Sterne in der Einsamkeit
As black as hell, as dark as night
Ihr durchdringender Schrei ging ihm durch Mark und Bein. Die gewaltige Macht des Crucios ließ ihre Gliedmaßen in unnatürlichen Abständen hin- und her zucken, während die junge Frau sich auf dem alten löchrigen Holzboden in ihrer Pein zusammenkrümmte und sich dabei beinahe die Seele aus dem Leib schrie.
„Genug, Lucius, genug. Lass es gut sein", zischte Rodolphus Lestrange. In Lucius' Ohren pulsierte sein Herzschlag und seine Zauberstabhand begann kaum merklich zu zittern, sodass er diese rasch senkte und somit den Folterfluch unterbrach.
„Lass ihr Zeit zum Atmen, andernfalls wird sie noch an ihrer Angst ersticken und wir werden niemals Antworten bekommen", raunte Rodolphus. Angewidert wandte der dunkelhaarige Zauberer sich von der jungen Hexe ab und fuhr sich mit den dicht behaarten Handrücken über die Augen. „Ich kann ihr Gekreische nicht länger ertragen." Er warf seinem Opfer am Boden einen letzten verabscheuenden Blick zu. „Außerdem stinkt sie. Ich kann ihre Angst im ganzen Raum riechen."
Lucius hob endlich den Blick und fasste seinen Schwager scharf ins Auge. „Sie ist Französin, die stinken immer. So wie das ganze feige Pack aus Beauxbatons", sagte er aalglatt.
Rudolphus verzog den Mund zu einem schmierigen Grinsen. „Sie stinkt nach Angstschweiß und Krabben und ungewaschener Fot-"
Lucius warf ihm einen warnenden Blick zu. „Still", zischte er. „Sonst hört man uns noch."
Doch Rudolphus lachte nur kehlend und heiser auf. „So prüde, unser Lucius..." Er grinste. „Wenn sie wenigstens gut aussehen würde, wäre sie vielleicht noch zu etwas zu gebrauchen. Aber an der ist ja nichts dran, außer Haut und Knochen. Sie hat nicht mal Brüste, bei Salazar." Er lachte erneut.
Die Frau krümmte sich wimmernd zusammen und zog die dürren Beine an die magere Brust. Rodolphus schob eine Hand unter seinen Reiseumhang und zog einen ungewöhnlich krummen Zauberstab hervor, der auf den ersten Blick leichte Ähnlichkeit mit einer Vogelkralle aufzuweisen schien. Lucius warf dem Zauberstab einen skeptischen Blick zu.
„Du verwendest ihren Zauberstab?", fragte er scheinbar beiläufig, doch ließ sich der kritische Unterton nicht gänzlich aus seiner Stimme verbannen. „Hälst du das für ratsam?" Rodolphus musterte den Zauberstab in seiner Hand mit leichtem Bedauern.
„Es ist ein guter Zauberstab", murmelte er beinahe wie zu sich selbst. „Walnuss, 12 ¾ Zoll, mit einem Kern aus Drachenherzfaser... unflexibel – wie sie selbst..." Ein flüchtiges Lächeln teilte seine Lippen und Lucius warf ihm einen scharfen Blick zu. Rodolphus hob den Blick und starrte Lucius an. „Es ist ein guter Zauberstab, kein Zweifel", sagte er fest. „Das ist der Zauberstab, der Sirius Black getötet hat." Er grinste. „Du kannst mir nicht weißmachen, dass du nicht froh bist, den alten Hund los zu sein."
„Wie auch immer", schnarrte Lucius nun mit zurückgewonnener Kälte in der Stimme. „Lass uns die Sache endlich zu Ende bringen." Rodolphus Lestrange hob den Zauberstab seiner verstorbenen Gattin und richtete ihn auf die am Boden liegende Frau, die immer noch leise vor sich hin wimmerte. Aus seinem Gesicht war jegliche Form von Emotion gewichen. „Legilimens."
Die Frau stöhnte leise auf, als Rololphus in ihre Erinnerung eindrang. Lucius hasste Legilimens, doch war er selbst ein fürchterlich schlechter Okklumentiker. Er fand, dass die Opfer der Legilimentik immer besonders schwach wirkten, in den Momenten, in denen ein anderer Zauberer sich zu ihren privatesten Gedanken Zutritt verschaffte. Rodolphus dunkle Augen waren in höchster Konzentration zu Schlitzen verengt, während sich sein Mund kaum merklich bewegte und leise vor sich hinmurmelte. Wenn es eines auf der Welt gab, das Lucius hasste, dann war es klar erkennbare Schwäche. Und das war der Grund, warum er sich selbst mit zunehmender Zeit immer mehr verabscheute.
