13. Kapitel
Jayce
Mit einem entschlossenen Ruck zog mir eine Bedienstete, deren Name ich nicht kannte, die schwarze Krawatte zurecht und lockerte den Knoten etwas, ehe sie mit einem zufriedenen Nicken zurücktrat.
Regungslos betrachtete ich mein Spiegelbild und versuchte, irgendwelche Fehler oder Sonstiges an meinem Aussehen ausfindig zu machen.
Heute war der Tag meiner Verlobung. Ein Tag, welcher nur einmal in dem Leben eines jeden Menschen aufscheinen sollte und ich war komischerweise nervös.
Ich wollte, dass alles perfekt ablief. Die perfekte Musik sollte aufgelegt werden. Die Gäste sollten in perfekter Kleidung antreten und Gwendolyn sollte auf meinen perfekten Antrag die perfekte Reaktion zeigen. Einfach pure Perfektion!
„Hier ist noch eine Fluse", wies ich das Personal mit einem knappen Nicken auf meine Schulter hin und kurz darauf zog die Dame einen Flusen-Roller über meinen dunklen Anzug.
Missmutig betrachtete ich erneut mein Spiegelbild und legte kritisch die Stirn in Falten.
„Sie sehen wirklich vorteilhaft aus, Prinz Jayce!", beteuerte die Bedienstete mit sorgenvollen Gesicht. Vermutlich hegte sie die Angst, dass ich mich erneut für einen anderen Anzug entscheiden würde. Zurecht! In den letzten zwei Stunden hatte ich mir mehr als zwanzig verschiedene Stoffe übergestreift.
Ich kam mir selbst vor wie ein albernes Mädchen, welches mit schmollender Miene vor dem vollen Ankleideraum stand und herumjammerte, dass es nicht genug zum Anziehen hatte.
Ich hatte genug. Mehr als genug und das wusste ich. Allerdings war keiner meiner Smokings perfekt genug für diesen Anlass.
Heute würde ich ein Bündnis mit einem Mädchen eingehen, welches ich gerade Mal eine Woche zu kennen vermag und die Panik, dass sie meinen wohldurchdachten Antrag ablehnen könnte, legte sie wie ein kalter Schweißfilm über meinen Körper.
Wenn sich diese Angst im Laufe des Tages noch mehr steigern würde und mit der zunehmenden Wärme der schwachen Frühlingssonne, würde ich meinen Anzug noch vor der großen Frage durchgeschwitzt haben.
Verdammt! Wieso konnte ich mich nicht einfach zusammenreißen? Wie pflegte es mein Vater, seit meiner Kindheit, zu sagen? Augen zu und durch! Ein König hat keine Bedürfnisse, sondern nur Pflichten, die er zu erfüllen hat!
Und meine Pflicht war es eben, Gwendolyn Montgomery zur Frau zu nehmen. Egal wie frech, tollpatschig und unsympathisch ich sie auch fand. Es war meine Pflicht sie zu heiraten.
Unwillkürlich schweiften meine Gedanken zu Gwendolyns jüngerer Schwester – Lynn.
Wie die vergangene Woche wohl mit ihr verlaufen wäre? Harmonischer? Bestimmt! Schon am Ball, bei unserem ersten und letzten Aufeinandertreffen konnte ich erkennen, dass dieses junge Mädchen viel mehr Manieren besaß, als Gwendolyn es jemals erlernen würde.
Lynn war höflich, zurückhaltend und äußerst attraktiv. Sie wäre die perfekte Ehefrau und eine wundervolle Königin geworden. Wenn das Schicksal etwas freundlicher und nachsichtiger mit mir gewesen wäre.
Aber was bekam ich stattdessen? Ein vorlautes Fräulein, welches mit ihrem hitzigen Temperament meine Mundwinkel nach oben wandern ließ. Ich hätte es schlimmer treffen können, dass wusste ich.
Ich hätte eine unattraktive, weniger gebildete und arrogante Tusse zur Frau bekommen können, welche mich niemals zum Lachen gebracht hätte.
