Kapitel 37

Ben räuspert sich. Sichtlich angespannt, starrt er auf meine Finger, sucht immer wieder kurzen Kontakt zu meinen Augen, nur um ihn dann wieder zu unterbrechen.

»Wo soll ich anfangen?« fragt er sporadisch und beißt auf seine volle Unterlippe. Meine Gedanken kreisen darum, ihn zu küssen – will ich überhaupt irgendetwas hören? Aber dann wären wir an demselben Punkt wie vorher. Wir würden flüchten und uns nicht miteinander auseinandersetzen.
Dennoch kann ich nicht anders, als seine Lippen zu anzustarren.

Als er meinen Blick bemerkt, schmunzelt er leicht und drückt meine Hände.
»Lass uns das nicht unnötig in die Länge ziehen«, lächelt er matt. »Ich würde auch lieber andere Dinge mit dir anstellen, als dir von meinem Versagen zu erzählen...« wispert er leise und lacht rau, während ich rot anlaufe.

Ben seufzt schwer, lässt meine Hände los und reibt sich durch sein fast schmerzlich verzogenes Gesicht.
»Ich hab definitiv Scheiße gebaut, als ich dich damals wie eine meiner Nummern am Strand liegen gelassen habe«, spuckt er unerwartet aus, als wollte er schnellstmöglich das schlimmste Pflaster zuerst von der Wunde reißen.
Und es zeigt Wirkung, es tut verdammt weh, und schlagartig füllen sich meine Augen mit Tränen.

Beschwichtigend lächelt er mich an und fährt mit seinem Daumen über meine Wange.
»Es war eines der dümmsten, egoistischsten und schmerzvollsten Dinge, die ich getan habe, um meine Karriere voranzutreiben...

Ich habe ein paar Monate vorher Roger in einem Club in L.A. kennengelernt. Ich war mit Freunden von der Academy dort, und alles war easy. Er hat erzählt, wen er alles unter Vertrag hat, dies, das. Er kam sogar zu dem einen oder anderen Casting und gab mir Tipps, wo das nächste stattfinden würde, wie ich mich zu verhalten hätte – allgemein total der Kumpeltyp. Fragte zwischendurch, wie es mir geht, lud mich auf Partys ein und stellte mich wichtigen Leuten vor – ich wäre der neue Stern am Himmel.
Und dann meldete er sich ewig nicht, nur um plötzlich wieder ein Casting für mich zu haben...

Und bei Gott, Vianne, ich war nicht gerade von mir selbst überzeugt, und plötzlich schwärmt da ein Typ, der schon mit so vielen namhaften Schauspielern gearbeitet hat, von meinen Talent. Ich war abhängig von seiner Anerkennung.

Dann kam die Einladung zum Klassentreffen und zeitgleich ein Casting. Wenn ich die Rolle bekäme – so Roger – würde er mich unter Vertrag nehmen.

Deswegen habe ich es an dem Freitag nicht geschafft.«

Ben wackelt unkontrolliert mit dem Knie und knetet seine Finger aneinander. Als ich meine Hand zur Beruhigung auf sie lege, spüre ich, wie kalt und schwitzig sie geworden sind.
Sein Blick schweift aus dem Fenster, als er Anlauf nimmt, weiter zu erzählen.

»Als ich erfahren habe, dass du auch da sein wirst... Wir hatten uns so lange nicht gesehen, und ich wollte dir doch alles erzählen, was ich so erlebt habe, deine Meinung hören, wissen, wie es bei dir weiterging – du warst zu dem Zeitpunkt meine einzige Freundin und der einzige Mensch, den ich um mich haben wollte.

Und fuck – als du an dem Morgen auf mich zugerannt gekommen bist...
Das war mehr, als ich ertragen konnte. Und du musst mir glauben«
– Ben umschließt meine Hand und sucht meinen Blick – »ich wollte dich verdammt noch mal nicht ausnutzen. Ich habe nicht nachgedacht, ich hatte keinen Plan oder irgendetwas – ich wollte dich nur sehen, und je länger ich dich sah, desto mehr wollte ich dich

Er lächelt gequält. Und ich beiße mir auf die Innenseite meiner Lippen, um nicht dazwischen zu sprechen.

Obwohl ich ihn für seine Worte am liebsten in meine Arme ziehen will, denn sie treffen in mein Herz und entfachen ein sanftes Kribbeln, das sich einmal durch mich hindurchzieht.

