Wieso musste ich mir nur immer über alles und jeden einen Kopf machen? Selbst um die kleinsten Dinge.
Hoffentlich war ich nicht so eine perfektionistische Tussi.
"Da ist deine erste Kundin. Los geht's", meinte er aufmunternd.
Ich stellte mich an die Kasse und setzte ein echt komisches Grinsen auf. Wie konnte man nur so optimistisch sein, wie Jason? Jeden Tag so zu lächeln als ob man einen gleich vergewaltigen wollte, musste nach einer Zeit doch echt anstrengend werden.
„Gegenfrage... Wie kann man nur so pessimistisch sein, wie du?", fragte meine innere Stimme provokant.
Fast hätte ich laut gesagt Ich bin vielleicht realistisch, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich ein Pessimist bin, aber ich schaffte es mir gerade noch, diesen Satz zu verkneifen. Womöglich würde mich die Kundschaft dann für verrückt erklären und mit erhobenem Haupt so schnell wie möglich dieses Café verlassen, aber das wollte doch niemand.
"Hallo, mein Name ist Serena, was kann ich für sie tun?", sagte ich zuckersüß und bekam beinahe einen Brechreiz bei meinem Tonfall. Ich setzte mein bestes unechtes Lächeln auf, da diese Grimasse, wie ich mein vorheriges Lächeln nannte, echt grässlich aussah. Wieso genau noch einmal musste ich immer meinen Namen dazu sagen? Ich beschloss Jason später mal deswegen zu fragen. Sie bestellte einen Frappucchino.
"Wie heißen sie?", fragte ich.
"Sarah. Und sie können mich ruhig duzen, schließlich bin ich noch nicht so alt." Daraufhin wurde sie mir doch gleich noch ein Stückchen sympathischer, da ich es seltsam fand, eine Frau in meinem Alter zu siezen. Aus irgendeinem Grund erinnerte mich das ein bisschen an mein letztes Gespräch mit Louis. "Okay. Du mich auch." Aus näherem Blickfeld erkannte man wie jung sie doch eigentlich aussah.
Jetzt war mein Lächeln irgendwie echt. Ich bereitete ihr den Frappucchino zu. Sie hatte irgendwas an sich, was nett war. Nun hatte ich den Beweis, dass man nicht immer auf den ersten Eindruck vertrauen sollte.
"Du gehst doch auf dieselbe Schule wie ich, oder?", fragte sie und betrachtete mich von oben bis unten.
Geschockt starrte ich sie an, bevor ich ihr zögerlich antwortete. Woher zum Teufel wusste sie das? Der Kloß in meinem Hals war mal wieder aufgetaucht, was aber irgendwie in letzter Zeit zur Gewohnheit wurde, wenn ich nervös war.
"Ja. Bin heute neu gekommen", versuchte ich entspannt zu sagen, aber mitten im Satz kratzte meine Stimme einmal kurz ab.
"Dein Auftritt war einfach der Hammer. Ich musste mir so das Lachen verkneifen." Jetzt ging sie auch noch in meine Klasse oder was? Das wurde ja immer besser. Zudem war dieses Kompliment das schrägste gewesen, welches ich je bekommen hatte.
"Haha, danke", antwortete ich und zog meine Augenbraue kraus.
"Wieso bist du nicht in der Schule, sondern arbeitest hier im Starbucks?", war die nächste Frage, vor der ich die ganze Zeit ein wenig Angst gehabt hatte.
Man konnte die vielen Fragen stellen.
Und dann auch noch so viel reden und gleichzeitig einen Frappucchino schlürfen. Manche Leute hatten echt seltsame Talente...
"Na ja, ich brauche das Geld so dringend", antwortete ich zögerlich, um ehrlich zu sein, hasste ich es fremden Leuten so viel über mich preiszugeben. Für manch andere mag es vielleicht echt wenig Informatives gewesen sein, doch für mich war es echt viel.
"Oh. Ich schwänze, obwohl mir da ja die neuen heißen Lehrer entgehen. Mr. Styles scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben", meinte sie gechillt und zwinkerte mir zu.
Oh scheiße! Das war also doch ziemlich offensichtlich gewesen. Dafür hätte ich dem Typen am liebsten die Augen ausgekratzt. Oder ihm eine Backpfeife gegeben. Irgendwas in dieser Art, vielleicht ließ er mir dann meine Ruhe. Und dann auch noch die Aussage, dass sie schwänzte. Wie Sarah, dass gesagt hatte, so in der Art, dass sie dies öfters tun würde.
