Ende Oktober - Wahrheit?

Es war Halloween. Ein Tag, an dem sich Alices Clique oft zum Filmegucken verabredeten. Meistens geschah das bei Laurin und besonders Sophie war immer euphorisch dabei. Doch dieses Jahr war Alice nicht dabei. Sie hatte ihren Freundinnen gesagt, dass sie nicht gehen durfte, doch in Wirklichkeit waren ihre Eltern nicht einmal da. Ihr Vater musste zu einer Tagung und ihre Mutter war bei Alices Tante. Irgendwie fühlte sich Alice ein wenig schlecht dabei, ihre Freundinnen angelogen zu haben, doch wollte sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Freiheiten zu Hause zu nutzen und Stephanie zu sich einzuladen. Denn der Tag gehörte nur ihnen beiden. Sie waren nun seit genau zwei Monaten zusammen. Zwei Monate klangen nach nicht viel, doch war es dennoch etwas besonderes. Es war Liebe.

Alice kuschelte sich an Stephanie unter die Decke. Sie saßen im Wohnzimmer auf dem Sofa und sahen fern. Natürlich lief irgendein Horrorfilm, da es Halloween war und alle Fernsehsender irgendeinen Gruselfilm zeigen wollten. Auch wenn sie schon eine Weile zusammen fern sahen hatte keine von ihnen auf die Handlung des Filmes aufgepasst. Viel zu schön war dabei die Nähe der Anderen, um sich von einem Film ablenken zu lassen.
Verträumt sah Alice ihre Freundin an und Stephies Herz machte einen riesigen Sprung. Unbeschreiblich viele Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch Tango und sie konnte nicht anders, als sie zu küssen. Der zarte und niemals enden wollende Kuss bereitete Stephanie ein wohliges warmes Prickeln unter ihrer Haut. So viel Liebe in diesem einen Kuss steckte, so hätte sie es nie erträumen können. Nach all der Zeit, als Stephanie ihre Angebetete nur aus der Ferne beobachtet hatte, war es fast zu schön um wahr zu sein, dass Alice genauso empfand.
Sanft vertiefte sie den Kuss. Spürte Alices Zunge, ihre Wärme und Leidenschaft. Alice streichelte ihre Seite, ihren Nacken, lehnte sich leicht über sie. Leicht stöhnte Stephie bei den elektrisierenden Berührungen. Sie küsste Alice am Hals und streichelte sie von der Wange aus zum Nacken hin. Alice schloss genießerisch die Augen, bevor sie sie wieder öffnete, um Stephie mit ihren tiefhimmelblauen Augen anzusehen. Ein warmes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. "Ich liebe dich so sehr", raunte Alice ihr zu und Stephanie wusste, wie ernst es ihr war. "Ich liebe dich auch", antwortete sie ihr hauchend. Sie küssten sich noch tausende Stunden lang. Die Zeit blieb stehen.
Es war das schönste überhaupt, die Geliebte im Arm zu haben, sie küssen zu können, ohne über irgendetwas nachzudenken. Nein, denn diese Nacht war magisch. Ein Märchen, nur für sie geschrieben, eine grenzenlose Freiheit. Und sei es nur für eine Nacht.

Es war schließlich zehn Uhr geworden. Der Film war zu Ende und es fühlte sich dennoch nicht so spät an. Träge standen sie auf. Wie aus einem langen Traum, der dennoch nicht enden sollte. "Wollten wir nicht abendessen? Wir haben das ja echt vergessen!", lachte Stephanie neckend und schlang ihre Arme um Alices Hüften. Alice grinste, küsste ihre Freundin auf die Wange. "Pizza?" Sie hatte tatsächlich Hunger, sie hatte es durch all die Aufregung fast vergessen. Stephie nickte. "Gern."