Wenn sie nicht langsam Antworten fanden, wusste Lucius nicht, wie lange er sich noch in Zaum halten konnte, bevor seine Wut, wie glühende Lava aus ihm hervorbrodelte. Seit Rodolphus Snape in Marseille begegnet war und nur um Haaresbreite seinem Schockzauber entwichen war, ging der ehemalige Tränkemeister von Hogwarts dem Herrn von Malfoy nicht mehr aus dem Kopf. Ein unsagbarer Hass schien in Lucius zu brodeln, denn er gab Severus Snape die Schuld an allem. Er gab ihm die Schuld an seinem eigenen Versagen, dem Ruin seiner Familie, dem verachtenswerten Zustand seiner einzigen Tochter, an dem Scheitern seines Sohnes und an dem flatterhaften Zusammenhalt seiner Ehe, die langsam aber sicher zu Bruch ging.
Quälend und unsagbar schmerzhaft brannten sich Narcissas azurblaue Augen in sein Gedächtnis. Vorwurfsvoll schienen sie ihn aus dem Schatten des Zimmers heraus anzustarren, während die Frau am Boden vor Furcht wimmerte, während Rololphus ihr zunehmend den Verstand raubte. Irgendetwas musste das Halbblut, das sich dort am Boden wand, doch mitbekommen haben... Lucius fuhr sich in einem Anflug von erhöhtem Stresspegel mit den Händen durch das lange blonde Haar.
Er warf einen Blick aus dem Fenster. Die Abenddämmerung war bereits hereingebrochen. Wenn sie noch länger hier verweilen würden, dann würde er sich mit Sicherheit verspäten; und das durfte heute Abend auf keinen Fall passieren. Es ging um die Zukunft und den Fortbestand seiner Familie, um den Fortbestand des Namen Malfoy. Mit leisem Spott in den Augen wandte er sich schließlich seinem Schwager zu. Das lange dunkle Haar tanzte Rodolphus wie tosende Wellen um das olivfarbene Gesicht und sein lodernder Blick war noch immer auf sein Opfer am Boden des muffigen alten Zimmers gerichtet.
Lucius schnalzte missbilligend mit der Zunge, zog seine Taschenuhr hervor und warf einen eindringlichen Blick auf dem goldenen Ziffernblatt, ehe er sie mit einem leisen Rascheln wieder in den Tiefen seines brandneuen Reiseumhangs verschwinden ließ.
Er sah Rodolphus an. „Erledige du das, ich hatte für diesen Abend genug Scherereien." Und ohne eine Entschuldigung oder Erklärung und mit einem letzten, kaum hörbaren Plopp disapparierte er und ließ einen wutgeladenen Rodolphus zurück. Rodolphus schäumte vor Zorn. „Elender Heuchler. Janusköpfiger Schwindler!" Er zückte erneut Bellatrix alten Zauberstab und betrachtete ihn mit leichter Melancholie. Da war Heimweh in ihm, schweres Heimweh nach Bellatrix. Nach seiner Bellatrix, die ihm schon vor Jahren entglitten war. Er hatte Heimweh nach ihrem lasziven Grinsen, ihren blitzenden dunklen Augen mit den schweren Lidern und nach ihrer rauchigen Stimme.
Wütend schüttelte er den Kopf. Es waren Erinnerungen, Stücke von Erinnerungen, bruchflächig, im Dunkel auf dem Grund ihres Blutes. Und mit einem Mal fühlte er sich seltsam leer, stand stumpf da und hielt seine verbleibende Kraft wie Blei in den Schultern. Die Frau am Boden schluchzte kaum hörbar auf. Rodolphus wirbelte herum.
„Vielleicht bist du doch noch zu etwas letztem gut", stieß er plötzlich mit solch hasserfüllter Stimme hervor, dass es jedem Anwesenden einen Schauer des Entsetzens über den Rücken gejagt hätte. Und ohne ein weiteres Wort packte er die junge Französin an den Haaren, zog sie nach oben, warf ihren schmächtigen Körper mit einem knirschenden Geräusch gegen die holzvertäfelte Wand und drückte ihren Kopf dagegen, sodass sie unfähig war, sich auch nur in irgendeiner Art und Weise zu rühren. Quälend langsam ließ er sie seinen heißen, adrenalingeladenen Atem im Nacken spüren, während sich die dunkelbraunen Augen des Mädchens vor blankem Entsetzen über die neu gewonnene Erkenntnis auf das, was sie in wenigen Sekunden erwarten würde, weiteten. Und Roldolphus genoss den Anblick ihrer angstgeweiteten Augen, deren Farbe ihn an eine längst verblasste Bellatrix Lestrange erinnerte, während er sich in der Hochzeitsnacht über ihren wohlgeformten, weißen Körper mit der üppigen Brust beugte, um sie zu seiner Frau zu machen.