"Ich habe mein Auge aber nicht auf ihn geworfen, den kannst du haben", erwiderte ich darauf knapp und guckte auf meine Füße.
"Serena, du kannst, wenn du willst kurz Pause machen. Es ist eh wenig los", rief Jason aus dem Lagerraum, anscheinend hatte er nicht bemerkt, dass ich schon längst dabei war, mich zu unterhalten.
"Okay, danke Jason. Komm' wir setzen uns hin", murmelte ich ihr zu. Wir tauschten schnell noch Nummern, bevor wir unser amüsantes Gespräch weiterführten.
"Ich will aber nichts von unserem Mr. Styles. Ich finde den Schulleiter viel interessanter", meinte sie und zog an ihrem Getränk.
"Mr. Payne?!", fragte ich fassungslos und riss die Augen auf.
Mir wäre fast mein Becher, den ich mir noch schnell mit einem Java Chip gefüllt hatte, heruntergefallen. Das war das gute an dieser Arbeit. Ich hatte bestimmt niemals Durst.
"Ja. Der ist doch absolut heiß, findest du nicht?"
"Nicht so mein Typ", grummelte ich abwesend.
In Gedanken war ich bei meinem Besuch im Direktorat. Dort war er alles andere als heiß gewesen. Okay, er sah unverschämt gut aus, aber wie gesagt, nicht mein Typ.
"Oh, Serena ist wählerisch. Wie sieht dann dein Typ aus?"
"So wie Louis...", murmelte ich so leise, dass sie es eigentlich nicht verstehen sollte.
"Was hast du gesagt?", bohrte Sarah sofort nach.
"Nichts", sagte ich beinahe etwas zu hektisch.
"Doch! Irgendetwas mit Louis!"
"Lass es stecken, Sarah."
"Bist du in Mr. Tomlinson verliebt?"
War ich das?
Ich hatte absolut keine Ahnung und fing wieder an auf meiner Unterlippe zu kauen. Diese ständige Fragerei war mir mehr als unangenehm. Und überhaupt, was machte ich mir solche Gedanken? Wie kam sie darauf, dass es ausgerechnet Tomlinson war? Immerhin gab es bestimmt viele Leute, die Louis hießen.
"Also ja. Den kannst du dir abschminken Süße. Er hat eine Freundin."
Und woher wusste sie das schon wieder? Mein Herz zersprang und dann meine Welt. Er hatte eine Freundin. Normalerweise sollte mir das eigentlich nichts ausmachen, aber irgendwie tat es das. Eifersucht keimte in mir auf. Wie sah seine Flamme aus? War sie hübscher als ich? Fragen über Fragen und die Antworten ließen auf sich warten.
"Serena? Ist alles okay?"
"Ich... ähm ... ich muss nur mal kurz raus... mir geht's nicht so gut."
Ich legte die Schürze auf den Tresen und stützte mich zugleich darauf ab, um nicht auf der Stelle umzukippen.
"Wohin gehst du, Serena?", fragte nun Jason.
"Mir geht's nicht so gut...", hauchte ich, auf einmal ganz kraftlos. Irgendwie seltsam, wie sehr mich dieser Satz fertig gemacht hatte...
"Nimm dir ruhig den restlichen Tag frei. Es ist so wenig Betrieb und wenn es dir nicht gut geht... Ich schaffe das auch alleine."
"Danke Jason. Wir sehen uns Sarah."
Dann rannte ich so schnell ich konnte nach draußen. Wieso setzte mir das so zu? Ich konnte mich doch nicht in meinen Lehrer verliebt haben... Oder doch? Nein, das war schier unmöglich. Ich blickte auf mein Handy. 2 neue Nachrichten und 4 verpasste Anrufe, allesamt von Nes. Wir hatten 13 Uhr. Das hieß, dass der Unterricht schon vorbei war.
Mir fiel wieder ein, dass ich Nachsitzen musste.
Widerwillig, unglücklich und mit gesenktem Kopf, trottete ich zurück zur Schule.
Auf halbem Wege hätte ich am liebsten wieder kehrtgemacht, aber da ich später sowieso nichts Großartiges vorhatte, wollte ich das Nachsitzen so schnell wie es nur möglich war hinter mich bringen, damit ich es nicht irgendwann nachholen musste, wenn ich etwas Wichtiges vorhatte.
Nur leider hatte ich etwas vergessen: Ich hatte mich vorhin praktisch von der Schule befreit, aufgrund von vorgetäuschter Übelkeit.
Und hätte ich gewusst was alles passieren würde, wäre ich wohl lieber wirklich krank gewesen.
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