26. Kapitel
Jayce
Perplex starrte ich Gwendolyn an. Meine Augenbrauen hatte ich zusammengezogen, die Augen weit geöffnet um jegliche Reaktionen meiner Zukünftige genau einzufangen.
Ihre Schultern waren unter meinem Arm wieder nach unten gesackt und ihr Gesicht gesenkt. Lediglich ihr Körper bebte unter meiner Berührung, ehe sie mich entschieden wegstieß. Langsam hob sie ihren Blick und sah mich aus traurigen, verschleierten Augen an. „Bitte, Jayce. Geh."
Mit einer zittrigen Bewegung deutete sie Richtung Tür, während ich sie weiterhin nur fassungslos ansehen konnte. Das war doch nicht ihr Ernst, oder? Sie wollte lieber diesen schleimigen Angestellten in ihrer Nähe wissen, als mich?
Mein Blick flackerte zu Toby hinüber, welcher mich triumphierend anstarrte und sich mit einer Hand durch die dunklen Haare fuhr. Seine Augen wanderten zu Gwendolyn hinüber und ein anzügliches Lächeln eroberte sein Gesicht.
Der Impuls, Toby das verdammte Gesicht einzuschlagen, kam erst, als ich meine Hand bereits zu einer Faust ballte und den Arm zurückstreckte, um ordentlich Schwung zu holen.
Toby ahnte nichts Böses, als meine geballte Hand hervorschoss und geradewegs auf seine Lippen trafen, die zu einem verabscheuungswürdigen Grinsen verzogen waren.
Gwendolyn quiekte erschrocken neben mir auf, als ich erneut ausholte und Toby mit all meiner Kraft am Kiefer traf. Das Knacken übertönte das dröhnende Blut, welches lautstark in meinen Ohren pochte. Ich wollte erneut ausholen, als sich plötzlich eine zierliche Hand um meinen Arm schlang.
Mein Blick flackerte zur Seite, wo mir Gwendolyns entglittene Gesichtszüge entgegenprangten. Eine Träne hatte sich aus ihrem untern Wimpernkranz gelöst und lief an ihrer kalkweißen Wange herab. Perplex hielt ich inne, während meine Augen Gwendolyn Lippen fixierten. Sie hatte ihren Mund geöffnet, ihre Unterlippe bebte verdächtig und auch ihre Hand, welche immer noch auf meinem Arm ruhte, zitterte. „Hör auf...", stieß sie fassungslos hervor und zog schwach an meinem Unterarm. „Bitte!"
Mein Kopf schwenkte wieder zu Toby hinüber, der sich fassungslos an die aufgesprungene Lippe faste und schmerzhaft das Gesicht verzog, als er das Blut an seinen Fingerspitzen entdeckte. Er war viel zu perplex, um auf meinen Angriff zu reagieren.
Meine Augen wanderten wieder zu Gwendolyn hinüber und ich konnte spüren, wie meine verhärteten Gesichtszüge bei ihrem Anblick weicher wurden. Sie sah so... verletzlich aus und es schmerzte in meiner Brust zu wissen, dass ich derjenige war, der die laufenden Tränen, welche ihr Gesicht benetzten, zum Vorschein gebracht hatte. „Es tut mir leid", flüsterte ich leise und nahm ihre kleine Hand zwischen die Meinen, um ihr einen sanften Kuss auf den Handrücken zu hauchen.
Das war gelogen und ich war mir ziemlich sicher, dass Gwendolyn sich dessen bewusst war. Ich verspürte keine Reue dafür, dass ich meine Knöchel gegen Tobys Kiefer gejagt hatte und Schuld daran war, dass warmes Blut aus seiner aufgeplatzten Lippe hervorströmte. Ich weiß, dass Gwendolyn das nicht verstehen kann, aber sie hat auch nicht den Blick gesehen, mit dem Toby sie lüstern taxiert hatte. Er hatte es nicht anders verdient.
