Eine missverständliche Position

Seufzend schleppe ich meinen Koffer in mein Zimmer und werfe ihn auf mein Bett, bevor ich mich erschöpft auf die Couch auf dem Balkon setze. Mir tut alles weh und ich fühle mich - ehrlich gesagt - als wäre ich die letzte Woche um mindestens 100 Jahre gealtert. Eigentlich ein interessanter Ansatz.
"Na Kleine, endlich wieder daheim?", meint André und lässt sich neben mich fallen, woraufhin ich mich hinlege und meinen Kopf auf seinem Schoß platziere.
"Und du bist dir wirklich sicher, dass du das machen willst?", fragt er und schaut mich zweifelnd an, woraufhin ich nicke.
"Ich werde das Gefühl nicht los, dass das vielleicht doch kein Traum war."
"Dass du Tyler geküsst hast klingt irgendwie weitaus plausibler."
"Ich weiß, aber das wäre richtig schräg! Ich kann doch nicht Ty küssen, das ist... Nein, vergiss es!"
"Ich stelle es mir amüsant vor", lacht er, weshalb ich ihm die Zunge herausstrecke und die Augen schließe.
"Ich nicht. So Bad Boy, was ist bei dir eigentlich momentan so los?"
"Nicht viel, ich hab mich ja um meine beste Freundin gekümmert."
"Tut mir leid..."
"Ist doch egal. Ein wenig Erholung schadet nie!", lacht er, weshalb ich schmunzelnd die Augen verdrehe und mich so hin drehe, dass mein Gesicht Richtung Hauswand zeigt, mein Hinterkopf ist also an Andis Bauch.
"Laut Rose werde ich in der Schule schon vermisst."
"Welch Wunder! Sag mal... Hast du eigentlich wieder einen Plan ausgeklügelt, damit Rose wieder sie selbst wird?"
"Mir ist ehrlich gesagt nichts eingefallen. Alles, was wir bisher versucht haben, ist schief gegangen und langsam scheint sie echt angepisst zu sein."
"Sie ist eben dianasiert...", seufze ich und rümpfe die Nase, als mir ein merkwürdiger Geruch in die Nase steigt.
"Riechst du das auch?", frage ich André.
"Diesen chemischen Geruch? Nö", antwortet er so ernst, dass er es nicht ernst meinen kann.
"Tjoa dann... Sollte ich wohl zurück ins Krankenhaus. Irgendwas stimmt nicht mit mir", spiele ich mit, weswegen er mir tröstend über den Arm streicht.
"Du warst schon immer sehr merkwürdig", beteuert er dann.
"Aufbauend, du Arschloch."
"Immer wieder gern. Was sagst du, gehen wir in den Gaming-Room und zocken ein wenig?"
"Klingt gut."
"Und danach schauen wir irgendwelche stupiden Kinderfilme oder vielleicht auch Horrorfilme."
"Der Sprung zwischen den Auswahlmöglichkeiten überwindet Welten."
"Ist doch egal. Na komm, gehen wir."
"Ich nehme aber meine Decke mit."
"Kannst du machen."

