Erkenntnisse


Ich wusste bereits aus meinem Medizinstudium, dass Zwillinge, insbesondere eineiige,  schon im Mutterleib eine mehr als nur enge Verbindung eingehen. Doch wie muss es dann für jemanden sein, der seinen Zwilling verloren hatte? Und dann auch noch auf so tragische Weise wie es bei Mary der Fall war?

Ich hing noch immer an diesem Gedanken fest als mein Handy mal wieder die Stille unterbrach: „Patricia, du musst ganz schnell herkommen!", rief eine verängstigte Stimme und ich bekam jetzt erst mit wer denn am anderen Ende so aufgeregt war.
„Ja gut, in etwa einer halben Stunde!". Colin, der inzwischen mit anderen Dingen beschäftigt war, erhielt von mir eine SMS und so wusste er, dass etwas Schlimmes passiert sein muss. Für diesen Fall hatten wir ja extra einen ganz bestimmten Code eingerichtet, der dann an unser Quartett ging.

Wir trafen also beim Professor in der Klinik ein und er war so etwas von durcheinander. „Was ist denn nun passiert?", wollten wir wissen. Er war kreidebleich und stammelte etwas von einer Entführung. „Wer ist denn nun entführt worden?", wollte ich wissen.
Nachdem der Professor sich ein wenig gefasst hatte, zeigte er uns einen in krakeliger Schrift geschriebenen Wisch, darauf stand:

„Ihr werdet alle dafür büßen und sie ist erst der Anfang!"

Doch von wem war denn nun dieser Text? „Hast du es denn nicht erkannt?", fragte mich Alex, der soeben zur Tür hereingekommen war. Ich schüttelte den Kopf und auch der Professor konnte sich keinen Reim darauf machen."Dämmert's immer noch nicht?", fragte Alex erneut. „Man sag schon endlich!". „Schaut euch doch mal die Schrift etwas genauer an!" und wir taten wozu uns Alex aufgefordert hatte.
Ich nahm den Fetzen und hielt ihn gegen das Licht. Und was ich da sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Dr. Suki hatte ein Fetzen Papier abgerissen und unter ihre Lupe genommen.  

 Beim Betrachten der krakeligen Handschrift kam dem Professor dann doch langsam ein Geistesblitz: „Oh, ich glaube, dass ich diese Handschrift schon einmal gesehen habe!" und die anderen schauten ihn verwundert an.
„Wen meinst du denn damit?", wollte Alex jetzt von ihm wissen.
„Ich habe da so eine Vermutung, aber ich will mir erst sicher sein, muss daher mal was überprüfen. Aber ich sag euch dann Bescheid. Denke in zwei Stunden weiß ich echt mehr!". Aber auch Alex sprach seine Vermutung noch immer nicht aus. Diese Stille war einfach nicht zu ertragen. Noch immer gab es kein weiteres Zeichen von dem Entführer. Das ging schon echt an die Substanz von allen.

Doch jetzt hieß es einfach Ruhe zu bewahren. Nur so richtig gelingen wollte das eigentlich niemanden.
„Das ist ja nicht zum aushalten, diese Ungewissheit!", rief Alex und glücklicherweise kam jetzt überraschend noch dazu: „Ich hab hier was für euch. Das solltet ihr euch mal anschauen!, riss damit alle aus der vorher undurchdringlichen Stille des Raumes.

„Dann wollen wir uns das mal ansehen!" und sofort setzte sich der Pulk, bestehend aus dem Professor, Alex, Dr. Suki und Sam in Bewegung. Und auch ich wollte mir das nicht entgehen lassen.
„Nun Patricia, sag mir mal bitte was du hier gerade siehst!", sagte Sam.
Nun war ich also gefragt. Vor mir lag ein etwa dreißig Jahre alter Mann, der förmlich über Nacht ergraut war. Ebenso wie alle anderen Mc Phersons zeigten seine Symptome eine dem Morbus Alzheimer verwandten Symptomkreis an. „Hmm", räusperte ich mich und alle anderen schauten auf mich.

„Ich würde sagen, da hatte jemand erst vor kurzem Besuch gehabt von einem uralten Dämon. Schaut euch mal seine Zeichen auf dem Körper an! Genauso wie bei dem Familienvater, der alles verloren hatte." und der Professor nickte mir zu. Dann zeigte ich den anderen auch was mir noch aufgefallen war:
„Hier sind Bissspuren. Davon sollten wir unbedingt eine Probe nehmen!" und ohne dass ich noch mal etwas sagen musste, eilte Dr. Suki mit dem entsprechenden Material aus dem Nachbarraum wieder zum Bett des Patienten. „Wird sofort erledigt!", war ihr Kommentar dazu.

