5. Kapitel

Montag, 14:20 Uhr:

Nachdem die Englischstunde ziemlich ruhig verlief,  da wir uns erst einmal alle vorstellen mussten,  und zwei Mädchen bei der Vorstellungsrunde tatsächlich erwähnt hatten,  dass sie single sind, stehe ich nun am Podest und warte darauf,  dass die Menge still ist.  An dieser Rede saß ich beinahe zwei Monate, auf diesen Moment hatte ich ewig warten müssen. Und jetzt ist es so weit und mein Puls rast schneller als ein Ferrari.
Meine grünen Augen huschen durch die Menge vor mir,  finden Mary und Aly,  die mir strahlend winken. Ich muss lächeln.  Als nächstes sehe ich Luke,  etwas weiter weg stehend bei Dylan und Finn,  seinen zwei Jahre jüngeren Brüdern.  Anders als Luke haben sie rötliches Haar und sind kaum von einander zu entscheiden. Sie grinsen wirklich süß, und Luke der neben Ihnen lacht hält einen Daumen nach oben. Als ich gerade wieder auf mein Blatt sehen will,  bemerke ich einen Blick von Daemon.  Er steht an der linken Seite,  umgeben von vier kichernden Mädchen aus der Stufe unter mir,  scheint diese jedoch gar nicht zu bemerken. Ich bitte ihn stumm darum, mir die Daumen zu drücken. Als würde er die Worte hören, lächelt er beruhigend und nickt kaum merklich. Nun hat auch unsere Direktorin die letzten Worte ".. Beginnen wir mit Carter. Viel Erfolg." ausgesprochen. Die Leute klatschen obwohl noch gat nichts passiert ist.
Dann geht es also los.
"Veränderungen. ",  lese ich laut vor. Meine Stimme zittert kam. " "Veränderungen sind etwas unentbehrliches,  etwas nützliches,  etwas effektives und etwas gutes. Doch vor allem sind Veränderungen natürlich. " Hier setze ich die kurze Pause ein,  die meine Mutter mir geraten hat.
Von hier an geht alles ganz einfach.  Ich rattere den Text runter als hätte ich nie etwas anderes getan,  was in Anbetracht der letzten Zeit gar nicht ganz gelogen ist,  und bringe die Änderungen von Daemon mit unter. Am Ende der Rede klatschen alle,  lauter als vorhin,  und ich lächle glücklich. Es wird schon alles gut gehen, denke ich, du hast das super gemacht.
Moment mal,  das gerade habe ich nicht gedacht. Das war nicht meine Stimme,  das war.. In Sekundenschnelle finden meine aufgerissenen Augen Daemons Lächeln, welches sofort in sich zusammen bricht. Seine Augen werden heller,  sein Mund öffnet sich einen Spalt breit,  als würde er eine stumme Frage stellen. 'Wieso höre ich deine Stimme?' , denke ich durcheinander. Kann er meine auch verstehen?  Versteht er mich? Bin ich psychisch krank? Hatte der Sturz heute Morgen größere Auswirkungen? Doch eine Antwort bekomme ich nicht,  weder laut noch in meinem Kopf.  Daemon hat sich schon umgedreht und geht.

Daemons POV

Schnell laufe ich aus der Halle,  in der ich mir eben eine der besten Reden angehört habe, die Melody je vorstellte, bevor ich meine Gedanken zu Carter gesprochen habe,  und im Gegenzug ihre erhalten habe. So etwas ist unmöglich, nicht einmal mit Melody konnte ich auf diese Weise kommunizieren. Und wenn Carter,  beziehungsweise da Carter eine Reinkarnation Melodys ist,  dürfte es noch viel unmöglicher sein,  außer sie hat plötzlich neue Fähigkeiten.. Und ich auch. Als ich an der frischen Luft bin,  halte ich inne und lehne meinen Kopf an die kühle Hauswand. Schnee fällt vom Himmel, der Wind zischt leise, als sich  die Tür hinter mir öffnet. Ich erwarte schon einen nervigen Teenager, als ich mich umdrehe und  der Wind den Geruch von zartem Flieder zu mir trägt. Carter steht etwa zwei Meter von mir entfernt, ihr langes Haare weht es abwechselnd nach vorn und nach hinten. Ihre Augen sind geweitert und ihre Lippen aufeinander gepresst.  Sie sieht wunderschön aus,  wie ein Engel.  Ein aufgebrachter engel. Ein sehr,  sehr zorniger Engel. 
"Carter.. ",  setze ich zu einer Erklärung an,  die ich eigentlich gar nicht liefern kann. Langsam kommt sie auf mich zu, bis nur noch so viel Platz zwischen uns ist,  wie von Nöten um den Arm auszustrecken. Aus dieser Nähe ist ihr Duft nahezu betörend. "Was war das? Bin ich verrückt? Hast du es auch gehört? Ich weiß nicht ob ich  lieber verrückt bin oder eine Hexe. Bin ich eine Hexe? Warte,  bist du ein Vampir? Willst du mich..?"
"Carter.", gehe ich dazwischen, bevor sie ihren scheußlichen Gedanken aussprechen kann. Ich halte  sie vorsichtig am Arm, um sie zu beruhigen. "Das letzte mal als ich in den Spiegel gesehen hab, hatte ich noch keine Fangzähne. Und auch wenn du gut riechst, lecker riechst du nicht." Ich lasse ihren Arm los und warte, dass sie wieder anfängt dutzende Fragen zu stellen.  "Wenn ich verrückt bin, werde ich nie Psychologin sein.",  sagt sie da ruhig und sieht auf den Boden. Ich muss schon fast lachen. War das wirklich ihre größte Sorge? Wie unfassbar süß sie doch sein konnte. Als ich allerdings sehe, dass Tränen ihre Augen grau färben, bekomme ich etwas Panik. Ohne groß zu überlegen, überwinde ich den geringen Abstand,  indem ich sie in die Arme nehme. Es fühlt sich anders an als sonst. Irgendwie echter. Reeler. Neuer. Wahrscheinlich weil das alles für sie auch neu ist. Tränen landen auf meiner Brust. Am liebsten würde ich ihr jede davon weg küssen.  All ihre Sorgen.

