Melina - Abschied
Ein weiterer langweiliger Arbeitstag ging zu Ende. Eine weitere Woche. Und noch eine. Drei Wochen vergingen wie im Flug.
Drei Wochen, in denen ich jede freie Minute in meiner Heimat genoss und die Zeit mit den lieben Menschen um mich herum genoss.
Und ehe ich mich versah, brach auch schon die letzte Woche an. Die letzte Woche in Deutschland. Die letzte Woche vor meinem Umzog.
Einem neuen Lebensabschnitt.
Ich konnte es nicht anders sagen, diese Zeit machte mich unglaublich emotional.
Mir wurde klar, was für ein riesiges Glück ich mit allem hatte und wie glücklich ich mich schätzen konnte, so zu leben zu dürfen.
Gleichzeitig mit dem dumpfen Gefühl, alles hinter mir zu lassen, stieg auch die Vorfreude auf das Neue.
Auf mein neues Leben, das mich in London erwartete.
Gerade war ich auf dem Weg zum Johannes-Josef-Gymnasium, um Nick und Grace dort von der Schule ab zu holen.
Ich setzte den Blinker und fuhr auf den Parkplatz der Schule, wo auch ich mein Abitur gemacht hatte.
Auch das würde ich vermissen. Mein eigenes Auto.
Das konnte ich selbstverständlich nicht mit nach London nehmen und ich bezweifelte, dass ich mir so schnell ein neues anschaffen würde, zumal es schwierig war, ein Parkplatz dafür zu finden und man es in London sowieso nicht so oft gebrauchen würde. Seufzend drehte ich das Radio ein wenig auf, ließ mich im Sitz nach hinten fallen und betrachte der Musik lauschend den noch menschenleeren Schulhof.
An dieser Ecke, hatten wir in der Pause immer gesessen. Und dort haben wir Hausaufgaben abgeschrieben, weil das eine Ecke war, die die Lehrer nicht im Blick hatten, wenn sie am großen Schultor als Pauseaufsicht standen.
Sie waren so gut wie immer zu faul gewesen, über den Schulhof zu laufen.
Nur Frau Siedel hatte ihren Job immer ernst genommen und hat wie eine Katze immer wieder ihre Runden über den Schulhof gedreht.
Ja, ich dachte gerne an meine Schulzeit zurück. Klar haben die endlosen Mathe-Stunden und das Pauken vor anstehenden Klausuren ziemlich genervt, doch habe ich dort doch viele Leute kennen gelernt.
Und schließlich bestanden immerhin zwölf Jahre meines Lebens aus Schule.
In diesem Moment ertönte der allseits bekannte erlösende Klingelton und fast zeitgleich schwangen die Türen auf und die Schüler strömten nach draußen.
Ich musste lächeln.
Da waren die ganz kleinen fünft- und sechst-Klässler, die wild kreischend durcheinander rannten, wobei ihre riesigen Schulrucksäcke fast halb so groß waren wie sie selbst.
Die älteren, die mit Kopfhörern gemächlich zu den Bushaltestellen schlurften, Mädchengruppen, die sich natürlich super gesteylt über den neusten Klatsch und Tratsch austauschten und so weiter.
Unter den "Kleinen" entdeckte ich dann auch meinen kleinen Bruder, der gerade mit seinen Freunden Fangen spielte.
Ebenfalls sah ich Grace, die sich gerade lachend von ihren Freundinnen verabschiedete und dann zu Nick lief.
Ich sah wie sie mit ihm redete und sich dann suchend umsah.
Als sie mich erblickte winkte sie mir freudig zu, beugte sich zu Nick herunter und zeigte auf mich. Dieser nahm seinen Schulranzen und kam auf mich zugerannt.
Lächelnd stiegt ich aus dem Auto und schloss den kleinen in die Arme.
"Und wie war die Schule?", fragte ich ihn und wuschelte ihn durch die Haare.
"Total doof. Frau Geltmann hat einen unangekündigten Test geschrieben, ich wusste fast gar nichts!", beschwerte er sich und verschränkte demonstratief die Arme vor seiner Brust.
"Da haben mir deine Freunde aber was anderes erzählt! Sven hat gesagt, dass ihr schon seit einer Woche wusstet, dass ihr einen Test schreibt...", ließ Grace verlauten und grinste provokant.
"Du blöde Kuh!", rief Nick und zog eine nich finsterere Miene als zuvor.
