29. Kapitel
Gwendolyn
König Matthew thronte mit gefurchter Stirn und zornigen Gesichtszügen auf seinem Thron, als ich mit unsicheren Schritten den Saal betrat. Die ganze Familie hatte sich um ihn versammelt.
Königin Gail zierte seine linke Seite. Ihre geschminkten Lippen war missbilligend verzogen, als ihr abschätziger Blick auf mich fiel. Mit einem leisen Räuspern machte sie den Rest der Familie auf mich aufmerksam.
Jayce, welche auf der anderen Seite seines Vaters stand, hob den Blick von etwas, das in dem Schoß von König Matthew ruhte. Fassungslos starrte er mich an, ehe sich eine eiserne Maske über seine Züge legte und er mich mit zusammengekniffenen Augen anstarrte.
Josey, welche neben ihm kauerte, hob ebenfalls den Blick und begegnete dem Meinen mit einem unsicheren Lächeln. In ihrem Gesicht lag derselbe Ausdruck, welcher zuvor in Roses gelauert hatte. Diese betrat auch gerade nach mir den Raum und huschte mit einem nervösen Lächeln im Gesicht an die Seite ihrer Mutter.
Als ich meine Augen über die Königsfamilie wandern ließ, blieb er an Jayce hängen, welcher augenblicklich den Kopf senkte. Er wich mir aus und dennoch konnte ich sehen, wie angespannt seine Kiefermuskeln arbeiteten. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt, welcher er mit versteiften Schultern hinter seinen Rücken wandern ließ. Ehe ich weiter über das merkwürdige Verhalten der Familie nachdenken konnte und mich insgeheim über Jayces krebsrote Farbe zu amüsieren, ließ mich König Matthews Stimme zusammenzucken.
„Gwendolyn Montgomery!", donnerte er los, wobei er eine Pause zwischen meinen Vor- und Nachnamen legte. Es war offensichtlich das es ihn störte, dass ich nicht noch weitere Namen hatte, die er durch den Saal brüllen konnte.
„Ja, König Matthew?", entgegnete ich mit heiser Stimme und ließ meine Augen über die unbewegte Miene des Königs wandern.
„Erklär mir das", herrschte Jayces Vater mich an und ihm nächsten Moment drückte er seinem Sohn ein Blatt Papier in die Hand.
Jayces Haltung versteifte sich noch mehr, als er die Stufen, welche zum Thron des Königs führten, hinabstieg und mit festen Schritten auf mich zukam. Seine blauen Augen waren auf einen Punkt gerichtet, welcher sich hinter mir befand. Er sah mir nicht ins Gesicht.
Wortlos drückte er mir eine Zeitung in die Hand und als sich unsere Finger kurz berührten, ließ er seine Augen schließlich doch über mein Gesicht wandern. Sein Blick war intensiv, als wolle er meine Reaktion auf das Ganze studieren. Ein verletzter Ausdruck zog wie eine Regenwolke über seine Züge und ließ mich mit einem dumpfen Schmerz in der Brust zurück.
Erst als Jayce mir den Rücken zuwandte, senkte ich den Blick auf das Papier hinab.
Jetzt spricht Gwendolyn Montgomerys Affäre! Wie steht es wirklich um das Traumpaar?
Irritiert zog ich die Stirn kraus und verengte meine Augen zu kleinen, schmalen Schlitzen. Was sollte das? Jetzt spricht Gwendolyns Affäre? Meine Affäre?
Immer mehr Falten durchzogen meine Stirn, als ich mein Blick weiterwanderte und ich die anderen Worte in mich aufsaugte.
„Gwendolyn und ich sind schon seit Ewigkeiten ein Paar. Heimlich, versteht sich. Ihr Vater hatte nie irgendeinen Jungen an sie rangelassen, weshalb unsere Beziehung von Anfang an im Verborgenen stattfand", vertraute uns Gwendolyns M. Verflossener an und machte es somit Offiziell: Gwendolyn M. und Jayce K. täuschen ihre Ehe nur vor.
