8. Kapitel
London, Freitag 19:58 Uhr
Nun stehen Daemon und ich vor diesem Schloss. Es ist wirklich wunderschön. Keine Ahnung, was genau Daemons Blut in mir ausgelöst hat, aber ich fühle mich ein bisschen so, als hätte ich ein wenig Wein getrunken. Als ich mit 15 das erste Mal Alkohol getrunken hatte, damals handelte es sich um zwei Gläser Rotwein von meinem Vater, hat es sich ähnlich angefühlt. Ich weiß noch wie Luke meinte, wir müssten seinen 16. Geburtstag richtig feiern, und sich dann einfach die volle Flasche nahm. Das Gefühl von damals ist nun wieder zurück gekehrt. Ich bin unbeschwert und fühle mich leicht. Außerdem kann ich die Essence des Schlosses sehen, es ist wunderschön. Weiß und voller Blumenranken und Abbildungen kleiner Engelskinder, die auf die Sonne zufliegen. Das Tor ist gigantisch und prunkvoll, und ich freue mich schon darauf, dass Innere des Schlosses zu sehen. "Lass uns rein gehen.", ertönt da Daemons Stimme. Er steht links von mir und sieht noch schöner aus, als sonst. Seine Augen glitzern und sehen beinahe silbern aus. Auf seiner geraden Nase ist nicht eine Pore zu erkennen, und seine Lippen sehen so weich und einladend aus, dass ich versucht bin, mich einfach an seine starke Brust zu lehnen und meinen Mund auf den seinen zu pressen. "Du bist high.", erklärt er mehr sich selbst als mir. Anscheinend hat er meine Gedanken gehört. Oh. Ich blinzle einige Male und mein Kopf wird wieder etwas klarer. Hätte ich nicht von seinem Blut getrunken, wäre mir diese Situation sicherlich mehr als nur unangenehm. Zum Glück benebelt es mich genug, sodass ich nicht sterbe vor Pein. Aber hätte ich nicht dieses Blut gekostet, hätte ich gar nicht erst solche Gedanken gehabt. Oder sie zumindest nicht gedacht, während ich Daemon in die Augen sehe. Anscheinend hat Blut eine ähnliche Wirkung auf mich, wie Alkohol. Zumindest unsterbliches Blut. Ich weiß noch, wie es damals war als ich das erste Mal mit Hayden über meine Gefühle gesprochen hab. Es war unser viertes offizielles Date. Seit beinahe 4 Wochen gingen wir miteinander aus, er brachte mich ständig zum lachen. Und er machte mich glücklich, damals noch. Wir saßen zusammen auf seiner Couch im Wohnzimmer, ich war das erste mal bei ihm und seine Eltern zum Glück nicht da. Irgendeine Serie lief im TV vor uns, doch ich nahm sie gar nicht wirklich war. Eher achtete ich auf jeden Bewegung, jeden Atemzug von Hayden neben mir. Er lachte gerade über einen Kommentar, den dieser Barney abgab, und legte seine Hand dabei auf mein Knie. Ich zählte in Gedanken bis fünf bevor ich ihn ansprach. 'Hast du noch ein Bier für mich?' Ich trank selten, wenn dann nur zu großen Feiern oder in Situationen wie diesen. Mein Fast-Freund sah mich an und schmunzelte. Doch er stand auf und reichte mir ein Bier, was mich letzten Endes dazu brachte, ihn an jenem Abend das erste Mal zu küssen und nur einen Atemzug später zu erwähnen, dass ich schon in der achten Klasse von ihm geküsst werden wollte. Dies schien gut bei Hayden anzukommen, denn er küsste mich gleich noch einmal und wir hielten am folgenden Montag auf dem Weg zur Schule Händchen. Von da an galt er nicht mehr als mein Date, sondern als mein fester Freund. Und wir küssten uns sogar in den Unterrichtspausen oft.
Die Erinnerung lässt meine Wangen glühen. Wenn sich dieser Abend mit Daemon auch so entwickeln sollte..
"Ich.. Es tut.. Lass uns rein gehen. Ja.", nuschle ich unbeholfen und sehe das charmante Lächeln von Daemon. Ich sollte drinnen unbedingt eine Menge Wasser trinken!
Daemon geht vor, wir kommen dem riesigen, leicht beleuchteten Gebäude immer näher, und so langsam höre ich Geigenmusik und die Klänge eines Klaviers. Sie spielen in perfektem Einklang. Ein paar fliegende Röcke und lachende Damenstimmen fallen mir hinter den Fensterläden auf, und ich muss mich zusammen reißen, damit ich nicht mit tanzen anfange. Mein Gegenüber scheint meine federnden Schritte zu bemerken, denn er lacht und verspricht ein leises "Später."
