Unerwartete Verbindungen
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Meine Muskeln entspannten sich, als Snape den Zauberstab sinken ließ. Ich beugte mich vorn über, die Hände auf den Knien, und schnappte noch immer nach Luft. Das war zu viel für mich gewesen. Warum war ich nur so ein verdammter Schwächling? Ich war wütend auf mich selbst und auf meinen Körper, der mir einfach nicht gehorchen wollte und meine Knie immer noch zittern ließ, sodass ich mich an die Lehnen des Stuhles klammern musste, um nicht vorne über zu kippen.
Das schmenhafte Flattern verschwand. Und kaum hatte sich das Bild wieder aufgeklart, war es mir, als ob ich Snape das erste Mal an diesem frühen Morgen richtig wahrnehmen würde. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, als ich ihm ins Gesicht blickte. Wie hatte ich nur vergessen können, ihn danach zu fragen? All die Geschehnisse und der Drang, Okklumentik lernen zu wollen, hatten das Offensichtliche aus meinen Gedanken verdrängt.
„Hatten Sie eigentlich Erfolg, Sir?", fragte ich rasch atmend und hatte Mühe, die Neugierde aus meiner Stimme zu verbannen. „Bei Dumbledore meinte ich."
Der Tränkemeister nickte langsam, schien aber mit den Gedanken mal wieder woanders zu sein. „Es ist Dumbledore geglückt, Ihren Vater umzustimmen. Sie kehren nach Hogwarts zurück."
Ich fragte nicht nach, wie es Dumbledore wohl geglückt war. Es war nicht mehr wichtig. Nur eines war wichtig: Ich würde nach Hogwarts zurückkehren. Snape sprach die Worte zunächst nüchtern aus, aber in mir machte sich unbändige Freunde breit. Ich strahlte ihn an, wollte ihn umarmen, ihm meinen Dank aussprechen, doch dieser sah mich nicht an.
Mit einer lässigen Bewegung ließ Snape seinen Stab aus Ebenholz unter seinem Umhang verschwinden. Er fuhr sich unentwegt mit dem Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand über den Nasenrücken und betrachtete mich mit seltsamem Blick. Ein Funken von Melancholie und Nachdruck schien in seinen Augen zu liegen, als er mich ansah. Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass auch er all die Erinnerungen gesehen hatte, die Sekunden zuvor durch meinen Gehirnstrom gerauscht waren. Das euphorische Gefühl verpuffte etwas.
Unruhig rutschte ich auf meinem Sitz hin und her. „Ich war wirklich miserabel", stellte ich nach einigen Augenblicken des Schweigens nüchtern fest. „Tut mir leid, Sir, ich glaube nicht, dass mir Okklumentik besonders liegt."
Er runzelte leicht die Stirn und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türrahmen, der Wohnzimmer und Küche voneinander trennte. „Nein", erklärte er mir, „das ist eine ganz normale Reaktion von Körper und Geist. Keine Hexe und kein Zauberer haben es je fertiggebracht, bei ihrer ersten Begegnung mit Legilimentik den Gegner von Anfang an aus ihren Gedanken zu verbannen."
Dann wandte er sich ab und starrte eine Zeit lang nach draußen. Als er sich wieder zu mir umdrehte, war sein Blick fragend und es war mir, als suche er in meinen Augen nach einer Antwort.
„Professor?"
Er sah mich weiterhin an. „Verraten Sie mir eines, Miss Malfoy, wie ist es möglich, dass die Erinnerungen aus ihrer Kindheit überwiegend froher Natur sind, während die kurzzeitig zurückliegenden so düster sind, insbesondere, die mit Ihrem Vater?"
Ich erhob mich von dem hölzernen Stuhl und trat an das kleine geöffnete Fenster. Die Straße draußen lag friedlich da und die Sonne ließ ihre Strahlen auf dem Asphalt tanzen. Der Regen der vergangenen Nacht war noch nicht ganz getrocknet, die Luft war frisch und klar nach dem Unwetter und strich angenehm kühl über mein Gesicht. Ich kannte die Antwort auf Snapes Frage genau, aber ich war mir nicht sicher, ob dies der richtige Zeitpunkt war, sie ihm zu mitzuteilen.
