United Airlines Flug 232
Am 19. Juli 1989 ist eine DC-10 von United Airlines mit 296 Insassen unterwegs von Denver nach Philadelphia. Es ist heller Tag, mit klarem Himmel und die Aussichten sind gut. Die Cockpitbesatzung besteht aus Kapitän Alfred Haynes, Kopilot Bill Records und Flugingenieur Dudley Dvorak.
Sie befanden sich auf Reiseflughöhe und hatten ungefähr die halbe Strecke zu ihrer Zwischenlandung in Chicago zurückgelegt. An diesem Tag war Kindertag bei United Airlines, was bedeutete, dass Kinder viel günstiger fliegen konnten als sonst, weshalb sich 52 Kinder an Bord befanden.
Ein Passagier, der mitflog, war United Airlines Pilot und DC-10 Fluglehrer Dennis 'Denny' Fitch.
Auf einmal explodierte Triebwerk Nummer 2 und das Flugzeug kippte nach rechts ab. Triebwerk 2 ist das Triebwerk im Heck. Das Triebwerk war explodiert, weil es bei der Produktion zu einem Fehler gekommen war. Bei der Herstellung waren Stoffe in das Titan gelangt, die das Material schwächten und über 17 Jahre bildete sich ein mikroskopischer Riss, der schlussendlich das Triebwerk zerstörte. Als die Piloten erkannten, welches Triebwerk defekt war, deaktivierten sie es, doch das Flugzeug kippte weiter nach rechts. Der Grund dafür war, dass Trümmer vom Triebwerk das rechte Höhenruder beschädigt hatten.
Bill Records, der zu diesem Zeitpunkt steuerte, bemerkte, dass das Flugzeug nicht auf seine Steuereinstellungen reagierte, als er die Fluglage mit dem Steuerknüppel ausrichten wollte. Kapitän Haynes übernahm und schlug den Steuerknüppel komplett auf die Seite, aber das Flugzeug reagierte immer noch nicht. Der Grund dafür war ein kompletter Hydraulikverlust. Mit der Hydraulik werden die Steuerelemente bewegt und so wird das Flugzeug gesteuert. Die Hydraulik ist Flüssigkeit, die in Schläuchen zu allen wichtigen Steuerelementen führt. Als Triebwerk 2 explodierte, wurden alle drei Hydrauliksysteme zerstört, was eigentlich völlig unmöglich sein sollte. Doch in diesem Fall ist es passiert und die gesamte Steuerung fiel aus.
Um zu zeigen, wie hoffnungslos die Lage war, nenne ich einige ähnliche Unglücke, die mit Hydraulikverlust zu tun hatten. Japan Airlines Flug 123 erlitt einen kompletten Hydraulikverlust und wurde unkontrollierbar. Die Boeing 747 stürzte in einen Berg und 520 Menschen starben. Es ist bis heute das schlimmste Flugzeugunglück, an dem nur eine Maschine beteiligt war. Nur vier Menschen überlebten. Dies war vier Jahre vor United 232 passiert.
Turkish Airlines Flug 981, eine DC-10 erleidet wegen einer defekten Frachtraumtür einen Druckverlust, der die Hydraulikverbindungen in das Heck zerstört. Das Flugzeug geht in einen Sturzflug und alle 346 Insassen sterben.
Beim ersten Flug von Operation Babylift, während dem Vietnamkrieg, bei dem Amerikaner vietnamesische Kinder aus der Gefahrenzone evakuieren wollen, fallen die Hydrauliksysteme für Höhen- und Seitenruder aus und das Flugzeug macht eine Bruchlandung, bei der 155 Menschen, vorwiegend die Kinder, die man evakuieren wollte, ums Leben kommen.
Ein kompletter Hydraulikverlust ist möglicherweise eine der schlimmsten Notfallsituationen, in die ein Flugzeug kommen kann. Dies konkurriert meiner Meinung nach mit einem Feuer im Flugzeug um den ersten Platz von schlimmsten Notfällen.
United 232 war unkontrollierbar und kippte immer weiter zur Seite. Das einzige, dass sie noch zur Steuerung benutzen könnten, waren die beiden Triebwerke in den Tragflächen. Man benutzte Triebwerke normalerweise nicht dazu, aber die Piloten hatten keine Wahl und waren gezwungen, die Triebwerke mit enormen Fingerspitzengefühl zu bewegen. Sie reduzierten den Schub im linken Triebwerk und erhöhten den Schub im Rechten. Das Flugzeug stabilisierte sich wieder, ging allerdings in einen Sinkflug.