Ich sollte einfach froh sein, dass ich Gwendolyn stattdessen erhalte. Trotz ihrer gewöhnungsbedürftigen Art, hatte ich sie irgendwie ins Herz geschlossen und ich verbrachte meine Freizeit sehr gerne mit ihr.
Sie war witzig und auf eine irrsinnige Art und Weise auch irgendwie charmant. Ein guter Fang eben.
Doch trotzdem stellte Lynn eine süße Versuchung dar, welche mich immer wieder daran erinnerte, dass ich es noch besser hätte treffen können, wenn Lynn zwei Jahre früher das Licht der Welt erblickt hätte.
Eine kleine Gunst des Schicksals mir Gegenüber und Gwendolyn wäre lediglich meine nervige Schwägerin geworden.
„Prinz Jayce?"
Die Bedienstete unterbrach meine wirren Gedanken, wofür ich ihr wirklich dankbar war.
Als ich meinen Blick ihr zuwandte, glitzerte Hoffnung in ihren gesprenkelten Augen. Diese Hoffnung musste ich leider in winzige Scherben schlagen. Als würde ich eine Figur aus Glas unbarmherzig auf den Boden knallen, damit sich die verschiedenen, zersplitterten Einzelteile auf dem kahlen Boden verteilten.
„Ich will noch einen anderen Anzug ausprobieren!"
Das hoffungsvolle Funkeln in den Augen der Angestellten verlosch.
Gwendolyn
„Verzeiht meine Ungeduld, Lilly. Aber dürfte ich den speziellen Anlass für dieses... Kleid erfahren?", fragte ich zögerlich und betrachtete unzufrieden mein Spiegelbild. Egal wer diesen Alptraum aus rosafarbenen Tüll in meinem Ankleidezimmer versteckt hatte, war ab sofort mein neuer Erzfeind!
Das konnte doch unmöglich Lillys Ernst sein, dass ich mich in diesem lächerlichen Prinzessinnenkleid irgendeiner Menschenseele präsentiere sollte. Lieber würde ich mir, wie ich es so gerne ausdrückte, die Kugel geben. Von mir aus auch eine schöne goldene Kugel, damit mein Selbstmord ja einen gewissen, adeligen Touch hatte. Immerhin wollte ich mit Stil aus dieser Welt gehen!
Doch bevor ich meine ‚Zofe' um eine Pistole und eine goldene Kugel bitten konnte, schnürte Lilly das Kleid zu und raubte mir den Atem.
„Korsetts sind schon lange Out, Lilly", keuchte ich und fasste mir an die Brust, wo ich einen meiner Lungenflügel vermutete. Den anderen hatte Lilly mit ihrer Zerrerei bestimmt zerquetscht.
Eine zukünftige Königin mit nur einem Lungenflügel. Bei der nächsten Feier würde ich also ersticken?
„Zu meinem Bedauern, Miss, darf ich Ihnen das nicht mitteilen", entgegnete Lilly verunsichert. Unsere Augen trafen sich im Spiegel und sofort senkte das schüchterne Mädchen den Kopf.
„Was? Das Korsetts nicht mehr In sind?", fragte ich verwirrt und schnappte erneut nach Luft, als Lilly dieses verfluchte, hässliche Kleid noch enger schnürte.
„Nein, den Anlass für dieses Kleid", kicherte Lilly leise und trat etwas zur Seite, damit ich meinen erbärmlichen Anblick in aller Ruhe genießen konnte.
Könnte ich einen Eimer bekommen? Von diesem Alptraum in Rosa regt sich etwas in mir – Der Würgereiz!
„Kann ich nicht ein anderes Kleid anziehen? Etwas, das mir gefällt?", flehte ich und warf einen letzten, verzweifelten Blick in den Spiegel, ehe ich mich zu dem Mädchen umwandte.
Lilly belächelte meine Bitte mit einer scheuen Miene und ließ ihre Augen langsam an dem grauenhaften Kleid hinabwandern.
