Sechstes Kapitel
Ein leichtes Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus, als ich mich selbst im Spiegel betrachtete. Ich hatte mich für das dunkle Kleid entschieden und auch die passenden Accessoires hatte ich aus den anderen Kisten gekramt. Es fühlte sich um einiges besser an, als ich erwartet hatte. Ich war fast schon aufgeregt so aus meinem Zimmer zu treten. Doch mein Lächeln verblasste jäh, als ich an den letzten Abend dachte. Der Streit hatte mich noch lange beschäftigt, doch irgendwann war ich trotzdem eingeschlafen. Ich hatte heute nicht nur vor mich mit Legolas auszusprechen, sondern auch neue Freunde zu machen. Ich musste ohne Vorurteile hier rein gehen. Viel zu lange hatte ich mich damit nicht mehr beschäftigt.
Also drehte ich mich zur Tür und trat hinaus. Mein Herz tat einen Satz, als bereits die erste Wache, die an mir vorbeiging, kurz den Kopf neigte. Das letzte Mal war ewig her gewesen, nicht, dass es mir unbedingt gefehlt hatte, es war einfach ein nostalgisches Gefühl. Wenn meine Eltern mich so sehen würden... Vermutlich würde ich sie heute sowieso noch treffen, wenn ich in diesen Kreisen verkehrte. Bereits als ich die erste Tür öffnete, fühlte es sich an, als ob sich alle Blicke auf mich legen würden. Dabei waren es nur einige wenige, die mich überhaupt bemerkten. Ich war fasziniert davon, wie normal es mir plötzlich vorkam, hier zu sein. Es war nicht unbedingt eine Versammlung im Gange, dies war mehr wie ein Aufenthaltsraum. Ich hatte Orte wie diesen immer gehasst, sie waren zu still und langweilig. Doch nun schien mir diese Stille als beruhigend und passend. Ich entwickelte mich nach all den Jahren wohl auch noch weiter.
"Hey, ich habe dich noch nie hier gesehen, mein Name ist Inglor", begrüßte mich ein Elb neben mir. Er schien etwas jünger zu sein als ich, doch strahlte nicht weniger Erfahrung aus. Zumindest war er ehrlich. "Melian. Ich komme tatsächlich nicht sehr oft hierher", lächelte ich zurück und wandte mich ihm zu. Er war um einiges entspannter als ich, was mir gefiel. "Keine Sorge hier reißt dir niemand den Kopf ab. Ich kann dir ein bisschen was über die Räumlichkeiten erzählen, wenn du willst?" Ich nickte erfreut, auch, wenn ich vermutlich das meiste schon wusste, war es nett, dass mich wieder jemand neu einführte. "Also das hier ist einer der normalsten Räume, wenn man das so sagen kann. Hier kann es zum Abend hin auch mal ziemlich laut werden", erzählte er mit einem vielsagenden Blick zu den älteren Elben weiter drüben, welche uns nicht beachteten. Ich kam um ein leises Lachen nicht herum. "Ich suche eh schon seit ein paar Stunden nach einer Ausrede von hier zu verschwinden, komm", forderte er mich auf und ging voraus zur nächsten Tür. Ich folgte ihm schnell und verließ, mit einem Blick zurück, den Raum. Im nächsten waren weniger Elben, welche sich bei einem Glas Wein relativ geziemt unterhielten.
"Oh, da sind einige wichtige Berater des Königs dabei. Das heißt...", erklärte Inglor und beendete seinen Satz mit einem erwartenden Steigern der Stimme, bei welchem wie einstudiert eine der Türen aufging und der König mit zwei Wachen eintrat, welche bei der Tür ihren Platz fanden. Ich passte mich schnell Inglor und den anderen im Raum an, welche eine knappe Verbeugung als Begrüßung vollführten. Thranduil schien sich nicht viel darum zu scheren und machte sich gleich auf den Weg zu seinen Beratern. Als er dort ankam, fand sein Blick doch noch seinen Platz auf mir und Inglor, obwohl ich mir sicher war, dass er mich mehr musterte. Immerhin war ich auch relativ neu für ihn. Inglor musste er inzwischen kennen.
