Wolf {12}

Ein Morgen begann in Jungkooks Augen stets mit einem heißen Kaffee.
Erst dann konnte der Tag gut werden.
Zumindest in achtzig Prozent der Fälle.
Der heutige gehörte zu den restlichen zwanzig Prozent, die hin und wieder, in letzter Zeit aber häufiger, geschahen.
Und es kotzte ihn an.
Normalerweise frühstückte er ausgiebig. Genoss dabei die Ruhe vor dem Tag, erfreute sich am Zwitschern der Vögel, welches durch die offenen Fenster drang und konnte genüsslich durch Social Media Seiten scrollen.
Heute jedoch schien irgendwie der Wurm drin zu sein. Erst hatte er verschlafen, dann spuckte die Kaffeemaschine sein frühmorgendliches und lebenswichtiges Elixier nicht aus und nun stand er tropfnass in seinem Bad, wo gerade das Waschbecken eine Fontäne gegen ihn geschleudert hat, die einem Attentat glich.
"Ihr wollt mich doch ficken", knurrte er und wischte sich durch sein klitschnasses Haar.
Das Bad steht unter Wasser.
Er starrte zur Decke und entsandte ein Stoßgebet an den Schutzpatron der Werwesen.
Iwineti.
Sie war die Gemahlin des verrücktgewordenen Magiers, der vor Jahrtausenden das Schicksal aller Infizierten besiegelt hatte.
In ihr fanden die Ausgestoßenen Zuflucht.
Jungkook fand in seinen dunkelsten Stunden Zuflucht in ihr. Auch wenn sie längst zu Staub zerfallen war.
Cinis et umbras sumus.
Wir sind Asche und Schatten.
Seine Art, dass was er war, würde immer im Schatten, würde stets hinter dem Schleier leben müssen, weil in der richtigen, echten Welt kein Platz für ihn war, für seinesgleichen.
Iwineti, ihr Name bedeutete Wahrheit, wurde vergöttert, obschon sie keine göttliche oder königliche Herkunft besaß. Sie war eine einfache Frau gewesen und doch konnte man aus den Sagen und Mythen herausfiltern, dass sie als Anführerin ein Stück Normalität in ihre veränderten Leben brachte.
Oft, wenn Jungkook die Welt zu viel wurde, sah er zum Himmel und bat um Rat.
Oft kam keine Antwort zurück.
Aber er wusste, dass sie ihn unterstützte.
Vielleicht war es naiv, vielleicht sogar total bescheuert an eine Frau zu denken, die seit Jahrhunderten tot war, jedoch fand er Trost darin. Und er fand Mut all das schlimme durchzustehen, was das Leben für ihn bereithielt.
"Morgen Kooks, ich hab frische Brötchen dabei, hast du schon gegessen?", gröllte eine Stimme aus dem Eingangsbereich.
Jungkook verdrehte genervt die Augen. Nicht, dass er die Person nicht mochte, sondern eher den Zeitpunkt. Er schmiss mehrere Handtücher auf den Boden und versuchte im Vorbeigehen irgendwie das Wasser zu stoppen. Von oben bis unten nass trat er in den Gang, lief vorsichtig über den gefliesten Boden, um ja nicht Bekanntschaft damit zu machen. Noch mehr blaue Flecken und Prellungen wollte er nicht riskieren, das gestrige Training hatte ihm mehr zugesetzt, als es eigentlich sollte. Seufzend kam er vor seinem Besucher zum Stehen.
Kim Yugyeom sah ihn unverwandt an.
Das Grinsen, welches sich anbahnte, kotzte Jungkook jetzt schon an.
Der gebürtige Koreaner war groß, mit glattem dunklen Haar, auf sanfte Weise attraktiv, und trug die meiste Zeit des Jahres eine Jeansjacke. Davon besaß der Werwolf mindestens ein Dutzend, vielleicht sogar mehr. Er verkörperte weltoffenen Charme und Selbstvertrauen.
"Ich denke, du solltest einen Klempner rufen und wir gehen in ein Café zum Frühstück. Wie klingt das?", schlug sein Gegenüber vor.
"Wenn du zahlst", grinste Jungkook und war zum ersten Mal an diesem Tag froh, dass Yugyeom immer wusste, wie er ihn zu Handhaben hatte.
"Ich bin dein Sugardaddy, natürlich geht das Essen auf mich", zwinkerte Yugyeom und ging in die Küche, um die Brötchen für irgendwann später zu verstauen.
Vielleicht für Pizzabrötchen, wenn die Jungs mal wieder bei ihm waren.
Jungkook derweil zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des ansässigen Klempners, der hoffentlich sein Wasserproblem löste.
Bevor Sie gingen, drehte der Schwarzhaarige das Wasser im ganzen Haus ab.

