Der versteckte Trauzeuge
In Gedanken war ich bei Colin. Er fehlte mir so sehr. Schlag neun wurde ich von meinem nervigen Wecker aus dem Bett getrieben. Und ich stand auch sofort auf, wollte mich noch ein wenig in der Wanne aalen können. Während das Wasser einlief, beseitigte ich noch schnell die Überreste vom Vortag aus meinem Gesicht. Dann tauchte ich in die Fluten meiner gemütlichen Eckbadewanne, die ich mir extra hab einbauen lassen.
Scheiße, da war sie wieder, meine Erinnerung an die vielen schönen gemeinsam verlebten Stunden mit Colin. Ich erinnerte mich, wie wir zusammen baden waren, an seine vielen Liebkosungen auf meinem Körper. Dann rief ich mich zur Ordnung und in die Realität zurück. Schließlich würde gleich eine Freundin kommen und ich war noch nicht fertig. Bevor ich mich ganz in meinen Träumen verlieren konnte, stieg ich aus der Wanne und wickelte mich in ein großes Handtuch.
Nach der Mundpflege, die heute länger zelebriert wurde, begann ich meinen Körper abzutrocknen. Anschließend zog ich was legeres an. In weniger als fünf Minuten würde meine Freundin Betty da sein. Es klingelte. Und da war sie, meine Freundin Betty. Sie plapperte unaufhörlich und dann stockte sie:
„Engelchen, kein Grund traurig zu sein! Deine Oma heiratet doch heute!". Ich schluchzte und dicke Krokodilstränen kullerten mir übers Gesicht. „Wir trinken jetzt erst einmal ein Sektchen und dann erzählst du mir, was dir solchen Kummer macht!". Sie hatte immer ein Piccolöchen dabei für solche Anlässe. Auch sie spielte ihre Rolle perfekt.
Meine Haare sahen perfekt gestylt aus und auch das Make up stand mir sehr gut zu Gesicht. Dann half „Kindchen, du siehst hinreißend aus!" und schon war sie aus der Tür. Ich war aufgeregter als meine Oma. Konnte gerade noch meine Jacke überziehen und da fuhr schon der Wagen mit Oma vor. sie mir noch in mein Kleid und betrachtete mich als Gesamtkunstwerk.
Jetzt hieß es durchatmen. Denn wir kamen bereits vor dem Standesamt an. Dort warteten bereits die ersten Gäste Ich wollte meine Oma an Samuel übergeben. Der war noch nicht da, sollte noch einen Überraschungsgast herbringen und auch noch die Ringe. Sie hatte er vor lauter Aufregung vergessen. Herrlich zu sehen, dass es immer passieren kann, auch bei bester Planung.
Mit ein wenig Verspätung traf dann der Bräutigam endlich auch ein. Und unter einem Vorwand wurde ich in ein Nebenzimmer gebeten. Als ich wiederkam, stand Dr. Samuel Mc Murphy mit seinem Trauzeugen und erwartete die Übergabe seiner Braut durch mich. Tapfer ging ich, meine Oma am Arm führend , in den Raum und bei bekannter Musik wollte ich gerade meines Amtes walten.
Jetzt erst begriff ich, wer der Trauzeuge von Samuel war und warum ich ihn vorher nicht treffen sollte. Mir stockte kurz der Atem und mit leicht zittriger Hand gab ich meine Oma in die Hand von Dr. Samuel Mc Murphy, meinem Doktorvater. Tapfer hielt ich die gesamte Zeremonie durch. Doch am liebsten wäre ich Colin um den Hals gefallen. Auch er hatte Mühe die Fassung zu wahren.
Aber laut Protokoll mussten wir ja noch die Urkunde mit unterschreiben. Und dann gab es für uns kein Halten mehr. Wir verzogen uns mal schnell in den Nebenraum, in den man mich zuvor gelockt hatte. Er sah einfach perfekt gekleidet aus, eben mein Mann. Wie das klang. Und der Beamte kam kurz zu uns: „Ich glaube, ihr seid wohl die nächsten!" und er konnte sich ein breites Grinsen nicht wirklich verkneifen.