Mit einem fehlenden Triebwerk und ohne Steuerung ging das Flugzeug selbstständig in den Sinkflug. Als die Piloten den Schub erhöhten, wurde das Flugzeug schneller und begann zu steigen, weshalb es wieder langsamer wurde und wieder zu sinken begann. Diese Prozedur wiederholte sich wieder und wieder, wobei das Flugzeug immer weiter an Höhe verlor.
Die Piloten entschlossen sich zu einer Notlandung in Sioux City. Der Flughafen befand sich links von ihnen, aber da das beschädigte Flugzeug einen rechtsdrall hatte, flogen sie einen grösseren Bogen nach rechts.
Dennis Fitch bot seine Hilfe an, als er von einer Flugbegleiterin von den gravierenden Schäden des Flugzeuges erfuhr. Al Haynes beschloss, ihn helfen zu lassen und brachte Fitch ins Cockpit. Dies wurde grösstenteils nur durch die Kollision von Teneriffa 1977 ermöglicht. Wegen diesem Unfall und durch einige andere, in denen der Kapitän zu viel Kontrolle über die Maschine hatte und nicht auf die anderen Cockpitmitglieder hörte, war das Crew Resource Managment eingeführt worden, mit dem die Piloten dazu gebracht wurden, besser zusammenzuarbeiten. Hätte dieses System nicht existiert, hätte ein Pilot solche Hilfe möglicherweise abgelehnt.
Dennis Fitch war zwar ein erfahrener Pilot, aber auch er wusste in dieser Situation nicht weiterzuhelfen. Er sagte später aus, dass er wegen dem Unglück von Japan Airlines 123 manchmal im Flugsimulator geübt hatte, nur mit den Triebwerken zu steuern, was ihm ein wenig geholfen hätte.
Dann machte Kapitän Haynes die wichtigste Entscheidung des Fluges. Er beschloss, Dennis Fitch, eine Person, die er überhaupt nicht kannte, an die Schubhebel zu lassen. Wieso? Dennis befand sich zwischen ihm und Records, die beide jeweils einen Schubhebel bedienten. Fitch befand sich in der perfekten Position, um beide Schubhebel gut erreichen zu können. Somit bekam diese wildfremde Person die Kontrolle über das gesamte Flugzeug.
Sie schafften es, sich Sioux City zu näher, doch die Landung würde so gut wie unmöglich werden. Sie hatten keine Hydraulik, also auch keine Landeklappen, die dafür sorgen würden, dass sie mit weniger Geschwindigkeit immer noch genug Auftrieb hätten. Sie müssten mit einer Geschwindigkeit landen, die eine sichere Landung praktisch ausschloss. Ausserdem besassen sie kaum über Bremsmöglichkeiten und es gab keine Garantie, dass sie nicht über die Landebahn schiessen würden.
Die vier Bestzungsmitglieder im Cockpit versuchten mit der Situation zurechtzukommen, in dem sie miteinander redeten. So lud Fitch die anderen unter anderem zu einem Bier ein, wenn die Sache vorbei wäre, sie stellten sich einander vor und als sie die Landeerlaubnis für die Landebahn erhielten, witzelte Haynes, dass sie 'sogar' eine Landebahn bekämen.
Allerdings flogen sie auf die falsche Landebahn zu. Die Landebahn war seit einiger Zeit ausser Betrieb, kürzer als die geplante und die Rettungskräfte befanden sich darauf. Sie wurde sehr schnell geräumt. Am Ende der Landebahn würde sich allerdings ein grosses Feld befinden, als würde die Länge nicht so ein grosses Problem sein. Für das Fahrwerk benötigte man zwar normalerweise auch Hydraulik, aber sie konnten die Fahrwerksklappen manuell öffnen und das Fahrwerk fiel wegen dem eigenen Gewicht selbstständig in die Landeposition.
Es gab auch einige sehr glückliche Faktoren, die bei der Notlandung helfen würden. Es herrschte sehr gute Sicht, die Notlandung würde bei einem Schichtwechsel in den Krankenhäusern stattfinden, weshalb mehr Personal verfügbar wäre und die Nationalgarde befand sich gerade an diesem Tag für ein Training beim Flughafen. Diese hatten ausserdem mit den Rettungsstreitkräften zwei Jahre zuvor eine Rettungsaktion eines grossen Flugzeuges auf genau dieser Landebahn geübt, besser konnten sie kaum vorbereitet sein.