Mit einem leisen Seufzen erhob ich mich von der Matratze, welche erleichtert aufächzte, als sie um mein Gewicht erleichtert wurde. „Jetzt werde ich gehen", murmelte ich leise und hauchte Gwendolyn einen liebevollen Kuss auf den Scheitel, ehe ich den Beiden den Rücken zukehrte und das Zimmer verließ.
Es sträubte sich alles in mir, Toby und Gwendolyn alleine in dem Raum zurückzulassen. Vor allem jetzt, wo Toby verletzt war und somit Gwendolyns Schuld- und Mitgefühle für ihn erwecken würde. Sie würde sich bestimmt hingebungsvoll um ihn kümmern und Toby würde ihr alles an den Kopf werfen, was mich in ihren Augen schlechter machen könnte.
Aber was sollte ich tun? Mich weigern, dass Zimmer zu verlassen? Ich denke nicht, dass das sonderlich gut bei Gwendolyn ankommen würde, wenn ich erst ihren kleinen Freund ein paar Schläge verpasste und mich dann auch noch weigerte, ihr Zimmer zu verlassen, obwohl sie mich darum bat.
Mit einem letzten Blick auf die Beiden schloss ich die Tür hinter mir und verharrte ein paar Herzschläge lang reglos vor Gwendolyns Zimmer. Allerdings drang kein Laut durch die hölzerne Tür zu mir durch, weshalb ich mich langsam davon entfernte. Ich brauchte eine Ablenkung und ich wusste ganz genau, wo ich die finden würde.
Gwendolyn
Mit zittriger Unterlippe wandte ich mich Toby zu, nachdem ich eine Weile auf die geschlossene Tür gestarrt hatte.
Ich konnte nicht glauben, dass Jayce für das verantwortlich war, was sich gerade in Tobys Gesicht bewegte. Das dickflüssige Blut tropfte an seiner Unterlippe herab und befleckte sein T-Shirt. An seinem Kiefer war keine Schramme erkennbar, allerdings stöhnte Toby schmerzerfüllt auf, als er seinen Mund öffnete, um etwas zu sagen. Er brachte lediglich einen gequälten Laut hervor, ehe er seine Lippen wieder aufeinander klappen ließ und mit seinen Fingerspitzen seine Wange befühlte.
„A-Alles okay?", fragte ich leise und hätte mir im nächsten Moment am liebsten selbst eine Ohrfeige verpasst. Offensichtlich ging es ihm nicht gut. Das zeigte mir doch schon allein seine aufgeplatzte Unterlippe und Kiefer, welches ihm offensichtlich große Schmerzen bereitete. „Tut mir leid", murmelte ich leise und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. „Es ist ziemlich offensichtlich, dass es dir nicht gut geht."
Toby schenkte mir ein gequältes, schiefes Grinsen, ehe seine Züge sich wieder verspannten und ein leise Aufstöhnte. Mit zusammengekniffenen Augen lehnte er sich in dem Stuhl zurück, öffnete erneut den Mund und ließ ihn, nachdem ihm ein komischer Laut entschlüpft war, wieder zufallen.
Mein besorgter Blick huschte durchs Zimmer, ob sich hier irgendetwas befand, was für Toby nützlich sein konnte. Eine Packung von Taschentüchern sprang mir ins Auge und ich erhob mich, um sie in Tobys Reichweite zu beschaffen. „Hier", murmelte ich leise und hielt ihm die Verpackung hin.
Etwas Dankbares funkelte in seinen gräulichen Augen auf, als er nach dem Tuch griff und sich damit vorsichtig die Lippen betupfte. „Tut mir leid wegen Jayce", stieß ich schließlich seufzend hervor und starrte nachdenklich auf den Boden meines Zimmers. „Ich weiß auch nicht, was da in ihn gefahren ist. Normalerweise wird er nicht so schnell aggressiv."
Zumindest nicht handgreiflich.
