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Triggerwarnung:
Diese Erzählung erforscht die Schatten psychischer Erkrankungen, die schweren Gedanken des Suizids und den Druck emotionaler Belastungen. Für einige könnte dies ein herausfordernder Weg sein. Bitte achte auf dein inneres Wohl und suche die nötige Unterstützung, wenn die Worte zu schwer werden. Dein Seelenfrieden zählt.
Sarah saß in Evelyns Büro, die Hände zitterten leicht, während sie an ihrem T-Shirt zupfte. Der Raum strahlte Sicherheit und Ruhe aus, doch für Sarah war er eher wie eine Gefängniszelle, in der ihre Ängste greifbarer und unentrinnbar wirkten. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als würde sie etwas sehen, das Evelyn nicht wahrnehmen konnte – etwas, das ihren eigenen Puls beschleunigte und ihre Stimme zu einem erstickten Flüstern werden ließ.
„Es... ist hier", begann Sarah, kaum lauter als ein Hauchen. „Es lässt mich nicht los. Jede Nacht wird es stärker. Es frisst sich in meine Gedanken... treibt mich in den Wahnsinn."
Evelyn hielt Sarahs Blick ruhig und sanft, sich bemühend, ihr den Raum und die Sicherheit zu geben, die sie brauchte. „Sarah," sagte sie mit ruhiger, professioneller Stimme, „ich verstehe, dass es beängstigend ist. Aber vielleicht können wir es gemeinsam etwas greifbarer machen. Was genau nimmst du wahr, wenn es da ist?"
Sarahs Hände zitterten mehr, ihre Augen suchten den Raum ab, als würde sie sich vergewissern, dass das Unsichtbare ihnen nicht zuhörte. „Es ist wie... ein Schatten," stieß sie schließlich hervor, zögerlich, als könnten die Worte die Dunkelheit heraufbeschwören. „Ich sehe kein Gesicht, aber ich spüre seinen Blick... wie kalte Finger, die sich in meinen Verstand graben."
Evelyn nickte, nahm einen tiefen Atemzug, um die Spannung im Raum zu zerstreuen, und wählte ihre nächsten Worte bedacht. „Es klingt, als wäre das, was du fühlst, sehr mächtig – eine Art Schatten, der immer präsenter wird. Wie lange begleitet dich dieses Gefühl schon?"
„Schon... schon Monate," antwortete Sarah, ihre Stimme kaum mehr als ein Murmeln. „Aber jetzt, jede Nacht, flüstert es in meinem Kopf. Es sagt mir Dinge... es redet mir ein, dass ich wertlos bin, dass es niemanden interessiert, wenn ich verschwinde... Es will, dass ich ihm nachgebe."
Evelyn sah Sarah an, bemühte sich, das Drängen in ihrer eigenen Brust zu ignorieren. „Das ist ein sehr schmerzhafter Gedanke, Sarah. Es klingt, als ob dieses Gefühl versucht, dich in die Verzweiflung zu ziehen, wie eine dunkle Stimme, die nur negative Dinge sagt. Ich weiß, dass das unglaublich schwer ist, aber manchmal hilft es, wenn wir uns fragen: Was passiert, wenn wir diese Gedanken nicht einfach hinnehmen? Wenn wir nicht nachgeben?"
Sarahs Blick flackerte, als könnte sie für einen Moment der Dunkelheit entkommen. Doch dann wich der Ausdruck wieder dem Schrecken. „Manchmal fühlt es sich an, als wäre das Aufgeben der einzige Weg, um Frieden zu finden."
Evelyn atmete tief durch und behielt ihren ruhigen Ton bei. „Ich verstehe, dass es oft schwer ist, diesen Kampf allein zu führen. Aber du bist nicht allein hier. Wir werden uns diesen Gedanken und Gefühlen gemeinsam stellen, und ich verspreche dir, dass ich an deiner Seite bin. Du hast bereits so viel Stärke gezeigt, indem du hergekommen bist und darüber sprichst."
Sarahs Stimme brach, als sie mit erstickter Stimme flüsterte: „Aber... es lässt mich einfach nicht los! Es verfolgt mich überallhin... und ich fühle, wie jedes Mal ein Teil von mir... verloren geht."
Evelyn nickte und strahlte eine Ruhe aus, die Sarah Halt gab. „Diese Empfindungen sind real für dich, Sarah, aber es bedeutet nicht, dass sie dich kontrollieren müssen. Wir werden gemeinsam verstehen, was dir so zusetzt, und wir werden Wege finden, dich davon zu befreien. Ich werde da sein, wenn es zu viel wird. Ich verspreche dir, du musst das nicht alleine durchstehen."