Und sie hatten mehr als genug Zeit, um sich auf das ankommende Flugzeug vorzubereiten.
Kapitän Haynes machte eine Kabinendurchsage, bei der er so ehrlich wie möglich war. Er sagte, dass sie so viel Kontrolle hätten, wie momentan möglich, dass die Situation äusserst kritisch sei und dass die Piloten ihr Bestes geben würden, um sie zu retten.
Als sie die Landebahn beinahe erreicht hatten, flogen sie mit beinahe 400 km/h, während sie normalerweise mit 230-260 km/h landen würden. Sie hatten das Flugzeug unter unmöglichen Umständen bis zur Landebahn geschafft. Doch 30 Meter über dem Boden verliess sie ihr Glück. Das Flugzeug kippte in diesen letzten Momenten nach rechts ab und kam mit der Tragfläche zuerst auf der Landebahn auf. Das Flugzeug überschlug sich mit enomer Geschwindigkeit, brach auseinander und explodierte.
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Die Rettungskräfte rechneten nicht damit, dass irgendjemand diesen Absturz überlebt hatte. Doch sie hatten unrecht. Von den 296 Insassen hatten beinahe zwei Drittel überlebt. 111 Personen kamen ums Leben unter ihnen 11 Kinder, 185 überlebten. Eine Person kam mehrere Monate später wegen den Verletzungen ums Leben, was manchmal mitgezählt wird, manchmal nicht, also werden auch 112 Tote und 184 Überlebende genannt.
Das Cockpit wurde für eine Weile vermisst, bis es in einem Kornfeld gefunden wurde. Alle vier Piloten hatten überlebt.
Dies ist eine der unglaublichsten Flugzeugkatastrophen, die jemals geschehen ist. Kompletter Steuerverlust auf Reiseflughöhe und die Piloten haben es trotzdem bis zur Landebahn geschafft und konnten die meisten Insassen retten.
Testpiloten versuchten, den Unfall im Simulator nachzustellen. Bei einem der Test schaffte es keiner der Piloten, näher als 10 Meilen an den Flughafen heranzukommen. Bei einem anderen Test, der vom Chefpilot von United Airlines und dem Testpiloten von MCDonnel Douglas geflogen wurde, scheiterten die Piloten 28 mal, bis sie Dennis Fitch selbst um Rat fragen mussten, woraufhin sie es beim 29. Versuch schafften, zur Landebahn zu kommen, auch wenn sie dann ebenfalls eine Bruchlandung hinlegten. Sie waren sehr beeindruckt davon, dass diese bei einem Versuch schafften, wofür sie 29 gebraucht hatten.
Sully und Skiles sind zwar sehr beeindruckende Piloten, mit dem, was sie bei der Landung im Hudson gemacht haben, aber wenn ich eine Cockpit-Besatzung auswählen müsste, die das Flugzeug steuert, in dem ich mich befinde und dass in eine Notfallsituation kommen wird, würde ich ohne zu zögern die Besatzung von United 232 wählen. Was sie geleistet haben, stellt US-Airways 1549 meiner Meinung nach weit in den Schatten.
Was mir wirklich gefällt, sind die Parallelen zwischen Haynes und Sully. Beide werden als Helden bezeichnet und streiten dies ab. Sully sagt immer, es sei eine Teamarbeit zwischen ihm, Skiles und den Flugbegleitern gewesen.
Haynes sagte, es sei eine Gruppe von vier Personen gewesen, die ihren Job erledigt haben. Er sagte er, die Ehre, Helden genannt zu werden, gehöre den Flugbegleitern, die nicht genug Aufmerksamkeit bekommen würen.
Ich empfehle euch wirklich die Dokumentation 'Errol Morris' Leaving the earth - Denny Fitch. Full feature.' Sie ist grossartig und Dennis Fitch erklärt in allen Details, was er an diesem Tag erlebt hat.
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Ruht in Frieden Dennis Fitch und Alfred Haynes. Ihr seid die beeindruckendsten Piloten, von denen ich jemals gehört habe. Und auch wenn ihr die Landebahn nicht ganz getroffen habt, ihr seid dennoch Helden.
19.07.20
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