Belagerung von Québec
Amherst hatte Louisbourg erfolgreich erobert und so den Weg nach Québec geebnet. Jetzt musste man nur noch die Person finden, die das Kommando über diese Operation übernehmen würde. Diese Person war schnell gefunden. Einer von Amhersts Brigadiere. James Wolfe. Der grosse Gegenspieler von Montcalm, was diesen Kriegsschauplatz für mich in einen legendären Status emporhebt.
(James Wolfe)
Zurück in England wird dieser, nach seinem Einsatz bei Louisbourg, zum General befördert und wird mit 32 Jahren zum jüngsten General der britischen Armee. Wolfe ist eine eher kontroverse Person. So galt er unter anderem als impulsiv, litt vermutlich an Tuberkulose, eine damals tödliche Krankheit und wurde von vielen als wahnsinnig angesehen.
Eine Person sagte zum König: "Was, sie haben Wolfe befördert? Der ist doch verrückt!", woraufhin der König erwiderte: "So, verrückt sagen sie? Dann hoffe ich mal, dass er ein paar meiner Generäle beisst. Der Mann erzielt wenigstens Ergebnisse."
Allerdings erfreute sich Wolfe grosser Beliebtheit bei seinen Truppen. Er war bei Louisbourg immer ganz Vorne dabei gewesen, selbst bei starkem Beschuss, setzte sich dem gleichen Stress aus, wie seine Untergebenen und schonte sich selbst trotz seinem schlechten Gesundheitszustand nicht.
Bevor er nach Québec aufbrach, verlobte er sich mit Katherine Lowther, die er bei seiner Rückkehr heiraten wollte. Sie gab ihm ein Portrait von sich und eine Haarlocke als Erinnerungsstück mit. Eine blühende Zukunft stand ihm bevor.
Wegen all diesen Dingen und weiteren, die noch folgen werden, ist Wolfe für mich einer meiner Lieblingsbefehlshaber, die es in der Kriegsgeschichte gab.
Wolfe kommandierte eine Armee von 8'500 Soldaten, die begleitet von 49 Kriegsschiffen (fast ein Viertel der Royal Navy) nach Québec vorstossen und die Stadt einnehmen sollten. Ausserdem waren anscheinend 13'500 Marinesoldaten oder so etwas auch dabei, aber ich bin mir bei diesen Angaben etwas unsicher, da sie sonst nie wirklich erwähnt werden und ich mich frage, ob sie überhaupt etwas getan haben, falls sie dort waren. Ausserdem lautete eine Angabe, es würde sich bei diesen 13'500 Mann um die Besatzungsmitglieder der Kriegsschiffe handeln, wovon ich eher ausgehe, aber vielleicht waren sie doch Marinesoldaten, die einfach anders involviert waren. In mehreren Artikeln und einer Dokumentation über die Belagerung wurden diese Truppen nie erwähnt, weshalb ich deshalb eher unsicher bin.
Montcalm hatte Bougainville nach Frankreich geschickt, um Verstärkung anzufordern. Als dieser zurückkehrte, musste Montcalm leider erfahren, dass statt den 4'000 angeforderten Soldaten, nur 400 entsendet werden würden und diese würden allesamt von der Royal Navy abgefangen werden. In Québec verfügte Montcalm über 4'000 reguläre Soldaten und insgesamt 15'000 Milizen, da alle Einwohner von 16 bis 60 Jahren wehrpflichtig waren und ein Gewehr in die Hand gedrückt bekommen hatten. Montcalm bemerkte spöttisch, die Hälfte der Milizionäre seien Greise oder Kinder. Diese wurden über eine länge von über 9 Kilometern am nördlichen Flussufer verteilt oder konnten nicht rechtzeitig vom Südufer evakuiert werden und mussten in die Wälder flüchten, als die Briten auftauchten und mussten sich dann grossteils ergeben. Zahlreiche der Milizen würden gegen Herbst für die Ernte abgezogen werden müssen.
