Das Duell zwischen Löwe und Schlange


Ein neuer Morgen brach an und die herbstliche Novembersonne durchflutete den Mädchenschlafsaal der Slytherinsechstklässlerinnen bis in den letzten Winkel. Ich blinzelte verschlafen durch meine Wimpern hindurch und beobachtete verschwommen, wie der feine Staub in den Lichtstrahlen der aufgehenden Sonne tanzte. Gähnend rieb ich mir die Augen und richtete mich auf. Elizabeth Carter stand schon komplett angezogen vor einem der magischen Fenster und hatte den Blick auf den See gerichtet, dessen schwarze Oberfläche sich in einer der morgendlichen Windbrisen, die über das Schlossgelände wehten, leicht kräuselte.

Seit meiner Heimkehr nach Malfoy Manor waren gute zwei Wochen vergangen und allmählich hatte sich wieder so etwas wie ein Alltag in meinem Leben eingestellt. Mit Elizabeth verstand ich mich zunehmend besser und auch Katie Bell war eine angenehme Gesellschaft in Verteidigung gegen die dunklen Künste oder dem einschläfernden Unterricht in Geschichte der Zauberei bei Professor Binns. Snape behandelte mich nach wie vor wie eine seiner Schülerinnen, doch er ließ weniger herablassende Kommentare ab, als zu Beginn des Schuljahres und es war mir letzte Woche tatsächlich gelungen, den Trunk des Friedens auf annehmbarem Niveau zu brauen. Doch Snape schien auch trotz dieser Leistung –in meinen Augen beinahe Glanzleistung- nicht wirklich zufrieden mit mir zu sein. Sein Auftreten war mürrisch und kalt und in mir machte sich mit der Zeit das Gefühl breit, dass er mit den Gedanken nicht ganz
bei der Sache war.

Ich hatte ihn zu meinem Bedauern nicht mehr unter vier Augen sprechen können, seit ich zurück nach Hogwarts gekehrt war. Er schien mir aus dem Weg zu gehen und ich wurde das leicht bedrohliche Gefühl nicht los, dass seine Laune auf meine Kosten zurückzuschreiben war. Meine Leistungsüberprüfungen, zu denen mich Dumbledore zu Beginn des Schuljahres verpflichtet hatte, hatte ich nun endlich alle hinter mich gebracht. In Zaubertränke hatte ich nur mit einem „M" bestanden, was den Groll gegen meine Braukünste von Seiten des Tränkemeisters noch zu verschlimmern schien. Allerdings hatte ich in Zauberkunst, Alte Runen und Verteidigung gegen die dunklen Künste recht passabel abgeschnitten.

Einen erneutes Gähnen unterdrückend schob ich die Bettdecke mit den Füßen beiseite und schwang die Beine über die Bettkannte. „Du bist schon auf?", fragte ich und sah Elizabeth ungläubig an. „Es ist gerade mal acht Uhr und wir haben Samstag. Und was soll eigentlich dieser Aufzug?" Ich lachte kurz auf.

Elizabeth verknotete ihre Finger unschlüssig miteinander, und blickte an sich hinab. Sie trug einen leuchtend dunkelgrünen Pullover mit einer silbernen Schlange auf die Vorderseite gestickt und hatte sich einen der Quidditchumhänge der Slytherinmannschaft um die Schultern gehangen. In ihre dunklen Locken hatte sie sich eine grässliche blinkende Schleife gesteckt, ebenfalls in den Farben unseres Hauses. Sie grinste, dann wandte sie sich vom Fenster ab und sah mich an. „Heute ist das erste Quidditchspiel der Saison, Gryffindor gegen Slytherin", sagte sie ungläubig. „Sag mir nicht, dass du das vergessen hast? Ich dachte dein Freund, Yaxley oder wie er heißt, spielt auch und zwar als Hüter. Ist er nicht sogar Mannschaftskapitän?" Sie grinste noch breiter. „Schande, dass du nicht in die Mannschaft wolltest."