Ich musste lachen und sagte, um die Situation zu entschärfen: "So kommt ihr zwei Streithähne! Mama wartet zu Hause mit dem Essen. Es gibt Paelea."
Sofort begannen sowohl Graces als auch Nicks Augen zu leuchten und schneller als ich gucken konnte, saßen die zwei schon im Auto.
Und- oh wunder- ohne sich darun zu streiten, wer denn jetzt vorne sitzen durfte. Grinsend startete ich den Motor und verließ den Parkplatz.
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Die letzten Tage vergingen furchtbar schnell.
K
Am letzten Abend vor meiner Abreise lag ich eng umschlungen mit Grace und Nick auf Graces Bett und starrte Löcher in die Luft.
"Du Melina?", fragte Nick da plötzlich in die Stille hinein.
"Ja?"
"Versprichst du uns, dass du uns ganz oft besuchen kommst?"
Ich musste lächeln und gleichzeitig sammelten sich Tränen in meinen Augen.
"Ich verpreche es.", sagte ich und fügte noch hinzu: "Ich habe euch alle so schrecklich lieb!"
Grace richtete sich im Bett auf und sah mich an. "Wir dich auch! Du wirst uns fehlen.", sagte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange.
Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Still liefen sie über meine Wange und ich vergrub mein Gesicht in Nicks Haaren. "Hey, nicht weinen! Du kommst jetzt mit und ziehst dir was schönes an. Wir haben noch eine Überraschung für dich!", sagte Grace und zog mich vom Bett hoch.
Etwas verdutzt folgte ich ihr in mein Zimmer, wo schon die gepackten Koffer standen.
Auf den Bett lag eines von Graces Kleidern. Eins, was ich ihr zu ihrem sechszehnten Geburtstag geschenkt hatte.
"Weil du ja schon alles eingepackt hast. Meine Schminke kannst du auch benutzen.", erklärte sie.
"Das ist süß, aber wofür denn?", wollte ich wissen.
"Mach einfach.", sagte Grace und verließ mit einem Grinsen das Zimmer.
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Eine halbe Stunde später, inzwischen war es 18.30 Uhr, lief ich in Graces Kleid, frisch geschminkt, mit einer Flechtfrisur die Treppe hinunter ins Wohnzimmer.
Als ich in den Raum trat, sahen mich alle an, als hätten sie die ganze Zeit still auf mich gewartet.
Alle hatten sie sich ihre schönen Sachen angezogen und lächelten mich an. Mum stand auf und kam mit Tränen in den Augen auf mich zu, nahm meine Hand und sagte: "So und jetzt kommst du mit uns mit."
Ich wurde langsam immer verwirrter. Hatten sie vor mit mir Essen zu gehen? Ins Kino? Eine der letzten Rundfahrten in Berlin?
Ich liebte Überraschungen und den damit verbundenen Nervenkitzel.
Deshalb sagte ich auch nichts und folgte Bruce, Mum, Grace und Nick einfach nach draußen und ins Auto. "Schatz, wir müssen dir jetzt die Augen verbinden.", sagte Mum und drehte sich vom Beifahrersitz zu mir nach hinten. Sie grinste von einem Ohr übers andere. Sie schien echt spaß an der Sache zu haben.
Langsam wurde ich immer aufgeregter, als Grace mir für Mum die Augen verband, da sie direkt neben mir auf der Rückbank von Bruces BMW saß.
"Kannst du noch was sehen?", wollte Nick wissen und kurz darauf spürte ich einen Luftzug vor meinem Gesicht.
"Jaa, und du kannst jetzt aufhören, vor meinem Gesicht herum zu fuchteln!"
Alle lachten und kurz daraug setzte sich das Auto in Bewegung. Ich hatte eine ziemlich schlechtes Zeitgefühl, doch ich wurde sagen, dass wir ungefähr eine viertel Stunde gefahren waren, als Bruce das Auto zum Stehen brachte und euphorisch rief: "Alles aussteigen!"
Ich mochte Bruce. Das war zwar nicht immer so gewesen, doch spätestens nach Graces Geburt hatte ich ihn als Familienmitglied akzeptiert.
Er behandelte mich immer wie sein eigenes Kind und das stärkte unser Verhältnis ungemein.
Natürlich war es nicht das gleiche wie bei meinem Dad, doch verbrachte ich doch viel mehr Zeit bei Bruce.
Bei ihm war ich aufgewachsen, er war bei meiner Einschulung gewesen, hatte mir immer in Mathe geholfen und mir bei meinem ersten Liebeskummer die leckersten Sachen gekocht.
