04. MEINE RETTUNG DURCH ZAYN
Ich stand mitten auf dem Weg und wusste mal wieder nicht wohin. Super gemacht. Diesmal war aber leider weit und breit kein Louis zu sehen... dafür aber jemand anders. Ha! Mir war der Name von dem Kerl wieder eingefallen! Ich war stolz auf mein Gedächtnis.
"Zayn! Mein Gott, danke, dass du hier bist!", rief ich und tapste auf ihn zu.
Ich fiel ihm um den Hals. Okay, so anhänglich war ich definitiv nur, wenn ich mich alleine fühlte oder in Schwierigkeiten steckte. Hier war es keine der beiden Varianten, ich wollte einfach nur den verdammten Weg finden. Und das so schnell wie möglich, verflucht ich hatte es echt eilig.
"Was ist denn mit dir los?", fragte er und sah mich erstaunt an.
Tja, damit hatte er wohl nicht gerechnet. Okay, ich hatte auch nicht daran gedacht, Zayn wiederzutreffen und ihn nach dem Weg zu meinem Ziel auszuquetschen.
"Ich weiß nicht, wo ich bin und ich muss zu Nesrins Starbucks."
Er versuchte sich das Lachen zu verkneifen und ernst zu bleiben. Am liebsten hätte ich ihm jetzt in die Eier oder woanders hingetreten, aber das wäre nicht so freundlich 'rübergekommen und immerhin war er ja der Freund meiner besten Freundin.
Das konnte ich definitiv nicht bringen. Vielleicht würde ich es ja irgendwann, wenn die beiden getrennt waren, einmal nachholen.
"Warte mal. Was machst DU eigentlich hier? Hast du nicht gesagt, dass du irgendwo hinmusst?", fragte ich und ein misstrauischer Blick machte sich auf meinen Zügen breit. Wenn er Nes betrügen würde, dann würde ich ihm alle Knochen brechen, ihn in Stücke zerreißen und dann an Kannibalen verkaufen.
Oder selbst essen.
Da gefiel mir die Variante mit den Kannibalen aber doch irgendwie besser.
"Ja, muss ich auch", druckste er herum und wich meinem Blickkontakt aus.
"In die Innenstadt?", hakte ich nach und zog meine Augenbrauen hoch. Die ganze Sache wurde immer unglaublicher. "Ich muss ein Geschenk für Nesrin kaufen. Wir haben heute unser sechsmonatiges Jubiläum. Sie hat es irgendwie vergessen."
Da hatte ich mich wohl mächtig geirrt. Wie süß konnte man eigentlich sein? Wenn er mein Freund wäre, dann hätte ich ihm spätestens jetzt in die Wange gekniffen. Das war er aber nun einmal nicht, weshalb ich es bei einem halben Lächeln beließ.
"Oh mein Gott, ist das süß! Ist ja nichts Neues, dass sie etwas verpeilt", lachte ich irgendwie erleichtert. Aus irgendeinem Grund hatte ich mein Mundwerk nicht stoppen können, das zu sagen. Er nickte mit einem Lächeln im Gesicht.
"Das Starbucks ist gleich um die Ecke", sagte Zayn und zeigte neben den Hollister. Ich entdeckte das Schild mit dem Markenzeichen und machte mich sogleich auf den Weg dorthin.
"Dankeschön", schrie ich über meine Schulter und sprintete schließlich los, ohne mich zu verabschieden.
"Bitte, Kleine", rief er zurück und ich musste erneut unwillkürlich lächeln.
Dort angekommen stieß ich die Ladentür auf. Mehrere Augen richteten sich auf mich. Hatte ich irgendwas im Gesicht oder wieso starrten die alle so komisch? Vorsichtig schielte ich an mir herunter. Kein einziger Fleck, halbwegs saubere Klamotten. Was war dann los? "Wir haben heute aufgrund der ganzen Bewerber geschlossen. Können sie keine Schilder lesen?", motzte mich der Geschäftsführer unfreundlich an. Der Typ deutete auf die Tür.
'Kein Grund, gleich so freundlich zu sein, alter Mann', gab mein Unterbewusstsein seinen Senf dazu.
"Gehen Sie bitte", bat er mich, doch ich ließ ihn beinahe nicht einmal zu Ende reden. "Ich bin aber eine Bewerberin!", rief ich unüberlegt und in Panik verfallen.
"Name?", fragte er ungläubig und mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Serena Stone", antwortete ich kleinlaut.
"Hier liegen aber keine Bewerbungsunterlagen", stellte er fest und lächelte mir provozierend zu.
Scheiße.