Dann fanden sich unsere Münder zu einem langen und ausdauernden Kuss. Ein paar Freudentränen zeigten sich auch schon. Er nahm meine Hand und sagte: „Komm, wir sollten wieder hinausgehen, nicht dass sie ohne uns feiern!". Ich schaute ihn kurz an: „Das glaube ich ja wohl nicht, wo ihr mich alle so hinters Licht geführt habt!" und Colin schaute mich mit seinen wundervollen Augen an und wartete: „ Ich bin euch nicht böse! So eine tolle Überraschung! Wie sollte ich euch da böse sein?" und Colin war erleichtert: „Da bin ich aber froh! Aber es war auch echt schwer für mich nichts zu verraten!".
Später erfuhr ich, dass er und Samuel gleich nach meiner Ankunft das erste Mal miteinander geschrieben haben und es wurde alles hinter meinem Rücken eingefädelt. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Oma hatte drei Mal das Glück ihren Seelenverwandten zu finden. Manch einer kriegte das nicht ein Mal hin. Deswegen ihre Aussage, dass wir Glück haben. Betonung lag auf wir. So nun sollten wir uns alle für ein gemeinsames Foto aufstellen. Colin hielt meine Hand ganz fest und ich seine.
Das anschließende Fest ging bis in den frühen Morgen. Zu meiner Überraschung warf Oma doch noch ihren Brautstrauß und wer fing ihn? Jemand, der damit niemals gerechnet hatte und ziemlich aus dem Häuschen war! Meine Freundin Betty. Sie war schon längst mit einem Studienkollegen von mir zusammen. Und der war natürlich auch zu dieser Hochzeit eingeladen worden. Selbst das hatte Betty mir nicht verraten.
Meine Oma und Samuel brachen am nächsten Tag zu einer vierzehntägigen Hochzeitsreise auf. Er hatte sie damit überrascht und heimlich die Koffer gepackt. Sie waren auch schon am Flughafen. Das hatte er erledigt als er Colin abgeholt hatte. Und wohin reisten die beiden? Sie wollten zu einem Freund, der vor Jahren nach Amerika ausgewandert war. Er war ebenfalls Arzt und hatte sich noch einmal neu verliebt.
Dann kam der Entschluss ihn mal zu besuchen so lange man es noch gesundheitlich konnte. Noch am selben Abend hatte er meiner Oma den Antrag gemacht, die sofort ja gesagt hatte. Und alles weitere hatte er mit ihm dann vorbereitet. So bekam meine Oma auch eine tolle Überraschung von ihrem Mann als Geschenk.
Als sie in Amerika angekommen waren, meldeten sie sich kurz und dann waren sie ständig unterwegs. Samuels Freund war auch ein Harleyfan und seine Hochzeitsüberraschung für die beiden war eine mehrtägige Tour mit der Harley, natürlich mit den Frauen. Da konnte man schon neidisch werden. Doch ich hatte alles was ich wollte.
Colin war hier bei mir und ich konnte auch mit ihm reisen. Denn die Krankheit der Kinder meiner Kollegin war Teil des ganzen Plans. Aber was meine Oma plante, wurde auf jeden Falle auch durchgezogen!
Colin und ich, wir hatten nur Augen für uns. Klar tanzte er auch mit anderen, doch eher ungern. Bei Oma machte er eine Ausnahme. Sie war es, die Colin sofort in die Familie aufgenommen hatte.
Na und er und Samuel waren fortan „Best Friends". Wahrend Oma und Samuel auf Hochzeitsreise waren, zeigte ich Colin wie und wo ich lebte.Schließlich wollte er das mal gesehen haben. Einen Tag später verabschiedeten wir uns in ein längeres Wochenende und das genossen wir in vollen Zügen.
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