„Es ist wirklich sehr... gewöhnungsbedürftig", gab sie leise zu und warf einen alarmierten Blick zu meiner Zimmertür, als würde sie befürchten, dass gleich ein paar uniformierten Wachen den Raum stürmten, um sie für ihre Ehrlichkeit zu bestrafen.
„Aber die Königin hat es persönlich ausgesucht", fügte sie zögernd hinzu und zuckte mitleidig mit den Schultern: „Sie würden sie nur erzürnen, wenn Sie sich für ein anderes Kleid entscheiden."
Königin Gail. Natürlich. Vermutlich hatte sie ihre beiden Töchter in deren Kindheit andauernd ich solche Gewänder gesteckt. Wie sexistisch. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Josey, in rosafarbenen Tüll gewickelt, glücklich war. Rose vielleicht, aber ihre Zwillingsschwester mit Sicherheit nicht! Dafür kannte ich das blonde Mädchen mittlerweile zu gut.
Eigentlich tickte Josey genauso wie ich. Sie war ein aufgewecktes und lebenslustiges Mädchen mit dem Unterschied, dass sie wusste, wie und wann sie sich zu benehmen hatte. Dafür könnte man sie wirklich beneiden.
„Also?"
Ungeduldig verlagerte Lilly ihr Gewicht von einem Fuß auf den Andern und blickte hektisch zu der Wanduhr im Zimmer, welche über der Tür befestigt war. Waren wir etwa in Eile?
Ich seufzte tief und warf mir nochmal einen, weniger motivierenden Blick, im Spiegel zu und zuckte ergeben mit den Schultern: „Mir bleibt wohl keine andere Wahl, oder?"
Lilly lächelte scheu und verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken, ehe sie knapp nickte.
„So schlimm sieht es auch nicht aus. Prinz Jayce wird es bestimmt gefallen!", meinte sie eifrig.
Na toll... Sollte mich das etwa aufmuntern? Okay. ES HAT NICHT FUNKTIONIERT!
Unruhig huschte ich vor der Glastür, welche auf das Grundstück des Schlosses hinausführte, hin und her. Der Versuch, meine gereizten Nerven durch gleichbleibende Bewegungen zu beruhigen, war alles andere als hilfreich. Nein, im Gegenteil! Mir wurde schwindlig davon und außerdem trieb dieser ganze Aufstand mein Herz dazu an, mein dickflüssiges Blut noch schneller durch meinen Körper zu pumpen, woraufhin meine Finger heftig zu zittern begannen.
Super, Gwen! Wirklich toll!
Nervös rollte ich mit meinen Augen und warf Lilly einen beunruhigten Blick zu, welche sich weigerte, mir die Tür zu öffnen, welche in den Garten führte.
„Es tut mir wirklich leid, Miss!", beteuerte sie erneut legte ihre Handflächen aneinander, als würde sie mich um Vergebung anflehen und gleich auf die Knie fallen, wenn ich sie weiterhin mit diesem Ausdruck in meinem Gesicht musterte.
„Aber mir wurde gesagt, ich solle Sie erst in den Garten führen, wenn ich die Erlaubnis dazu hätte."
„Jaja, ich weiß", knurrte ich gereizt und strich mir eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Unruhig tigerte ich weiterhin vor der Glastür auf und ab und spähte vorsichtig nach draußen.
Nichts. Nada. Niente!
Wenn ich selbst von hier aus nicht sehen konnte, was im Garten der Königsfamilie abging, wieso konnte mich Lilly dann nicht wenigstens an die frische Luft lassen? Mir kam es vor, als würde das Schloss einem Sauerstoffmangel unterliegen.
„Weißt du, was das alles soll, Lilly?", fragte ich das Mädchen und hielt plötzlich inne.
Langsam wanderten meine Augen zu dem schüchternen Ding.
Lilly war wirklich alles andere als Selbstbewusst und mit der richtigen Taktik, müsste ich ihr eigentlich das ein oder andere Geheimnis, welches sie der Feier wegen vor mir hütete, aus ihr herauskitzeln können. Aber wie sollte ich am Besten vorgehen?