Ich zuckte mit den Schultern. „Sie kennen meinen Vater doch... Er war schon immer so."
Ich hatte Snape den Rücken zugekehrt, doch ich war mir sicher, dass er die Brauen dicht zusammengezogen hatte, denn als er sprach, war seine Stimme lauernd und samtig. „Die Einsicht in ihre Gedanken straft ihren Worten Lüge, Miss Malfoy."
Zornig wirbelte ich herum. „Meine Erinnerungen gehen Sie nichts an, und ich wünsche keine weiteren Ausflüge in meinen Geist durch ihre Hand", fauchte ich. Warum war er so sehr daran interessiert?
„Seien Sie vorsichtig, Miss Malfoy", zischte er. „Sie waren es, die regelrecht verlangt hat, dass ich Ihnen die Kunst der Okklumentik beibringe."
„Davon, dass Sie dabei meine Erinnerungen durcheinanderwerfen und durchforsten war niemals die Rede, Sir. Sie hätten mir ruhig sagen können-"
„Schweigen Sie, Miss Malfoy", bellte Snape.
Empört sah ich zu meinem Zaubertranklehrer herüber. „Wir sind hier nicht in Hogwarts, Sir, Sie können mich nicht, wie eine Ihrer Schülerinnen behandeln und mich zurechtweisen, wie es Ihnen passt."
Er war wütend, das merkte ich. Warnend hob er den Zeigefinger und richtete ihn drohend auf mich. „Wissen Sie überhaupt, was ich hier für Sie tue, Miss Malfoy?" Er spuckte mir die Worte regelrecht entgegen.
„Glauben Sie ja nicht, dass ich einer normalen Schülerin jemals so viel Aufmerksamkeit beimessen würde. Ich habe mich für Sie eingesetzt, sie verteidigt. Ja, ich bin sogar für Sie zu Dumbledore gegangen und habe ihn darum gebeten, sich mit Ihrem Vater in Verbindung zu setzten. Ich habe mich meinem Freund in den Weg gestellt, seine Erziehung und Ansichten untergraben und Sie hierher gebracht, bis er sich beruhigt. Ja, ich war sogar so weit, Sie mit zu mir nach Hause zu nehmen und Ihnen, auf Ihren Wunsch, Okklumentik beizubringen... Ich erwarte nicht, dass sie mir in irgendeiner Weise danken, aber ich hätte nicht gedacht, dass Sie derartig verzogen sind! Wenn ich nicht Ihr Pate wäre, dann hätte ich mich niemals auf diese Geschichte hier eingelassen. Und ja, Miss Malfoy, auch hier sind Sie eine meiner Schülerinnen und ich behandele Sie so, wie ich es für richtig erachte."
Seine Worte waren wie Peitschenhiebe. Ich taumelte zurück, als wenn er mir gerade eine Ohrfeige verpasst hätte. Severus Snape, mein Pate? Das konnte nicht wahr sein! Meine Gedanken überschlugen sich, hetzten wie von einem Rudel Wölfe verfolgte Rehe durch den Wald. Gejagt. Ruhelos. Ein einziges Wort hallte durch meinen Kopf: Warum?
Ja, warum? Warum hatte man in meiner Familie nie ein Wort darüber verlauten lassen? Ich hatte immer gedacht, dass keinen Paten hatte. Warum hatte sich Snape nie bei mir gemeldet? Eine Karte zum Geburtstag geschickt? Ich musste fast lächeln, bei dem Gedanken, wie Snape in einem bunten Laden in der Winkelgasse stand, sich über den Ständer mit Geburtstagskarten beugte und sich fragte, ob einem Kind besser die selbstsingenden und konfettiwerfenden Karten gefallen würden, oder die, die sich puffend in bunten Rauch verwandelten, sobald man sie gelesen hatte... Das war pure Ironie.