„Wir sollten dich wohl am Besten zu einem Arzt bringen", meinte ich langsam, hob den Blick und musterte sein zerbeultes, leicht angeschwollenes Gesicht. „Deine Attraktivität lässt nämlich gerade zu wünschen übrig."
Ein amüsierter Ausdruck huschte über Tobys Gesicht, als mir die Worte über die Lippen kamen und er hob seine Augen, um meinen Blick zu finden. Langsam schüttelte er den Kopf.
„Kein Arzt?", fragte ich verblüfft und neigte irritiert den Kopf zur Seite. Toby sah wirklich alles andere als gut aus und sein Kiefer schmerzte so sehr, dass er es nicht Mal schaffte, irgendwelche Worte, geschweige denn Laute, über die Lippen zu bringen. Und da wollte er ernsthaft nicht zu einem Arzt gehen? Erneut schüttelte Toby denn Kopf.
War das jetzt ein Kein-Arzt-Schütteln oder Doch-Arzt-Schütteln?
Fragend hob ich eine Augenbraue nach oben, ehe ich mich vorsichtig von meiner Matratze erhob, ein paar Schritte auf Toby zuging und ihn sanft an der Schulter fasste. „Wir gehen zum Arzt. Egal, was du dazu sagst."
Toby kniff amüsiert die Augen zusammen und starrte zu mir nach oben. Er nahm meine Aufforderung in Kauf, ohne zu protestierten.
„Und?", fragte ich mit rauer Stimme, ehe ich meine Zähne in meiner vorgeschobenen Unterlippe vergrub und angespannt an der abgestorbenen Haut herumkaute. „Ist es schlimm?"
Es hatte lange gedauert, bis ich den Hausarzt, beziehungsweise Schlossarzt, ausfindig machen konnte, aber die Königsfamilie hatte tatsächlich einen Mediziner in den Gemäuern versteckt. Ich frage mich, was der den ganzen Tag macht, wenn sich keiner der Angestellten oder der Familie verletzt? Ob er einfach nur in seinem Ordinationszimmer vor sich hin philosophiert und dann seinen Stundenlohn abkassiert? Wäre auf jeden Fall ein toller Beruf!
Der Doc zog scharf die Luft ein und erlangte somit wieder meine Aufmerksamkeit. Mit einem alkoholgetränkten Wattestäbchen betupfte er Tobys Unterlippe. Toby verzog schmerzhaft das Gesicht, gab allerdings keinen Laut von sich.
„Sein Kiefer macht mir Sorgen", offenbarte mir der Arzt schließlich, nachdem er meine Frage ganze drei Minuten erfolgreichen ignoriert hatte. „Ich bin mir nicht sicher, ob er es sich lediglich ausgerenkt hat, oder doch ein Bruch dahintersteckt. Er muss auf jeden Fall ins Krankenhaus."
Was? Kieferbruch? Jayce hatte es geschafft, mit einem simplen Schlag Tobys Knochen zum splittern zu bringen? Das konnte doch nicht wahr sein! Woher hatte der Junge bitte die Kraft genommen, um Toby solch einen heftigen Hieb zu verpassen?
Verblüfft hob ich meine Hand, um sie vor meinen geöffneten Mund zu führen, während meine andere Tobys Schultern zu fassen kam, welche ich sanft drückte. „Kieferbruch?", wiederholte ich fassungslos und blinzelte den Doc an.
Er hob den Blick und sah mich eine Weile an, ehe er auf seinem Drehstuhl herumwirbelte und zurück zu seinem Schreibtisch rollte, um irgendwelche Daten in die altmodische Tastatur zu tippen. „Ich bin mir nicht sicher, aber ausgeschlossen ist es nicht."
Ich warf Toby einen kurzen Blick zu, allerdings starrte dieser nur auf den gelblichen Liquidboden und ließ die Schultern hängen. Es schien, als hätte er meine Anwesenheit schon längst wieder vergessen.