Und Bruce konnte gut kochen.
Ich würde fast sogar sagen besser als Mum. "Wann hattet ihr denn vor die Augenbinde abzunehmen?", fragte ich neugierig.
So langsam wollte ich doch wissen, was meine verrückte Familie für mich vorbereitet hatte.
"Jetzt noch nicht!", sagte Grace, ich konnte das Grinsen aus ihrer Stimme heraus hören und kurz darauf griff sie nach meiner Hand und half mir etwas ungelenk aus dem Auto.
Ich hörte Nick lachen und Bruce sagte: "Wir spannen dich ganz schön auf die Folter was?"
Ich streckte die Zunge in die Richtung aus, aus der seine Stimme gekommen war und ließ mich dann von Grace und Mum, die jetzt auf meiner anderern Seite auftauchte weiter führen.
Plötzlich blieben wir stehen und kurz darauf hörte ich eine Tür aufgehen.
Niemand sagte mehr etwas, sogar Nick war komplett still geworden. "Leute? Was ist hier los?", fragte ich leicht verzweifelt, doch natürlich bekam ich keine Antwort.
Inzwischen waren wir in irgendeinem Gebäude, dem Klang unserer Schritte nach war es nicht all zu groß, und nach einer gefühlten Ewigkeit blieben wir abermals stehen.
"Sooo...", hörte ich Mum lang gedehnt sagen. "Bist du bereit?"
Ich nickte heftig und spürte, wie sich Mum an den Knoten des Tuches machte, der meine Sicht versperrte.
Und dann war das Tuch ab und ich konnte wieder sehen.
Zumindestens hätte ich wieder sehen sollen. Aber um mich herum war alles schwarz.
Ich war von vollkommener Dunkelheit umgeben.
"Mum? Grace? Nick? Bruce?", fragte ich in die Dunkelheit hinein, doch ich bekam keine Antwort.
Es war so totenstill, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Und dann ging alles ganz schnell: Das Licht ging an, mindestens zwanzig Leute riefen oder schrien viel mehr 'ÜBERRASCHUNG' und buntes Glitter flog durch die Luft. Etwas perplex blieb ich einfach stehen, während ich von allen Seiten fest umarmt wurde.
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Ich war immer noch ein wenig geflasht. Meine Familie hatte kurzerhand gemeinsam mit meinen Freunden eine Abschiedsparty auf die Beine gestellt.
Und es war wirklich jeder da, der meine Zeit hier geprägt hatte.
Natürlich alle meine Freunde, alte Klassenkameraden, sogar mein Grundschulklassenlehrer Herr Ficht, meine angeheirateten Großeltern, meine Cousine Chelsy mit Tante Samantha, meine Familie, unsere Nachbarn die Straußens, Arbeitskollegen und mein Tennis-Trainer Werner.
Ich spielte seit nunmehr schon zehn Jahren Tennis und die ganze Zeit über hatte er mich begleitet und mich zu den gemacht, was ich heute war: Eine der besten Nachwuchs-Tennisspielerinnen Deutschlands. Auch das war ein Grund gewesen, nach England um zu ziehen.
Dort würde ich profissionelles Tennistraining bekommen und mit etwas Glück bei einigen der wichtigsten Tuniers mit spielen.
Doch ich würde den herzlichen und vertrauten Unterricht bei Werner trotzdem schrecklich vermissen.
Er war so etwas wie mein Vater im Tennis-Sport.
Er unterrichtete auch seit neustem Nick einmal pro Woche und anscheinend schlug mein kleinee Bruder sich ziemlich gut. Als ich so da stand und all die lieben Menschen sah, die mein Leben zu dem gemacht hatten, was es war, sammelten sich abermals Tränen in meinen Augen.
"Ich danke euch!", rief ich strahlend, "ihr wisst gar nicht, wie sehr ich jeden einzelnen von euch vermissen werde! Aber ich komme wieder! So oft ich kann. Ich euch alle schrecklich lieb!"
Und dann fiel ich weinend, halb vor Freude, halb vor Wehmut Nathalie in die Arme.
Und danach jedem anderen. Ich war einfach so unglaublich dankbar.
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Die Party fand in Nathalies Haus statt. Es war riesig, obwohl und vielleicht gerade weil Nathalie ein Einzelkind war.
Ihre Eltern hatten das Haus von Nathalies Großeltern geerbt, nachdem auch Oma Kristel im Alter von 85 Jahren verstorben war.
Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie traurig Nathalie damals gewesen war. Zwei Tage lang hatten wir nur bei ihr auf der Coach gelegen, Schokoladeneis gegessen und uns einen Film nach dem anderen angeschaut.
"Hey, mein kleiner Feger!", hörte ich da plötzlich hinter mir.
Ich begann sofort zu grinsen und drehte mich zu meinem Tennislehrer um.
Seit meiner aller ersten Tennis-Stunde nannte er mich so, da ich anscheinend so flink und schnell über das Feld gefegt bin.
"Hallo alter Mann!", sagte ich liebevoll und drückte ihn ganz fest an mich.
"Jetzt ist es bald also so weit...", sagte er und seine Augen glänzten, als er mich ansah, "unser kleiner Feger zieht in die große weite Welt hinaus. Morgen geht's los, richtig?"
Ich nickte. Von den Tennisplätzen hatte ich mich schon letzte Woche bei meinem letzten Training verabschiedet.
"Und? Hast du Flugangst?", wollte er wissen und grinste sein typisches Grübchengrinsen.
"Nein. Eher Abschiedsangst.", sagte ich und lächelte.
"Ach komm schon!"
Er stieß mir liebevoll in die Seite. "Das wird super. Und in zwei Jahren bist du dann schon beim (?), hast einen Mann, zehn Kinder und ein eigenes Haus."
Ich musste lachen.
"Wahrscheinlich!" "Melina?", hörte ich in diesem Moment meine Mutter rufen.
Ich drehte mich um und warf ihr einen fragenden Blick zu. Sie grinste mich an und hiefte gemeinsam mit Sandra, Nathalies Mutter, einen riesigen Korb geschmückt mit tausenden pinken Schleifen und Glitzersteinchen in die Mitte des Raumes.
Mir klappte wortwörtlich die Kinnlade herunter.
"Dein Abschiedsgeschenk!", rief Nick aufgeregt.
Alle Gespräche verstummten und jeder sah mich abwartend mit einem fettem Grinsen im Gesicht an.
Mit leuchtenden Augen lief ich auf den Korb zu und musterte ihn genau.
Darin lagen zahlreiche Geschenke, in pinkes und silbernes Papier eingewickelt und mit verschiedenen Namen darauf geschrieben.
Wenn mich nicht alles täuschte, hatte jeder einzelne Besucher ein Paket mit seinem Namen drauf in diesen Korb gelegt.
Ich grinste von einem Ohr über das andere.
"Soll ich das alles jetzt auspacken?", fragte ich überrascht.
"Nein natürlich nicht! Jetzt wird gefeiert! Du nimmst die Päckchen mit nach London ujd packst sie dort aus.", erklärte Bruce lächelnd und voller Stolz.
"Damit du in dieser verregneten Stadt immer an uns denkst!", rief Emma und alle mussten lachen, mich eingeschlossen.
"Na dann.... Naja was soll ich sagen. Ich bin sprachlos! Danke für alles! Einfach alles! Und jetzt... würde ich sagen wird getanzt.", rief ich euphorisch aus.
Meine Aussage wurde von allgemeinem Jubeln untermalt und schon begann die Musik zu spielen.
Als ich mich suchend umsah, entdeckte ich, dass Rob die Musikanlage bediente.
Grinsend lief ich zu ihm und umarmte ihn zur Begrüßung. Er war ein guter Schulfreund von mir und hatte schon immer Spaß daran gefunden, am DJ-Pult zu stehen.
So hatte er nach unserem Abitur auch sofort einen Job in einem der angesagtesten Clubs Berlin ergattert und ich war mächtig stolz auf ihn.
"Wie geht es dir denn so?", rief ich gegen den dröhnenden Bass an, während ich wie ganz von selbst im Takt der Musik mitwippte.
"Waaas?"
Ich musste lachen.
"Wie es dir geht!!!", rief ich jetzt in sein Ohr.
"Ah!" Seine Miene erhellte sich. "Mir gehts super! Könnte nicht besser sein!"
"Wo hast du denn Nora gelassen?"
"Die ist irgendwo mit Will unterwegs. Wahrscheinlich bei den Getränken!", antwortete er grinsend.
Plötzlich packte mich jemand am Arm und zog mich mit sich.
"Hey, was soll das?", lachte ich.
"Du musst jetzt mit uns tanzen!", erklärte Nathalie, als wir bei den anderen Mädels ankamen. Da kam Wenke gerade mit sechs Flaschen Fassbrause an und verteilte sie an uns.