"Man Vic, spiel doch mal fair!"
"Mach ich doch! Als ob ich was dafür könnte, wenn du so schlecht bist!", spotte ich und steuere meinen Charakter um eine Ecke herum und erschieße seinen, den ich durch Zufall entdeckt habe.
"Aber ich muss zugeben, dass deine Verstecke besser werden", lobe ich mit einem leicht ironisch angehauchten Unterton, woraufhin er mit den Zähnen knirscht, das Spiel pausiert und beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt.
"Nawww!"
Ich lege die Arme um ihn und lege meinen Kopf an seine Schultern, weshalb er seufzt und mich mustert.
"Ich kann dir einfach nicht böse sein...", schmollt er, diesmal schweige ich aber einfach und drücke mich ein wenig an ihn. Es hat etwas beruhigendes, so wie es auch immer war, wenn mir der Camping-Unfall wieder das Leben schwer gemacht hat. Eine Zeit lang war mein Körper so taub, dass ich Berührungen kaum wahrgenommen habe, aber das hat sich anscheinend glücklicherweise wieder geändert.
"Na komm her Vic!"
Er schlingt ebenfalls die Arme um mich und lässt sich nach hinten umfallen, sodass wir nebeneinander auf dem Boden liegen, meine Bettdecke über uns. Man könnte dies durchaus als zweideutige Szene ansehen, wenn man es nicht besser weiß. Ich bette mein Gesicht an seinen Hals und entspanne mich dadurch ein wenig, aber das wars auch schon. Kein beschleunigter Puls, kein angenehmes Kribbeln in meinem gesamten Körper, wenn er mich berührt, kein Bedürfnis, ihn nie wieder los zulassen. Ich vermisse diese Empfindungen und obwohl ich mich wirklich darum bemüht habe, jemanden zu finden, der das ändern kann, hat das nicht funktioniert. Ich bin mir nicht sicher, ob es an meinem Gehirn oder an meinem Herzen liegt, aber was es auch ist: es verhöhnt mich. Ich konnte nicht einmal einen Lückenbüßer finden. Wenn das mal nicht frustrierend ist...
"Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst, okay?", flüstert André, als könne er Gedanken lesen, weswegen ich tief durchatme und nicke. Ohne ihn hätte ich all das nicht durch gestanden, dessen bin ich mir sicher. Als sich die Tür öffnet, drückt er mich schützend näher an sich, aber - was auch immer er erwartet hat - scheint nicht in Erfüllung gegangen zu sein.
"Ich will euch beide ja nicht stören, aber habt ihr Hunger? Super Pose übrigens", fragt Nick lachend, weshalb ich ihm den Mittelfinger entgegen Strecke und von Andi runter rutsche.
"Was sagst du?"
"Und ich dachte, du würdest mich kennen! Scham dich, Vic!"
"Wir kommen gleich."
"So ein Spruch nach der Situation gerade eben? Fort mit dir, Teufel!", ruft Nick und macht mit seinen Zeigefingern ein Kreuz, Andi und Ich machen uns als Reaktion darauf direkt Hörner.
"Nur um das geklärt zu haben... Zwischen euch läuft nichts, oder?"
Andi und ich schauen uns an, mustern und gegenseitig von oben bis unten und fangen synchron an zu lachen. Wir sind schon viel zu lange befreundet, um irgendwas aneinander anziehend zu finden!
"Ist ja gut, ich habe es verstanden...", grummelt Nick, der sich scheinbar persönlich angegriffen fühlt, und verschwindet, weshalb ich michnach hinten umkippen lasse und an die Decke starre.
"Es gibt Essen, Vic."
"Ich weiß."
"Warum zum Teufel sind wir dann noch hier!?"
"Geh schon mal runter, ich komme gleich nach."
"Sicher?"
"Ich bin kein kleines Kind, ich kann auch alleine eine Treppe runter gehen!"
"Na gut, aber beeil dich."
"Klar."
Andi steht auf und eilt nach unten, weshalb ich mich langsam aufrichte und auf das pausierte Spiel schaue. Warum spiele ich so was über haupt noch, nachdem Nave doch erschossen wurde? Ich kneife die Augen zusammen und schüttle den Kopf, um die Gedanken abzuschütteln, bevor ich in mein Zimmer gehe und mich dort etwas wärmer anziehe, da ich fröstle. Danach schlurfe ich nach unten, bleibe jedoch im Türrahmen stehen, da mich die flüsternden Stimmen der Jungs misstrauisch machen.
"Ich habe dir gesagt, dass er alles kaputt macht, aber nein, du warst der Meinung, es wäre besser, wenn er kurz rein geht!", schimpft Drake, vermutlich mit Nick, da er André eher selten so angeht.
"Wir können es nicht mehr ändern. Was passiert ist, ist passiert, dagegen kann man nichts machen. Jetzt müssen wir mir schauen, wie wir ihr helfen können, ohne ihn zu verraten. Er braucht noch Zeit", erklärt André.
"Der Kerl kann mich langsam mal. Dann soll er doch verschwinden, wenn er noch was zu erledigen hat!", knurrt Drake und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Auf einmal wird mir schwindelig und ich stolpere ein Stück nach vorne, wodurch Nick mich gesehen hat.
"Hey Vici...", murmelt er und schaut dabei, als hätte man ihn bei etwas verbotenem ertappt. Worüber haben die gesprochen? Wobei... Die richtige Frage wäre über wen.

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