Jungkook blickte auf Jimins lilanen Haarschopf. Er saß seit einigen Tagen täglich am Steg, welcher direkt in den angrenzenden See mündete. Durch die Lage seines Hauses hatte das Oberhaupt der Anima Velum perfekte Sicht auf den Sprecher. Und auf sein schwindenes Körpergewicht. Das bereitete dem Schwarzhaarigen am meisten Sorgen. Es war wie ein juckende Schürfwunde, die man stets erneut öffnete, weil das Verlangen dem Juckreiz zu entgehen um einiges größer war, als die Heilung der Wunde selbst. Er wollte bei den Göttern nicht, dass Jimin litt. Das hatte er mit seinem Stillschweigen über die Wahrheit nicht bezwecken wollen. Zu den Sternen, er wollte nicht einmal, dass er es jemals erfuhr. Oder zumindest nicht durch Taehyungs unüberlegte Worte.
"Du beobachtest ihn seit dem Streit häufig", bemerkte Hoseok und gesellte sich an das Geländer, bevor er ihm ein Glas des besten Whiskys, den der Schrank seines Büros zu bieten hatte, reichte.
"Das ist das Problem", sagte Jungkook und wandte sich an seinen Freund aus Kindertagen.
"Wenn er tanzen möchte, würde ich ihn die Möbel demolieren lassen. Wenn er kochen möchte, ließe ich ihn das Haus bis auf die Grundmauern niederbrennen. Wenn er schreien wollen würde, ließe ich mich betäuben."
Jungkook machte eine Pause und sah von seinem Whisky hinauf zu dem beginnenden Sternenhimmel.
"Ich habe bisher noch nie jemandem so sehr geliebt, dass es mich zerstören könnte. Aber, zu den Göttern, Jimin könnte mich bei der Kehle packen und meine Augen würden leuchten bei dem Gedanken nur wenige Zentimeter von ihm entfernt zu sein."
Hoseok begann zu Grinsen und prostete ihm zu, als er verkündete:
"Man, dich hat es schwer erwischt."
"Er möchte dich nur beschützen", meinte Namjoon und schien ihn beschwichtigen zu wollen, obwohl es die Situation und Jungkooks Verhalten nicht im geringsten rechtfertigte oder besserte.
"Ich kann gut auf mich selbst aufpassen", motzte Jimin schnippisch und verschränkte die Arme vor der Brust, während seine Beine weiterhin im Wasser baumelten. Irgendwie wollte er aggressiv mit dem Wasser spritzen. Er war ein Tenagari und hatte dazu auch noch telepathische Fähigkeiten. Er war nicht das schwächste Glied in dieser Gruppierung. Doch so ließen ihn alle fühlen. Natürlich merkte er, dass sein Erscheinungsbild das Gegenteil bewirkte. Tiefe Augenringe, zu große Kleidung, die an seinem Körper herunter hing, wie ein Kartoffelsack. Er war längst nicht mehr auf der Höhe wie vor Taehyungs Enthüllung.
Namjoons hilfloses Seufzen ließ ihn zusammenzucken, schmälerte aber nicht die Wut, welche unter seiner Haut brodelte. Die Worte der alten Greisin wanderten noch immer durch seinen Verstand. Sie hielten nicht an, sondern drehten ihre Runde und führten immer neue Szenarien auf, die ihn mit mehr Löchern in der Brust zurückließen als zuvor.
Er wollte etwas erwidern, doch ihm fiel nichts ein. Vielleicht lag es daran, dass er kaputt war, vielleicht auch daran, dass die Seelen der Vergangenheit ihn weiterhin des Nächtens heimsuchten und nicht schlafen ließen, aber er war Namjoon nicht böse. Es änderte nichts mehr an der Offenbarung mit der Jimin nun leben musste. Mit der Tatsache, dass er einen Mann liebte, dessen Vater, ohne Gewissen, ein ganzes Dorf niedergemetzelt hatte.
Seine Familie und seine Freunde.
Nur um den versteckten Schatz, den er nicht einmal gefunden hatte, in seinen Händen zu halten.
Jimin sah nach oben, zu der Unendlichkeit an Sternen, die über sie wachten und fand Trost in den Worten, die Namjoon sagte:
"Sieh zu den Sternen hinauf! - Sie werden nicht die Umwelt retten, sie werden keine Kriege beenden. Sie werden dir kein Sixpack schenken oder besseren Sex. Sie werden die Leute, die du verloren hast, nicht wieder lebendig machen. Sie werden dir nicht helfen herauszufinden, wer du bist, oder was du mit deinem Leben anstellen sollst, aber sie sind wichtig. Sie helfen dir zu verstehen, dass du und deine Probleme unendlich klein sind, dass du ein Teil des großartigen, endlosen, fantastischen und phänomenalen Universums bist."