"Das gestrige Training war doch ein voller Erfolg, findest du nicht auch?", begann Yugyeom, nachdem sie aus dem Haus hinaus getreten waren. Er versuchte Jungkook irgendwie abzulenken, und dafür war ihm der Schwarzhaarige dankbar. Das letzte Mal, als er rasend war, endete mit ein paar Verletzten und einem Trümmerhaufen.
"Ich weiß ja nicht. Außer, dass ich von dir und den anderen blaue Flecken davon getragen haben, war dem Training kein positives Ergebnis abzunehmen."
Sie waren auf dem Weg zu dem einzigen Frühstückslokal der Siedlung. Es war eher wie eine Großraumkantine im rustikalen Kanada-Stil als die üblichen Cafés, die man aus Südkorea kannte.
Jungkook mochte es, eben weil es nicht dieses typische Schickimicki, rosa, süße Gedöns an sich hatte.
Yugyeoms Pranke sank mit einem Klatschen auf seine Schulter.
"Ach komm schon, du hast trotzdem alle fertig gemacht", lachte er.
Jungkook schüttelte den Kopf.
Gemeinsam traten sie auf die Marktmitte und begegneten Taehyung und Jimin, wobei Letzterer etwas steif zu seien schien. Er erinnerte sich, dass Hyuna sie gestern ebenfalls hart rangenommen hatte, wobei der Schwarzhaarige einiges einstecken musste. Für jemanden, der kein Wolf war, war dieses Training hart.
Yugyeom hob schon die Hand zum Gruß und ging in ihre Richtung, wobei im Augenwinkel Namjoon in seiner Joggingmontur ankam. Er rannte jeden Morgen mindestens zehn Kilometer. Sein Gamma war ein Grizzly-Gestaltwandler, der genügend Auslastung brauchte, um mit seiner schieren Kraft umgehen zu können.
Ansonsten könnte er auch den ein oder anderen Wutanfall bekommen, der alles und jeden zermalmen würde.
Jungkook sah wieder zu Jimin, dessen Müdigkeit Bände sprach und ihn überkam das Verlangen sich nach seinem Zustand zu erkundigen, als das markerschütternde Jaulen eines Wertigers sie herumfahren ließ.
Aus dem Wald zu ihrer Rechten sprangen etliche Wölfe.
Zehn, nein Fünfzehn, an der Zahl, mit gefletschten Mäulern und gesträubtem Fell.
Bereit zum Angriff.
Der Schwarzhaarige reagierte viel zu langsam.
Die Magie traf Jungkook an der Brust.
Es war ein immenser Schlag und er spürte, wie all die Luft aus seinen Lungen wich. Er wurde von den Füßen gerissen und schlug zu Boden.
Wie betäubt, aber bei Bewusstsein, hörte er Namjoon schreien. Jungkook dachte, wie seltsam es doch war, dass er keinen Schmerz verspürte, aber das Gefühl hatte zu ersticken. Also atmete er tief ein, um diese innere Leere zu füllen.
Und dann kam der Schmerz. Mit Wucht.
Er keuchte panisch und hob den Kopf, um etwas zu sehen. Ein dunkler Fleck, größer als ein Handball, zeichnete sich auf seiner Brust ab. Jungkook hob die Hand und legte sie auf die Stelle, wo die Magie ihn getroffen hatte. Der Heilungsprozess eines Wolfes setzte schon ein. Wie aus weiter Ferne nahm der Schwarzhaarige die Schreie von Yugyeom und Taehyung wahr. Ein umgekippter Karren nahm ihm die Sicht, aber er erkannte die Stimme seines Betas, der Befehle rief. Keuchend stützte sich Jungkook auf die Ellbogen, konnte aber dennoch kaum etwas sehen, denn das Adrenalin, dass sein Körper gerade in Massen produzierte, um ihn am Leben zu erhalten, sorgte für eine partielle Blindheit.
Er stand taumelnd auf, ehe er die Verwirrung von sich schüttelte.
Er riss sich das Shirt von seinem Körper und änderte die Form.