Sarah schloss kurz die Augen, und Evelyn sah, wie ein kleiner Funken Hoffnung in ihrem Blick aufleuchtete, als sie sie wieder öffnete. Langsam verließ sie das Büro, zurück blieb Evelyn in der stillen Atmosphäre, die nur schwer zur Normalität zurückfand. Sie spürte, dass diese Sitzung mehr als nur ein Gespräch war. Die Dunkelheit, die Sarah beschrieb, fühlte sich bedrohlich nah an, als wäre sie ein Teil des Ortes selbst, das Wände und Räume durchdrang und das Leben in Havenwood unbemerkt zu beeinflussen schien.
Evelyn wusste, dass ihre Arbeit gerade erst begonnen hatte – und dass die Fragen, die Sarah aufwarf, nicht so einfach zu lösen wären.
Die Nacht legte sich wie ein schwerer Schleier über Havenwood, und Evelyns Gedanken wanderten ruhelos durch die Ereignisse des Tages. Dean schlief bereits neben ihr, doch sie konnte die innere Unruhe nicht abschütteln, die sich in ihre Brust gesetzt hatte. Sarahs Worte, die geisterhafte Bedrohung, die sie beschrieb, schienen Evelyns Gedanken zu vergiften und ließen sie immer wieder an den Notizzettel denken, auf dem die alte Legende geschrieben stand.
Sie stand auf, zog sich einen warmen Mantel über und schlich leise die Treppen hinunter. Christopher hob kurz den Kopf, als sie an ihm vorbeiging, bevor er sich wieder auf dem Fensterbrett zusammengerollt niederließ. Evelyn trat auf die Veranda hinaus, ließ die kühle, dichte Luft der Nacht in ihre Lungen strömen. In der Ferne, verborgen hinter Nebelschwaden, lagen die alten Wälder, die Havenwood umgaben und deren Präsenz sie plötzlich als unheilvoll empfand.
Ihr Blick glitt zu den verwitterten Bäumen, die sich in der Dunkelheit kaum abzeichneten. Die Geschichten über die „Wachende Dunkelheit" waren tief in der Geschichte des Ortes verwurzelt – und sie hatte sie stets als Spukmärchen abgetan. Doch nun, da Sarah von diesem namenlosen Schrecken sprach, drängte sich Evelyn die Frage auf: Waren die Ängste ihrer Patientin womöglich real?
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie schlang den Mantel enger um sich. Zurück in ihrem Arbeitszimmer ließ sie sich in ihren Sessel sinken und zündete eine kleine Lampe an. Der milde Lichtschein durchbrach die Schatten, doch Evelyns Blick wanderte immer wieder zu dem Notizzettel, als könne sie darin eine Antwort finden.
Ein leises Geräusch ließ sie aufhorchen – eine leise, vertraute Stimme aus dem Flur. Sie drehte sich um und sah Dean, der in der Tür stand und sie besorgt ansah. „Kommst du zurück ins Bett?" fragte er sanft, seine Augen schienen in dem dämmrigen Licht tiefer zu blicken, als sie es sonst taten.
Evelyn rang sich ein schwaches Lächeln ab und nickte. „Ja... gleich." Doch sie zögerte. „Ich musste nur... meine Gedanken ordnen. Diese Legende, Dean. Es lässt mich einfach nicht los, und ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken, was Sarah gesagt hat."
Er trat zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter, zog sie sanft an sich. „Evelyn, was auch immer du zu finden glaubst, wir werden das gemeinsam durchstehen. Aber vergiss nicht, dass der Verstand manchmal Spiele mit uns spielt, besonders wenn er mit solchen Ängsten gefüttert wird."
Seine Worte beruhigten sie für einen Moment, und sie ließ sich von ihm zurück ins Schlafzimmer führen. Doch als sie wieder in die Dunkelheit eintauchte und die Nacht sich erneut über sie legte, blieb das Gefühl, dass etwas Unausgesprochenes in den Schatten von Havenwood lauerte. Evelyn schloss die Augen, doch ihre Gedanken kreisten weiter – um Sarah, die bedrohlichen Erzählungen und das Wissen, dass sie sich diesem Geheimnis nicht entziehen konnte.
𝒎𝒖𝒄𝒉 𝒍𝒐𝒗𝒆,
𝒏𝒂𝒏𝒂
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