"Sollten wir gehen?", flüsterte ich meinem Begleiter leise zu, doch traute mich nicht den Blickkontakt mit dem König zuerst zu unterbrechen. Glücklicherweise erlöste er mich recht schnell davon. "Das ist keine offizielle Besprechung, ich denke wir können bleiben", antwortete er mir genauso leise. Immer noch schien er weitaus entspannter als ich zu sein. Er war schließlich auch weit mehr um den König, als ich und kannte ihn auch in gewissem Maße. Der Raum war tatsächlich ziemlich groß mit gleich zwei Kaminen, welche im Sommer nicht brannten. Ich war mir nicht so sicher warum Inglor ausgerechnet in diesem Raum mit mir bleiben wollte, doch akzeptierte es. Er würde schon wissen, was er tat.
Die Tür hinter mir ging wieder auf und mir wurde sofort etwas schlecht, als ich meine Eltern erkannte, welche anscheinend von der kleinen Versammlung mit dem König wussten. "Melian!", sprach meine Mutter erfreut und trat näher. Bevor sie mehr sagen konnte, erkannte sie Inglor neben mir und schloss ihren Mund wieder zu einem Lächeln. "Inglor, nicht wahr?", fing sie plötzlich ein Gespräch mit ihm an, wofür ich nicht sonderlich dankbar war. Zumindest warf sie meinem Vater einen schnellen Blick zu, worauf dieser mir zulächelte und sich dann zum König gesellte, damit war ich ihn schon mal los. "Richtig", lächelte Inglor bloß. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er sie bereits kannte. "Ich habe gehört deine Eltern sollen heute Abend auch kommen?" "Allerdings, sie würden sich so etwas nicht entgehen lassen." Meine Mutter neigte noch einmal erfreut ihren Kopf und folgte dann ihrem Mann. Inglor lächelte wissend, als ich ihn etwas verwirrt anschaute. "Heute Abend ist eine kleine Zusammenkunft", klärte er mich auf. "So klein wie diese hier?", fragte ich leise und warf einen Blick auf die langsam wachsende Gemeinschaft. Zwischen den paar Leuten, hatte sich anscheinend auch Legolas zu seinem Vater gestellt, ohne, dass ich es bemerkt hatte.
Inglor schien meine Frage zu belustigen. "Nicht ganz." Ich sah ihn kurz etwas verunsichert an. Was verstand er denn unter "kleiner" Zusammenkunft? Doch ich konnte nicht mehr nachfragen, da ich den Königssohn erkannte, welcher sich förmlich entschuldigte und auf uns zusteuerte. Mein Herz begann sofort zu flattern. "Du warst mit ihm in Bruchtal, oder?", fragte Inglor, noch während er auf dem Weg zu uns war. Ich sah ihn überrascht an. "Stimmt", antwortete ich langsam. Woher wusste er das denn? Doch ich musste mich darauf konzentrieren, dass er nichts von den echten Geschehnissen zwischen Legolas und mir mitbekam, also schwieg ich. "Melian, Inglor", begrüßte er uns freundlich, worauf wir uns knapp verbeugten. Es fühlte sich komisch und ungewohnt an, vor allem es vor ihm zu tun. "Ich hatte gehofft mit Melian nochmal über ein paar Details der Reise sprechen zu können", erklärte er mit erhabenem Blick zu Inglor, welcher schnell den Kopf neigte und sich dann zu den anderen gesellte. Er passte zwar nicht ganz dazu, doch ich war mir sicher, dass er sich nicht unbedingt unwohl fühlte. Ganz im Gegensatz zu mir. Immerhin waren unser beider Eltern anwesend und er wollte mit mir alleine sprechen?
