Ein Date?




Ich folgte Snape weiterhin schweigend durch die Gänge. Nachdem er mich  zu Recht gewiesen hatte, hatte ich kein Wort mehr verloren, doch der  Gang vor uns schien kein Ende zu nehmen. Die Kerker mussten wirklich  riesig sein.
Doch  nach einigen Metern hielt Snape vor einer nackten Steinwand inne und  vergewisserte sich kurz, dass wir allein waren. Dann stellte er sich  direkt vor der Wand auf und murmelte etwas, das ich nicht verstand.

Skeptisch  sah ich zu ihm empor und meine Melancholie, das vorherige Gespräch  betreffend, schien verschwunden zu sein, wenngleich sich das Gefühl der  Unmut nicht wegwischen ließ.

„Die  Gemeinschaftsräume der Häuser sind durch Passwörter geschützt, damit  sich niemand außer den Slytherins zutritt verschaffen kann", erwiderte  Snape auf meine stumme Frage hin, die mir offenbar ins Gesicht  geschrieben stand.
„Die  Passwörter ändern sich ab und zu, weshalb Sie immer Kontakt zu einem  der Vertrauensschüler Ihres Hauses haben sollten, wenn Sie diese  Information benötigen. Die Vertrauensschüler werden als Erste über  solche Dinge wie Passwortwechsel in Kenntnis gesetzt. Das derzeitige  Passwort lautet Drachenpocken. Merken Sie es sich gut. Ich werde es  Ihnen kein zweites Mal verraten."

Und  kaum hatte Professor Snape das gemurmelte Passwort über die Lippen  gebracht, öffnete sich die Steinwand vor uns und offenbarte einen  langgezogenen Raum mit rohen Steinwänden.

Der  Raum wurde durch grünliche Kugellampen ausgeleuchtet und schimmerte in  grünem Licht. Im Kamin prasselte ein behagliches Feuer und um den Kamin  herum verteilt standen einige hohe Lehnstühle und bequem aussehende  Chintz-Couches und Sessel, die mich unweigerlich an Malfoy Manor  erinnerten.

Als  sich die Steinmauer hinter mir und Snape wieder geschlossen hatte,  bemerkte ich, dass sich Schüler im Gemeinschaftraum befanden. Sie saßen  in Sesseln beim Feuer, waren in Schachspiele und Gespräche vertieft oder  brüteten über dicken Wälzern mit Titeln wie „Theorie magischer  Verteidigung" von Wilbert Slinkhard -welches auch ich in der Winkelgasse  erworben hatte- oder „Zaubertränke und Zauberbräue."

Hinten  vor einem der magischen Fenster, die, trotz, dass die Räumlichkeiten im  Kerker lagen, die nächtliche Welt draußen auf den Ländereien von  Hogwarts widerspiegelten,  saß Elizabeth Carter in ein Buch namens  „Quidditch im Wandel der Zeiten" vertieft und ihr gegenüber die  dunkelhaarige, rundgesichtliche Pansy Parkinson. Die restlichen  Gesichter waren mir fremd.

Einige  der Schüler blickten neugierig auf, als sie mich entdeckten, andere  senkten schnell den Blick, als die bemerkten, dass Snape den  Gemeinschaftsraum betreten hatte. Kalt und streng fixierten seine  dunklen Augen jeden der dutzend Schüler kurz, ehe er mich am Arm fasste  und nach rechts in einen anderen Gang schob.

Er stieß eine Tür zu meiner Linken auf.

„Ihr  Schlafsaal, Miss Malfoy", sagte er und ein süffisantes Grinsen  umspielte seine dünnen Lippen. „Ihre Zimmergenossinnen werden sie wohl  früher oder später selbst kennen lernen. Sie können mit dem Auspacken  beginnen, aber ich rate Ihnen nicht zu spät ins Bett zu gehen, denn  morgen ist Ihr erster Schultag und wir wollen ja nicht, dass Sie gleich  am ersten Tag hinterherhängen, nicht wahr?" Das süffisante Grinsen wurde  breiter.

Ich  erwiderte nichts, sondern wandte mich meinem Koffer zu, der offenbar  für mich hierher gebracht worden war. Ich musterte ihn kurz und runzelte  die Stirn. Etwas fehlte.
Snape hatte sich gerade zum Gehen gewandt, als ich mich zu ihm umdrehte.

„Professor?", fragte ich. „Wo ist meine Eule? Ich habe-"

„In der Eulerei", entgegnete Snape knapp und hob eine
Augenbraue.

„Verstehe", presste ich hervor.

Woher  kamen nur immer dieser zynische Unterton und dieser spöttische Blick  mit dem er mich stets bedachte und mir damit das Gefühl gab, mich dumm  und kindisch zu verhalten, wobei ich doch genau das Gegenteil anstrebte.
Er drehte sich endgültig zur Tür.

  „Und denken Sie daran, dass Sie morgen früh pünktlich zum Unterricht  erscheinen", sagte Snape und seine Lippen kräuselten sich. „Sie haben  nämlich Zaubertränke und ich dulde keine Verspätungen in meinem  Unterricht."

Es  stellte sich tatsächlich heraus, dass ich am Montagmorgen zuerst eine  Doppelstunde Zaubertränke mit den Ravenclaws hatte. Ich wollte Snape  natürlich nicht die Möglichkeit geben, mich wieder einmal zu bekritteln,  weshalb ich extra früh aufstand und als eine der ersten die Große Halle  zum Frühstück betrat.

Der  Slytherintisch war leer bis auf ein paar der Erstklässler, die ich wage  von der Auswahlzeremonie wiedererkannte und einige Sechst- und  Siebtklässler, die sich im Flüsterton über etwas, das sich ganz nach UTZ  anhörte, unterhielten.