Lilly war vielleicht schüchtern, aber keines Falls dumm. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass sie einen höher IQ besitzt als ich.
Was für eine ungerechte Welt.
Lilly war mir geistlich vielleicht überlegen, doch der Zwang der Gesellschaft ließ es nicht zu, dass sie ihre Macht auch ausnutzen konnte. Die Position, welche sie in der Hierarchie der Gesellschaft hatte, hatte sie zu dem Menschen geformt, welcher heute vor mir stand: Ein scheues und furchtbar unsicheres Mädchen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Lilly anders wäre, wenn sie als eine der Töchter von Königin Gail aufgewachsen wäre.
„Soviel ich weiß, Miss, plant Prinz Jayce eine Überraschung für sie", erwiderte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln und faltete förmlich ihre Hände im Schoß. Sie stand da, als wäre das, was sie gerade gesagt hat, nicht von großer Bedeutung.
Okay... Vielleicht war es das auch nicht, aber komischerweise ließ Lillys Satz mein heimtückisches Herz höherschlagen.
Ich konnte spüren, wie das hinterlistige Organ wieder fleißig Blut in meine Wangen pumpte und diese vermutlich wieder zu ihrer besten Tomaten-Imitation verfärbt waren.
Schnell senkte ich den Blick, damit Lilly den Farbwechsel in meinem Gesicht nicht erkennen konnte. Ich wollte nicht, dass sie falsche Bedeutungen in diese willkürliche Reaktion hineininterpretierte. Das wäre wirklich das Letzte, was ich jetzt im Moment gebrauchen könnte.
Forsch spähte ich zu Lilly hinüber, welche gerade auf die blinkende, kleine Armbanduhr blickte, welche um ihr zierliches Handgelenk geschlungen war.
„Wir können jetzt zu den Anderen gehen, Miss", informierte sie mich mit einem breiten Lächeln und trat zu mir an die Glastür, welche sie mit euphorischem Schwung öffnete.
Unsicher erwiderte ich ihr Lächeln und trat vorsichtig nach draußen.
Sofort warf sich das fahle Licht der Frühlingssonne auf mein lächerliches Kleid und der rosafarbene Tüll glitzerten in den ausfälligsten Farbtönen los. Es war, als wolle das Kleid bezwecken, dass dieses Möchtegern-Prinzessinnenkleid allen Leuten, welche mir über den Weg liefen, ins Gesicht sprang, um somit unzählige Würgereize auszulösen.
Ich unterdrückte einen leisen Seufzer und folgte Lilly über die Wiese.
Jayce
Mein nervöser Blick huschte über die grasgrüne Wiese, welche von ein paar geschmückten Tischen und Stühlen verziert wurde, auf der Suche, nach Fehlern, welche mir oder dem Personal unterlaufen sein könnten. Allerdings konnte ich nichts erkennen. Egal, wie sehr ich meine Augen auch zusammenkniff.
„Seid Ihr etwa nervös?"
Eine amüsierte Stimme hinter mir ließ mich zusammenfahren und ich wirbelte zu der Person herum, welche mich angesprochen hatte.
Vor mir stand eine Frau, welche ich als Gwendolyns Mutter identifizieren konnte. Neben ihr stand ein halbwüchsiger Bursche, welcher mich misstrauisch begutachtete.
„Wer wäre an meiner Stelle denn nicht nervös, Miss Montgomery?", entgegnete ich mit einem halbherzigen Lächeln und spähte unauffällig über ihre Schulter hinweg zum Schloss.
Vor ein paar Sekunden hatte Lilly die Erlaubnis erhalten, Gwendolyn zu uns zu führen. Sie müssten jeden Augenblick Dasein.
„Das ist wohl wahr", erwiderte Gwendolyns Mutter mit einem freundlichen Lachen, ehe sie ihren Blick auf den Jungen neben ihr senkte, welcher mich weiterhin mit düsterer Miene taxierte.