"Schau nicht so verängstigt", lächelte Legolas, doch achtete darauf, dass niemand etwas verstehen konnte. Ich atmete schnell durch und versuchte so steif und ehrenvoll dazustehen wie er, was ihn zwar belustigte, doch er es nicht zeigen konnte. "Warum hier?", fragte ich und warf einen Blick zu den anderen Anwesenden. "Ich dachte mir das wäre ein guter Anfang für unsere Freundschaft", erklärte er und behielt weiter den gleichgültigen Gesichtsausdruck, worum ich ihn in dieser Situation beneidete. Ich wusste nicht ganz, was ich antworten sollte und schwieg. Ich hatte mich schließlich letzte Nacht schon entschuldigt und er musste nun festlegen was er davon hielt.
"Ich habe noch einmal über gestern nachgedacht", fing er endlich an. Ich spürte wie mir ein wenig schlecht wurde. Doch warum sollte er eine Freundschaft so offensichtlich anstreben, wenn er das gestern nicht in Ordnung gefunden hatte? "Ich denke ich hätte an deiner Stelle auch nicht anders gehandelt", mir fiel ein Stein vom Herzen, "und ich hoffe, dass ich dich heute Abend sehen werde." Ich sah ihn überrascht an. Mit wem sollte ich denn dahin gehen? Wohl kaum mit ihm und ich wollte nicht unbedingt irgendwo alleine dastehen, wenn alle anderen sich fröhlich unterhielten. Vielleicht konnte ich ja mit Inglor gehen? Doch wir hatten uns gerade kennengelernt und er hatte auch sicher andere Freunde.
"Ich weiß nicht. Eigentlich hatte ich mich schon mit jemandem verabredet", wehrte ich also ab, was nicht ganz gelogen war. Ich wollte einer Freundin von mir noch ein bisschen Bogenschießen beibringen, da sie lange nicht mehr trainiert hatte und nicht mehr sicher war. "Das kannst du doch auch auf morgen verschieben?" Ich seufzte schwer, doch versuchte weiterhin mir von drüben aus nichts anmerken zu lassen. "Ich denke du solltest wieder rüber", murmelte ich mit einem Blick zum König. Der Prinz schien zu verstehen. Kurz sah ich seine Hand zucken, doch gerade noch so realisierte er, dass er mich nicht berühren durfte und verließ mich mit einem Nicken. Ich atmete kurz durch und ging dann auch schnell durch eine der Türen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich hätte mich verbeugen sollen oder Ähnliches, doch vermutlich hätte man es sowieso nicht bemerkt. Schon als ich den anderen Raum betrat, fühlte ich mich um einiges besser.
Ein wenig später hatte ich bereits einige meiner anderen Kisten ausgeräumt und ausgewählt was ich noch tragen wollte und was nicht. Da es draußen für die Sommerzeit immer noch recht kalt war, nahm ich mir noch einen dünnen Umhang, bevor ich mich auf den Weg zu Dineth machte. Ich hatte zwar noch etwas Zeit, doch wollte lieber zu früh als zu spät sein. Bereits, als ich mich aus dieser spontanen Versammlung gerettet hatte, hatte ich mit ihr dieses Training ausgemacht. Es hatte sie gefreut, dass ich sie nicht vergessen hatte. Unsere Freundschaft war für Elben noch relativ frisch, doch alt genug für ein paar komische Blicke auf der neuen Kleidung und dem Auftreten, das ich nun an den Tag legte. Ich konnte das verstehen, doch solange sie mich nicht direkt fragen würde, würde ich auch nichts sagen.
Sobald ich ins Trainingsgebiet kam, sah ich bereits eine Gruppe von Schülern. Mein Blick blieb eine Weile an der Lehrerin hängen. Ich sollte trotzdem prüfen, ob Legolas die Wahrheit gesagt hatte, wenngleich ich nicht glaubte, dass er mich so anlügen würde. Doch genauso reizte es mich auch eine Verwandte von mir kennenzulernen - ihr etwas über ihren Vater zu erzählen. Also kam ich näher. Die Trainerin hatte mich schnell bemerkt und kam auf mich zu. Irgendwie stimmte es mich traurig, dass Calen mich nicht ohne den Adelstitel kennenlernen würde. Doch das würde sich hoffentlich schnell ergeben.