"Fassbrause?", fragte ich lachend.
"Ja, wir wollen ja nicht, dass du Morgen mit einem Kater im Flugzeug sitzt.", kam es von Stella und alle mussten lachen.
"Auf dich, Melina!", rief Nathalie und lächelte mich an.
"Auf uns!", erwiderte ich.
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"Guten Morgen Schlafmütze, es ist soweit!", wurde ich am nächsten Morgen äußerst sanft von Grace geweckt.
"Lass mich noch fünf Minuten schlafen...", grummelte ich.
"Du willst die Zeit, die uns noch bleibt doch nicht etwa im Bett verbringen!", empörte sie sich.
"Komm jetzt, Dad hat Frühstück gemacht."
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und verließ dann das Zimmer.
Stöhnend tastete ich nach meinem Handy, das auf meinem Nachttisch lag.
10:30 zeigte das Display an.
Gestern Abend hatte ich noch bis spät in die Nacht mit meinen Freunden gefeiert.
Es war einfach ein großartiger Abend gewesen.
Der Abschied hatte sich dann aber als sehr schwer und tränenlastig herausgestellt.
Heute zum Flughafen würde nur noch meine Familie, Nathalie und Emma kommen.
Alle anderen hatte ich gestern oder besser heute Nacht letzte Mal für eine lange Zeit gesehen.
Sofort bildete sich wieder ein Kloß in meinem Hals.
Ich war eindeutig nicht für Veränderungen geschaffen...
Etwas widerwillig schälte ich mich jetzt aus den Decken, band mir meine langen braunen Haare zu einem Messi-Dutt zusammen und tapste dann im Schlafanzug die Treppe hinunter.
In der Küche schlug mir der angenehme Geruch von frischen Brötchen, Bacon und Spiegeleiern in die Nase.
Mit einem demensprechend zufriedenen Lächeln setzte ich mich also an den Tisch zu Grace und Nick, die sich gerade lachend Fotos von der Party ansahen.
"Guten Morgen!", begrüßte Mum mich, die gerade gefolgt von Bruce mit dem Brötchenkorb in der Hand aus der Küche kam.
"Morgen!", sagte ich gähnend.
"Hast du zu wenig Schlaf abbekommen?", fragte Bruce lachend.
Ich nickte bloß mit einem Grinsen.
Ich genoss das vorerst letztw gemeinsame Frühstück mit meiner Familie.
Wir lachten viel und allgemein sprach die Stimmung noch überhaubt nichts von dem bevorstehenden Abschied aus.
Mein Flug ging um 13.00 Uhr vom Berliner Hauptflughafen.
Bis dahin blieb mir nicht mehr viel Zeit. Nach dem Frühstück, machte ich mich fertig und verstaute schon mal die Koffer im Auto, von denen einer fast vollständig mit den Geschenken befüllt war.
Das meiste meiner Sachen hatten wir bereits vor ein paaren Tagen nach London zu meinem Dad geschickt, bei dem ich jetzt sowieso die ersten Tage wohnen würde, bis meine neue WG vollständig eingerichtet war.
Es blieb uns noch ungefähr eine Stunde bis wir zum Flughafen fahren müssten. Wir beschlossen noch einen Spaziergang im Stadtpark zu machen.
So lief ich noch ein letztes Mal nach Oben, um meine Handtasche zu holen. Etwas wehmütig sah ich mich in dem komplett leeren Zimmer um. Nur die kahlen Möbel standen da noch.
Hier hatte ich fast 18 Jahre meines Lebens verbracht.
Uns jetzt würde ich ausziehen.
Nach London.
Schwermütig verabschiedete ich mich von meinem Zimmer, dem Bad, das ich mir mit Nick und Grace teilte, der Küche, dem Wohnzommer, von einfach allem.
Klar, ich würde wieder her kommen, um alle zu besuchen. Und wahrscheinlich würde ich dann sogar in meinem altem Zimmer, in meinem alten Bett schlafen.
Doch das würde nicht das gleiche sein.
Ab gleich, würde ich dieses Haus nicht mehr mein zu Hause nennen können.
Doch natürliches würde es mein emotionales zu Hause bleiben.
Für immer.
Schwermütig trat ich also vor die Tür und atmete die frische Spätsommerluft ein.
Ich war bereit für den nächsten Abschnitt.
Für meinen Umzug nach London.
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