Ich  ließ meine Schultasche von der Schulter gleiten und nahm auf einem  Platz in der Nähe einer blonden Slytherin-Siebtklässlerin Platz.

Meine Tasche war bis zum Bersten mit Büchern,
Pergamentrollen,  Tintenfässchen, Federn und Zaubertrankzutaten gefüllt. Widerwillig zog  meinen Stundenplan aus der Tasche. Hogwarts war mit Sicherheit kein  Zuckerschlecken und die Tatsache, dass ich vorher eine Schule mit  Vorliebe für die dunklen Künste besucht hatte und mir einige Fächer  somit eher fremd waren, schien die Sache nicht gerade zu begünstigen.

Ich  warf einen Blick auf den Stundenplan und schenkte mir eine Tasse Tee  ein. Nach der Doppelstunde Zaubertränke folgten jeweils eine  Doppelstunde Verwandlung und Verteidigung gegen die Dunklen Künste.  Danach gab es Mittagessen und nachmittags standen Arithmantik und  Geschichte der Zauberei an, jedoch glücklicherweise einstündig.

Aber  damit war es nicht genug. Ich erinnerte mich mit einem mulmigen Gefühl  im Magen an die erste Leistungsüberprüfung am folgenden Nachmittag in  Dumbledores Büro. Welches Fach sie wohl prüfen würden?

Ich  würgte ein wenig Toast hinunter und blätterte eher beiläufig durch die  gestrige Ausgabe des Tagespropheten, die irgendein Schüler  offensichtlich auf dem Tisch zurückgelassen hatte.

Als  die Halle sich immer mehr mit schwatzenden und lachenden Schülern  füllte, erhob ich mich, schulterte meine Tasche und verließ die Große  Halle.

Ich war auf halbem Weg den Korridor entlang geschritten, als ich hinter mir eine tiefe Stimme meinen Namen rufen hörte.

„Hey, Isabella", rief Jonathan Yaxley und kam auf mich zugeeilt.

Ich  drehte ihm den Rücken zu und tat so, als hätte ich sein Rufen nicht  gehört. Doch zu spät. Ich hörte schwere Schritte und ein kurzes  Schnaufen. Offenbar war er zu mir gerannt.
Ich schloss für einen Moment die Augen, presste die Lippen aufeinander und drehte mich langsam um.

Bei  meinem Gesichtsaudsdruck erstarrte Yaxley kurz, doch ich machte mir  nicht die Mühe, ihn anzulächeln, wie er es vielleicht erwartet hatte,  als wir beim Bankett zusammen getanzt hatten. Doch hier war weit und  breit niemand, den ich beeindrucken wollte und mein Vater war  meinenweilt entfernt. Warum also lächeln?

„Wie geht's?", fragte er etwas außer Atem.

„Gut", erwiderte ich knapp.

Er erwartete offenbar darauf, dass ich etwas sagte, doch ich tat ihm diesen Gefallen nicht. Er rieb sich die Fingerknöchel.

„Also...",  begann er. „Nächste Woche ist Hogsmeade-Wochenende und ich... ich wollte  dich fragen, ob du vielleicht..." Er zögerte. „Willst du vielleicht... mit  mir?"

Ich  hob eine Braue. „Du willst wissen, ob ich mit dir nach Hogsmeade  gehe?", blaffte ich und erschrak für einen Moment vor meiner eigenen  Direktheit. Merlin, das war doch sonst nicht meine Art.

„Ähm... Ich schätze schon", murmelte Yaxley und fuhr sich durch sein dichtes, dunkles Haar.

Ich  musterte ihn. Schlecht sah er auf jeden Fall nicht aus und etwas  Ablenkung könnte mit Sicherheit nicht schaden, auch wenn ich ihn  eigentlich nicht sonderlich konnte. Vielleicht hatte er eine Chance  verdient, mir das Gegenteil zu beweisen? Dies war jedenfalls ein  besserer Zeitvertreib als wohlmöglich am Samstagnachmittag allein im  Schlafsaal zu hocken.

Ich  öffnete gerade den Mund um Yaxley zuzusagen, als Snape an uns  vorbeigerauscht kam. Er hatte die dunklen Brauen dicht zusammengezogen  und zuckte nicht mit der Wimper, als er an uns vorbeischritt. Seine  schwarzen Augen schienen ausdruckslos nach vorne zu statten, doch ich  war mir sicher, dass sie für den Bruchteil einer Sekunde zu mir herüber  geflackert waren.

Ich schloss den Mund wieder uns strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Isabella?"

Yaxleys  Stimme holte mich zurück in die Wirklichkeit. Ich sah ihm ins Gesicht.  Seine Augen waren hellgrün und um seine Pupille zog sich ein intensiver,  türkisfarbener Rand.  Wie unterschiedlich Augen doch waren und wie  verschieden die Menschen hinter der Iris...

Ich lächelte ihn an, doch mit den Gedanken war ich ganz woanders.

„Ja, in Ordnung", sagte ich schließlich freundlich.
Yaxley grinste.

„Klasse", sagte er. „Ich muss dann auch wieder... Zauberkunst... Bis Samstag dann, Isabella."

Mit  diesen Worten drehte er sich um und ging mit federnden Schritten den  Korridor entlang, der scheinbar zum Zauberkunstklassenzimmer führte.

Ich  sah auf die Uhr. Es war fünf vor neun. Ich kam eindeutig zu spät zu  Zaubertränke und ich hatte nicht den leisesten Schimmer, wo sich Snapes  Klassenzimmer befand...

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