Das 'M' in Malfoy steht für Melancholie




I was in the darkness, so darkness I became.

Die schmalen Häuser der engen Gasse drängten sich dicht an dicht und ihre Fassanden schälten sich nur als düstere Umrisse aus dem schwarzen Schatten der Nacht heraus. Seine Schritte waren kaum lauter als das Flüstern des Windes, dessen Nachklang leise raschelndes Blattwerk durch die schlecht asphaltierten Straßen schickte. Der Saum seines weiten Umhangs flatterte jedoch geräuschvoll in der ansonsten stillen Nacht, als er um die Ecke rauschte, die dunkle Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Nur die Spitze seiner Hakennase lugte kaum sichtbar unter dem schwarzen Stoff hervor und hie und da riss der Wind an seinem Haar und brachte ebenholzfarbene Strähnen unter dem Schutz der Kapuze zum Vorschein, die der Wind ihm ins Gesicht schlug.

Unter das Flüstern des Windes und das leise Flattern seines Umhangs mischten sich mit einem Mal hektische, aufgeregte Stimmen, die hastig in einer fremden Sprache diskutierten, gefolgt von lautem Fußgetrappel, dessen Echo an den beinahe wachsartigen Fassaden der Häuser abprallte und bis zu Severus herübergeschickt wurde.

„Allez! Allez!"

Severus erstarrte, als er ihre rauen Stimmen vernahm, wirbelte auf dem Absatz herum und horchte in die Nacht hinein. Er vernahm den dumpfen Aufschlag eines zu Boden gestoßenen Körpers, der auf dem harten Stein der gepflasterten Gasse aufschlug; dann ein Wimmern. „Je suis désolé. Je suis désolé." Darauf folgte ein Knacken, wie als wenn jemand dem am bodenliegenden, schluchzenden Mann einen derben Tritt mit der Stiefelspitze verpasst hätte und dabei genau und zielsicher die Nase mit seiner Schuhsohle erwischt hätte. Dann ein kurzer, erstickter Schrei und ein Flehen: „Je suis désolé." Der am Boden liegende Mann stöhnte leise auf. „Je ne comprends pas pourquoi... Je suis innocent."

„Was faselst du da, du Verräter?!" Das war eine andere Stimme, tiefer als die des anderen Mannes und eiskalt. Severus zog die Brauen zusammen und lauschte. Diesmal konnte er verstehen, was gesprochen wurde, denn der Mann sprach Englisch.

„Es is nicht meine Schuld. Sie 'aben mich ge'swungen!" Das brüchige Englisch des schluchzenden Mannes war kaum zu verstehen, aber Severus hatte genug gehört. Lautlos zog er sich gänzlich in die sichere Dunkelheit der Gemäuer zurück, wandte sich zum Gehen und-

Er hätte beinahe losgeschrien. Er fand sich Angesicht zu Angesicht mit einem Bären von einem Mann. Groß, breitschultrig, erschreckend muskulös und mit wildem Haar und sorgfältig gestutztem Vollbart. Und noch im selben Moment, als Severus begann sich auf der Stelle zu drehen, und der andere Mann den Zauberstab zog, erkannten sie einander wieder. Die bernsteinfarbenden Augen Rodolphus Lestranges gruben sich in die seinen. Rodolphus' leuchtend roter Schockzauber verfehlte Severus nur um Haaresbreite. Er sah wie sich der Mund seines Gegners zu einem Laut öffnete und seinen Gefolgsleuten etwas zuschrie, das Severus nicht mehr verstehen konnte. Und plötzlich umgab ihn noch schwärzere Dunkelheit und unsichtbare Kräften quetschten ihn durch einen imaginären Gummischlauch, der ihm die Atemwege abschnürrte.

Wenige Sekunden, bevor er meinte, noch ersticken zu müssen füllten sich seine Lungen mit brennender salziger Meeresluft. Langsam sickerte die Realität zu ihm hindurch. Severus stockte der Atem erneut und nur eine Frage hämmerte gegen seine pochenden Schläfen und jagte durch sein adrenalingepeinigtes Gehirn: Was zur Hölle trieb Roldolphus Lestrange mitten im Ghetto von Marseille?