Ich riss meinen Blick von ihm los, um dem Doktor wieder meine Aufmerksamkeit zu schenken. „Und wie soll er ins Krankenhaus kommen? In diesem Zustand kann er doch unmöglich fahren!"
„Ich werde ihm einen Wagen bestellen, der ihn gleich abholt", entgegnete dieser mit zuckenden Schultern und hob kurz den Blick. Seine dunklen Augen, welche hinter den Brillengläsern größer wirkten als sie womöglich waren, musterten mich eisern, ehe sich seine Züge für ein paar Sekunden glätteten. „Seid Ihr nicht Prinz Jayces Verlobte?"
Ich senkte betroffen den Blick, obwohl ich nicht Mal wirklich wusste, warum er mich mit dieser Aussage verunsicherte.
Vielleicht, weil ich hier mit einem Jungen aufgetaucht war, dessen Gesicht völlig zerbeult war und ich mich offensichtlich um ihn sorgte? Und das, obwohl er ganz bestimmt nicht Jayces Namen trug?
„Ja, Sir", antwortete ich ihm und betrachtete fasziniert den Boden, welcher von ein paar Kerben durchzogen war. „Warum fragen Sie?"
Der Arzt wandte seine Aufmerksamkeit wieder von mir ab, tippte noch etwas auf seiner Tastatur herum und griff im nächsten Moment auch schon nach einem Telefon. Keinem schnurlosen Telefon, wenn ich das Mal so anmerken darf.
In welchem Jahrhundert lebt dieser Mann?
Ich wartete noch einen Augenblick, ob er meiner Frage noch etwas hinzuzufügen hatte, doch er ignorierte mich wieder.
So behandelt man als die Verlobte des Thronfolgers... Interessant.
Auch wenn ich es mir verbat, plante ich insgeheim schon meinen Rachefeldzug für das Verhalten des Mediziners. Doch meinem Gedächtnisvermögen zu Folge, würde der Arzt wohl in der Zukunft verschont bleiben. Ziemlich sicher sogar.
Ich drehte mich wieder zu Toby um, welcher ein schiefes Grinsen riskierte, als er meine Aufmerksamkeit auf sich spürte. Doch schon im nächsten Moment verzog er schmerzhaft das Gesicht und fasste sich mit den Fingern an die Wange, nur um sie gleich darauf wieder zurück zu zucken lassen.
Irgendwie tat er mir leid. Okay, nicht nur irgendwie. Er tat mir furchtbar leid. Immerhin war es irgendwo meine Schuld. Immerhin hätte Jayce ihn ganz bestimmt nicht geschlagen, wenn ich Toby ihm nicht vorgezogen hätte. Oder?
Ich seufzte frustriert auf, ließ meine Finger durch meine dunklen Haare wandern und fluchte leise, als es ziepte.
„Ich knöpf mir dann Mal Jayce vor. Melde dich, wenn du aus dem Krankenhaus zurück bist", flüsterte ich Toby leise zu, in der Hoffnung, dieser merkwürdige, altmodische Arzt würde unser Gespräch nicht mitbekommen.
Toby schnitt eine Grimasse, die ich durch sein leicht angeschwollenes Gesicht jedoch nicht definieren konnte. „Ich werte das einfach Mal als Zustimmung", murmelte ich unsicher und drückte ihm nochmal die Schulter, ehe ich mich umdrehte und ohne einen Abschied an den Doktor aus der Ordination stolzierte.
Jayce
Meine Hände zitterten immer noch vor Wut, als ich mit geballten Fäusten Thunders Sattel durch die Stallungen schleppte und ihn dem Rappen auf den Rücken legte.
Der Wallach schnaubte nervös auf, als er meine Anspannung spüren konnte und tänzelte unsicher auf der Stelle herum, als wolle er mir sagen, dass er mich nicht auf seinen Rücken lassen würde, solange ich mich in dieser Verfassung befand.