Er machte eine Pause und lachte kurz.
"Und das, Kleiner, ist spektakulär."
Eine Weile starrten sie stillschweigend den Nachthimmel an und es gefiel Jimin. Die Nähe Namjoons empfand er als schmerzlindernd. Als hätte jemand endlich die Stimmen in seinem Kopf zum Schweigen gebracht.
Irgendwann verließ Namjoon ihn, doch er konnte sich nicht aufraffen zu gehen. Der Abend war zu schön, um sich in seine einsame, kalte Hütte zurückzuziehen. Komisch, wie schnell er sich an die Anwesenheit von Jungkook und an das Leben in seinem Haus gewöhnt hatte. Zwar war es nur eine Nacht gewesen, doch es fühlte sich wie eine Heimkehr an. Eine richtige Heimkehr. In der er nicht in kalte, ungeschmückte Räume zurückkam, die nicht wirkten, als würde jemand darin leben. In Jungkook Manor stattdessen hatte er zum ersten Mal seit er sein Dorf verlassen musste, das Gefühl verspürt, angekommen zu sein.
Heimgekehrt zu sein.
Er vermisste es, er vermisste ihn.
Aber die Wut und auch ein klitzekleiner Teil an Stolz obsiegte noch immer. Vielleicht wäre er besser dran, wenn er über seinen Schatten springen und den Mut fand mit Jungkook zu reden. Doch aus seiner Sicht gab es nichts zu bereden. Jeon Jungkook wollte ihn belügen. Ihm den Mord an seiner Familie verschweigen, obwohl er wusste, wer es getan hatte!
Aber was würde es ändern?, fragte die Stimme in seinem Kopf.
Die Toten sind tot. Man kann sie nicht wiederkehren lassen.
Jimin wollte kontern. Irgendwas dagegen sagen, aber er hielt inne.
Denn die Stimme hatte Recht.
Das Einzige, was es Jimin gerade kostete, war die Beziehung zu Jungkook. Und Energie, Energie die er darin verschwendete, wütend auf Jungkook zu sein, der nicht einmal etwas dafür konnte. Der Massenmörder war tot. Jungkook hatte ihn umgebracht. Also warum hielt er noch immer an dieser Wut fest? Warum konnte er nicht weitergehen?
Weil du in Jungkook seinen Vater siehst. Du gehst davon aus, nein, du erwartest, das Jungkook das Gleiche tun wird.
Jimim schluckte, als ihm die Wahrheit ins Gesicht schlug.
Es war kein schönes Gefühl.
Er bemerkte Jungkooks Präsenz ohne das der Schwarzhaarige ihn berührte oder etwas sagte. Es war beinahe so, als könne Jimin ihn spüren, seinen Herzschlag, seine Aura, seine Seele. Und ein klitzekleiner Teil in ihm selbst hasste es, während der größere Teil sich nach diesem Mann verzehrte.
"Ich kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen", begann Jungkook und nahm neben ihm Platz. Seine Füße ließ er ebenfalls in das kühlende Wasser gleiten.
"Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es tun, selbst wenn wir uns dadurch niemals begegnet wären. Aber ein egoistischer Teil in mir ist froh, dass du in diese Siedlung gekommen bist. Sei es Schicksal oder Zufall."
Einige Augenblicke starrten sie einander nur an. Jimin wollte Jungkooks Hand ergreifen, wollte seine Wärme spüren.
"Komm nach Hause und schrei mich an. Komm nach Hause und kämpfe mit mir. Komm nach Hause und brich mir das Herz, wenn du musst, aber bitte, komm nach Hause. Zu mir."
Jungkook nahm Jimins Gesicht zwischen die Hände. Ganz sanft, ganz zaghaft, als glaube er, der Lilahaarige würde unter seiner Berührung zerspringen.
"Park Jimin, mein Herz verzehrt sich nach dir und deiner Seele. Also bitte, komm zu mir zurück!"
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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen!
Es geht weiter in der Story. Die Aussöhnung von Jungkook und Jimin beginnt! Wurde aber auch Zeit, nächsten Kapitel wird es alles andere als schön. Das kann ich schon mal verraten.
Wie fandet ihr das Kapitel?
Jung Hoseok
Park Jimin
Jeon Jungkook
Kim Namjoon
Feel free to comment!
Flair🌿🌸
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