Wichtige Notiz an mich selbst: das nächste Mal bei so einer Situation, zuerst denken, dann reden und zuletzt handeln.
"Bitte. Ich brauche diese Jobchance", flehte ich schon fast.
"Wenn keine Unterlagen vorliegen, kann ich Sie leider nicht zulassen."
"Bitte", flüsterte ich.
Sowas tat ich nie. Wirklich noch nie in meinem ganzen Leben, hatte ich einen fremden Menschen angebettelt, mir eine Chance zu geben. Der Blick des Typen blieb gnadenlos.
Da hörte ich auf einmal eine bekannte Stimme, die in diesem Moment einem Engelschor glich, zumindest in meinen Ohren.
"Kommen Sie schon Mr. Wels. Geben Sie ihr eine Chance", flehte die Stimme. Nesrin! Ich war ihr so dankbar.
Er schmunzelte. Erst jetzt kamen mir wieder die ganzen anderen Menschen in den Sinn, die hier drinsaßen. Es waren geschätzte 20 Leute und alle schauten sie mich an. Wenn diese Sache nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich ihnen meine Zunge herausgestreckt. Vermutlich hätte ich auch einen auf Miley Cyrus machen können, aber das wäre mir dann doch ein bisschen zu viel gewesen.
"Ms. Sasar, kennen Sie diese Person persönlich?", verlangte der Kerl zu erfahren und betrachtete uns beide abwechselnd mit einem missbilligenden Blick.
"Ja. Und aus eigener Erfahrung kann ich bezeugen, dass sie sehr ehrgeizig, zuverlässig und arbeitsfähig ist."
Fast hätte ich angefangen loszuprusten, aber dann wäre ihre Notlüge aufgeflogen. Gerade noch so hielt ich mich zurück. Und das schaffte ich nur, indem ich mir so fest, wie ich nur konnte, auf die Lippe biss. Arbeitsfähig war ich ja, vielleicht auch ehrgeizig, aber zuverlässig? Gedanklich wischte ich mir die Lachtränen aus den Augenwinkeln. Die ganzen Leute staunten nicht schlecht, die meisten guckten verblüfft zwischen mir, Nesrin und diesem Mr. Wels hin und her.
"Na gut. Setzen Sie sich hin", gab er schließlich nach ein paar Minuten nach und deutete auf einen freien Platz.
Am liebsten hätte ich aufgeschrien und ihn umarmt, das wäre dann aber äußerst peinlich gewesen, vielleicht auch ein bisschen seltsam. Und ich wäre wieder aus irgendeinem Grund anhänglich geworden. Diese Liste musste ich unbedingt mal überarbeiten und erweitern.
Überglücklich und zufrieden setzte ich mich auf einen Stuhl und wartete.
*
Ich kam als eine der letzten dran. Das Vorstellungsgespräch verlief soweit eigentlich ganz gut. Wenn man verpatzte Sätze, Kaffee auf einer fremden Hose und ein paar unlustige Witze als gut bezeichnen konnte. Alles in einem war es sogar ein bisschen peinlich gewesen.
'Ein bisschen?', spottete mein Unterbewusstsein, und fing an mich auszulachen.
Morgen Nachmittag würden wir entweder per Einschreiben oder per Telefon Bescheid bekommen, wer genommen werden würde und wer der Loser war und seine Sachen gleich wieder packen konnte.
Von den 21 Leuten würden höchstens fünf ausgewählt werden.
Nesrin nahm meine Hand und wir verließen zusammen das Geschäft. Ich kam mir dabei vor, wie eine alte Oma, deren Mann ihre Hand genommen hatte, und nun ging das Paar glücklich durch die Stadt. Was ich schon wieder für komische Vorstellungen hatte...
"Das war mal ein unglaublich guter Auftritt, Sel."
Da war es wieder. Ich hasste es, wenn sie mich so nannte. Aber was sollte ich schon groß gegen diesen hässlichen Spitznamen unternehmen. Vielleicht schaffte ich es ja, ihr Zuhause einen Apfel in den Mund zu stopfen, damit sie endlich mal die Klappe hielt.
"Mr. Wels war total erstaunt von dir! Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass du so überzeugend sein kannst", plapperte sie begeistert weiter.
Sie klang wie eine schnatternde Ente. Oh mein Gott, ich hatte meine beste Freundin nicht im Ernst gerade mit einer Ente verglichen, oder? Ich brauchte so schnell wie möglich Tabletten. Oder ein magisches Einhorn. Da die Tabletten jedoch etwas realer herüberkamen und mich nicht vollkommen bescheuert dastehen ließen, entschied ich mich letztendlich doch dafür. Dabei war das magische Einhorn rein aus Prinzip eindeutig in Führung gelegen.