„Ach ja", gähnte ich. „Hätte ich fast vergessen." Dann warf ich ihr einen entnervten Blick zu. „Und er ist nicht mein Freund. Jonathan und ich kennen uns lediglich seit unserer Kindheit, aber das macht ihn keineswegs zu meinem Freund. Im Gegenteil, ich finde ihn sogar absolut nervtötend. Es handelt sich dabei im Grunde eh viel mehr um eine Arrangement unserer Väter." Naja, das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber Jonathan konnte wirklich ziemlich aufdringlich sein. Vorallem seit wir einmal zusammen in Hogsmeade gewesen waren, bildete er sich darauf mächtig was ein.

Elizabeth zuckte mit den Schultern. „Um elf beginnt jedenfalls das Spiel, kommst du schon mal mit runter in die Große Halle zum Frühstück?"

Ich nickte. „In Ordnung. Ich komme gleich."

„Beeil dich", rief sie mir über die Schulter zu und war schon die kurze Treppe zum Gemeinschaftsraum heruntergepoltert.
Den Arm halb in den Ärmel eines Pullovers gezwängt und mein Zaubertrankbuch unter den anderen Arm geklemmt folgte ich Elizabeth aus dem Schlafsaal und schlug die Tür in eben jenem Moment zu, als Mary Selywn ihren Kopf verschlafen aus den Lacken steckte und mit einem Blick auf die Uhr und einem genervtem Stöhnen wieder zurück in die Kissen sank.


Als wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück und einem kurzen Ausflug in die Bibliothek, auf meinen Wunsch hin, endlich auf den Weg hinab zum Quidditchfeld machten waren die Korridore bereits überfüllt mit lautstark quatschenden Schülern und giggelnden Mädchen, die sich den Weg hinab zum Feld trudelten. Ich presste ein dickes Exemplar von „Zaubertränke und Zauberbräue", das ich mir aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, an meine Brust und musste kurz rennen, um den Anschluss zu den anderen nicht zu verlieren. Ich wollte mich in Zaubertränke um alle Fälle verbessern. Das hatte ich mir fest vorgenommen.

Elizabeth führte bereits eine hitzige Debatte mit einem Gryffindor-Mädchen aus dem Jahrgang unter uns, das Spiel betreffend und verwettete fünf Galleonen auf den Sieg von Slytherin, während das Gryffindor-Mädchen dagegenhielt. Elizabeth schien recht unbeeindruckt von der Tatsache, dass sie einige ihrer Mitschüler genervt und zornig anstarrten, als sie dem Gryffindor-Mädchen zum Abschied zuwinkte und mit den anderen Schülern ihres Hauses zu den Slytherin-Rängen schwärmte. Ich fand das durchaus sympathisch, sagte aber nichts, sondern folgte ihr weiter den grasbewachsenen Abhang zum Spielgelände hinab.

Gedankenverloren ließ ich mich von der Menge mittreiben und nahm auf der Tribüne ganz weit oben Platz, um gute Sicht auf das Spiel zu haben. Draco spielte schon seit seinem zweiten Jahr als Sucher für unsere Hausmannschaft und ich war gespannt darauf zu sehen, wie er es den Gryffindors zeigte. Doch ein wenig Unbehagen mischte sich in meine Aufregung, als mir bewusst wurde, dass niemand anderes als Harry Potter der Sucher von Gryffindor war. Und das Schlimme daran war, dass er auch noch einen dieser sündhaft teuren Feuerblitze flog. Ein Spitzenbesen. Mit meinem alten Komet Zwei-Sechzig konnte ich da kaum mithalten. Doch ich hatte schon lange nicht mehr auf einem Besen gesessen. Damals war der Komet noch einer der Top-Modelle gewesen.

Um kurz vor elf betraten die beiden Mannschaften das Quidditchfeld. Die Gryffindors in ihren scharlachrot-goldenen Umhängen stachen besonders ins Auge. Auf Madam Hoochs Pfiff hin stießen sich die vierzehn Spieler vom Boden ab und sausten hinauf in den strahlendblauen Himmel. Das Wetter war wirklich ideal für Quidditch. Die ganze Zeit über verfolgte ich Draco, wie er auf seinem Nimbus 2001 wie ein Geier über dem Spielfeld kreiste, auf der Suche nach dem goldenen Schnatz.