Sie aßen die Pizza in Alices Zimmer. Alices Zimmer war zwar klein, doch dafür umso kuscheliger. Die Lichterkette, die über ihr Bücherregal bis über das Bett ging strahlte ein schönes warmes indirektes Licht aus. Alice hatte die Stereoanlage angestellt. Eine bunt gemischte Playlist, die auf ihrem mp3-Player gespeichert war. Sie erinnerte, wie sie zusammen diese Liste erstellt hatten. Alles war dabei. Klassik, Jazz, Pop, Rock, Indie. Was den Musikgeschmack anging tickten die zwei ähnlich. Stephanie lächelte, als sie die Liste erkannte. Sie summte mit.

Alice hatte nie gewusst, dass eine Tiefkühlpizza jemals so lecker sein konnte, doch sie wusste, dass das nur an der reizenden Gesellschaft lag. Wenn Stephanie bei ihr war, fühlte sie sich komplett. Es war alles perfekt.

Stephanie blickte auf das schönste Mädchen, das sie kannte, prägte sich jede Einzelheit ihres Gesichts ein. Nach einer Weile hatten sie fertig gegessen, ihre Teller auf Alices Tisch gestellt.
Alice strich ihr über die roten kurzen Haare und kam mit ihrem Gesicht näher. Stephanie konnte fast jede einzelne Wimper, jede einzelne Sommersprosse und jedes einzelne Detail sehen. Jedes Detail versuchte sie sich einzuprägen, so, dass sie sich noch lange erinnern konnte, wie es war, frisch verliebt das Mädchen zu haben. Sie schloss die Augen und ließ sich küssen. Sie spürte jeden einzelnen Funken ihrer Emotionen. Alices sanfte Lippen waren unwiderstehlich weich und geschmeidig. Sie drückte sich dichter heran, bis sie schließlich nebeinander auf dem Bett lagen, ihre zärtlichen Küsse genossen, die nach und nach leidenschaftlicher wurden. Stephanie vergrub ihre Finger in Alices Nacken, spielte mit ihren Haaren, während Alice sie den Rücken hinunter streichelte. Mehr oder weniger zufällig strich ihre Hand über Stephies Po. Stephie blinzelte sah Alice lächelnd an, die etwas verlegen und rot zurück lächelte. Schließlich drückte Stephanie ihre Lippen fest auf Alices und ging mit ihrer Hand unter ihr Top. Ihre Haut fühlte sich weich an und wunderschön warm. Sie streichelte ihren Bauch, wobei Alice kurz zuckte, da sie am Bauch kitzelig war. Stephie tastete sich vorsichtig nach oben, behutsam, achtete auf Alices Reaktionen. Alice atmete langsam schwerer. Sie ließ sich streicheln, berühren. Schließlich küsste sie Stephie, biss ihr neckisch auf die Unterlippe, während ihre Hand ihr langsam auch unter die Kleidung ging.
Schon bald lagen sie da, mit nicht mehr viel bekleidet, erforschten ihre Körper. Hatten beide zwar zunächst leichte Unsicherheiten, fühlte es sich nur richtig an. Behutsam küssten sie sich. Spürten Haut an Haut. Sie liebten einfach einander, zum ersten Mal auf diese Weise. Ohne viel Konzept oder Denken, es war mehr ein intensives Fühlen. Zwischen Zärtlichkeit und Leidenschaft wechselte diese Intimität. Und sie wünschten, die Nacht könnte eine Ewigkeit andauern.

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"Okaaay, lasst uns Wahrheit, Wahl oder Pflicht spielen!" Sophies Stimme wirkte bestimmend und keine Wiederworte akzeptierend. Ich stöhnte leicht auf und tat mein bestes nicht direkt die Augen zu verdrehen. Wir saßen alle bei Laurin im Wohnzimmer, wobei der Boden mit Matratzen belegt war, da wir alle dort schlafen würden. Eigentlich war es mitten in der Woche, also kein super Tag für einen Mädelsabend. Doch es war Halloween und sowohl Laurin als auch Sophie liebten es sich an diesem Tag - besser gesagt Abend - sich mit Süßigkeiten vollzustopfen und Horrorfilme zu sehen. Alice war nicht dabei, doch das war irgendwie absehbar bei ihren Eltern.

