Von Kindheit und Erwachsenwerden

Hallöööchen! Danke für eure Bewertungen zum letzten Kapitel :) Ich melde mich heute mit einem ein wenig aus-der-Reihe-tanzenden Kapitel zurück :D Es mag ein wenig übertrieben metaphorisch und Adjektiv-überhäuft sein, aber ich hoffe, dass stört euch nicht allzu sehr. Viel Spaß beim Lesen!


„Geh zu Bett", murmelte er. „Geh zu Bett. Es ist spät." Mit sanftem Druck bugsierte der Mann das kleine Mädchen die Treppe hinauf. Vor der Schlafzimmertür seiner Tochter angekommen ging der hochgewachsene, blonde Mann kurz in die Hocke und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem rundlichen, kindlichen Gesicht.

„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht lauschen sollst? Das schickt sich nicht, Isabella, das weißt du genauso gut wie ich." Mit milder Strenge musterte er das Kind. Isabella schlug die Augen nieder.

„Schon gut", fügte er angesichts des beschämten Gesichtes seiner Tochter zwinkernd hinzu. „Nun geh aber zu Bett." Bestimmt und dennoch sachte schob er sie zu dem riesigen Himmelbett herüber. Isabella kletterte mit einiger Mühe auf das Bett, winkelte die schmalen Beine an und legte den Kopf auf die Knie. Er kannte sie besser als sie sich selbst kannte. Aufmerksam studierte der Vater ihr Gesicht. „Was bedrückt dich?", fragte er leise.

Aus großen, dunklen Augen sah das Mädchen in das ernste, reife Gesicht ihres Vaters. Sie bewunderte ihn. Sein endloses Wissen, seine Ausstrahlung, seine Härte, mit der er sich alles erkämpfen konnte, was er nur wünschte, seine Fürsorge, seine Weisheit... Aber manchmal, da machte er ihr auch Angst. Wenn die Kälte nur so an seiner Stimme kratzte, die grauen Augen sich voller Härte zu Schlitzen verengten, wenn er schrie oder tobte, weil etwas nicht so geschah, wie er es befohlen hatte, wenn er sich tagelang in seinem Studierzimmer einschloss und wenn er die Mutter im Stillen küsste, nur durch angelehnte Türen und Kinderaugen beobachtet... Ihre Unterlippe begann zu beben. Lucius Malfoy breitete seine Arme aus. Schutz suchend kroch das kleine Mädchen augenblicklich zu ihm herüber und vergrub ihr Gesicht in den Tiefen seines teuren, samtenen Umhangs, ihre Finger suchten Halt in der grauen Weste und Lucius legte seiner Tochter beruhigend eine Hand auf den Rücken.

„Na, was hast du denn, Bella?", fragte er mild. „Mir kannst du es sagen." Isabella verkrampfte sich kaum merklich in seinen Armen und er spürte ihre Furcht, konnte sie fast greifen, und sie bedrückte ihn. Er wollte nicht, dass sein kleines Mädchen Angst zu leiden hatte. Er wollte, dass sie glücklich war, dass es ihr gut ging, dass sie lachte und sorgenfrei durchs Leben tanzte. Wollte das närrische, wilde Funkeln in ihren grauen Augen lesen können, die Freude auf ihrem Gesicht sehen, wenn er ihr ein Geschenk machte oder sie in die Arme schloss, wollte ihr helles Lachen von den Parkanlagen bis hinauf in sein Studierzimmer hören können, wenn er am Fenster im zweiten Stock stand und seinen Kindern beim Spielen zusah...

Er beobachtete sie beim Seilhüpfen im Garten zwischen zartlilafarbenen Fliederbüschen und sicher geschützt durch die hohen Hecken, die das Anwesen umgaben und mit Schutzzaubern belegt waren. Sah wie ihr helles Haar auf und ab hüpfte, während sie sprang, wie es hin und her wehte, wenn sie auf der alten hölzernen Schaukel durch die Luft sauste. Er hörte das Klatschen kleiner Kinderhände und helle Stimmen, die den Kindereim sangen, begleitet vom Takt der Hände.