*
Die Wolken hingen an diesem Abend wie rosa Zuckerwatte unter einem atemberaubenden Sonnenuntergang und der Himmel sah aus, als hätte man ihn in einem Kessel mit tiefgoldenem Felix Felicis getaucht und mit einem Pinsel Schleier von Purpur und Indigo daruntergemischt. Die friedliche Stimmung des verflossenen Herbsttages mischte sich unter die Melancholie der Bewohner von Malfoy Manor, hinter dessem größten Erker im Ostflügel durch die archaischen Fensterrahmen ein paar sturmgrauer Augen unruhig durch die Abenddämmerung blickten. Nervös biss Isabella sich auf die Unterlippe und drehte in Abwesenheit ihrer Gedanken immer wieder dieselbe weißblonde Haarsträhne um ihren blassen Zeigefinger.
„Isabella!"
Narcissa Malfoys helle Stimme durchbrach Isabellas dumpfe Nebelgedanken. Sie schlug die Augen nieder und plötzlich waren Severus' Züge verschwunden und sie sah wieder das, was wirklich vor ihr lag. Sich dieser Tatsache mit jeder verronnenen Sekunde deutlicher bewusstwerdend erhob sich die junge Frau von den dunkelgrünen Samtbezügen des Divans und wandte den Kopf zur Tür.
„Isabella! Um Himmelswillen!"
Diesmal mischte sich ein schneidender Unterton unter die Stimme ihrer Mutter. Die Tür wurde aufgestoßen und die schlanke Gestalt der Hausherrin schälte sich aus dem Schatten des Türrahmens heraus und nahm Kontur an.
„Wir warten alle auf dich. Astoria wird von Minute zu Minute nervöser und dein Vater dürfte jeden Augenblick zurück sein."
„Ich komme, Mutter!", sagte Isabella leise und lächelte einstudiert. Narcissa ahnte nichts von dem Gedankenspiel ihrer Tochter. Isabella atmete tief durch und verließ, verfolgte von ihrer Mutter das Zimmer. Leise stiegen die beiden Damen die Stufen in die Eingangshalle hinab. Isabella warf einen Blick auf die alte, tiefbraune Standuhr. Heute Abend war es soweit. Sie würde endlich aus diesem verfluchten Haus verschwinden und nie wieder zurückkehren.
Die Eingangshalle war leer. Durch das halbmondförmige Glasfenster über dem Eingangsportal brach der Abendstrahl, breit und schlicht, und frischte die verblassten Farben des Stufenteppichs auf. Die Uhr tickte. Tief unten knirschte der Schotter, ein Umhang flatterte auf und es erklang ein leises, vertrautes Plopp hinter dem Eichenholz der Tür. Die Uhr atmete auf und schlug mühsam und dröge neun.
Isabella atmete leise, sagte nichts mehr. Jemand stand dort draußen vor dem Tor und pochte nun mit einem Gehstock dagegen oder war doch der alte goldene Türklopfer? Und sie war sich sicher, dass dieser jemand ihr Vater war. Und das triste Gefühl der Furcht in den purpurnen Behängen füllte sie aus, durchwühlte sie mit Beengen und Angst auf den weiteren Verlauf des Abends.
Narcissa öffnete die Eingangstür. „Lucius!" Ihre Wangen leuchteten rosa, als die Kälte des Abends ihr entgegenschlug.
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Ich schäme mich fast, erst nach so vielen Monaten wieder was hochzuladen :( Ich hoffe, ihr seid vielleicht trotzdem noch dabei!
Ein rieeeesiges Dankeschön geht allenfalls an die mir einen Kommentar oder Sternchen hinterlassen haben! Darüber habe ich mich total gefreut! Danke, danke, danke :)
Mal sehen, ob Isabella im nächsten Kapitel die Flucht gelingt ;) Lasst mich auch wissen, wie ihr es findet, wenn die Kapitel mal aus der Sicht von anderen (zB Draco, Severus, Lucius...) geschrieben sind und nicht nur von Isabella :) Findet ihr das eher gut oder schlecht? zB auch die Eindrücke in Rolodolphus' Inneres...
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