"Was?", murmelte Laurin, die ihren Kopf an meine Schulter gelehnt hatte und somit Sophies Ankündigung nicht verstanden hatte. Ich seufzte. " Wahrheit oder Pflicht", erklärte ich es ihr. Ich saß dicht gedrängt zwischen Laurin und Mina, beide wie ich nicht darauf erpicht sich zu bewegen, geschweige denn Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Sophie sah mich tadelnd an. "Wahrheit, Wahl oder Pflicht!", betonte sie, doch es lief ja aufs gleiche hinaus. Clara schien im Gegensatz zu uns begeistert von der Idee zu sein. "Ja! Bisschen Action hier!" Mina bewegte sich mit einem amüsierten Lächeln. Anscheinend schien sie der Idee doch etwas abgewinnen zu können. Ich warf Laurin einen vielsagenden Blick zu. Laurin seufzte lächelnd. "Muss das..." - "Jaa, muss es!", schnitt Sophie Laurin grinsend das Wort ab. Ich lächelte unsicher, versuchte so wenig wie möglich aufzufallen. "Also Wahrheit, Wahl oder Pflicht?", fragte Mina Clara. "Pflicht!", kam es prompt. Mina überlegte kurz. "Dann... schlucke diese Salzstange ohne zu kauen." Sie hielt Clara ein nicht zu großes abgebrochenes Stück Salzstange hin. Bei dem ersten Versuch verschluckte sie sich fast, doch dann klappte es irgendwie. "Uhh, wer da gut schlucken kann!", lachte Sophie. Und Clara sagte: "Wahrheit, Wahl oder Pflicht!"
Sophie überlegte kurz, bevor sie sich für Wahrheit entschied. Clara grinste bei der Entscheidung dämonisch. "Hattest du mit Oliver schon Sex?" Bei der Frage lief Sophie rot an und machte ein undeutliches Kopfnicken, was genausogut auch wie ein Kopfschütteln gedeutet werden konnte. "Wahrheit, Wahl oder Pflicht!", fragte sie Laurin, bevor ihre Antwort beanstandet werden konnte. Ich unterdrückte ein Lachen. Sophie war normalerweise nicht so schüchtern. Laurin war gnädig, bohrte bei Sophie nicht nach, obwohl Clara fast protestieren wollte. "Wahl", sagte Laurin selbstbewusst. Sie musste entweder eine Lampe ablecken, sich mit Edding verschönern lassen oder eine Wasserflasche exen. Sie entschied sich für zweiteres und bekam promt einen Penis auf die Wange. Und dann war ich dran. Wahrheit, Wahl oder Pflicht? Ich konnte mir nie sicher sein, was Laurin mir für seltsame peinliche Fragen stellt, wollte aber auch keinen Edding-Penis gezeichnet bekommen. "Wahrheit?", fragte ich unsicher und auf einmal sahen mich alle an. Offenbar wollten sie alle eine bestimmte Antwort wissen, denn alle warfen Laurin einen schnellen Blick zu. "Okay. Du hast das zwar immer abgestritten, aber mal ehrlich. Was genau lief und läuft zwischen dir und Jacob?" Ich wurde unwillkürlich rot. Verdammt, und ich dachte das Thema wäre längst gegessen! Ich entschloss mich, die Wahrheit zu sagen, nur dass ich die Sache mit Clara verschweigen würde...
"Naja bei der Party bin ich hochgelaufen, um Papier zu holen, wisst ihr noch?", begann ich, "dabei war ich schon... ziemlich angetrunken und irgendwie war ich total emotional und... musste heulen und da war Jacob und hat die Toilette gesucht und er hat mich getröstet..." - "Awww", warf Sophie ein. Ich ignorierte das. "Naja. Jedenfalls sind wir ins Elternzimmer gegangen und haben ewig lang geredet und sind da eingeschlafen." Kurze Pause. Alle sahen mich noch erwartungsvoll an. "Wir sind nur gute Freunde", sagte ich dann schlicht. "Autsch!", meinte Mina, "Friendzone!" Ich seufzte innerlich. Wahrscheinlich würde dieses Gerücht sich so lange halten, bis ich irgendwann als Jungfrau sterben würde. Ich wollte noch etwas dazu sagen, doch dann wählte Mina schon ihr Schicksal. "Ich nehme auch Wahrheit." "Was läuft zwischen dir und André?", fragte ich, weil mir sonst nichts einfiel. Mina grinste. "Ich glaube, bald kann es offiziell sein", antwortete sie stolz. Jippie... noch ein baldiges Pärchen. Ich hoffte, dass die zwei nicht so nervig sein würden, da wir immerhin alle zusammen in einer Klasse waren und frischverliebte Pärchen anstrengend sein konnten. Dennoch freute ich mich für Mina.