Trotzdem waren die Franzosen guter Dinge. Im Queen Anne's War 1711 hatten die Briten bereits eine Expedition nach Québec versucht und hatten im St. Lorenz-Strom 890 Mann verloren. Der St. Lorenz-Strom selbst war eine der besten Verteidigungsstellungen, die den Engländern im Weg stand. Besonders bei der Stelle, bei der der Fluss durch die Île d'Orléans in zwei geteilt wurde und sich verengte. Der nördliche Teil war komplett unbefahrbar und der südliche Teil war sehr herausfordernd. Die Franzosen hatten ausserdem sämtliche Bojen entfernt, um die Navigation zusätzlich zu erschweren.
Aber die Briten sind nicht ohne Grund einige der besten Seefahrer der Welt und navigierten mit Hilfe von James Cook ohne grosse Probleme hindurch, bis nach Québec, wo sie am 24. Juni 1759 auftauchten. Montcalm, dem versichert worden war, dass dies unmöglich war, stiess erzürnt aus: "Unsere besten Matrosen und Kapitäne sind Lügner und Stümper!"
(Québec befindet sich an der unteren Spitze des Nordufers rechts. Die Bucht rechts davon ist Beauport. Die Landspitze rechts ist die Île d'Orléan und unten ist das Südufer.)
Die Briten landeten auf der Île d'Orléan und am Südufer des Flusses. Falls tatsächlich Marinesoldaten dabei und involviert waren, dann haben sie vermutlich einfach diese Positionen besetzt und die Eroberung Wolfe und seinen Truppen überlassen, da ich mir sonst keinen Reim machen kann, was sie sonst hätten tun sollen. Das Nordufer war ziemlich gut durch Klippen und Befestigungen abgesichert. Wolfe hatte bei Beauport landen wollen, aber diese Stelle war von Montcalm verschanzt worden. In der ersten Nacht, liessen die Franzosen einige mit Sprengstoff beladenen Boote den Fluss herabtreiben, um die britischen Schiffe in Brand zu setzen, aber die Sprengladungen wurden zu früh ausgelöst und die Briten konnten die brennenden Schiffe mit kleineren Booten und Enterhaken von der Flotte fernhalten. Montcalm kommentierte dies damit, dass es das teuerste Feuerwerk war, dass er jemals hatte sehen dürfen.
Wolfe liess das Südufer befestigen und Artillerie heranschaffen, das er auf Québec richten liess. Eine weitere Fehleinschätzung der Franzosen hatte dazu geführt, dass sie nicht glaubten, dass man vom Südufer aus mit Kanonen Québec erreichen konnte. Als die Briten das Feuer eröffneten, stellte sich schnell heraus, dass diese Annahme falsch gewesen war und die Stadt wurde daraufhin für den Rest der Belagerung fast ununterbrochen beschossen. Ein Soldat sagte im August, dass sie bereits dreimal so viel Munition verschossen hätten, wie bei Louisbourg.
Die Bombardierung von Québec wird immer wieder als Kritikpunkt von Wolfe genannt, aber der Grossteil der Zivilbevölkerung war bereits vorher evakuiert worden und Québec war, wie Louisbourg, eine Festungsstadt und bei Louisbourg hatte sich niemand wegen der Bombardierung beschwert. Wolfe wollte die Bombardierung hauptsächlich dafür benutzen, um die Franzosen zu demoralisieren und Montcalm zu einer Reaktion zu zwingen, da Wolfe nur schlecht einfach mit seiner Armee in eine befestigte Stadt hineinmarschieren konnte.
Montcalm machte natürlich gar nichts. Das einzige, dass er tun musste, war, die Briten daran zu hindern, am Nordufer zu landen und bis Herbst durchzuhalten, da der St. Lorenz-Strom dann zufrieren würde und die Briten die Belagerung abbrechen müssten.
Wolfe hatte währenddessen überhaupt keine gute Zeit. Sein gesundheitlicher Zustand verschlimmerte sich. Er hatte eine Krankheit, bei der sich Kristalle in der Blase bildeten, was grosse Schmerzen verursachte und dann erwischte ihn auch noch ein kräftiges Fieber, was ihn ans Bett fesselte.