***
Die weißen Vorhänge bauschten sich sachte in einer leichten Windböe, die von der Terrasse her in den Wintergarten wehte. Die Seiten ihres Buches waren leicht vergilbt und die Druckerschwärze beinahe ausgeblichen, aber Auroras schmale Fingerspitzen fuhren andächtig über die Schrift. Sie verstand einfach nicht, was diese Worte bedeuteten und trotzdem las sie sie an diesem langweiligen und nie enden wollenden Nachmittag bereits zum dutzendsten Mal. Ihr Großvater hatte ihr diesen Wälzer gegeben und ihr eingebläut, ihn ja aufmerksam zu studieren und ihm am Ende des Tages zu berichten, was sie gelernt hatte.

Der dicke Wälzer von einem Buch setzte sich mit der Familiengeschichte der Reinblüter Englands, Wales', Schottlands und Irlands auseinander und die Malfoys besaßen stolze zweieinhalb Seiten in diesem Buch. Dass sie gerade erst lesen gelernt hatte und viele der Wörter noch nie in ihrem Leben gehört hatte, schien ihren Großvater nicht zu kümmern. Seufzend schlug Aurora schließlich das Buch zu und lehnte sich in dem bequemen Sessel nach hinten. Sie ließ die Beine von der Kante baumeln und blies sich gelangweilt eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der ganze Morgen war einfach nur furchtbar öde und langatmig gewesen. Es war ein lauer Frühjahrstag, die Sonne schien warm vom Himmel, alles war im Grunde friedlich und doch war da etwas, das Auroras jungen Geist aufwühlte, aber von dem sie nicht zu sagen mochte, was es war.

Sie fühlte sich fremd und unwohl in diesem riesigen Haus, in dem ihre Mum aufgewachsen war. Seit mehr als zwei Tagen waren sie jetzt schon hier und obwohl ihre Mum ihr versprochen hatte, dass sie noch am selben Tag ihrer Ankunft wieder von hier fortgehen würden, was dies nicht eingetreten. Stattdessen hatte man sie, Aurora, von ihrer Mum getrennt und in ein Zimmer im Westflügel des Hauses gesteckt, in dem sich auch das Schlafgemach ihrer Großeltern befand, die sie ebenfalls erst seit zwei Tagen, acht Stunden und zweiundvierzig Minuten kannte. Und während Aurora zum Lernen der Familiengeschichte in die Bibliothek geschickt worden war, lag ihre Mum krank im Bett und sie durfte sie nicht einmal besuchen.

Aurora wünschte sich, sie wären niemals aus Spinners End fortgegangen. Denn obwohl es dort düster und eng war hatte sie sich dort tausendmal wohler gefühlt, als hier in diesem alten, riesigen Anwesen der Malfoys. Sie war keine Malfoy, sie war eine Snape; auch wenn ihre Großeltern das Gegenteil behaupteten. Verstohlen wischte sich Aurora eine Träne von der Wange, als sie sich bei dem Gedanken an ihren Vater erwischte. Sie vermisste ihn mittlerweile so schrecklich, dass es in der Brust wehtat und glaubte, dass wenn sie ihn noch ein weiteres Jahr nicht sehen würde, sie wohl vollends würde vergessen, wie sein Gesicht aussah, wie er roch und wie seine Stimme klang... Und das war ja auch der Grund, warum ihre Mum krank war. Sie litt an Vermissung oder so. Sie hatte einmal versucht, Aurora zu erklären, wie es sich für sie anfühlte, wenn Auroras Dad nicht da war, aber das hatte Aurora damals nicht verstanden. Doch nun, da er bereits so lange fort war, meinte sie ungefähr zu verstehen, was ihre Mutter mit den Worten „Ich vermisse ihn so sehr, dass es mir die Brust zuschnürt" meinte.