Mit jedem Schritt, den wie näher an das pompöse Schloss heran treten, kommt die Aufregung ein bisschen mehr zurück. Auch wenn das Blut einen Teil meiner Sinne benebelt hat, kann ich nicht einfach auf Geister treffen, ohne auch nur ein Fünkchen Angst zu verspüren. Als ich einige Leute vor dem Eingangstor des Schlosses plaudern sehe, greife ich wie aus einem Instinkt heraus nach Daemons warmer Hand, verschränke unsere Finger miteinander. Er atmet tief ein, doch ich bemerke es kaum. Mein Blick ist stur auf die drei Frauen vor uns gerichtet, die allesamt Kleider mit ausladenden Röcken in Kanarienvogelgelb, Tomatenrot und Flamingopink tragen. Nur am Rande nehme ich wahr, wie Daemon vorsichtig über meinen Daumen streicht, wie sich seine Atmung verändert, als wir vor den Frauen stehen bleiben, Und ich meinen Oberkörper an seine Seite lehne. Etwas tief in mir beginnt zu brennen, als sich seine Wärme auf mich überträgt. Meine Härchen an den Armen stellen sich auf, meine Atmung passt sich an die Daemons an. Und auch er lehnt sich ein wenig mehr zu mir, hält meine Hand fester. Und wieder, aus reinem Instinkt, entspannt sich mein Geist etwas, obwohl mein Körper in Flammen steht. All das schiebe ich dem Blut zu, das ich nicht hätte anrühren sollen.
Doch das scheint nun sowieso unwichtig, denn die Damen vor uns verstummen und werfen dann neugierige Blicke zu uns hinüber. Die im gelben, tief ausgeschnittenen Kleid klatscht vergnügt in die zierlichen Hände. Sie ist kleiner als ich, bestimmt ganze fünf Zentimeter kleiner, und hat auch keine Perücke, die ihr an Größe helfen würde. Anders als ihre beiden Freundinnen trägt sie ihr eigenes Haar in dunklen Wellen, die ihr fast bis zum Po reichen.
An jeder anderen hätte ein so grelles Gelb furchtbar ausgesehen, doch an ihrem gebräunten Körper wirkte es perfekt. Sie lächelte von einem Ohr bis zum anderen, hatte nur Augen für den Mann an meiner Seite. "Daemon. Ich bin so erfreut!", ruft sie aus und ich sehe ihr verwirrt in die fast schwarzen Augen. Nun scheint sie auch mich zu bemerken. Ihre klatschenden Hände fallen schlaff herunter und ihr Lächeln erstirbt. Gut so.
"Layla, welch schöne Überraschung, dich hier zu treffen. Das ist Caroline.",sagt er höflich und ich nicke eifrig. Anstatt uns Ihre Freunde vorzustellen, sieht mich diese Layla nur weiterhin an und wiederholt fragend meinen Vornamen. Ich knickse, so wie Daemon es mit vorhin geraten hatte, und lächle verhängnisvoll. "Aye, Caroline Eadlyn Stuart aus den schönen Highlands." Zum Glück bin ich ein Fan der Serie "Outlander". Gerade fühle ich mich sogar ein wenig wie Clare. Dieser Gedanke gibt mir neuen Mut.
Layla sieht von mir zu Daemon und wieder zurück. Wäre ich kein Mädchen, würde ich ihr Lächeln vielleicht sogar für freundlich halten. "Eine Schottin? Was verschlägt denn eine Schottin nach London?", hakt sie, immer noch lächelnd nach. Daemon möchte gerade sprechen, doch ich komme ihm zuvor. "Nun, falls es nicht völlig offensichtlich ist, ich bin mit Daemon hier. Wir sind verheiratet." , erkläre ich, weniger höflich als ich sollte. Ich mag sie nicht.
Laylas Blick heftet sich an unsere ineinander verschlungenen Finger und sie verschluckt sich an ihrem eigenen Speichel. "Verheiratet? Wieso war ich denn nicht eingeladen, Daemon?", schmollt sie traurig, obwohl alle Anwesenden genau wissen, dass sie nicht wegen der Feier an sich traurig ist. Du warst nicht eingeladen, weil du ein Geist bist der nicht vom Anwesen weichen kann, will ich sie am liebsten anschreien. Die Tatsache dass es nie eine Hochzeit gab, würde ich natürlich auslassen. "Es tut mir aufrichtig leid, Layla. Es war alles sehr spontan, außerdem sind wir noch nicht lang zusammen.", meint er nur fürsorglich. Gut, nicht alle Anwesenden wissen bescheid.