Ben leckt sich über seinen trockenen Mund und holt Luft.
»Kaum warst du eingeschlafen, klingelte mein Handy mehrfach... Ich wollte es ignorieren und die Zeit mit dir genießen. Aber die Anrufe wurden immer penetranter – also ging ich ran.

Es war Roger: Ich hatte die Rolle und, wenn ich wollte, den Vertrag. Er meinte auch, es sei okay, wenn ich nach dem Klassentreffen kommen würde.

Nach dem Telefonat bekam ich unzählige Nachrichten, in denen er mir das Gefühl gab, ich würde die Schauspielerei nicht ernst nehmen, wenn ich nicht umgehend zurück nach Los Angeles kommen würde.«

Seine Stimme bricht, und er versucht, meinen Blick zu meiden. Ben steht langsam auf und tigert im Zimmer umher.

»Du ahnst nicht, wie viele Szenarien ich durchgespielt habe, dich nicht zu verletzen. Und jedes Szenario war besser, als mich heimlich aus dem Staub zu machen...«

»Aber warum?« hauche ich, etwas verwirrt und fassungslos, und ziehe meine Knie auf den Sessel, schlinge meine Arme darum. Er hätte doch mit mir sprechen können?

»Weil... fuck, weil ich... Keine Ahnung, das Gefühl zwischen uns. Es war... ist... Vianne. Ich wollte das mit uns voll auskosten, aber dann mit der Möglichkeit, eine Chance in Hollywood zu bekommen... ich hätte dir, mir... was auch immer das zwischen uns war oder ist, nie gerecht werden können.

Kurz gesagt: Ich hatte Schiss.«

Er hockt sich vor mich, legt seine Hände auf meine Füße, hebt den Kopf und sieht mir forschend in die Augen, als hätte er Sorge, plötzlich Enttäuschung oder Wut darin zu entdecken.

Aber jede Erklärung ist mir inzwischen wertvoller, als ohne Antworten auf dieses Wochenende zurückzuschauen.

»Und natürlich hätte ich dir eine Nachricht hinterlassen, auf deine Anrufversuche reagieren können... Aber ich war zu sehr darauf fixiert, in L.A. anzukommen. Ich wollte den Vertrag unterschreiben und mich dann bei dir melden –«
»– Das hast du nie getan«, falle ich ihm flüsternd ins Wort.
»Das habe ich nie getan.« Sein Blick verzieht sich schmerzvoll.

Er schluckt schwer, lässt von mir ab und setzt sich mit etwas Abstand zu mir auf die Bettkante, stützt seine Ellenbogen auf seinen Knien ab und lässt den Kopf hängen.

Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob mir seine Ausstrahlung gerade ein gutes Gefühl gibt, weiter zuhören zu wollen. Mein Herz klopft rhythmusverloren in meiner Brust, und ich knibbele nervös an meinen Fingernägeln.

»Ich kam bei Roger an, sein Anwesen war voller Leute. Eine ausgiebige Party mit Gesichtern von Rang und Namen, und er stellte mich vor, als sei ich sein verlorengeglaubter Sohn.

Wir gingen in sein Büro, unterzeichneten den Vertrag, und schneller, als ich realisieren konnte, hing ich über dem Hintern einer Marmorstatue und zog meine erste Line.

...Und damit war der Tag nur noch ein bunter, verrückter Rausch.«

Unangenehme Stille breitet sich um ihn aus, und die nächsten Worte wehen dumpf an meine Ohren.

»Ich habe keine Ahnung, wann oder wie es passiert ist, aber plötzlich hing mir Isabel an den Lippen.
Das nächste, an das ich mich erinnere, war, dass sie auf meinem Schoß saß und wir... naja... plötzlich kam ein Typ, der sie von mir runterzog, sie anschrie, warum sie ihr Zimmer verlassen hatte, und mir ordentlich eine verpasste.«

Ben verzieht schmerzvoll das Gesicht und fährt mit seiner Hand an seinem Kiefer entlang, als würde er sich noch genau an den Schmerz erinnern.

***

» Huch, na da gibt Ben ja tiefe Einblicke.

» Ich weiß gar nicht ob ich euch zeigen will wie es weiter geht, weil eventuell wird es noch ein bisschen zu cringe...aber wir müssen nun auch mal voran kommen 🥹

» Mir tut Ben übrigens leid.

♥️

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