„Zum Glück habe ich hier das Sagen, was?", murmelte ich Thunder leise ins Ohr, umfasste seine Stirn und ließ meine Fingerspitzen vorsichtig über seine samtweichen Nüstern wachen. Das Tier zuckte mit seinen Ohren in meine Richtung. Seine dunklen Augen musterten mich wachsam, während er weiterhin mit seinen Hufen unruhig am Steinboden herumscharte. Ein leises Wiehern erfüllte die gemächliche Stille des Stalls. Aus einer hinteres Box bekam Thunder eine Antwort. Der Wallach blähte die Nüstern auf. „Ist ja schon gut", wisperte ich beruhigend und tätschelte den kräftigen Hals des Tieres, ehe ich den Sattel wieder von seinem Rücken zog. „Wie wäre es dann mit einem einfachen Spaziergang?", fragte ich das Pferd gedehnt und konnte mir ein Augenrollen nicht verkneifen. War ich wirklich soweit gesunken, dass ich mich mit Thunder unterhielt und auch noch eine Antwort erwartete? „Wenn du willst, können wir auch Mal wechseln und ich trage dich", schlug ich sarkastisch vor und warf dem Rappen einen kurzen Blick zu.
Thunder spitzte die Ohren und erwiderte meinen Blick aus seinen dunklen Augen. Er wippte leicht mit seinem riesigen Kopf, als würde er meinem Vorschlag zustimmen. Ein kleines Lächeln erhellte mein Gesicht. „Wirklich?", fragte ich belustigt und schüttelte den Kopf. Ich unterhielt mich wirklich mit meinem Pferd und hatte auch noch das Gefühl, er würde mich verstehen.
„Was?" Eine Stimme ließ mich zusammenzucken und ich wirbelte herum. Aufgeschreckt stieß Thunder ein schrilles Wiehern aus und ließ seine Hufe auf den steinernen Boden aufprallen. Gwendolyn starrte mich von der Stalltür aus an. Ein amüsierter, aber auch verwirrter, Ausdruck lauerte auf ihrem Gesicht. „Mit wem redest du?"
Ich warf Thunder einen zögernden Blick zu. Der Rappe senkte seinen Kopf und suchte schnuppernd den Boden nach möglichem Futter ab, ehe er seinen Hals wieder durchstreckte. Nichts schien daran zu erinnern, dass er noch vor wenigen Minuten auf meine Stimme und deren Bedeutung reagiert hatte.
„Redest du mit diesem Biest etwa?", fragte Gwendolyn belustigt und trat weiter in den dämmernden Stall hinein. Staub umschwirrte die frische Luft und trübte das Sonnenlicht, welches durch die alten Holzplatten in den Stall drang und die verschiedensten Boxen und Gassen erhellte. Gwendolyn entschlüpfte ein leises Niesen.
„Gesundheit", brachte ich mit einem schwachen Lächeln hervor, ehe ich ihre Frage mit einem knappen Kopfschütteln verneinte. „Nein."
Gwendolyn nieste erneut. Einmal. Zweimal. Und... ein drittes Mal. „Fuck, ich platze gleich wie ein Luftballon. Dann kannst du mich von der Wand abkratzen", keuchte sie mit einem müden Schnaufen, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Thunder und mich wandte. „Doch, du hast mit ihm geredet."
„Nein", hielt ich stur dagegen."
„Doch." „Nein." „Doch." „Nein." „Doch." „Nein. Nein. Nein." „Doch. Doch. Doch."
Gwendolyn zog verschmitzt ihre Mundwinkel nach oben und zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Wenn du mein Gespräch mit Toffee vergisst, kann ich vielleicht auch über deine Pferdeflüster-Küste hinwegsehen."
Überrascht zog ich eine Augenbraue nach oben. Ich hätte nicht gedacht, dass Gwendolyn solche Späße wagen würde, nachdem ich sie mit einem blutenden Toby zurückgelassen hatte. Irgendwie hätte ich gedacht sie wäre... sauer und würde mir einen Vorwurf nach dem Anderen an den Kopf knallen. Oder, dass sie mich anschreien würde oder auch einfach ihre kalte Schulter präsentierte. Ich weiß auch nicht genau, was ich erwartet hatte, aber ganz bestimmt nicht das. Eine glückliche, witzereißende Gwendolyn war wirklich das Letzte gewesen, mit dem ich gerechnet hatte.