„Prinz Jayce, darf ich Ihnen meinen Sohn Chris vorstellen? Gwens Bruder."
Langsam fixierte ich den jungen Kerl mit meinen Augen und musste erstaunlicher Weise feststellen, dass er Gwendolyn unglaublich ähnlichsah. Wäre da nicht der offensichtliche Altersunterschied zwischen den Beiden, könnte man glatt behaupten, sie seien Zwillinge.
Die Geschwister sahen sich viel ähnlicher, als Rose und Josey es taten.
„Hallo, Chris", begrüßte ich den jungen Mann freundlich und hielt ihm meine Hand hin, welche er jedoch mit gerunzelter Stirn musterte, ehe sein Blick wieder dem Meinen begegnete. Er machte keine Anstalten meine Hand, für den allgemeinen Gruß, zu erfassen.
„Chris! Würdest wohl dem Thronfolger die Hand schütteln?!", zischte seine Mutter erzürnt und warf mir ein entschuldigendes Lächeln zu, welches ich gezwungener Maßen erwiderte.
„Ach, ist schon okay. Als ich in seinem Alter war, waren mir fremde Menschen aus suspekt", versuchte ich, die peinliche Situation etwas aufzulockern.
„Ich habe keine Angst vor Fremden. Ich mag Sie einfach nicht", meinte Chris plötzlich und huschte, bevor ihn seine Mutter fassen konnte, davon.
Bevor die Situation noch unangenehmer werden konnte, entdeckte ich endlich Gwendolyn hinter Miss Montgomerys Rücken und konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen.
Was zur Hölle hatte sie da an? War das ihr neues, offizielles Prinzessinnen-Outfit? Wusste sie etwa, dass ich mich heute mit ihr verloben wollte?
Panisch studierte ich ihr Gesicht, doch die entgleisten Gesichtszüge Gwendolyns, zeigten mir, dass sie völlig Überrumpel über die Anwesenheit ihrer Familie war.
Langsam taute das gefrorene Lächeln auf meinen Lippen wieder auf.
Gwendolyn
Ich konnte alle schon von Weitem erkennen. Wie sie sich unter den Obstbäumen tummelten, als wäre es ihr zweites Zuhause.
Chris, welcher ganz verzückt von den beiden Zwillingsschwestern war. Ich konnte seine staunenden Gesichtszüge nur belächeln. Bis jetzt hatte mein kleiner Bruder nur wenig Interesse an Mädchen gezeigt. Spätzünder, hatte ihn meine Mutter immer liebevoll genannt.
Und nun, kaum von Mamas Seite gewichen, starrte er Josey und Rose an, als wäre sie irgendwelche außerirdischen Wesen, welche Koieta mit ihrer Schönheit bereichern wollten.
Als zweites sprang mir Lynn ins Auge.
Sie stand etwas Abseits von dem ganzen Trubel und hielt sich aus den leisen Gesprächen raus, indem sie stumm auf einen der beigen Gartenstühle saß und das Gespräch zwischen meinem Vater und König Matthew lauschte.
Mein Vater, welcher neben dem Stuhl meiner Schwester thronte, hatte sich lässig den rechten Ärmel seines weißen Hemds nach oben geschoben und betrachtete sein Gegenüber lächelnd. Geradezu strahlend.
Eigentlich sollte allein dieser Anblick das Misstrauen in mir wecken, was er allerdings nicht tat. Erst als meine Mutter und Jayce mein Blickfeld erreichten, wurde ich stutzig.
Jayce entdeckte mich zu Erst und nur wenige Sekunden später, drehte sich auch meine Mutter zu mir um. Stolz lächelte sie mich an und streckte mir unauffällig den erhobenen Daumen zu.
Was hat das zu bedeuten?
Misstrauisch folgte ich Lilly, welche artig wie ein Hündchen, von mir herdackelte und erst anhielt, als sie die Anderen erreicht hatte.
„Was ist hier los?", fragte ich unsicher, ehe jemand anders den Mund öffnen konnte.