Layla nickt langsam und greift nach Daemons freier Hand, was mich dazu bringt, seine andere loszulassen. Was soll das? "Natürlich verzeihe ich dir Daemon, wir kennen uns doch schon ewig. Und ich bin froh, nun auch deine reizende Frau zu treffen. Das sind übrigens Doris Dales und Penelope Horan.", ihre Finger zeigen zuerst auf die in Pink, dann auf die in Rot. Beide scheinen froh, endlich erwähnt zu werden. Ich nicke Ihnen zu, so, wie Daemon es mir gestern erklärt hat, und richte meine Aufmerksamkeit anschließend wieder auf Layla. "Dir Freude liegt ganz auf meiner Seite." Mein Lächeln ist ebenso falsch wie das ihre. Als ich meine Hand auf Daemons Arm lege und mit leicht schrägen Kopf sage, dass ich zu gern auch noch die anderen kennen lernen würde, verneigt er tief den Kopf und lässt von dieser Layla ab.
Wir betreten das Schloss, meine Hand um seinen Arm gelegt, und ich fühle mich wie eine Schauspielerin oder Zeitreisende. Es ist ein tolles Gefühl. Selbst wenn ich noch benebelt sein sollte vom Blut, weiß ich genau, dass einer nüchternen Carter all das auch gefallen würde. Der beige Parkettboden, die Verzierungen an den Wänden, der gigantische Schokoladenbrunnen in der Mitte des Saals, die schöne Musik, ja selbst die lachenden Geister würde sie mögen. Wie von selbst schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Dieser Abend würde toll werden, dieser Schokoladenbrunnen würde bald schon leer sein und meine Füße wund vom Tanzen. Und selbst wenn ein paar Poltergeister oder Schlossgespenster anwesend waren, würde das nichts an meiner ausgelassenen Stimmung ändern. Nicht einmal Layla kann mir meine gute Laune nehmen. Heute war ich eine Zeitreisende auf einem Barockball, trug ein wunderschönes Kleid und hielt Händchen mit dem charmanten Prinzen. Niemand würde mir dieses Gefühl je nehmen können!
Auch nicht die betrunkene in dem violetten Kleid, die gerade auf uns zugewankt kommt. Geister können betrunken sein? Und das schon zehn Minuten nach Beginn der Party? "Daemon?", meint sie stirnrunzelnd als sie uns sieht. Ihre grauen Augen weiten sich. Ich sollte ihn später dringend darauf ansprechen weshalb er diese Geister kennt. "Beth." Daemon scheint erstarrt zu sein. Er schaut diese Frau an, als sei sie ein Geist. Haha. Mit ihren rötlich-braunen Haaren und diesen hellgrauen Augen sah sie sogar noch besser aus als Layla. Mit diesen Mädchen sollte ich mich wirklich nicht vergleichen.
"Du hast mich schon lang nicht mehr besucht. Zwölf Jahre ohne dich zu sein.. Ich bin fast ein zweites Mal gestorben vor Sorge.", ihre Stimme klingt viel nüchterner als eben und fast schon weinerlich. Gern würde ich sie in den Arm nehmen. Hatte Daemon nicht gesagt, dass all diese Geister denken sie seien noch am Leben? Das Mädchen vor uns, Beth, welche nicht älter als ich sein konnte, wusste eindeutig bescheid.
"Elisabeth, ich.. Ich habe dich auch vermisst. ", gibt er einfach wieder und ich sehe, wie auch er den Tränen nah ist. Wer ist dieses Mädchen? Anstatt noch etwas zu Daemon zu sagen, sieht sie mich an und bringt sogar ein kleines, freundliches Lächeln zustande.
" Ein Mensch. Wie schön, zur Abwechslung mal ein schlagendes Herz zu hören. Wer bist du? " Ich will gerade den Mund öffnen und das Eingeprobte von mir geben, als Daemon sagt, dass ich Carter Hemmings heiße. Überrascht sehe ich zu ihm, so war das nicht geplant. Ich schlucke und bemerke das Nicken von Elisabeth.
" Ich bin Elisabeth Mary Broke, geboren 1650, gestorben 1666. Ich bin.. war Daemons drei Jahre ältere Schwester." Ich öffne den Mund, doch mir fallen keine Worte ein. Weder für das, was sie mir eben offenbart hat, noch für das, was Daemon oder Beth erlebt haben. Es tut mir schrecklich leid. Es tut mir leid, dass Daemon mit gerade einmal 13 Jahren seine Schwester verlor, dass Beth so jung starb und hier gefangen ist, dass auch Daemon schon so viele Jahre gefangen im Leben ist. Und nun bin auch ich wieder vollkommen nüchtern. Langsam lasse ich Daemons Arm los, um mich beweglicher zu fühlen, und sehe Beth in die Augen. "Komm mit mir und ich erkläre es dir.", sagt Elisabeth leise als sie meinen unsicheren Blick bemerkt. Ich nicke, auch wenn ich nicht aufdringlich sein will. Und dann gehe ich mit ihr auf eine Art Sofa zu, werfe einen letzten Blick über die Schulter zu Daemon, speichere mir dieses Bild für später ein. Was wird mir Daemons Schwester wohl erzählen?
Gleich zwei neue Charaktere 💎
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