Zac D. bestätigte uns, dass er sich weiterhin mit seiner Freundin trifft und sie ihre Liebe zu Jayce lediglich vorspielt, um...
Die nächsten Zeilen verschwammen vor meinen Augen und egal wie heftig ich blinzelte, die schwarzen Kleckse wollten sich nicht zu Buchstaben formen.
Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, um das leise Schluchzen zu unterdrücken, welches in meiner Kehle festsaß und nur darauf wartete, meinen Lippen zu entweichen.
Mit zittrigen Händen ließ ich das Papier wieder sinken und hob den Blick. Meine Augen suchten Jayces, doch er starrte stumm auf den Boden.
Das konnte er doch nicht wirklich glauben. Er konnte doch nicht wirklich denken, dass ich ihm das Alles nur vorgegaukelt hatte. Ich hatte nichts mit Zac. Bis auf den einen kleinen Kuss war da nichts zwischen uns gelaufen und auch dort hatte er mich abgewiesen. Warum also wagte es diese Redaktion, solche Lügen zu verbreiten?!
Ein dumpfer Schmerz breitete sich in meiner Brust aus, als ich meine Augen über die Königsfamilie wandern ließ und lediglich missbilligende Blicke dem meinen begegneten. Sie glaubten an die Wahrheit in den gedruckten Worten. Sie hatten mich bereits verurteilt, ehe ich mich dazu äußern konnten. Und Jayce war ihrer Meinung.
Ich schob meine Unterlippe vor. „Das stimmt nicht"; stieß ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und suchte verzweifelt Jayces Blick. „Zac und ich haben nichts miteinander. Wir sind nur Freunde."
Königin Gail spitze die Lippen, ehe ein abschätziges Schnauben ihren Mund verließ. Unwillkürlich flog mein Blick zu ihr hinüber und ich starrte geradewegs in ihre unterkühlten, eisblauen Augen.
Wie konnte es sein, dass ich in der Farbe von Jayces Iris versinken konnte, weil sie mir pure Wärme und Zärtlichkeit entgegenstrahlten, während ich unter dem Blick seiner Mutter zu Eis gefror.
„Das ihr Freunde seid, haben wir bereits bemerkt", sagte Königin Gail unvermittelt und erwiderte meinen Blick unverwandt. „Ich dachte allerdings nicht, dass wir euch erklären müssten, dass diese kleine Freundschaft vorbei ist, sobald ihr Jayce euer Ja-Wort gegeben habt."
König Matthew stieß ein Geräusch aus, dass mich an ein gefährliches Knurren eines tollwütigen Hundes erinnerte. Unwillkürlich zuckte ich bei diesem seltsamen Ton, welcher die Brust des Königs zum Brummen brachte, zusammen.
Ich straffte meine Schultern, zog den Kopf ein und starrte konzentriert auf den Marmorboden zu meinen Füßen. „Wir sind nicht eine solche Art von Freunden. Ich kenne Zac, seit ich klein bin. Wir waren nie mehr, als Kindheitsfreunde."
„Und warum posaunt dein Freund jede Menge Details über sein Privatleben mit dir durch ganz Koieta?", brüllte König Matthew ungehalten los. Erschrocken fuhr ich zusammen und ballte meine Hände zu Fäusten, um das erbärmliche Zittern meiner Finger zu unterdrücken.
„I-Ich weiß... es nicht", murmelte ich leise und streckte verzweifelt die Hände aus, ehe ich sie hilflos wieder sinken ließ. „Ich weiß es wirklich nicht."
Mit laut knirschenden Zähnen ließ König Matthew seine geballte Faust auf die Lehne seines vergoldeten Stuhls niedersausen. Josey und Rose zuckten kaum merklich zusammen, während Jayce und seine Mutter ruhig an der Stelle verharrten.
In Koieta kämpfen Kinder auf der Straße ums Überleben, während König Matthew jede einzelne Ecke seines Schlosses mit Gold verzieren lässt.