„Ist alles okay mit dir?", hakte ich deswegen argwöhnisch nach, ohne auf ihren versuchten Witz einzugehen. Meine Stirn war vor Misstrauen gefurcht.
„Aber natürlich!", entgegnete Gwendolyn mir mit einem strahlenden Lächeln und trat ein paar Schritte näher an mich heran. Allerdings bewahrte sie einen riesengroßen Sicherheitsabstand vor Thunder, den sie mit beunruhigten, dunklen Augen musterte. „Was sollte denn sein?"
Unbehaglich trat ich in meinen Reiterstiefeln von einem Fuß auf den Anderen, ehe ich ein paar Schritte von Thunder zurückwich, um den Wallach nicht unnötig zu stressen. Der Rappe war eines der sensibelsten Pferde, die ich jemals in meinem Leben kennenlernen durfte. Selbst zwei streitende Spatzen würden den Rappen nervös machen.
„Ich hatte irgendwie damit gerechnet, dass du... beleidigt sein würdest", murmelte ich unsicher und musterte Gwendolyn nachdenklich. „Wegen Toby", fügte ich hinzu, als ich ihren fragenden Blick bemerkte. Irgendetwas war hier doch faul. Ich hatte Gwendolyn noch nie in meinem Leben so fröhlich und... unschuldig erlebt. Sie hatte bestimmt irgendeinen hinterlistige Plan im Kopf.
„Ach, das meinst du", entgegnete Gwendolyn mir trocken und winkte mit einem breiten Grinsen ab. „Ist doch Schnee von gestern."
„Schnee von gestern?", wiederholte ich verblüfft und zog argwöhnisch die Augenbrauen zusammen. Hier stimmte etwas Ganz und Gar nicht. Selbst ein Blinder würde erkennen, dass Gwendolyn versuchte, mich in eine Falle zu locken.
„Wollen wir ausreiten?", fragte sie jetzt und lächelte mich mit klimpernden Wimpern an. Mein Magen zog sich zusammen. Teils wegen dem Misstrauen, welches ins Unermessliche stieg, aber auch wegen Gwendolyns Anblick, welcher mein Herz schneller schlagen ließ.
Auch wenn ich es ungern zugab: Sie sah gerade so süß, so liebenswürdig und so... vertrauenswürdig aus. Moment Mal.
Sie versuchte tatsächlich, mich hinters Licht zu führen! Vermutlich hatte sie gerade ein Messer bei sich, welches sie mir in die Brust rammen würde, sobald wir Beide alleine auf dem Feldweg waren, um dann meine Leiche im See zu ertränken.
Hört sich vielleicht paranoid an, aber ich würde es Gwendolyn zutrauen, wenn man bedenkt, was für Spielchen ich mit ihr getrieben hatte.
Meine Rache wird furchtbar sein. Das waren Gwendolyns Worte gewesen, als ich sie mit einer hinterlistigen Kitzelattacke überfallen hatte und seither hatte sie nicht ein einziges Mal versucht, mich in eine Falle zu locken.
Ich weiß, dass ich ihr Angebot jetzt besser ausschlagen sollte. Um mein Leben und meiner Psyche Willens, doch ich war neugierig. Neugierig, was Gwendolyn draufhatte.
Ich neigte ahnungslos meinen Kopf zur Seite und erwiderte ihr Lächeln nach einer Weile. „Gerne. Warum denn auch nicht?"
Gwendolyns Mundwinkel zogen sich noch weiter nach oben, als sie meine Zustimmung hörte. In ihren dunklen Augen entsprang ein Funke, welchen ich nicht deuten konnte.
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