"Ähm... Na ja. Nicht wirklich", meinte ich und zog eine Augenbraue nach oben; bei der Vorstellung, wie Nes als Ente aussehen würde, wurde mir aus irgendeinem Grund sehr schlecht. Mit einem Schütteln verdrängte ich den Gedanken und auch das in meinen Gedanken entstandene Bild. Heute hatte ich ja mal wieder einen echt netten Tag. Am besten nahm ich ein magisches Einhorn und die Tabletten.
"Doch. Um was wetten wir, dass du den Job bekommst?"
"Ganz einfach. Du machst mit mir das Abitur nach, wenn ich es geschafft habe", meinte ich bestimmend.
"Das ist nicht dein Ernst, oder? So einfach geht das nicht."
Ich zuckte mit den Schultern.
"Und wenn du es nicht schaffst, dann musst du den nächst besten Jungen zehnmal daten", entgegnete sie letztendlich.
"Nesrin, wir sind total unlogisch. Eigentlich hätten wir genau andersrum wetten müssen."
"Scheiß darauf, Sel."
Ich prustete los und sie stimmte mit ein; manchmal waren wir wirklich etwas komisch und verwirrt. Aber das liebte ich so an unseren Gesprächen.
"Nenn mich bitte nicht mehr so", seufzte ich.
"Doch. Und jetzt zeig ich dir die Stadt", widersprach sie und ich verschränkte beleidigt die Hände vor der Brust. In ihren Augen breitete sich ein Funkeln aus, sie setzte den Schmollblick auf. Ich schaffte es zu widerstehen, aber irgendwann kamen dann auch noch die Hundeaugen dazu.
"Okay", gab ich mich schließlich geschlagen. Dabei verdrehte ich die Augen. Sie würde es echt nicht sein lassen mich so zu nennen. Die Stadtführung verlief zudem richtig chaotisch. Genauso hatte ich meine Seelenverwandte in Erinnerung gehabt.
"Und du wohnst hier sicher schon 6 Monate?", fragte ich mit einem belustigten Unterton.
"Ha ha, du bist mal wieder so lustig Sel."
Uff. Sie tat es schon wieder. Diesmal sagte ich aber nichts mehr. Meine Füße taten weh und ich wollte nur noch nach Hause und mich erstmal duschen.
"Ich kann jetzt noch nicht mit nach Hause, ich bin noch mit Zayn verabredet."
Ich schaffte es gerade noch mir ein 'Aw' zu verkneifen. Wäre auch sehr komisch gewesen. Verdammt, wieso guckte sie mich jetzt so misstrauisch an? Ich hatte mir doch nur die Hand vor den Mund geschlagen, war das etwa ein Verbrechen?
"Viel Spaß. Wir sehen uns dann zu Hause, Darling."
"Bye, Honey."
Diese Spitznamen sollten wir uns auch so langsam mal abgewöhnen. Wenigstens brachte ich den nach Hause Weg auf die Reihe. Und das komplett alleine, ohne jegliche Hilfe, wenn ich das hier mal so erwähnen durfte. Ich wollte gerade über die Straße gehen, als ich plötzlich Louis sah. Warum mich sein Anblick gerade so aus der Fassung brachte, wusste ich selbst nicht. Ein Bus fuhr zwischen uns vorbei, ich wollte zu ihm hingehen und aus Höflichkeit Hallo sagen, aber er stand nicht mehr da.
Hatte ich mir das gerade eingebildet? Jetzt bekam ich auch noch Halluzinationen. Super Start in mein neues Leben dafür hatte ich mir glatt einen Oscar oder so einen anderen ähnlichen Preis verdient.
Erschöpft und tatsächlich mit zwei Blasen an den Füßen, setzte ich mich auf den Teppich in meinem Zimmer und durchwühlte meine Tasche nach neuen Klamotten. Bevor ich ins Bad ging, steckte ich mein Handy noch ans Ladekabel. Endlich hatte es wieder Akku.
Ein bisschen Panik, dass es kaputtgehen würde, da ich es schon länger nicht mehr geladen hatte, hatte ich schon gehabt.
Das warme Wasser der Dusche prasselte auf meine Haut. Das gab mir ein wunderschönes Gefühl, welches mich Erschaudern ließ. Nach fast zwei Tagen, war ich nun komplett sauber, ich hätte sogar schwören können, dass meine Haut jetzt glitzerte wie das Fell eines Einhorns.
Und ich musste außerdem zugeben, dass ich mich nach dieser langen Zeit, wirklich endlich wieder wohl in meiner Haut fühlte.
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