Carters POV

Wie erbärmlich. Ich heule das Oberteil eines fremden Mannes voll,  weil ich psychisch krank bin. Langsam lasse ich von Daemon ab und sehe schniefend zu ihm hoch. Er sieht mich an,  als sei ich ein verletzter Welpe. "Hast du es auch gehört?", flüstere ich und bin dann doch erleichtert, als Daemon nickt. Tausende Erinnerungen an Bücher und Filme kommen mir in das Gedächtnis und ich atme tief ein, bevor ich die lächerlichste Frage überhaupt stelle. "Warum?"
Daemon schüttelt den Kopf und löscht damit sämtliche Hoffnung auf eine positive Antwort. "Ich weiß es nicht. Ich habe sowas noch nie erlebt." Falls es nicht vollkommen offensichtlich ist, ich auch nicht.
Vielleicht haben wir es uns ja auch einfach nur beide eingebildet. Vielleicht ist doch alles gut mit mir. Voller neuer Hoffnung sage ich: "Lass es uns noch einmal versuchen."
Daemon sieht mich an,  spricht aber nicht. Nach kurzer Überlegung ist mir klar,  was er gerade versucht. Ich sehe ihm in die Augen, probiere ob ich irgendwas hören kann,  doch atme erleichtert auf als ich nur das Schlagen der Schulglocke vernehme. Also hin ich kein Freak, jedenfalls kein ganz so großer wie ich es schon befürchtete. Zum Glück.

Auf einmal verändert sich Daemons Blick und ich schlage mir wütend die Hände vors Gesicht. Er hat mich gehört. Was auch immer hier vor sich geht,  es kann nicht normal sein.  Normale Menschen hörten keine Stimmen im Kopf,  außer vielleicht ihre Eigene. Was war denn nur los mit mir? Übernatürlich konnte ich wohl kaum sein,  auch wenn dieser Gedanke extrem cool ist,  denn Mum und Dad alternden, auch wenn ich das ihnen gegenüber nie erwähnen dürfte.
"Am Ende hab ich einen Hirntumor und du auch. Am Ende werde ich sterben. Ich will nicht sterben.", sage ich kopfschüttelnd und versuche, mich irgendwie wieder zu sammeln. Selbst wenn ich sterbe,  bringt mir dieser Nervenzusammenbruch nichts. Also schaue ich wieder geradeaus und sehe einen gebrochenen Daemon. Seine Augen sind nass und die schönen Lippen verkniffen. Besser ich gucke gleich wieder weg. "Du wirst noch nicht sterben.  Irgendwann,  ja. Heute nicht. Und auch nicht im nächsten Jahr. Du hast keinen Hirntumor, Carter.  Du bist einfach nur besonders. Und ich anscheinend auch. Wenn du stirbst,  sterbe ich mit dir."