Das Spiel ging weiter, mit mal mehr, mal weniger lustigen Sachen. Ich mochte das Spiel eigentlich ja nicht so, aber ich musste zugeben, dass es amüsant war. Irgendwann wurde die Regel gemacht, dass jede mal alle Kategorien durch haben musste, also war ich diese Runde mit Pflicht dran, was mir ein seltsam flaues Gefühl im Magen bereitete. Laurin sah mich prüfend an, bevor sie meine Aufgabe verkündete. Ich war auf alles gefasst und zitterte wieder vor einer peinlichen Aufgabe. "Schreibe deinem 18. Kontakt auf dem Handy eine Liebeserklärung." Oha. Das konnte witzig sein. Ich fragte mich selber, wie ich in diese Situation kommen konnte. Ganz einfach. Ich spielte mit. Ich seufzte und scrollte durch meine Kontaktliste. "Guthabenabfrage", sagte ich mit der leisen Hoffnung, dass ich verschont blieb. "Dann nimm den nächsten Menschen auf der Liste!" Na super. Ich scrollte weiter. Mein Atem stockte, als ich den Jacobs Namen auf dem Bildschirm sah. Hasste mich das Schicksal jetzt? Oder schrieb etwa eine gemeine Macht irgendwie den Verlauf meines Lebens auf? Ich verdammte innerlich dieses sadistische Wesen.

"HA!", rief Sophie schadenfreudig, als sie den Namen auf dem Handy sah. Alle beugten sich über mein Smartphone und freuten sich einen Keks. Naja. Wenn ich das später aufklärte könnte ich es vielleicht riskieren? Es kam mir dennoch komisch vor. Wir waren Freunde.

"Worauf wartest du noch?! Schreib!", rief Mina ungeduldig. Zittrig klickte ich auf Jacobs Namen und öffnete eine leere SMS. "Hab dich lieb", schrieb ich. Doch Laurin verdrehte die Augen. "Das ist aber keine echte Liebeserklärung! Lass mich mal!" Sie nahm mir das Handy aus der Hand, tippte irgendetwas ein, bevor ich reagieren konnte und schickte die Nachricht kurzerhand ab.
Sie las vor: "Hallo mein Engel! Ich wollte dir etwas schreiben, was ich mich nicht zu sagen traue, denn nichts macht mich glücklicher als dein Lächeln. Ich liebe dich! Herzchensmiley."
Ich starrte sie an, starrte auf den kitschigen Text. "Bitte was?! Was?!" Meine Stimme überschlug sich fast, ich fühlte mich fies ausgetrickst. Wie sollte ich das jemals erklären? Ich schlug meine Hände über den Kopf und schüttelte den Kopf. Laurin ließ mein Handy auf meinen Schoß fallen und grinste schuldbewusst. "Manchmal muss man dein Glück auch erzwingen", sagte sie zuckersüß und dachte sich für Mina eine Pflichtaufgabe aus. Vielen Dank auch, "Glück".

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