Kapitel 48
Schon als ich mit Lauren die sogenannte "Operation Wildfire" plane, wird mir bewusst, dass ich für längere Zeit hier in Stevens Point bleiben muss.
Da es nicht wirklich absehbar ist, wie lange ich bleiben werde, schreibe ich Sophie und frage sie, ob sie mir ein paar Dinge aus meiner Wohnung in New York zusammenpacken kann, um sie mir nach Wisconsin liefern zu lassen.
Und sollte sie jemanden kennen, der zum Übergang eine Bleibe braucht, darf sie diese gerne anbieten – meine Miete zahlt sich leider nicht von alleine.
Da ihr Freund an einer Uni arbeitet, kennt er sicher ein paar Studenten, die eine Kurzzeitbleibe suchen.
Außerdem würde Sophie auch Carl in der Bibliothek so lange unter die Arme greifen, bis ich wieder da bin. Auch wenn er meint, er würde das alleine schaffen – er ist nicht mehr der Jüngste und soll die Zeit, die er mit seiner Inga hat, noch in Ruhe und nicht abgearbeitet genießen.
»Ich habe dank der damaligen Artikel und dem nicht vorhandenen Datenschutz im Verlag alle Namen und Nummern der Frauen, die nach dir mit Owen zusammen waren und sich bei der Zeitung gemeldet hatten!« grinst Lauren mich verschwörerisch an.
»Hast du sie schon kontaktiert?« frage ich neugierig, während ich mein Handy wieder zurück auf seinen Platz lege.
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, das haben in den letzten Jahren immer mal wieder Kollegen probiert, aber sie verweigern ihre Aussagen oder erzählen irgendwelche Geschichten, wieso sie gelogen haben. Eifersucht oder um ihm eins auszuwischen.«
Sie seufzt schwer und zieht eine dünne Aktentasche aus dem grauen Karton der vor uns auf dem weißen, kleinen Wohnzimmertisch steht.
»Ich wusste, dass erst, wenn ich Paula gewinne, es etwas werden könnte – und jetzt bist auch noch du im Boot. Zwei Frauen, die keine Angst haben ... Vivi, jetzt heißt es hoffen, dass ihr sie genauso inspiriert, wie ihr euch gegenseitig motiviert habt.«
Ich nicke und verstehe, was sie meint, als ich die Akte an mich nehme und die Namen der anderen Frauen überfliege.
Kein Name von ihnen sagt mir etwas, also gingen sie entweder nicht auf unsere Schule oder unsere Klassen hatten nichts miteinander zu tun.
Die Geschichten ähneln sich.
Am Anfang war Owen der sanfte Typ. Erschafft Träume einer Zukunft. Ein Traummann mit besten Ambitionen.
Sie zogen schnell zusammen, sprachen über Familienplanung und Traumhochzeiten – und wenn plötzlich etwas nicht nach dem Schema lief, wurde er immer ungehaltener.
Amy wollte die Freundschaft zu ihrem besten Freund nicht beenden, er unterstellte ihr Betrug und irgendwann ist er ausgerastet.
Bianca hatte nach der Arbeit nicht immer Zeit und Lust zu kochen? Er sah rot.
Polly war unglücklich, weil er so viel gearbeitet hat und nur über die Arbeit sprach. Sie wollte sich trennen – aber von Owen trennt man sich nicht.
Sandra hat ihm irgendwann eröffnet, dass sie noch keine Kinder möchte. Das war ihm egal, und er hat ihre Pille verschwinden lassen oder die Kondome präpariert und sie zum Sex genötigt. Sie hat sich getrennt, als sie schwanger wurde, und einen Abbruch vorgenommen hat.
Und dann war da Lynn.
Lynn ist ein paar Jahre älter als Owen und ich. Sie war unsere Nachbarin und hat mich im Flur zwar mitleidig angeschaut – wahrscheinlich hat sie uns gehört, ich weiß es nicht – geholfen hat sie mir nicht, aber mit ihm geflirtet, auch in meinem Beisein.
Es gibt keine Informationen, wie ihre Beziehung gelaufen ist.