Weiter unten auf der Tribüne saß Snape, in seinen üblichen schwarzen Umhang gewandelt und die Augen fest auf das Quidditchfeld geheftet. Mein Magen zog sich bei seinem Anblick zusammen und schmerzte und ich richtete den Blick schnell wieder auf meinem Bruder, der gerade in schwindelerregende Höhe stieg und Sekunden später zum Sturzflug ansetzte. Er hatte den Schnatz gesehen. Harry Potter lag flach auf seinem Besen und preschte neben Draco durch die Luft. Ich sah den Spielzug beinahe wie in Zeitlupe, dabei geschah alles innerhalb von zwei Sekunden. Ich sah, wie Draco die Hand ausstreckte, doch er griff ins Leere und einen Wimpernschlag später hallte das Stadium von den dröhnenden Jubelrufen der Gryffindors wider. Potter hatte den Schnatz gefangen. Gryffindor hatte gewonnen. Wütend stieß ich die Faust in die Luft und stieg in die Buhrufe der Slytherins ein.

Doch mein Unmut war nichts gegen den von Crabbe unten auf dem Spielfeld. Ich sah, wie er das Schlagholz des Treibers hob und einen Klatscher direkt in Potters Magen schoss, in dem Moment, da sich seine Hand um den Schnatz schloss. Draco, der in Potters Nähe stand, grinste. Empört sprang ich auf. Ich wusste nicht einmal genau warum, aber die Tatsache, dass Potter sich nicht einmal hatte verteidigen können stimmte mich rasend. Hastig bahnte ich mir einen Weg durch das silber-grüne Meer der Slytherins, stieß Theodore Nott versehentlich aus dem Weg und raste die Treppe hinab.

Ich rannte über das Spielfeld zu meinem Bruder und einigen Mitgliedern der Gryffindor-Mannschaft hinüber, die sich nun um ihn und Potter scharrten. Fetzen des Gespräches drangen an mein Ohr und ich hörte, wie Draco Potters Mutter und die Familie der Weasleys aufs Übelste beleidigte. Schockiert verlangsamte ich meine Schritte und sah, wie sich Potter und einer der Weasley-Zwillinge auf meinen Bruder stürzten. Der andere Zwilling wurde von Katie Bell und den zwei anderen Jägerinnen der Gryffindors in Schach gehalten. Draco blutete aus der Nase, denn Potter hatte ihm gerade eine verpasst. Zornig rannte ich auf die kleine Menschentraube zu und zog instinktiv den Zauberstab.

Gerade, als ich mit berstenden Lungen und völlig außer Atem zum Stillstand kam, hörte ich, wie jemand „Impedimenta" rief und sah, wie Madam Hooch rot vor Zorn auf die ineinander verkeilten Schüler zu rannte. Sie schickte die beiden Missetäter vom Platz und ich lief zu Draco.

„Was sollte das?", fuhr ich ihn scharf an. „Hast du nichts Besseres zu tun, als deine Wut über das Spiel an den anderen auszulassen? Musstest du ihnen denn gleich so über den Mund fahren?"

Draco musterte mich geringschätzig und wieder einmal wurde ich mir der erschreckenden Ähnlichkeit von ihm zu unserem Vater bewusst. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht", schnarrte er kalt und seine grauen Augen blitzen tückisch, als sein Blick mich traf.

Ich stemmte die Arme in die Hüften und funkelte ihn wütend an. „Nun, ich denke, es geht mich sehr viel an." Dann sah ich den Weasley-Zwilling an. „Entschuldigung für dieses äußerst peinliche Gehabe meines werten Bruders. Tut mir wirklich leid." Mit bebenden Nasenflügelnd wandte ich mich ab, aber Weasley musterte mich erstaunt und zu meiner Überraschung lächelte er.

Verwirrt zog ich eine Braue nach oben. „Das hat man auch nicht alle Tage", sagte er grinsend, „dass sich eine Slytherin bei einem entschuldigt." Er mustert mein Gesicht. „Und dazu noch eine Malfoy. Also wirklich. Ich futtere noch meinen Kessel." Er nickte heftig und Katie Bell, die ihn nach wie vor seinen Arm festhielt, lachte. „Fred, also echt", sagte sie grinsend. „Isabella ist wirklich in Ordnung."