Dr. Suki hatte sich neue Handschuhe angezogen, damit sie die Probe nicht verunreinigen würde. „Woher wusstest du das denn?", wollte Alex von mir wissen. „Ich habe das so schon einmal gesehen, und zwar in meinem Traum vor ein paar Tagen. Und als ich es dann auch noch aufgeschrieben habe, wusste ich Bescheid.".
Nach wie vor war ich gezwungen, an meinem Buch weiterzuschreiben und auch immer ein paar Zeilen in meinem Tagebuch zu verewigen. Auch meine Oma hat das Jahrzehnte lang getan und mit einem Mal war Schluss. Ich konnte nur vermuten, dass sie es an mich abgegeben hat, warum auch immer.

Und da war ja auch noch Alex' seine Frau, die nachher auch noch unbedingt aufsuchen musste. Aber hierzu wollte ich Sam unbedingt mitnehmen. Man wusste ja nicht, ob sie nicht austicken würde, wenn ich sie über ihren Zwilling befragen würde. Aber auch Alex wollte ich in der Nähe wissen, dass er seiner Frau notfalls die Hand halten konnte, falls es nötig werden sollte.

Ich musste Alex gar nicht erst fragen, denn auch er hatte so ein paar Fähigkeiten, die er gut zu nutzen wusste. Und so wartete er schon bei Mary auf uns, als wir nach etwas mehr als dreißig Minuten in der Klinik, in der auch noch Sam sonst arbeitete, angekommen waren.

Dem Professor hatten wir nur gesagt, dass wir einer weiteren Spur nachgehen wollten. Und damit gab er sich zufrieden. Er hatte ja auch alle Hände voll zu tun mit den vielen Mc Phersons. Uns konnte er ja jederzeit auch über das Handy erreichen, falls er was von dem Entführer hören würde. Wir wollten spätestens in zwei Stunden wieder bei ihm in der Klinik sein. Wir verabschiedeten uns von allen und schon waren wir auch schon aus seinem Dunstkreis verschwunden, als wären wir auf der Flucht vor einer Tarantel oder ähnlichem.

Und so ähnlich fühlte es sich im Moment an, obwohl Taranteln faszinierende Tiere für mich sind. Doch mit dieser Meinung war ich sicherlich allein. Viele mochten ja keinerlei Achtbeiner.
Aber mir war das sowieso egal. Ich mochte alles was nicht in ein Schema gepresst werden konnte. Und auch meine Oma war aus gleichem Holz gemacht.

Bei Gelegenheit musste ich ihr eine ganze Reihe von Fragen stellen. Doch das war erst mal zweitrangig. Jetzt mussten wir uns um Mary kümmern und hoffen, dass wir ihr aus dem Trauma heraushelfen könnten.
Alex trampelte schon ganz aufgeregt an dem Treffpunkt, den wir kurzfristig verabredet hatten, herum und wartete, was nun gleich folgen würde:

„Seid ihr sicher, dass wir das jetzt machenmüssen?", fragte er neugierig nach. „Ja, ganz sicher oder willst du jedes Mal miterleben, wenn sie austickt und immer wieder Albträume hat?". Mehr brauchte Sam ihm nicht an den Kopf zu werfen. „Ich hab nur echt Angst um sie, nicht dass sie wegdriftet!". „Dafür bin ich ja noch da!", sagte Sam, der genau wusste, was Alex damit meinte.

„So, nun sollten wir es aber schnell hinter uns bringen!", rief ich und schon standen wir alle in dem kleinen Fahrstuhl, der uns gleich zu Mary bringen sollte. Ich merkte wie Alex immer unruhiger wurde, je näher wir in Richtung Mary kamen. Da nahm ich seine Hand und berührte sie nur leicht und wieder passierte das, was ich auch bei Colin erreicht hatte, als er sich die Kante geben wollte wegen seinem Dad.
Er wurde ruhiger, seine Körpertemperatur sank auf normal und seine Atmung war völlig ruhig und unauffällig. „Wie hast du das denn gemacht?", wollte er von mir wissen. Doch ich schaute ihn nur kurz an: „Später, vielleicht mal!". Damit war das Thema für mich erledigt.

Wir traten also nacheinander aus dem Fahrstuhl und Alex zeigte uns den Weg. Mary wartete schon sehnsüchtig auf uns.
„Wo bleibt ihr denn? Ich hab doch nicht ewig Zeit!". Sie dachte, dass ich die eigentliche Patientin war. Erst viel später begriff sie um was es hier eigentlich geht.
Sie stand kurz davor auszuticken. Da berührte ich ihren Arm und auch sie wurde ruhiger und ließ sich auf das Experiment ein.

„Du bist nicht allein! Wir helfen dir, dass zu überstehen!" und schon griff Alex instinktiv nach der Hand seiner Frau. Und Sam beäugte alles aus der Sicht des Psychologen. Dann begann ich mich in ihren Kopf einzuklinken, ohne dass sie es merken würde. Ich sagte ihr noch, dass es hart werden würde und dann begann ich.  

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top