Neue Kontakte
„Mach dir nichts draus", sagte Katie Bell einige Augenblicke später, als wir uns in die Reihe der wartenden Schüler zum Verwandlungsklassenzimmer einreihten. „So ist Ginny eben. Du kennst sie nicht richtig, sie ist ein wirklich netter Mensch, der garantiert nicht auf Krawall gebürstet ist. Ihre Brüder Fred und George hingegen..." Sie kicherte. „Ich glaube, du hast sie noch nicht kennengelernt, sie sind bereits in ihrem siebten Jahr und auch in Gryffindor."
Ich lächelte lediglich, da ich nichts zu dem eben Gesagten zu erwidern wusste. Ich war froh, dass mir an diesem Morgen überhaupt etwas geglückt war. Denn ich hatte den Weg zu McGonagalls Klassenraum ohne weitere Umstände gefunden und Katie war sogar zu mir herüber gekommen und hatte sich nach meinem ersten Schultag erkundet, wenngleich ich die feindseligen Blicke einiger Gryffindor-Mädchen auf mir spürte, die offenbar mit Katie befreundet waren.
Katie hielt einen dicken Verwandlungswälzer im Arm und die Tasche über ihrer Schulter war bis zum Anschlag mit Büchern und Notizen gefüllt.
„Hast du schon mit dem Aufsatz über den Trunk des Friedens für Snape begonnen?", fragte Katie aufgeregt. „In meinem letzten Aufsatz hatte ich nur ein E und ich will diesmal schaffen, ein O zu bekommen, weißt du. Bei Snape ist es wirklich schwer. Er verteilt fast nie ein O an jemanden, der kein Slytherin ist. Außer an Hermine Granger vielleicht..."
„Nein", sagte ich kleinlaut. „Aber er hat uns doch auch erst gestern das Thema genannt", murmelte ich und hätte gerne das Thema gewechselt. Doch ich wollte Katie nicht vergraulen, indem ich über Dinge redete, an denen sie offenbar kein Interesse hatte.
Ich zog meinen langen, hellblonden Pferdeschwanz enger und strich meinen Rock glatt, während es bereits zum zweiten Mal klingelte und sich der Korridor bis auf mich und meine Mitschüler gänzlich geleert hatte.
„Aber am Donnerstag ist schon Abgabe", sagte Katie nachdenklich. „Und in Verwandlung und Gesichte der Zauberei haben wir auch eine Menge Arbeit. Ich war gestern den ganzen Abend lang in der Bibliothek und habe die genauen Eigenschaften von Nieswurz nachgeschlagen. Vielleicht bekomme ich Extra-Punkte, wenn ich den Aspekt mit reinbringe, dass sich zu viel oder wenig Nieswurz auch negativ auf den Trank auswirken kann. Ich will das O dieses Mal unbedingt."
Ich schloss die Augen. Himmel, war das noch normal? Wir hatten doch gerade mal den ersten Schultag hinter uns und das Mädchen redete von nichts anderem als UTZ-Noten und Aufsätzen.
„Jaah, wird ihm bestimmt gefallen", sagte ich trocken. Für meine Laune konnte ich heute wirklich nichts, der Tag hatte miserabel angefangen und er Brief meines Vaters ging mir einfach nicht aus dem Kopf.
Katies Augen leuchteten. „Meinst du wirklich? Oh, Isabella, das wäre ja wunderbar. Willst du heute Nachmittag zusammen mit mir den Aufsatz schreiben?"
„Ähm", sagte ich zögernd. Nach lernen oder Aufsätze schreiben war mir nicht unbedingt zu Mute. Andererseits würde ich vielleicht so näher an sie herankommen und etwas Gesellschaft konnte nicht schaden. Unter den Slytherins hatte ich noch keine Freunde gefunden, außer vielleicht Elizabeth Carter, die mir immer wieder zulächelte und mich auf den Gängen freundlich grüßte. Doch eine Freundin konnte man so jemanden noch nicht nennen.
„Gerne", sagte ich und rang mir trotz meiner schlechten Laune ein Lächeln für sie ab.
„Prima", sagte Katie begeistert. „Sagen wir vier Uhr, in der Zaubertrank-Abteilung der Bibliothek?"
Ich nickte.
Endlich erschien Professor McGonagall und bahnte sich hektisch einen Weg durch die Schüler. „Tut mir leid, tut mir schrecklich leid", sagte sie energisch und schloss die Tür für uns Sechstklässler zum Klassenzimmer auf. „Aber Angelina Johnson hatte ein dingliches Anliegen, wegen er Auswahlspiele für die Quidditch-Hausmannschaften. Sie ist in ihrem siebten Jahr und hat ziemlich viel um die Ohren..."
Ich starrte die Professorin ungläubig an und sah dann zu Katie.
„McGonagall kommt wegen sowas wie Quidditch zu spät?", fragte ich verwirrt.
„Nun ja", sagte Katie lächelnd. „Du kennst Professor McGonagall nicht, wenn es um Quidditch geht. Sie brennt darauf, dass wir auch dieses Jahr den Quidditchpokal für Gryffindor zu holen. Ich bin Jägerin im Team und wir haben es den Slytherins schon das ein oder andere Mal so richtig gezeigt." Sie grinste mir zu. Ich starrte sie mit leichtem Unglauben an.
„Hey, Isabella", rief mir jemand von hinten zu. „Komm doch auch zu den Quidditch-Auswahlspielen für unser Haus", sagte Jonathan Yaxley grinsend. „Ich bin selbst Hüter in der Mannschaft und wir könnten etwas frischen Wind vertragen."