Seit fast zehn Monaten hatte sie ihn nun nicht mehr gesehen oder etwas von ihm gehört. Ihren sechsten Geburtstag von drei Monaten hatte er auch verpasst, auch wenn sie sich immer heimlich bei dem Gedanken ertappt hatte, dass er gewiss spätestens zu ihrem Geburtstag wieder da sein müsste, um sie zu überraschen.

Mit einer raschen Bewegung sprang das Mädchen auf und trat an das breite Stichbogenfenster heran, das einen bezaubernden Blick auf den hübschen, kleinen Vorgarten an der Nordseite des Hauses bot. Die weißen Kletterrosen, die an der rauen Steinfassade des Anwesens emporrankten, hatten ihre Knospen noch geschlossen und ihre ersten jungen Triebe schälten sich noch scheu und zaghaft auf ihrem Winterkokon.

Der Magnolienbaum schlug mit seinen kargen Ästen schaurig gegen das Fensterglas und Aurora zuckte zusammen. Sie schlug die Augen großen, dunklen Augen nieder und strich den Spitzenbesatz ihres weißen Kleides glatt. Hinter sich hörte sie ein lautes Scharren und zuckte erneut zusammen. Sie wirbelte herum, sodass ihre dunklen Locken flogen. Und als sich die schlanke hochgewachsene Gestalt ihres Großvaters ins Zimmer schob breitete sich augenblicklich ein ängstlicher Ausdruck auf ihren winterlich blassen Zügen aus.

Der tadelnde Blick von Lucius Malfoy traf Aurora und sie blickte zu Boden. „Na, na, Aurora", schalt er sie. „Warum sitzt du nicht an deinen Studien?"

Aurora wagte einen Blick nach oben. Er sah nicht böse aus, nur streng und angsteinflößend. In ihren Geschichten und ihrer Erinnerung waren die Großväter immer freundliche, liebevolle Opas gewesen mit einem zittrigen Lächeln und Taschen voll zischender Zauberdrops und Schokoladenfrösche. Ihr Großvater hingegen schien das komplette Gegenteil eben jener Vorstellung zu sein. Vielleicht lag das auch an der Tatsache, dass er alles andere als alt und gebrechlich zu sein schien. Wenngleich seine Haare bereits leicht ergraut waren hatte er jedoch recht glatte Haut und wirkte stattlich und autoritär. Seine grauen Augen waren hell wie Gletschereis und genauso kalt. Und mit eben diesen musterte er sie nun eindringlich.

„Ich bin gerade eben erst aufgestanden", sagte Aurora wahrheitsgemäß und schluckte leer.

„Ist das so?" Lucius Malfoys Augenbraue wanderte ein Stück nach oben.

„Ja, Sir." Aurora nickte schüchtern.

„Na, dann will ich es dir mal glauben, Kind." Er nickte ihr wohlwollend zu. „Was hast du denn heute gelernt? Lass einmal hören!"

Aurora räusperte sich leise. „Was wollen Sie denn hören, Sir?"

Lucius Malfoys Lächeln war kälter als Raureif. „Wie wäre es mit Malfoy? Was kannst du mir über das Wappen unserer Familie erzählen?"

Aurora runzelte leicht die Stirn. „Das Familienwappen der Malfoys ist eine Hommage an Salazar Slytherin, es trägt die Farben schwarz, grün und silber und widerspiegelt etliche schlangenähnliche Kreaturen. Die lateinischen Wörter Sanctimonia Vincet Semper erscheinen als Inschrift auf einem silbernen Banner und bedeuten „Reinheit Wird Immer Siegen. Die Malfoys sind indirekte Nachfahren Salazar Slytherins", betete sie herunter und erntete dafür ein wohlwollendes Nicken ihres Großvaters.

Lucius Malfoy nickte zufrieden. „Nun, was kannst du mir über unsere Familiengeschichte erzählen?"