"Entschuldigung wegen der Unterbrechung, ich wollte bloß fragen, ob du jemanden namens Calen kennst?" Ein leichter Schauer lief über meinen Rücken, als ich sie so einfach duzte. Damit stellte ich mich automatisch über sie und das wollte ich nicht. Doch sie schien mehr die Entschuldigung zu überraschen. "Ihr sprecht gerade mit ihr", erklärte sie und sah mich interessiert an. Mir blieben meine Worte kurz in der Kehle stecken, so überrascht sah ich sie an. Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Ich hatte noch nicht geplant, was ich eigentlich sagen wollte. "Ähm... mein Name ist Melian. Ich weiß nicht wieviel du über deine Eltern weißt...", sprach ich also etwas überfordert. Ich wollte sie nicht unbedingt lange von den Schülern fernhalten. Basierend auf ihrer Verwirrung überlegte ich kurz, wie ich es ihr schonend beibringen konnte. "Ich denke die Geschichte wäre zu lang, um sie hier zu erzählen. Wie wäre es, wenn wir uns mal treffen?" Es würde nichts bringen ihr jetzt einfach so zu offenbaren, dass sie meine Großcousine war und die Geschichte dazu nicht zu erzählen. "Gerne, also heute habe ich noch eine Weile Unterricht, aber morgen sollte es gehen", lächelte sie nach langem Zögern. Sie war wohl nicht so sicher, wie sie das Ganze interpretieren sollte, doch das konnte ich gut verstehen. Ich nickte also erfreut und verfolgte weiter meinen Weg zu Dineth mit den Worten: "Gutes Training noch." Meine Freundin wartete bereits, doch hatte bereits angefangen ein paar Pfeile zu schießen. Schon von der Weiten musste ich mir ein Grinsen verkneifen. Diese Fehler hatte ich eine sehr lange Zeit nicht mehr gemacht, doch ich konnte sie kaum mit mir vergleichen. Das hatte man ja bei dem vorangegangenen Wettbewerb gesehen.
Wie es mir bereits gedacht hatte, war es nicht so schlimm wie sie getan hatte. Sie hatte nur ein paar Auffrischungen gebraucht, dann war sie schon um einiges besser. Die Zeit verging schneller als ich es mir vorgestellt hatte. "Also, willst du mir erzählen, was da in Bruchtal passiert ist?", fragte sie plötzlich, als sie noch beim Spannen war. Was? Wie? "Du solltest dich aufs Schießen konzentrieren", wehrte ich schnell ab, worauf sie nur lächelte und dann aufhörte. "Komm schon. Warum so plötzlich? Ich meine du hast dich immer beschwert wie schlimm deine Kindheit doch war?" Ich unterdrückte ein erleichtertes Aufatmen. Davon sprach sie also. "Das... ich weiß nicht genau", stotterte ich schnell und sah zur Seite. Sie kniff nur ihre Augen zusammen. "Sicher, dass es nicht ein jemand war, der dich dazu motiviert hat?" Ich schaute überrascht auf, doch sie lächelte bloß und fokussierte etwas hinter mir. Ich schloss kurz genervt meine Augen, als mir klar wurde, wer mich da gerade gesucht und gefunden hatte. Er ließ einfach nicht locker mit seiner Versammlung. War ich nicht offensichtlich beschäftigt?