Doch als ich meinen Blick wieder auf sein Gesicht heftete, wurde ich wieder ernst. „Sie sind mein Pate?", fragte ich atemlos. Die Wörter sprudelten aus mir heraus, ehe ich sie zurückhalten konnte.
„Ja, ich bin Dracos und Ihr Pate. Es war der Wunsch Ihrer Mutter", sagte er aalglatt.
Ungläubig starrte ich ihn an. „Und warum Sie das nie erfahren haben?", fragte er auf meinen Blick hin. „Es war die Entscheidung Ihrer Eltern, es Ihnen mittzuteilen, was sie aber offensichtlich nicht getan haben. Nach dem Sturz des Dunklen Lords hat sich die komplette Gefolgschaft um ihn herum aufgelöst und jeder ist seinen eigenen Weg gegangen. Ich schätze, Ihr werter Vater wollte seine Kinder nicht zu sehr in die Gemeinschaft einbinden und es war klüger, unnötige Details zu verschweigen. Nun jedenfalls ist dies meine Theorie. Aber ich war nie darauf aus, Pate zu werden, lediglich Ihrer Mutter ist es zu verdanken. Ich habe nie zu der Sorte gehört, die sich großartig um das Schicksal anderer Eltern Kinder schert." Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Und ich wünsche auch nicht, dass Sie mit diesem Wissen in die Öffentlichkeit treten, auch wenn es im Grunde eh nichts ändert. Pate hin oder her. Haben Sie verstanden?"
Ich nickte nur. „Verstanden, Sir", sagte ich und schluckte den Schmerz herunter. Das Ganze erschien mir wie von ziemlich weit her geholt... Und doch...
Ich wusste nicht, ob ich dieses Wissen lieber nicht gehabt hätte. Aber wie Snape bereits gesagt hatte, es war im Grunde egal, er hatte sich all die Jahre zuvor auch nicht darum gekümmert. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen. Das erste Mal, dass ich er begegnet war, war im März diesen Jahres gewesen. Es änderte nichts.
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne zurück nach Hause", sagte ich mit belegter Stimme.
Sein Blick aus obsidianschwarzen Augen verharrte auf meinem Gesicht. Seine Stimme war beinahe sanft, als er sprach. „Behalten Sie das Ganze besser für sich, Miss Malfoy. Es ändert nichts und bringt Ihnen nur Scherereien mir Ihrer Familie ein."
Miss Malfoy... Nicht Isabella. Er bewahrte die Distanz noch immer. Ich war ja nicht mit ihm verwandt. Ich war zwar sein Patenkind, aber im Grunde änderte dies auch nichts, denn schließlich hatte er sich all die Jahre kein einziges Mal gemeldet, auch wenn es, wie er meinte, eine Erklärung dafür gab. Einleuchtend erschien sie mir trotzdem nicht.
Ja, ich wollte tatsächlich zurück nach Hause. Nicht, weil ich mich nach meinen Eltern sehnte, bestimmt nicht, aber ich wollte auch nicht länger bei Snape bleiben. Ich wollte einfach nur ins Bett. Ich wollte nicht mehr hier sein, in diesem stillen, alten Haus, dessen schmutzige Backsteinfassaden schwiegen, wie alle in meinem Umfeld. Immerzu schwiegen und nie die Wahrheit aussprachen. Und vor allem wollte ich zurück nach Hogwarts. Morgen würde ich in die geliebten Steinmauern des Schlosses zurückkehren. Zum Glück hatte Snape wenigstens dies zustande gebracht. Mir sollte es recht sein.
„Gewiss, Sir", sagte ich leise. „Ich werde es für mich behalten."
Ein wenig von der angestauten Angespanntheit in Snapes Gesicht verflog. Sein Blick wurde sanft, als er die Hand nach mir ausstreckte. „In Ordnung," sagte er mit samtiger Stimme und sein Blick glitt über mein entschlossenes Gesicht. „Ich bringe Sie zurück nach Hause."