Aurora blickte zu ihm hinauf. Er war noch größer als ihr Vater. „Die Familie Malfoy besteht aus einer alten Linie von reinblütigen Zauberern, die meisten von ihnen besuchten die Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei und wurden traditionell dem Haus Slytherin zugeordnet. Die Familie traf in Britannien ein mit Armand Malfoy, der das Familienanwesen Malfoy Manor gründete auf Land, das er von König Wilhelm I. erhielt. Nach der Verabschiedung des Abkommens zur Geheimhaltung der Zauberei im Jahre 1692 integrierten sich die Malfoys in die hochklassigere Muggelgesellschaft." Hier hielt sie kurz in ihrem Vortrag inne, denn die Miene ihres Großvaters versteifte sich kaum merklich. Nach einigen Augenblicken fuhr sie leise fort: „Sie vergrößerten ihre bereits riesigen Ländereien mit den Ländern ihrer Muggelnachbarn und beschäftigten sich erfolgreich mit Muggelwährung und -vermögenswerten, wurden dadurch eine der wohlhabendsten Familien im magischen Britannien."

Lucius Malfoy hob die Hand, um ihrem Redefluss Einhalt zu gebieten. „Um etwas richtig zu stellen, was dieses Buch unklar dargestellt hat." Er winkte flüchtig mit der Hand in Richtung des Wälzers, der auf der Sesselkante lag und die Familiengeschichte der Reinblüter beinhaltete. „Wir Malfoys pflegten nie Kontakt mit irgendwelchen Muggeln. Es handelt sich hierbei um unzuverlässige Quellen. Ich gebe zu, dass wir zwar Geschäfte mit ihnen trieben, aber dies ist nicht weiter von Belangen."

Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und ein feindseliges Lächeln schlich sich nun auf seine aristokratischen Züge. „Nun berichte mir doch mal von der außergewöhnlichen und bahnbrechenden Geschichte der Snapes, Aurora", forderte er Aurora auf und seine Stimme triefte vor Sarkasmus.

Auroras Augen verengten sich zu Schlitzen. „Sie wissen genau, dass in diesem Buch nichts über die Geschichte der Snapes festgehalten wurde, Sir", sagte sie mit bebender Stimme.

„Und warum ist das wohl so?" Lucius Malfoys Grinsen hätte kaum selbstgefälliger sein können.

„Weil sie von Muggeln abstammen", presste Aurora hervor.

„Ganz recht", sagte Lucius Malfoy aalglatt.

Aurora stemmte die Hände in die Seiten. „Aber die Geschichte der Prince' ist durchaus in diesem Buch festgehalten. Und meine Urgroßmutter war eine Prince. Eileen Prince entstammt einer sehr ehrwürdigen Reiblüterfamilie." Sie reckte das Kinn in die Höhe.

„Das ist mir bewusst. Kein Grund, die Stimme zu erheben, Kind", sagte Mr Malfoy und ein Schatten glitt über sein Gesicht. „Und trotzdem wirst du sehen, dass einige Zaubererfamilien besser sind als andere und du solltest dich hüten, dich mit der falschen Sorte abzugeben."

„Ich glaube ich kann ganz gut selbst entscheiden, wer zur falschen Sorte gehört, Sir", sagte Aurora fest und diesmal hielt sie dem Blick seiner stahlgrauen Augen stand.

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Uuuuund? Was sagt ihr? Bin mega gespannt! :D

Den Part mit der Geschichte über die Familie Malfoy habe ich hierher:
Dies dient als Quelle und ich habe keine Rechte daran, weder an Wortlaut, noch an Inhalt.

Das Ende kommt euch vielleicht ein wenig bekannt vor, da Harry Draco ja im ersten Teil eine ähnliche Antwort gibt :D ich fand es ganz passend :)

Ansonsten hoffe ich, dass euch das Kapitel gefallen hat und dass ihr mir ein Review hinterlasst, falls ihr noch Interesse an weiteren Kapiteln habt etc :)

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