Ich versuchte die verbitterte Stimme in meinem Kopf beiseite zu drängen. Für solche Gedanken hatte ich nun wirklich nicht Zeit, doch mein Gehirn wollte nicht begreifen, mit was es sich nun auseinanderzusetzen hatte.
Zac erzählte scheinbar jedem Journalisten in Koieta, dass ich angeblich eine Affäre mit ihm hätte. Und nicht nur das, er behauptete auch noch, dass wir bereits ein Paar waren, bevor ich von Jayces und meiner zukünftigen Hochzeit wusste.
Diese neuen Informationen wollten so ganz und gar nichts mit dem Jungen gemein haben, mit dem ich die letzten achtzehn Jahre meines Lebens verbracht hatte.
Kleine, salzige Tränen fluteten meine Augen und es dauerte nicht lange, bis sich eine von meinem Wimpernkranz löste und meine geröteten Wangen benetzte.
Lediglich die Zwillinge zeigten Mitgefühl, als sie meine glänzenden Augen bemerkten.
„Ich denke nicht, dass Gwendolyn von der Sache wusste", wagte Josey leise zu Sprechen und warf mir einen flüchtigen Blick zu, ehe ihre blauen Augen wieder ihren Vater fixierten. Mit ehrfürchtig gesenktem Kopf begegnete sie dem funkelnden Blick ihres Vaters. „Vielleicht lügen die Redaktionen auch. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie nur unwahrhaften Schund verbreiten."
König Matthew wandte nach langem Zögern seinen Blick von mir ab und ich konnte endlich wieder aufatmen. Gierig schnappte ich nach Luft, um meine Lungen mit dem Sauerstoff zu füllen.
„Was?", fragte König Matthew mit steinerner Miene und starrte seine Tochter verständnislos an. Es war ziemlich offensichtlich, dass er nicht verstand, warum sich seine kleine, süße Josey für mich einsetzte.
Probeweise zog ich meine Mundwinkel nach oben, als mir Josey erneut einen Seitenblick zuwarf.
„Ich denke nur, wir sollten erst nachforschen, ob es wirklich der Wahrheit entspricht, bevor wir überstützt handeln."
Rose lehnte sich ein Stück vor und bekräftigte die Worte ihrer Schwester mit einem Nicken. „Das wäre nicht verkehrt."
Meine Lippen pressten sich wieder zusammen, als der König nachdenklich seinen Blick von seinen Töchtern abwandte und seine blauen Augen wieder über mich schweifen ließ, ehe er seine Frau ansah. „Was meinst du, Gail?"
Überrascht schossen die Augenbrauen der Königin nach oben, als hätte sie nicht damit gerechnet, dass ihr Mann sie um ihre Meinung bitten würde. Allerdings gewann sie die Kontrolle über ihre Gesichtszüge wieder ziemlich schnell und schenkte ihrem Mann ein angenehmes Lächeln. „Unsere Töchter sind eben sehr klug, Matthew. Wir sollten auf sie hören."
Als der letzte Satz ihren Mund verließ, kräuselten sich ihre Lippen angestrengt und eine kleine Kerbe durchfurchte ihre Stirn.
Sie würde mich vermutlich sofort mit voller Freude an den Pranger stellen und mich dem Volk Koietas zum Fraß vorzuwerfen. Natürlich war diese Auflage perfekt für sie. Jayce stand da wie ein Engel, während ich den Part des bösen Wolfs in dieser Geschichte übernehmen musste.
Ich unterdrückte den Drang, meine Zähne zu fletschen und Königin Gail an die Gurgel zu springen. Zu gerne würde ich ihr die Rolle der bösen Stiefmutter entreißen und sie geradewegs in meinen Magen befördern, damit sie Rotkäppchens Großmutter spielen konnte. Ohne Happy End.