Ausserdem hatte er grosse Probleme mit seinen drei Brigadieren, Robert Monckton, George Townshend und James Murray. Diese waren Aristokraten, während er selbst 'lediglich' aus der gehobenen Mittelschicht kam und sie konnten ihn deshalb nicht ausstehen. Die grössten Probleme verursachte Townshend, der Künstler war und Karikaturen von Wolfe unter den Truppen verteilte, um ihn zu erniedrigen und sich über ihn lustig zu machen, was Wolfe einmal zum Kommentar hinreissen liess: "Meine Brigadiere, zwei Feiglinge und ein Schuft"
Mangels anderer Optionen versuchte Wolfe trotzdem einen Angriff auf Beauport, der allerdings mit 210 Toten und 230 Verwundeten endete. Als Konsequenz dieser Niederlage und damit seine Truppen etwas zu tun hatten, befahl Wolfe, sämtliche Dörfer und Häuser auf der Südseite des Flusses in Brand zu setzen, um den Franzosen klar zu machen, dass er weitermachen würde und damit Montcalm vielleicht diesmal reagieren würde. Das ist ein weiterer Kritikpunkt, aber Wolfe hatte ausserdem den eindeutigen Befehl gegeben, dass jeder Soldat, der einer Frau oder einem Kind etwas antut, erschossen wird. Er wollte kein Massacker anrichten. Er wollte dafür sorgen, dass die Bewohner der Umgebung im Winter eine schwere Zeit haben würden, falls die Briten die Belagerung abbrechen müssten.
Wolfe hatte kaum andere Optionen. Er konnte seine Truppen nicht einfach tatenlos herumsitzen lassen. Seine drei Brigadiere machten so schon genug Probleme, da brauchte er definitiv nicht noch mehr von ihnen zu wissen. Wenn er überhaupt nichts getan hätte, wären sie nach einer Weile vielleicht komplett ungehorsam geworden. Montcalm wartete immer noch ruhig in Québec den Winter ab. Mit den Verbrennungen der Häuser und Dörfer könnte er diesen provozieren oder zumindest an dessen Kräften zehren, was ihm auch gelang. Montcalm konnte es nicht wirklich aushalten, dass er ständig beschossen wurde, ohne antworten zu können und zusehen zu müssen, wie die Briten insgesamten 1'400 Häuser abfackelten, ohne helfen zu können. Er konnte zwar durchhalten, aber seine Nerven litten darunter. Er konnte kaum noch schlafen und wurde gereizter. Er wollte irgendwie reagieren, konnte es aber nicht.
Admiral Saunders, der die britische Flotte kommandierte, schaffte es, im Schutze der Nacht und bei schlechter Sicht, mehrere seiner Schiffe weiter Flussaufwärts zu entsenden. Seine Schiffe gelangten bis nach Cap Rouge, was Montcalm zwang, seine Armee aufzuteilen, damit er diese Position bei einer möglichen Landung ebenfalls verteidigen konnte, was die Verteidigung an anderen Orten schwächte. Montcalm entsandte Bougainville mit 2'000 der regulären Truppen nach Cap Rouge und behielt die andere Hälfte bei sich in Québec.
Es wurde langsam September und Wolfe gingen die Optionen aus. Würde er Québec nicht bald einnehmen können, müsste er die Belagerung abbrechen und hätte versagt. Er musste noch einen Versuch wagen. Und mit drei Brigadieren, die ihn überhaupt nicht mochten, musste er es in diesem Versuch schaffen, falls er nicht komplett die Kontrolle über diese Idioten verlieren wollte. Der Druck war gross und die Planung für den zweiten Angriff begann...
Fortsetzung folgt
06.09.20
General Wolfe, einer der grössten Generäle der britischen Geschichte und seine eigenen Untergebenen machte sich mit Karikaturen über ihn lustig. Geschichte ist doch immer wieder ein sehr eigenartiges Fach. Das grosse Finale dieser Geschichtsserie steht bevor. Ich kann es kaum erwarten, auch wenn ich mich nicht nur darauf freue.
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