***
Energische Schritte. Das Zuschlagen einer imaginären Tür in meinem Kopf. Wut. Angestaute, eiskalte Wut. Wut auf mich selbst und auf die Menschen um mich herum. Und vor allem Wut auf Snape. Sie stieg wie eisiges Feuer in mir empor. Ich ergriff nur äußerst widerwillig seine mir dargebotene Hand. Langsam begannen wir, uns auf der Stelle zu drehen und wie beim ersten Mal, als ich nach Spinners End appariert war, legte sich drückende Schwärze um uns herum und presste meine Gliedmaßen so stark zusammen, dass ich das Gefühl hatte, als wenn ich durch einen engen Gummischlauch gepresst würde. Eiserne Bänder schlossen sich immer enger um meine Brust, meine Finger verkrampften sich, ich fühlte, wie mir Snapes Hand zu entgleiten schien...
Dann schlugen wir hart auf dem Kiesweg auf, der zum Anwesen meiner Familie führte. Unser Auftauchen geschah so plötzlich, dass ein aufgescheuchter wilder Uhu, der zu meiner Rechten auf einem der Torpfosten gehockt hatte, empört mit den Flügeln raschelte und sich zeternd und entrüstet mit dem Schnabel klackernd in die Luft erhob. Doch ich sah ihm nicht nach, sondern versuchte, die Umrisse meiner Umgebung durch die dichten Nebelschwaden, die in der Luft hingen, auszumachen.
Der Himmel, der in Spinners End noch so kristallklar und sonnig gewirkt hatte, war hier in Wiltshire seidengrau und von Wolken verhangen. Der Nebel hing wie undurchdringliche weiße Zuckerwatte über Malfoy Manor und hüllte seine Fassade in milchiges Dämmerlicht. Die Fenster waren hell erleuchtet und hätten einladend wirken können, wenn man nicht gewusst hätte, was sich hinter den dicken Steinmauern des Hauses abspielte.
Ich ließ die Hand meines Professors los, kaum dass sich die Dunkelheit und die Nachwirkung des Apparierens um mich herum gelichtet hatten. Kurz warf ich einen Blick über die Schulter und sah, wie Snape erneut begann, sich auf der Stelle zu drehen. Er richtete keine Worte des Abschieds an mich, sondern verschwand mit einem letzten Aufwirbeln seines schwarzen Umhangs und hinterließ durchdringende Stille.
Nur die Blätter der Bäume flüsterten mir ihre unverständlichen Worte zu und erzählten ihre Geschichten von längst vergangenen Tagen. Doch ich hörte sie nicht. Lauschte weder dem Wispern des Windes noch dem Flüstern der Bäume, sondern rannte kiesaufspritzend den endlos langen Zufahrtsweg zum Anwesen hinauf.
Die imposante, sonst so bedrohlich erscheinende Steintreppe, sah mit einem Mal verwittert aus und das Moos kroch bereits an ihrem Sockel empor. Mir erschien es seltsam, dass mir dies nie zuvor aufgefallen war. Doch ich dachte nicht länger darüber nach, sondern eilte weiter, die brennende Wut im Rücken. Meine Schritte hallten laut von den mächtigen Wänden wieder, als ich die ausladende Eingangshalle betrat und mit zügigen Schritten durchquerte. Ich streckte die Arme aus und griff mit beiden Händen nach den Griffen der breiten Flügeltür. Ohne viel Federlesen riss ich die riesigen Türhälften auf und betrat atemlos den Salon. Meine Brust hob und senkte sich in raschen Abständen.
Meine Mutter zuckte erschrocken zusammen, als sie mich in der Tür stehen sah, die Hände zu Fäusten geballt und die blanke Wut ins Gesicht geschrieben. Der Ausdruck der Überraschung verwandelte sich sogleich in Sorge, als sie das Buch fallen ließ, in dem sie gerade gelesen hatte, und zu mir hinübereilte. Ich hatte nicht einmal ein Fünkchen Mitleid für sie übrig.