Ich spürte Wut in mir aufkommen, als auch ich mich umdrehte und tatsächlich der Prinz auf uns zukam. "Ich habe mir schon gedacht, dass du hier bist", begann er für seine Verhältnisse gut gelaunt und warf Dineth einen feurigen Blick zu, bei dem vermutlich jeder in diesem Reich, bis auf Thranduil, Angst bekommen hätte. So auch Dineth: "Nun gut, danke für das Training. Ich denke das ist genug für heute." Ich konnte ein wenig Angst und Unsicherheit in ihrer Stimme entdecken, die ich ihr nicht verübeln konnte. Fast schon hastig verbeugte sie sich kurz und verschwand dann schnell. Genervt verschränkte ich meine Arme vor der Brust. "Was tust du hier?" Mir war im Moment komplett egal mit wem ich eigentlich gerade so sprach, er sollte gefälligst seine Grenzen respektieren. "Ich dachte du wolltest das auf morgen verschieben?", fragte er bloß, doch hatte offensichtlich erkannt, dass ich wütend war. "Ich wollte ganz offensichtlich nicht zu diesem Treffen heute Abend, warum kannst du das nicht akzeptieren?" Seine erfreuten Züge verabschiedeten sich nun endgültig. Ich seufzte und versuchte mich ein wenig zu entspannen. "Ich will nicht meine Freunde verlieren und wenn ich bei diesen Festivitäten mitmache, dann habe ich das Gefühl, dass ich das mache", redete ich dann leiser weiter, was ihn etwas zu überraschen schien. "Das wusste ich nicht. Ich hätte mehr darüber nachdenken sollen. Es tut mir leid." Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus. Ich hatte nicht unbedingt erwartet, dass er sich gleich entschuldigte, schließlich war das für einen Prinzen sicherlich nicht leicht. "Schon gut", murmelte ich, worauf wir uns umarmten. Vermutlich nicht nur, um das Missverständnis aus der Welt zu räumen, sondern auch, weil wir wussten, dass wir hier alleine waren und nun, da wir im Düsterwald waren, war das nicht mehr so oft der Fall. Ich genoss es seinen kräftigen Körper an mir zu fühlen und kurz an Bruchtal zurückzudenken. Es fühlte sich einfach so richtig an, auch wenn da irgendwie immer noch eine kleine Stimme in meinem Kopf war, die sagte, dass das einfach falsch war. Ich spürte wie Legolas sich leicht von mir trennte, doch mich weiterhin noch so festhielt, dass wir uns küssen konnten. Die ersten Sekunden vertiefte ich mich, bis ich lächeln musste und abbrach. "Legolas, es könnte uns jemand sehen", hauchte ich leise, doch machte keine Anstalten aus seinen Armen zu entfliehen. "Stimmt", antwortete er bloß und legte wieder seine Lippen auf meine. "Legolas", lachte ich, hob meine Hände zu seinen Schultern und drückte ihn ein wenig weg. "Gut, ich komme zu deiner Versammlung, aber ich muss mich noch umziehen", knickte ich schließlich ein und blickte in seine erfreuten blauen Augen. "Du wirst sehen, es ist nicht so schlimm wie du es dir vorstellst." Ich schaute ihn etwas ungläubig an, worauf er kurz lachte. "Gib dem Ganzen eine Chance." Ich lächelte und nickte. Ich konnte es einfach nicht lassen noch mal meinen Kopf zwischen seinen Hals und seine Brust zu legen.
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Ich schluckte nervös, als ich auf die große Tür zu kam. Ich hatte mir vorgenommen offen zu sein und neue Leute kennenzulernen. Vielleicht konnte ich mich auch einfach mit ein paar von Inglors Freunden anfreunden? Ich war sowieso gespannt wie viele Leute eigentlich da waren. Es sollte ja eine "kleine" Versammlung sein, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das nicht der Fall sein würde. Die Wachen öffneten für mich die Türen, worauf ich leicht nickte. Es einfach anzunehmen, so weit war ich noch nicht. Als ich eintrat blieb ich kurz stehen und ließ die Atmosphäre der vielen Kronleuchtern, Mosaikfenstern und Teppichen auf mich wirken. In der Menge konnte ich recht schnell Legolas entdecken, welcher mich im Gespräch mit einer Elbin ein paar Sekunden anstarrte. Ich lächelte leicht und trat die zwei Stufen hinunter. Ich hatte das rote Kleid angezogen, welches ich gestern als erstes gesehen hatte. Davor hatte ich noch ein schnelles Bad genommen, meine Haare gemacht und die richtigen Schuhe gesucht. Dadurch war ich nicht unbedingt pünktlich hier, doch das war bei so einer Aktivität auch nicht wirklich unüblich.