Qualen durchzogen sein Nervensystem, bevor die Schmerzrezeptoren ausgehebelt wurden. Der Druck mit dem sein Körper sich auflöste und neu formierte, war eine entfernte Erinnerung. Dickes, schwarzes Fell spross durch seine Haut, während Muskeln und Knochen sich neu zusammensetzten. Seine Sicht veränderte sich von der eines Menschen zu der eines Wolfes und ließ die Welt in einem strahlenderem Licht erscheinen.
Er schüttelte seinen Wolfskopf, um die Benommenheit loszuwerden.
Dann rannte er in das Gefecht.
Es war ein heilloses Durcheinander, doch durch den hervorragenden Geruchssinn, konnte er seine Leute gut unterscheiden.
Ein kleinerer Wertiger sprang ihm in den Weg. Jungkook zögerte nicht und versenkte seine Zähne in dem Genick seines Gegners und biss ihm die Kehle durch. Warmes Blut blieb an Stelle des Fleisches zurück, nachdem er sich seinen Weg weiter durch die Angreifer bahnte. Zu seiner Linken erschien Yoongi in seiner Geparden-Gestalt. Das Maul blutverschmiert. Sie nickten einander stumm zu und kümmerten sich um die restlichen Eindringlinge. Yugyeoms massiver Werwolfskörper sprang ihnen hinterher, wobei eine weitere Gestalt sich ihnen anschloss. Eine Hyäne.
Hyuna.
Sie musste von dem Angriff bis zur Akademie gehört haben.
Gemeinsam metzelten sie alles und jeden nieder, der ihnen in den Weg kam, bis auch der Letzte am Boden lag.
Jungkook wollte sich gerade in Sicherheit wiegen und zurückverwandeln, als Jimins Stimme erklang.
"TAE!!"
Der Wolf wandte den Kopf in die Richtung, wo sich er Blauhaarige in seiner Wolfsgestalt über einem Leichnam beugte. Im Hintergrund ragte eine gewaltiger Bärenwandler auf.
Und es war nicht Namjoon.
Jungkook setzte sich in Bewegung, genau wie die anderen, aber er ahnte, dass sie zu spät kommen würden. Mit einem Bellen versuchte er Taehyung auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Doch er war zu sehr mit seiner Beute beschäftigt.
Der Anführer blickte erneut zu Jimin, dessen geschockter Blick sich zu einem entschlossenen wandelte.
Wie auf Knopfdruck landete Jimin mit einer solchen Wucht neben Taehyung, dass sie einige Meter zur Seite flogen.
Genau in der Sekunde, als die Pranke des Bären sie hätte getroffen.
Namjoon erschien und riss dem Monster den Kopf ab.
Dann war das Blutbad vorbei.
Jungkook verwandelte sich zurück.
Und sah zu, wie Jimin Taehyung zusammenstauchte, er solle besser aufpassen.
"Was zum Teufel war das?", fragte Yoongi.
"Magie", war die schlichte Antwort seitens Hyuna. Jungkook konnte die Augen nicht von den beiden wenden. Das Gefühl von Neugier sickert wieder aus seinem Gedächtnis.
Park Jimin, wer oder was bist du?

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Lesenacht #3

Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen! Endlich mal wieder etwas Action und aus Jungkooks Sicht ist es auch noch! Ich liebs. XD

Was haltet Ihr von der Tatsache, dass Yoongi ein Geparden-Gestaltwandler ist? Ich finde es großartig. Es passt zu ihm!
Allgemein, wie ist Eure Meinung zu dem Kapitel und die Beziehung von ihm und Yugyeom?
Übrigens, das Rezept für die besten Pizzabrötchen, welches es zu gefühlt jedem Geburtstag in meiner Familie gibt, geht so:
10 Brötchen
200ml Sahne
200g Salami
200g Schinken
250g Reibekäse

Brötchen halbieren, Salami und Schinken würfeln, anschließend die gewürfelte Wurst mit dem Käse und der Sahne vermischen und auf die Brötchenhälften verteilen. Im Ofen bei 200 Grad Ober-\Unterhitze ca. 10-15 Minuten backen.

Kim Yugyeom und Jeon Jungkook

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Flair🌸🌿

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