Laurens rot lackierter Fingernagel landet auf Pollys Namen. »Ich denke, wir sollten bei ihr anfangen. Sie wirkt taff.«
Und so gehen wir die weiteren Akten durch, stellen fest, dass nicht nur Owens Partnerinnen von seinem Vater in den Schatten geschickt worden sind, sondern auch Strafzettel und andere kleine Vergehen, die einem ordentlichen Vorstadtpapa mit Stadtratsambitionen im Weg stehen könnten – zum Beispiel, dass er es nicht immer mit der Treue hat, vor allem während Mary mit seinen Söhnen schwanger gewesen ist.
Die Damen wurden von ihm gut für ihre Dienste bezahlt und von seinem Vater noch besser für ihr Schweigen.
Wie Lauren an die Unterlagen gekommen ist, will sie mir nicht sagen, und vielleicht ist es besser, wenn ich es nicht weiß. Aber umso tiefer wir graben, desto klarer wird:
Der Flächenbrand, den wir auslösen werden, wird die Familie Cooper von ihrem hohen Ross stürzen und einigen Menschen ihre Integrität zurückgeben.
Es ist spät, als wir uns verabschieden und Lauren nach Hause fährt, während ich mir noch eine feste Umarmung von meinem Vater abhole und all die Liebe meiner Eltern wie eine in der Wüste verirrte, durstige Seele aufsauge.
Es war so einfach, allen eine Mitschuld zu geben, weil niemand gesehen hat, was mit mir geschehen ist.
Es war so einfach, einen Groll auf alle zu haben, ihnen den Rücken zu kehren und zu gehen.
Es war so einfach, so zu tun, als wären mir meine Familie und Freunde egal, eine Mauer um mich zu errichten und sie alle auszuschließen.
So war ich nicht gezwungen, mich mit diesen Gefühlen auseinanderzusetzen.
Und mit der Entscheidung, endlich aus dem Schatten zu treten, ist die Mauer in sich zusammengefallen.
Die liebevolle und verständnisvolle Art und Weise meiner Eltern, mich einfach wieder aufzunehmen, nicht zu viele Fragen zu stellen, sondern mir zu zeigen, dass ihre Arme immer offen für mich gewesen sind, füllt die Leere, die mein Rückzug verursacht hat, so einfach wieder mit der Stärke und Liebe, die sie mir schon in meiner Kindheit und Jugend gegeben haben.
Bedingungslos.
Wertfrei.
So einfach.
Und ich bin so dankbar.
Nachdem wir uns versichert haben, dass wir uns lieb haben und mein Vater noch einmal klargemacht hat, dass sie mich mit allen möglichen und nötigen Ressourcen unterstützen werden, entschuldige ich mich erschöpft und müde von all den Eindrücken der letzten Tage und schleppe mich die Stufen hoch in mein Zimmer.
Als ich mich in meine Kissen fallen lasse, umhüllt mich der sanfte Duft nach Ben, nach Wald und langen Sommernächten. Mein Herz zieht sich schmerzvoll zusammen, und ich drücke meinen Kopf in den weichen Stoff, der noch nach ihm riecht. Nach uns. Nach unserer letzten Nacht und nach der Sehnsucht, die sein Geruch mit sich bringt.
Vianne (23:54)
Operation Wildfire 🔥 wird das verschlafene Örtchen in die Luft gehen lassen. Weiß nicht, wie ich das überleben soll ohne dich.
Ben (23:58)
Operation Wildfire? Großartig!
Ich druck euch Hoodies 😂
Vianne (00:01)
Hab mich nie so unterstützt gefühlt🥹
Ben (00:01)
Na komm, wenn ich dich nicht im Arm halten kann, dann der flauschige Hoodie mit eurem Einsatznamen 😜
Vianne (00:03)
Ich nehme, was ich kriegen kann 🩷
Wie läuft's bei dir?
Ben (00:06)
Project Freedom 🥲 steht in den Startlöchern. Aber Isabel kommt erst in ein paar Tagen vom Dreh zurück.
Hab mein Hab und Gut aber schon zu Steve in die Bude geräumt und darf auf der Couch schlafen.
Meine Knochen freuen sich...nicht 💀
Vianne (00:07)
Aber ich freu mich, wenn wir uns lebendig wiedersehen 🩷
Ben (00:07)
Und ich erst.
Vermiss dich, Füchschen 🧡
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