"Melian!", rief plötzlich jemand neben mir und erlöst wandte ich mich Inglor zu, welcher mit einer Elbin sich gerade ein Glas Wein einschenkte. "Elanor, das ist Melian", stellte er uns kurz vor und reichte auch mir eines. Ich nickte ihr erfreut zu. "Tut mir leid, aber ich habe dich noch nie auf einer Feier gesehen?", fragte sie sofort interessiert. Sie war ziemlich blass und hatte im Kontrast dazu einen roten Lippenstift aufgetragen. Das Kleid repräsentierte überraschend gut ihr Äußeres: Es war weiß mit ein paar roten Rosen darauf und sah wirklich hübsch aus. Ihre Haare waren zwar braun, doch hochgesteckt mit ein paar vereinzelten Strähnen, welche sich an ihr schmales Gesicht schmiegten. "Ja, ich war nicht sonderlich oft auf solchen Versammlungen", gab ich zu und nahm einen Schluck. Der Wein war zwar nicht so gut wie der von Legolas am Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten, doch definitiv einer der besseren. Der Gedanke brachte schöne Erinnerung zurück, auf die ich mich jedoch nicht konzentrieren wollte, nun da ich mit den beiden war.
"Was hat deine Meinung geändert?", fragte Elanor interessiert und nahm ebenfalls einen Schluck, wobei überraschend wenig von ihrer Lippenfarbe an dem dünnen Glas kleben blieb. Kurz fragte ich mich, ob das zu einem Teil ihre natürlichen Lippen waren. "Ich weiß nicht so genau, ich denke ich wollte dem hier eine zweite Chance geben", erklärte ich und fühlte mich dabei ein wenig unwohl. "Und wie schlagen wir uns?", fragte nun Inglor und lachte kurz. Ich lächelte und warf ihm einen amüsierten Blick zu. "Sehr gut", schmunzelte ich und drehte meinen Kopf überrascht zur Seite, als Musik ertönte. Die Menschenmenge wurde leiser und durch ein paar Elbinnen, welche weiter in ihr Gespräch vertieft waren, hindurch, konnte ich erkennen, wie sich in der Mitte des Saals ein rundes Loch in der Masse bildete. Einige Paare machten sich sofort daran zu der relativ langsamen Melodie zu tanzen. Ich musste lächeln bei dem Gedanken, inwiefern sich dieses Tanzen noch ausbreiten würde, wenn alle noch mehr Wein getrunken hatten.
"Entschuldigt mich, aber Eglator will sicher tanzen", lächelte Elanor, stellte ihr Glas neben uns ab und verschwand bereits in der Menge. "Ihr Mann. Er ist tatsächlich ein ziemlich begeisterter Tänzer", erklärte Inglor und nahm noch einen Schluck. "Ich denke ich habe inzwischen alles davon verlernt", lachte ich etwas nervös und stellte mich näher zu dem Tisch, um ja nicht zum Tanzen aufgefordert zu werden. "Oh nein, das kommt sicher wieder, wenn du mal anfängst", lächelte Inglor verschmitzt. Ich brummte unwillig, als er seine freie Hand vorhielt. "Komm schon." "Können wir nicht warten, bis die meisten betrunken sind?", bettelte ich schnell, doch mir war klar, dass es wohl kaum etwas bringen würde. "Willst du nur hier herumstehen, oder wie?" "Wir könnten mit ein paar anderen reden. Du hast doch sicher noch ein paar Freunde hier?" "Freunde, die tanzen." Ich seufzte resigniert und warf einen Blick über meine Schulter zur Mitte des Raumes. Man musste schon zugeben, dass sich inzwischen viele gesammelt hatten, doch mindestens genauso viele standen noch auf der Seite und redeten, wenn auch gedämpft, fröhlich vor sich weiter.