The itsy bitsy spider climbed up the waterspout.
Down came the rain
And washed the spider out
Out came the sun
And dried up all the rain
And the itsy bitsy spider climbed up the spout again

Die Stimme seines Sohnes und die seiner Tochter schienen noch immer in seinen Ohren zu klingen. Wenn er sie aus der Ferne beobachtete war das ein Segen. Keine einstudierten Bewegungen, keine Etikette, kein Zwang und keine Regeln. Sie waren so unbeschwert. Er war ein starker Verfechter der reinblütigen Klasse, ihrer Regeln und der strengen Erziehung. Er war der Auffassung, dass nur so aus unschuldigen Kindern, ehrbare Menschen werden konnten. Er war selbst so aufgezogen worden. Unter Härte und Drill und es war ihm wohlbekommen. Aber diese kleinen Momente der Freiheit, die er durch die hohen Fenster seines Arbeitszimmers dann und wann mit seinen Blicken einfing waren kostbar und selten. So frei und unbekümmert gaben sie sich niemals unter seinen Augen.

Sobald er den Raum betrat schwiegen sie, wie es sich gehörte, bedachten ihn mit ehrfürchtigen Blicken und zollten ihm den höchsten Respekt, den ein Vater dieser Zeit verdiente. So wohlerzogen. So bedacht. So ... jung.

Etwas regte sich auf seinem Schoss und das Bild der im Garten tanzenden und lachenden Kinder verschwand. Er blinzelte. Langsam wandte Isabella ihrem Vater ihr von Angst erfülltes Gesicht zu. „Vater", wimmerte sie und schnell schlug sie die Augen nieder. Sie wollte nicht vor ihrem hohen Vater weinen. Sie wusste, dass Eltern ihre Kinder nicht gerne weinen sahen. Das hatte ihr die Mutter immer wieder eingeschärft. Und schon gar nicht weinte ein Kind vor seinem Vater. Und so schluckte sie die Tränen einfach hinunter.

„Shh." Lucius Malfoy wiegte seine Tochter beruhigend in seinen Armen hin und her und fuhr mit den Fingern zärtlich über den Blondschopf auf seinem Schoss, der sich zitternd gegen seine Brust presste und die Nase in seinem Hemd vergrub. Isabella betrachtete mit wachsendem Interesse die Kette der Taschenuhr ihres Vaters, welche in seiner Westentasche ruhte und mied es, den Kopf zu heben. Doch sanft nahm er das Gesicht seiner Tochter in beide Hände und ihre sturmgrauen Augen hielten dem Blick der seinen –die sich in Form und Farbe nicht einen Hauch unterschieden- stand. „Du brauchst keine Angst zu haben, mein Engel", sagte er nachdrücklich.

Tränen glitzerten nun doch in ihren mandelförmigen Augen. „Wird er wiederkommen? Der Dunkle Lord? Musst du dann wieder fort? Ich will nicht, dass du fortgehst, Vater. Mutter sagt, es seine deine Pflicht, aber ich verstehe das alles nicht. Warum musst du immer fort gehen? Gehst du zu ihm, Vater?"
Ernst betrachtete er das sorgenerfüllte Gesicht des Kindes und noch immer hielt er es mit seinen schlanken Fingern umschlungen. Sie war das einzig Wichtige in diesem Moment.

Ihr kleines Herz war schon jetzt so voller Güte und Wärme, dass er Angst hatte, dieses Licht möge ihm eines Tage geraubt werden. Und sollte ihm jemand dieses Lichtes berauben, würde er denjenigen niederstrecken und brennen sehen wollen. Seine Blume. Sein Windhauch der Hoffnung. Sein Märzmädchen. Sein Lichtstrahl des Glücks. Seine Winterose. Seine Tochter. Die Erstgeborene seines Namens. Sie war so zerbrechlich, so winzig klein, so zart, so empfindsam und mild wie der Frühling.