„Sehr witzig", sagte ich genervt und verdrehte die Augen.

„Nein, im Ernst." Fred Weasley setzte eine toternste Miene auf, aber seine Mundwinkel zuckten. „Ich nehme doch eine Malfoy nicht auf den Arm, besonders wenn sie so atemberaubend lange Beine hat."

Ich unterdrückte ein Grinsen und bevor er sehen konnte, dass ich rot wurde, drehte ich mich wieder zu meinem Bruder um und fuhr fort ihn anzupflaumen. „Es geht mich sehr wohl etwas an, Draco, ich bin deine Schwester", sagte ich, das Gespräch von vorhin aufgreifend.

„Ach ja?" Dracos Stimme klang herablassend. „Und was wirst du jetzt tun?"

Unschlüssig sah ich ihn an. „Ich will jedenfalls, dass es nicht wieder vorkommt", blaffte ich ihn an. „Du bist einfach so kindisch." Ich machte auf dem Absatz kehrt und warf das Haar zurück. Fred Weasley hielt inne und starrte mich erneut ungläubig an und dann –und ich meinte, nicht richtig zu sehen- applaudierte er.

Draco lachte. „Wer verkriecht sich denn bei seinem Lehrer, sobald Vater ein bisschen laut wird? Und seit wann gehst du mit Gryffindors hausieren." Sein Blick blieb an Katie Bell hängen und er stieß ein verächtliches Schnauben aus.

Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinab. Woher wusste Draco, dass ich bei Snape gewesen war? Hatte Vater ihm wirklich erzählt, dass-

„Jetzt merkst du wohl, wer hier kindisch ist, nicht wahr, Isabella?", sagte Draco und lehnte sich lässig grinsend gegen Goyles Schulter.

Ich fuhr herum und ging wütend auf Draco los. „Es geht dich überhaupt nichts an, mit wem ich-"

„Was geht hier vor?", fragte eine samtige, tiefe Stimme bei der sich mir die Nackenhaare aufrichteten. Professor Snape kam zu uns herüber geschritten und starrte uns mit zornfunkelndem Blick an.

„Professor", stieß ich atemlos hervor. „Mein Bruder... Er..."

„Ja, Miss Malfoy?", fragte Snape aalglatt. „Was hat ihr Bruder?"

„Er...", stotterte ich, völlig aus der Fassung gebracht.

Snapes sah mich nicht an, sondern richtete den Blick auf meinen Bruder. „Sie gehen in den Krankenflügel, Mr Malfoy, Sie bluten ja", sagte er an Draco gerichtet, aus dessen Nase tatsächlich nach wie vor in unregelmäßigen Abständen Blut tropfte. „Mr Goyle, Sie begleiten ihn." Goyles dumpfe Augen sahen Snape an, als hätte er gerade erst bemerkt, dass der Professor neben ihm stand. „Und Sie", Snapes Blick wanderte zu Fred Weasley und den Jägerinnen der Gryffindors herüber, „verlassen auf der Stelle das Spielfeld oder ich verpasse Ihnen allen Strafarbeiten." Ich ließ Draco los. Snapes dünnen Lippen kräuselten sich, als sein Blick auf mich fiel. „Sie nicht, Miss Malfoy, Sie kommen mit mir."

„Aber, Sir", protestierte ich sogleich.

Sein Blick bekam etwas Bedrohliches. „Jetzt", zischte er und packte mich am Arm.

Das Grinsen ließ sich nicht aus Fred Weasley Gesicht wischen. „Ich melde mich dann bei dir, Malfoy, falls ich mal wieder 'ne Abfuhr für den Armleuchter da drüben brauchte", sagte er und deutete mit dem Finger auf Draco.

Ich verdrehte genervt die Augen. „Träum weiter, Weasley", sagte ich gehässig. Doch als sich Fred umgedreht hatte, grinste ich. Aber mein Grinsen gefror augenblicklich, als ich in Snapes wütendes und blasses Gesicht blickte.

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