Jayce
Mit unbewegter Miene starrte ich auf den Marmorboden, welcher den Thronsaal ausfüllte. Meine verkrampften Hände hatte ich zu Fäusten geballt, um den Drang zu widerstehen, alle zerbrechlichen Dinge in diesem Raum gegen die Wand zu schleudern. Ein gähnende Leere hatte meinen Magen überrollt und arbeitete sich langsam und quälend voran. Wie Gift durchflutete es meine Adern und ließ sich von einem Organ zum nächsten transportieren, um meinen gesamten Körper mit diesem dumpfen Gefühl zu identifizieren.
Gwendolyn und Zac. Zac und Gwendolyn. Diese Namen ergaben im gemeinsamen Einklang einfach keinen Sinn. Sie passten nicht zusammen. Es hörte sich an, wie ein schlecht gespieltes Lied. Wie eine Melodie, in der sich falsche Töne eingeschlichen hatten und somit den Rest der Symphony zerstörten.
Ich konnte nicht fassen, dass Gwendolyn mir das alles vorgespielt hatte. Das ihre Freunde Recht hatten, als sie mir ihre Vermutungen über Gwendolyns und Zacs gemeinsamer Vergangenheit mit mir teilten.
Unwillkürlich schoss mir eine Erinnerung durch den Kopf. Gwendolyn in Zacs Armen. Direkt in der Einfahrt des Schlosses. Sie hatte mir ihre Affäre so direkt vor Augen geführt und ich war einfach zu blind gewesen, um es zu erkennen. Ich hatte ihr vertraut und diese Erkenntnis ließ den Druck in meiner Brust anschwellen.
„Holt mir diesen Burschen hierher!", schallte plötzlich die Stimme meines Vaters durch den Saal. Augenblicklich hob ich den Kopf und starrte ihn entgeistert an. „Du willst ihn hierherholen?"
„Habe ich das gerade nicht gesagt?", entgegnete mein Vater mit tonloser Stimme und verzog das Gesicht, als würde meine Frage ihm Schmerzen bereiten. Ich konnte Gwendolyns Blick auf mir spüren, allerding widmete ich mich weiterhin meinem Vater zu.
Mit einer wedelnden Bewegung fing er erst mich, dann meine Schwestern und schließlich auch Gwendolyn ein. „Und jetzt verlasst den Saal. Ich will alleine mit diesem Jungen reden!"
Rose und Josey reagierten sofort. Während Josey die Treppen zu Gwendolyn hinuntersprang, trat Rose an meine Seite. Sie warf mir einen besorgten Blick aus ihren blauen, tiefen Augen zu und knuffte mir freundschaftlich in den Arm. „Komm schon, Jay. Mach aus der Fliege nicht gleich einen Elefanten."
Ich schenkte ihr ein mühevolles Lächeln, ehe ich ebenfalls die Treppen hinunterstieg und geradewegs auf den Ausgang zusteuerte. Rose folgte mir.
„Jayce..." Als Gwendolyns brüchige Stimme an mein Ohr drang, hielt ich kurz inne. Ich erstarrte in meiner Bewegung, allerdings drehte ich mich nicht zu ihr um. Mit angespannten Schultern starrte ich auf den Ausgang, während ich ihren nachfolgenden Worten lauschte. „Es ist wirklich nicht so, wie es in der Zeitung steht."
Ich konnte alle Blicke auf mir spüren. Die meiner Familie und Gwendolyn ihrer selbst. Allerdings brannte sich die dunklen Augen meiner Verlobten tiefer in mein Fleisch.
Ich konnte genau spüren, wo ihr Blick meinen Körper streifte, denn genau an diesen Stellen schien meine Haut in Flammen aufzugehen.
„Das werden wir sehen", erwiderte ich kühl, ohne meinen Blick von der Tür des Saals abzuwenden. Ohne auf ein weiteres Wort ihrerseits zu warten, setzte ich meinen Weg fort und ließ sie, zusammen mit meiner Familie, zurück.
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Schon wieder verspätet🙄 Sorry!🙏🏼
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