„Ach, Liebling! Ist das deine Art, deine Familie zu begrüßen? Hast du uns überhaupt vermisst?", fragte meine Mutter lachend und kam auf mich zu. Ihre Arme schlangen sich um meine Schultern und sie presste meinen Körper zu fest an sich, dass es mir den Atem raubte.
„Natürlich habe ich euch vermisst", keuchte ich und schnappte angestrengt nach Luft, ehe ich ihre Umarmung weniger enthusiastisch erwiderte: „Aber ich will trotzdem Wissen was los ist."
„Hey, Schwesterchen!"
Chris löste seinen Blick von den Zwillingen und stürmte zu mir, um mich mit kritischer Miene zu mustern: „Bist du in einen Farbtopf gefallen?", fragte er direkt und grinste mich unverschämt an.
Ich rollte mit den Augen. Fast schon hätte ich diesen Alptraum in Rosa vergessen, doch dank meinem charmanten und taktvollen Bruder, wusste ich wieder, in was für einem peinlichen Aufzug ich mich gerade vor meiner und Jayces Familie zeigte.
Augenblicklich strömte das Blut in meine Wangen und ich biss mir auf die Unterlippen, um mir einen bissigen Kommentar zu sparen.
Ich hatte Chris wirklich vermisst, egal wie nervig er auch sein konnte. Ich wollte unser Wiedersehen nicht mit einer heftigen Diskussion feiern, welche um alberne Prinzessinnenkleider ging.
„Sehr schön! Jetzt passt deine Hautfarbe zum Rest vom Stoff", neckte Chris mich mit funkelnden, gräulichen Augen. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
„Ich habe dich auch vermisst, Bruderherz", entgegnete ich kichernd.
Nun erhob sich auch Lynn von dem Gartenstuhl und kam mit einem breiten Lächeln auf mich zu, ehe sie mir um den Hals fiel: „Gott, wie ich dich vermisst habe", meinte sie belustigt und lachte ihr leises Engellachen, welches schon alle in unserer Familie verzaubert hatte.
Sie drückte mich ein letztes Mal fest an sich, ehe sie sich wieder löste, mich aber an den Schultern festhielt und verschwörerisch die Stimme senkte: „Du hast ja keine Ahnung, wie schlimm es ohne dich ist! Ich bin mit diesem Widerling ganz alleine!"
Mit einer theatralischen Geste deutete sie auf Chris, welcher mit einem breiten Grinsen im Gesicht neben uns stand und meiner Schwester die Zunge herausstreckte.
„Jetzt habe ich auch Zeit, mein Talent nur mehr einem Opfer zu widmen", meinte er mit einem süffisanten Lächeln.
„Talent? Welches Talent denn?", entgegnete ich und Lynn nickte zustimmend.
„Shhhh, Kinder! Ich freue mich, dass ihr euch so sehr vermisst habt, aber es gibt einen wichtigeren Grund für unseren Besuch", mischte sich nun meine Mutter ein und zog mich und Lynn sanft auseinander, woraufhin ich fragend eine Braue hob. Doch Lynn winkte lediglich ab und zog sich, zusammen mit Chris und Mama zu den Gartenstühlen zurück.
Nun war nur noch Jayce neben mir, welcher mich mit einem nervösen Lächeln auf den Lippen musterte.
„Was ist denn der wichtige Grund?", fragte ich ihn ahnungslos und runzelte nachdenklich die Stirn. Warum wusste scheinbar jeder von diesem Treffen Bescheid, nur ich nicht? War ich es nicht Wert, in etwas eingeweiht zu werden?
Unbehaglich trat Jayce von einem Fuß auf den Anderen und fuhr sich mit einem leisen Seufzer durch die Haare, ehe er seiner Familie kurz zu nickte.
In dem Moment erklang laute, klassische Musik, welche mit ihrer sanften Melodie den ganzen Garten betörte. Ein kleiner Windhauch kam auf und ließ die Obstbäume zur den verschiedenen Tönen tanzen.