Besonders.  Besonders ist ein Wort,  dass Menschen täglich benutzen um auszudrücken, dass jemand komisch ist.  Anders. Und ich war sowohl anders,  als auch komisch.  Ganz offensichtlich.  Doch besonders war ich nicht. Und über die Tatsache, dass er diesen Satz auch noch vollkommen ernst meint, kann ich nur lachen. Entrüstet sieht mir Daemon dabei zu,  wie ich mir die Seele aus dem Leib lache. Ich muss mir den Bauch halten und lache trotzdem weiter. Ich lache,  bis ich höre, wie Daemon in die Hände schnippst und sehe dann zu ihm, nur um beim  Anblick seiner gerunzelten Stirn noch heftiger zu lachen.
'Sie ist wunderschön. ', höre ich da wieder die fremde Stimme in meinem Kopf und mir wird augenblicklich schlecht. Ich stütze mich, nun völlig still,  neben Daemon an der Wand ab und blicke in den weißen Himmel. Es ist eiskalt hier draußen, so ganz ohne Jacke und Schal, doch bisher fiel es mir gar nicht richtig auf. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Der Holundergeruch steigt mir in die Nase und mir wird gleich wärmer. Etwas weiches berührt meine Hand,  und als ich hinunter sehe,  bemerke ich das Daemons kleiner Finger an dem meinen liegt. Seine Finger sind beinahe doppelt so lang wie meine. Und die Wärme die er ausstrahlt reicht für uns beide. Auch wenn saß eben erlebte mir eine Gänsehaut bringt. Was war das nur? Was hat es zu bedeuten? Wenn ich zuhause bin muss ich unbedingt googeln, oder meine Mutter fragen, ob sie vielleicht doch eine Hexe ist.  "Ich kenne jemanden, der sich mit all diesem abgefahrenen Kram auskennt.", fängt da Daemon an,  doch  ich kann mich beim besten Willen nicht vom Anblick unserer Hände los reißen. Also warte ich einfach darauf,  dass er fort fährt. "Wenn du möchtest, und es nicht wieder weg geht,  können wir am Wochenende zu ihm fahren." Langsam nicke ich.  Natürlich will ich das.  Auch wenn dieser jemand wahrscheinlich psychisch erkrankt ist,  will ich die Chance nutzen.

Als sich die Schüler in Massen aus dem Gebäude drängen nehme ich meinen Finger zurück und sehe Luke dabei zu, wie er sich einen Weg zu mir bahnt. Sogar meine Sachen hat er dabei. Er sieht fast so erschöpft aus,  wie ich mich fühle. Als er mein aufgelöstes Gesicht sieht,  beschleunigt sich sein Schritt, bis er genau vor Daemon und mir steht und mich still umarmt. Ich muss mich zusammen reißen, um nicht wieder loszuheulen. Behutsam streichelt er mir über den Rücken, genau dort,  wo ich Daemons schweren Blick spüre. "Cary, deine Rede war super,  wirklich. Kein Grund zur Sorge. Jeder der Cole oder Miranda wählt,  hat eine totale Macke.", beteuert er. Ich nicke, denn nur so kann ich ihn beruhigen. Und mich selbst. Nie könnte ich ihm die Wahrheit sagen,  ohne Gefahr zu laufen,  dass er mich für verrückt erklärt und ich ihn verliere.  Den Menschen,  der mein ältester Freund ist,  und den ich schon mit vier Jahren regelmäßig zu Tode genervt habe. Mit der freien Hand wünsche ich mir die Tränen weg und drehe mich zu Daemon,  der uns wie versteinert ansieht. Auch Luke scheint seinen Blick zu bemerken, denn er erwidert ihn,  unfreundlicher als erwartet.

"Luke Salvers, richtig? Achtzehn Jahre alt und Mitglied unseres Basketballteams? ", fragt Daemon nach. Mein bester Freund nickt und reicht Daemon die Hand.
"Ja,  ich bin im gleichen Kurs wie Carter.", ergänzt er völlig überflüssig. Als wüsste unser Lehrer das bei all seinen gewonnenen Infos nicht schon längst.
Daemon schlägt ein und stellt sich,  ebenfalls mehr als nur überflüssig, erneut vor. "Daemon Broke, einundzwanzig Jahre alt und eher der Footballfan." Wollen die beiden jetzt wirklich über Sport diskutieren? Und ihre Hände lassen Sie auch nicht mehr los. Eher starren sie sich total verbissen an. "Luke, fährst du mich heim? Ich will bei dem Wetter nicht laufen.",  werfe ich darum ein und warte,  dass die beiden den Blickkontakt abbrechen. Was auch zwei Sekunden später passiert. Luke lächelt mich  an und verschränkt seine Finger mit meinen, woraufhin Daemon die angehaltene Luft laut ausstößt. Seit wann halten Luke und ich denn Händchen? "Natürlich, Cary. Wenn du magst fahren wir direkt zu mir. Dann können wir den gemeinsamen Abend ja schon früher beginnen?" Spielt er damit auf das Lernen an? Was geht in seinem Kopf vor. "Klar.", erwidere ich nur verwundert. Und schon lächelt Luke wieder so komisch und nickt in Daemons Richtung. "Man sieht sich."  Der junge Lehrer legt daraufhin nur den Kopf schief und beäugt skeptisch unserer Finger. "Habt einen schönen Abend."
Verwundert sehe ich ihm hinterher,  als Luke auf seinen dunkelblauen BMW zu läuft.

Neues,  abgeschlossenes Kapitel (außer ich finde noch Fehler) 😂👆💗

Team Caremon 💋 oder Team Luker 🌹 ?

Lieb' euch alle!!! 💎

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