Ich begrüßte sie nicht, sondern schleuderte ihr nur meine Wut entgegen. „Warum?", schrie ich fast. „Warum hat mir niemand in diesem Haus jemals erzählt, dass er" –und meine Stimme überschlug sich bei dem Gedanken an ihn fast- „mein Pate ist?"
Meine Gefühle holten mich ein, ehe ich mit der Wimper gezuckt hatte. Es war nicht richtig. Er durfte es nicht sein. Das Gefühl war falsch, ihn als Paten zu haben. Es passte nicht. In mir zog sich etwas zusammen. Die Stille im Salon war drückender, als Snapes frostiges Schweigen auf dem Weg hierher oder seine harschen Worte, die er mir am vergangenen Abend entgegen geschleudert hatte.
Meine Nägel gruben sich tief in meine Handflächen, als ich meine Mutter anstarrte. Aus Narzissas Malfoys blassem Gesicht war jede Farbe gewichen. Ihre himmelblauen Augen füllten sich mit Tränen und sie starrte mich entsetzt an. Dann, nach einigen Sekunden, strich sie ihren Rock glatt und setzte ein zittriges Lächeln auf. „Isabella, Liebes, schön, dass du hier bist." Ihre Lippen zitterten kaum merklich, als sie mich ansah. Sie schien sich wirklich zu freuen, auch wenn ihr der Schreck, ob meines Auftretens, offen ins Gesicht geschrieben stand.
Ich war sprachlos. Ich konnte es nicht fassen. Ich stand hier, vor ihr, und konfrontierte sie mit der unausweichlichen Wahrheit und sie umging meine Worte? Als wenn ich sie nur begrüßt hätte. Es hatte keinen Sinn mit ihr, hatte es nie gehabt. Mein Vater hatte alles unterdrückt, jede ihrer Bewegungen, jede ihrer Handlungen. Sie war an ihm zerbrochen. Er hatte alles untergraben und ich hatte es nie bemerkt.
Ich ließ von ihr ab und sank auf einen der Sessel am Kamin zurück. Beiläufig fuhr ich mit den Fingern das Muster des Bezugs nach. Hatte Snape wirklich die Wahrheit gesagt? Ich wollte es nicht wirklich wahrhaben. Ich wollte Antworten. Antworten, die mir meine Mutter nicht geben würde. Doch Antworten, die ich mir holen würde.
„Wo ist Vater?", fragte ich stattdessen und sah mich suchend in dem geräumigen Salon um.
Meine Mutter schien erleichtert darüber, dass ich nun nicht mehr schrie und anscheinend ein gewöhnliches Thema angeschnitten hatte. „Er ist unterwegs, aber ich bin mir sicher, dass er bald wieder bei uns sein wird."
Ich war zurückgekehrt, um Antworten auf meine Fragen zu finden. Ich fühlte mich, als wenn ich noch träumte, als wenn das vergangene Wochenende nie passiert wäre. Die Zeit schien sich in die Länge gezogen zu haben, wie zäher Muggelkaugummi und es kam mir vor, als wenn Wochen vergangen wären, seit ich Hogwarts an diesem Wochenende, vor zwei Tagen, verlassen hatte, um meine Eltern auf den Wunsch meines Vaters zu besuchen.
Ich machte keinen Aufstand mehr und widersprach nicht, als mich meine Mutter zu einem gemeinsamen Abendessen überredete. Ich leistete keinen Widerstand, als wir das Abendessen ohne meinen Vater zu uns nahmen und verschwand danach wieder in meinem Zimmer. Erst, als silbernes Mondlicht durch die hohen Fenster meines Zimmers fiel, richtete ich mich leise auf und griff nach meinem Zauberstab, der auf dem Nachttisch neben meinem Bett lag.