Verwirrt huschte mein Blick zu Jayce, welcher tief einatmete und dann vor mir auf die Knie sank.
Was zum....?
Blondschopf hob den Blick und sah mich aus seinen meerblauen Augen an. Der Blauton glitzerte im fahlen Schein der Sonne und ich fühlte mich wieder in ihnen gefangen. Als wäre ich eine hilflose Nussschale, welche von den sanften Wellen, welche in Jayces Augen tobten, hin und her geschleudert wurde. Unwillkürlich klappte mir der Mund auf. Langsam verstand ich, was hier vor sich ging.
„Gwendolyn Montgomery. Würden Sie mir die Ehre erweisen und mich zu Ihrem Mann nehmen?"
Jayces Stimme zitterte. Sie war nicht mit dem üblichen Selbstbewusstsein gefüllt und auch das großspurige Lächeln blieb aus.
Jayce sah so... unsicher aus. Wie er hier abwartend vor mit kniete und mit einem hoffnungsvollen Funkeln in den Augen zu mir aufsah, als würde er das Ganze hier wollen. Als wäre dieser Antrag nicht die Erfüllung eines Deals. Als hätten meine Großmutter und sein Großvater uns nicht aneinander versprochen. Als würde er sich wirklich wünschen, dass ich ‚Ja' sagen würde.
Unwillkürlich ließ dieser Anblick mein Herz höherschlagen und ein angenehmes Kribbeln durchflutete meinen Körper.
Langsam ließ ich meinen Blick zu meiner Familie schweifen.
Zu meiner Mutter, welche ihre Handflächen voller Vorfreude und Stolz aneinandergepresst hielt und mir aufmunternd zulächelte.
Zu meinem Vater, welcher in üblich väterlicher Manier, Jayce düster musterte, diese Miene allerdings durch ein makelloses Lächeln austauschte, als er meinen Blick auf sich spürte.
Zu Lynn, welche die Szene mit einem gequälten Lächeln beobachtete und zu Chris, welcher Jayce finster anstarrte.
Und Blondschopfs Familie?
Königin Gail beobachtete alles mit verzogenem Gesichtsausdruck und wandte verächtlich den Blick ab, während ihre Töchter aufgeregt kicherten.
König Matthew billigte die ganze Situation mit einem zufriedenen Lächeln und zum ersten Mal, seit meiner Anwesenheit hier im Schloss, schenkte er seinem Sohn ein stolzes Lächeln. Ein Lächeln, welches er ihm eigentlich jeden Tag widmen sollte.
Und als ich dieses Lächeln sah, wusste ich, was ich Jayce antworten würde. Und zwar nicht, weil es meine Pflicht war, ihn zum Mann zu nehmen, sondern weil ich ihm helfen wollte.
Mir ist schon oft aufgefallen, wie sehr er unter der Missgunst seines Vaters zu Leiden hatte und wie oft er sich wünschte, das eine seiner lobenden Gesten ihm gewidmet war und nicht seinen kleinen Schwestern.
Ich fixierte wieder Jayce und ein Lächeln erreichte meine Lippen. Ein ehrliches.
„Ja, sehr gerne!"
In dem Moment brachen unzählige Tauben aus den umliegenden Bäumen und flatterten mit lauten Gurren in den Himmel.
Blütenblätter lösten sich von den Wipfeln und sanken auf uns herab. Bedeckten meine und Jayces Haare mit ihrem wundervollen Duft.
Und mittendrin glitzerte ein wunderschöner Kristall auf dem silbernen Ring, welchen Jayce mir in einem schwarzen Kästchen entgegen reckte.
Es war ein Hochzeitsantrag, den ich mir immer gewünscht hatte. Als wäre er aus einem Märchenbuch entnommen worden.
Ich konnte mir nichts vorstellen, was den Moment noch besser gestalten konnte. Außer... Außer das der Antrag von einem Mann kommen würde, den ich aufrichtig und ehrlich liebte.
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Tut mir leid für den extrem kitschigen Antrag, aber ich konnte es mir einfach nicht verkneifen :D
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