Ich lächelte zu Jonathan herüber. „Klar, gerne. Wann finden die Auswahlspiele denn statt?"
„Komm doch einfach heute Abend in den Gemeinschaftsraum", sagte Yaxley gut gelaunt. „Dann erklär ich dir alles weitere."
Ich nickte. „Einverstanden."
Jonathan grinste zufrieden zu mir herüber und wandte sich wieder seinen Freunden zu.
„Jetzt aber rein, alle miteinander", rief Professor McGonagall gebieterisch über unsere Köpfe hinweg. „Yaxley, Pucey, Nott", rief sie in die Richtung von Jonathan und zwei seiner Slytherin-Freunde. „Sie auch. Rein jetzt ins Klassenzimmer oder ich verpasse Ihnen Strafarbeiten."
Die Schüler strömten nach dem Unterricht alle Richtung Große Halle und ich ließ mich von der Menge mitziehen. Hinter dem Eichenportal hörte man bereits das Summen hunderter Schülerstimmen und das Klappern von Tellern und Kelchen oder das Kratzen von Besteck auf Porzellan.
Ich sah Yaxleys Kopf vor mir in der Menge und schloss mich der Traube von Schülern an, die zum Slytherintisch drängte. Dort angekommen ließ ich mich auf einen Platz zwischen Pansy Parkinson und Theodore Nott gleiten. Pansy kreischte kurz auf, als sie meinen Bruder sah, wie er sich in die Halle schob und klopfte mit unbändiger Begeisterung auf den freien Platz neben sich, damit sich Draco dort niederließ. Ich verdrehte die Augen und wandte den Blick von Pansy ab.
Nun blickte ich in das blasse Gesicht von Theodore Nott. Sein schwarzes Haar stand ihm hier und da von Kopf ab und es wirkte leicht zerzaust, als wenn gerade jemand mit der Hand hindurchgewuschelt wäre. Seine dunklen Augen huschten zu mir herüber und ich lächelte kurz. Nott sagte nichts, was ich als deutlich angenehmer empfand, als Pansys Gekreische und Gegiggel.
Ich häufte mir Reis und Pilzragout auf meinen Teller, zog Zaubertränke für Fortgeschrittene aus der Tasche und lehnte es gegen einen Saftkrug. Morgen war schon Abgabe für Snapes Aufsatz und ich wollte nicht noch ein schlechtes Ergebnis abliefern. Niemand redete während des Essens mit mir, doch ich spürte Notts Blick gelegentlich auf mir. Ich war froh, als ich auch den letzten Pilz hinuntergeschluckt hatte und mich erheben konnte.
Der Geräuschpegel in der Großen Halle war zu dieser Tageszeit enorm und somit floh ich in die Stille der Bibliothek.
Nachdem ich mit Katie in der Bibliothek den Aufsatz für Snape beendet hatte, machte ich mich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Der Himmel hinter den Fenstern hatte sich bereits mitternachtsblau gefärbt und ich konnte sehen, wie der Mond aufging. Es musste schon sehr spät am Abend sein. Plötzlich fiel mir das Gespräch mit Yaxley von heute Vormittag wieder ein und ich begann zu rennen.
Keuchend schlitterte ich um die Ecke und raste die Treppe, die in die Kerker führte hinab. Vor der kahlen Steinwand angelangt flüsterte ich „Drachenpocken" und die Wand glitt zur Seite und gab den Blick auf den schon fast leeren Gemeinschaftsraum frei.
Mein Blick fiel auf Yaxley. Er saß stumm vor einem Schachbrett am Kamin und hatte sich hinter dem Abendpropheten verschanzt. Ich tippte ihm zögernd auf die Schulter und er zuckte erschrocken zusammen.
Seine Miene hellte sich augenblicklich auf, als er mich sah.
„Du bist gekommen."
„Tut mir leid", sagte ich schnell. „Ich hab's total vergessen."
„Ach, macht nichts", sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Also wie siehts aus?"
Ich sah ihn fragend an.
„Kommst du zu den Auswahlspielen am nächsten Samstag?"
Ich hob eine Braue. „So schnell?"
Er grinste. "Ich bin der neue Mannschaftskapitän, seit Flint letztes Jahr von der Schule gegangen ist."
Ich lächelte und strich mir eine Strähne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte hinters Ohr.
„Wenn das so ist... Dann muss ich wohl kommen."
Er nickte und musterte mich. „Ich mag dich Isabella", sagte er plötzlich mit belegter Stimme.
Was? Halt! Nein! Was sollte das?
Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Ähm... Ja... Ich muss jetzt auch wieder..."
Ich sprang auf und lief Richtung Schlafsaal davon. „Bis demnächst", rief ich und ließ einen etwas verdattert aussehenden Yaxley zurück.
Als ich im Bett lag und den Baldachin über mir anstarrte flogen meine Gedanken zu Yaxley zurück. Sei dunkles, akkurat geschnittenes Haar, die beinahe türkisfarbenen Augen. Doch so sehr ich mich auch darauf konzentrierte das Türkis zu ergreifen, schien es immer wieder zu verschwimmen, je stärker ich versuchte daran festzuhalten.
Und immer wieder mischte sich intensives, kaltes Schwarz in meine Gedanken. Tief und weit wie dunkle Tunnel. Ich schreckte aus dem Schlaf hoch und Snapes Augen schienen mir noch immer aus der Schwärze der Nacht entgegenzublicken.
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