Sein Sohn war sein ganzer Stolz, sicherlich. Ihn würde er ihr immer vorziehen, auch wenn er das nicht gewollt hätte, doch das wusste er, das erwartete man von ihm. Er war sein Erbe, seine Zukunft, die Zukunft der Familie Malfoy. Er war sein Vermächtnis. Aber seine Tochter war sein wahrer Edelstein. Sie verstand die Leute, obwohl sie kaum sechs war. Sie war sein Sonnenstrahl der Freude. Strahlend hell am Horizont, wenn die ganze Welt in Dunkelheit getaucht würde, wäre sie der Stern am Himmel, der noch leuchten würde. Für ihn. Er war der einzige Mann in ihrem Leben. Der Wichtigste. Sie war ein Kind der Liebe. Eine Liebe, die sich zwischen seiner Frau und ihm längst in eine andere Art der Zuneigung verwandelt hatte. Sein Sohn war ein Kind des Stolzes. Seine Geburt war geplant, lange bevor er Narcissa überhaupt kennengelernt hatte. Von ihm wurde viel erwartet.

Aber seine Tochter war aus einem zarten Band der Liebe entstanden. Aus den Lenden der Leidenschaft. An einem der jährlich gefeierten Hochzeitstage mit seiner anmutigen Frau. Seine Tochter. Mit einer Haut so zart wie ein junger Pfirsich und so hell wie Elfenbein. Mit Haar so feengleich und fein wie gesponnene Sonnenstrahlen. Mit Augen so klar und wachsam wie eine Bergquelle. Sie war so klug und rein. Seine Wabe des Glücks...

Ihr zartes Stimmchen holte ihn zurück in die Wirklichkeit. „Ich will nicht, dass du stirbst", hauchte sie mit angsterfüllter Stimme, doch es war das erste Mal, dass seine Angst die ihrige noch übertraf, auch wenn er nichts davon anmerken ließ.

„Ich sterbe nicht", sagte er bestimmt. Lange betrachtete er ihr kleines Gesicht ehrfürchtig in seinen Händen. „Mein Mädchen", flüsterte er. „Meine unberührte Blume des Lichts." Wenn ihr kleines Kinderherz doch nur je begreifen könnte, wie viel sie ihm bedeutete...

Wie aus weiter Ferne hörte er ihr Kinderlachen von den grünen Parkgründen des Manors widerhallen, hell und klar. Wenn er die Zeit doch nur würde anhalten können, da seine Kinder noch klein und unschuldig waren, unberührt von den Lastern des Lebens. In diesen Zeiten des Friedens... Wie sehr der bald folgende Krieg die Menschen doch verändern würde... Wie sehr die Dunkelheit den Charakter doch verwandeln konnte, sodass der Mensch Dinge vergaß, die ihm einst als das Wichtigste auf der Welt galten. Und eines Tages würden diese Menschen des Krieges fallen und weinen. Und dann würden sie alles verstehen ... Alles...

Unruhig wälzte sich eine sechzehn jährige Isabella in ihrem Himmelbett in Hogwarts hin und her, unwissend, dass sie sich zwischen Dämmerschlaf und Wachzustand befand und unwissend, dass sie sich schon morgen früh nicht mehr an diesen Traum der Vergangenheit würde erinnern können... Die Dunkelheit der Nacht zerstob, als am Horizont über den Wipfeln des Verbotenen Waldes blutrot die Morgenröte über die Baumkronen kroch und das Schlossgelände in goldenes Licht tauchte...

***

Ich schlug die Augen auf. Warme Frühmärzsonnenstrahlen kitzelten über mein Gesicht. Es verstrichen einige Sekunden, bis ich begriff, welcher Tag heute war. Und dann ging alles viel zu schnell. Ich schrie auf vor Glück. Wilde Euphorie durchflutete meinen Körper. Ich schlug die smaragdgrüne Bettdecke beiseite und war mit einem Schlag hellwach. Heute war mein Geburtstag. Ich war siebzehn. Endlich volljährig. Endlich frei. Ein leises Kinderlachen schlich sich in meine Gedanken. Verwirrt blinzelte ich in den sonnendurchfluteten Schlafsaal hinein, dann trat ich zu einem der magischen Fenster herüber und blickte in die Welt hinein. Ich war siebzehn und ich war frei... Glaubte ich zumindest.

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