Porträts aus längst vergangenen Jahrhunderten zierten die Wände der Korridore, durch die ich huschte. Das Bild eines Hirten am Treppenabsatz und das Ölgemälde einer Teegesellschaft feingekleideter Damen aus dem 18. Jahrhundert ließen leise zornige Debatten verlauten, warum jemand um diese Uhrzeit durch die dunklen Korridore schlich, und dazu noch die Frechheit besaß eine hellleuchtende Kerze, die mir als Lichtquelle diente, auf ihre Gesichter zu richten. Ich ignorierte die empörten Rufe der Hofdamen in den grotesk altmodisch wirkenden, bauschigen Rüschenkleidern und bog in einen kleineren Gang zu meiner Rechten ab.
Es herrschte vollkommende Stille. Ich schlich weiter den dunklen Gang entlang. Vorbei an dem Schlafzimmer meiner Eltern, vorbei an Dracos verlassenem Zimmer. Endlich erreichte ich die Tür zum Studierzimmer meines Vaters, drückte die Klinke herunter und betrat das verbotene Zimmer. Ob ich hier wohlmöglich Antworten auf meine Fragen fand?
***
Am Morgen des nächsten Tages trat ich auf das teure Kaminsims im Salon von Malfoy Manor und lächelte meiner Mutter zum Abschied flüchtig zu. Die Arme eng an den Körper gepresst rauschte ich durch das Flohnetzwerk und sah Kamin für Kamin an mir vorbeizischen. Kurz darauf stolperte ich aus dem Kamin von Professor McGonagalls Büro und schlug dabei hart auf dem Boden auf, sodass ich beinahe gestürzt wäre.
Meine Verwandlungslehrerin begrüßte mich recht barsch und schickte mich sofort in meinen Gemeinschaftsraum. Sie schien sehr kurzangebunden zu sein und scheuchte mich regelrecht aus ihrem Büro. Ich schloss die dunkle Holztür hinter mir und sah noch kurz, wie sich Professor McGonagall über eine auf rosa Briefpapier verfasste und mit scheußlichen quietschbunten Kätzchen am Rand verzierte Notiz beugte. Ich grinste. Denn all dies und selbst meine rußbedeckte Kleidung konnten meiner Freude keinen Dämpfer versetzen, als ich endlich wieder durch die Flure von Hogwarts wanderte. Merlin, wie sehr ich dieses Schloss vermisst hatte. Doch Hogwarts war nicht das Einzige, was mir gefehlt hatte.
Ich eilte den Korridor im ersten Stock entlang und gerade als ich um die Ecke bog, von der aus eine Treppe in die Kerker führte, prallte ich gegen etwas Hartes. Ich hob den Kopf und mein Blick fiel auf ein blasses, schmales Gesicht. Und es waren diese tiefschwarzen Augen, die ich so sehr vermisst hatte. Scheu sah ich ihn an und glaubte fast, dass er mich wieder anschreien würde, doch zu meiner Verwunderung sah ich ein kaum merkliches Lächeln an seinen Mundwinkeln zupfen.
Es war wohl ein Glück, dass der Korridor leer war und weit und breit kein Schüler zu sehen war, denn plötzlich warf ich meine Tasche zu Boden und drückte mich ohne Vorwarnung an ihn. Er bedachte mich mit einem tadelnden Blick und verkrampfte sich leicht, doch ich spürte, wie er mir mit der Hand kurz übers Haar fuhr, ehe er mich mit sanfter Gewalt von sich schob.
Ich biss mir auf die Unterlippe und sah stumm zu Boden. Ich wusste nicht, warum mir die Tränen in die Augen schossen, als ich ihn ansah. Er musterte mich eindringlich, dann schlang er die Arme um mich. "Shh", murmelte er leise. Ich atmete seinen vertrauten Geruch ein und blickte zu ihm empor. Er hatte die Augenbrauen leicht zusammengezogen und ein Hauch Besorgnis schwang in seinem dunklen Blick mit und in diesem Moment wusste ich, dass ich das erste Mal in meinem Leben jemandem verziehen hatte.
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