"Nun gut, wenn es dir so wichtig ist. Da drüben ist die Frau meines Bruders. Sie freut sich sicher über eine Abwechslung, anstatt immer mit denselben Leuten zu sprechen", knickte er schließlich doch ein und nickte auf die andere Seite des Saals. Ich lächelte erfreut und folgte ihm. Ich wurde etwas nervös, als ich erkannte, auf wen er da zusteuerte. Ihr Name war Ilmare - himmlische Schönheit, was wahrlich zu ihr passte. Sie hatte schwarze, leicht lockige Haare, welche sie offen trug, womit sie ihr bis zur Hüfte gingen. Dazu hatte sie ein hellblaues Kleid an, welches mit durchsichtigem Stoff, auf welchem wunderschöne Verzierungen befestigt waren, ihre Arme bedeckten. Das restliche Kleid hatte offensichtlich mehrere Schichten, welche am Körper verteilt endeten und die Illusion von Ungeordnetheit und doch in einem System verursachte, was mich etwas verwirrte. Ihr Gesicht war zierlich und rein, genauso wie ihr Lachen, welches sanft auf ihren Lippen lang. Ich hatte sie schon oft gesehen und sie war auch ziemlich berühmt im Waldlandreich. Ohne, dass meine Eltern mich ihr vorgestellt hatten, hatte ich immer gewusst wer sie war.
"Ilmare, das ist Melian, eine Freundin von mir", stellte Inglor mich ihr vor. Sie schien erfreuter, als ich es erwartet hatte, mich zu treffen. Immerhin kannte sie sicherlich das halbe Reich beim Namen. "Schön dich kennenzulernen, Melian." Ihre Stimme passte einwandfrei zu ihrem Aussehen, war angenehm und melodisch und hob sich gut von der Musik ab. "Ebenfalls", erwiderte ich schnell und lächelte ebenfalls. "Also, wo treibt sich mein Bruder diesmal rum?", fragte Inglor etwas belustigt, doch schien auch zu wissen, dass es ihr etwas bedeutete. "In den Bergen im Süden mit einigen Freunden", antwortete Ilmare. Kummer spiegelte sich in ihren Augen. "Ich habe ihn gesehen, wie er weggegangen ist, das ist doch schon einige Zeit her?", fragte Inglor etwas verwirrt. Nun änderte sich der Kummer zu Sorge. "Ich bin mir sicher es geht ihm gut." Doch sie klang nicht sonderlich überzeugt. "Hat er gesagt, wie lange er wegbleiben wird?" "Geplant waren zwei Wochen", erwiderte sie leise und nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas. Es tat mir im Herzen weh sie so traurig zu sehen. Doch es würde ihn doch sicher jemand finden können? Außerdem was soll innerhalb der Grenzen groß passieren?
"Ich bin auch der Meinung, dass man mal nach Círdan sehen sollte", mischte sich Legolas ein, doch seine Stimme war lange nicht so wie die von Ilmare von Sorge geplagt. Trotzdem konnte ich Beunruhigung in seinen Augen erkennen. Ich wandte jedoch schnell meinen Blick ab und neigte wie die anderen kurz meinen Kopf vor ihm. "Ich werde mitkommen", stellte Inglor ernst klar und sah wieder zu seiner Schwägerin. "Melian?", fragte Legolas interessiert und schaute mich an. "Natürlich", antwortete ich schnell und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Círdan ging mich nicht unbedingt viel an, doch wenn ich wieder mit Legolas auf eine Reise gehen konnte, dann war ich natürlich dabei.
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