4. Kapiel
Montag, 12:04 Uhr
Anstatt beim Anblick unseres zukünftigen Lehrers die Hände von mir zu nehmen, zieht Hayden mich mit einer flinken Bewegung zu sich. Ich bin zu geschockt, um mich bewegen zu können. Hatte er gewusst was hier vor sich geht, oder warum ist Daemon mir gefolgt? In den letzten Stunden wurde ich einfach nicht schlau aus ihm. Es kam mir so vor, als sei er ein riesiges Rätsel, nahezu gigantisch. Dabei kannten wir uns noch nicht mal einen Tag, wie sollte es da erst in einer Woche, oder einem Monat sein?
Daemons Blick wandert von Hayden zu mir und wieder zurück. "Wir unterhalten uns doch nur.", meint Hayden daraufhin nur süffisant grinsend. Anscheinend glaubt er, ich sei auf seiner Seite, weil ich so ruhig bin. "Ich will aber nicht mit dir reden. Und ich will nicht von dir berührt werden.", hauche ich so leise wie möglich in seine Richtung. Ich will hier echt keinen großen Aufstand machen. Ich hasse es, wenn mir die Aufmerksamkeit zu Füßen liegt. Hayden soll einfach nur gehen und, bitte, endlich meinen Arm los lassen. Doch daran denkt er gar nicht. Das scheint auch Daemon zu bemerken. "Verdammt, du hast sie genau verstanden. Wenn du ihren Arm nicht sofort los lässt, wirst du deinen bald los werden." Hayden hebt ungläubig die Augenbraue, mein Gesicht wird ganz ähnlich aussehen. So hat mich definitiv noch niemand in Schutz genommen. Mein Ex lässt blitzschnell von mir ab, begutachtet unseren Lehrer, alias Daemon, alias mein persönlicher Wachhund, aber weiterhin mit einem seltsamen Blick, der nicht gutes verheißt. Vor neun Wochen noch, hielt ich Hayden für meinen Beschützer. Meinen Helden. Dann hatte er Elain geküsst, das Vertrauen war weg und er bettelte mich regelrecht an, ihm zu verzeihen. Zu diesem Zeitpunkt waren wir seit fast 10 Monaten zusammen, und ich wollte so sehr dass es für ewig hält, also habe ich ihm verziehen. Ein riesiger Fehler, denn die weiteren 4 Wochen waren der größte Schwachsinn der existierte. Er wollte mich die ganze Zeit dazu drängen, mit ihm zu schlafen. Bis zu Elains Kuss hielt er es für gut, dass ich warten wollte, doch von da an, war er regelrecht besessen. Und weil ich, zum Glück, nicht nach gab, schlief er dann vor fast sechs Wochen mit Elain, welche mir genau das drei Tage später unter die Nase rieb. Und selbst, wenn ich gewollt hätte, das konnte ich ihm nicht verzeihen.
"Jetzt hör mal zu. Das hier ist ein persönliches Gespräch. Es geht um unsere Beziehung, wir kamen hör über einem Jahr zusammen. Ich tue ihr nicht weh. Ich liebe sie. Also scheiß dir mal nicht ein und lass uns reden, ja? " Die Worte aus Haydens Mund brauchen eine Weile, bis sie meine Ohren und schließlich mein Hirn erreichen. Doch dann folgt ihre Wirkung in voller Kraft.
"Wie bitte? Himmel, Hayden, geh weg. Du liebst mich nicht. Niemand betrügt wenn er liebt! Und darum habe ich mich von dir getrennt, darum will ich nicht dass du mich ansprichst, oder meinen Arm packst. Und selbst wenn du ernst meinst was du da von dir gibst. Ich. Hasse. Dich. " Nun sieht er tatsächlich so aus, als sei er verletzt. Mit einem erschreckenden Ausdruck in den Augen dreht er sich um und geht ohne ein weiteres Wort. Kurz habe ich ein schlechtes Gewissen, verdränge dieses dann aber schnell wieder. Das hätte er gar nicht verdient.
Daemon kommt, kaum dass die Tür hinter Hayden ins Schloss gefallen ist, zu mir und wirft mir prüfende Blicke zu. "Netten Exfreund hast du da.", scherzt er und bringt mich damit tatsächlich zum Lachen. Ich sehe auf meinen Unterarm, an dessen Seite sich ein roter Abdruck mit der Haut verbindet. Das wird ein blauer Fleck werden. Wenn Hayden mir als Entschuldigung keine Babykatze kauft, verzeihe ich ihm das nie. Am liebsten einen kleinen, flauschigen Kater mit einem Kugelbauch und dem süßesten Lachen dieser Galaxie. Ich würde ihn Salem nennen, wie bei dieser Hexenserie.
"Er wird eine gerechte Strafe dafür bekommen.", holt mich da die Stimme meines Lehrers wieder in die Realität. Ich sehe ihn zweifelnd an. ".. Sprach der Todesendel?", mutmaße ich und bringe Daemon damit tatsächlich zum Lachen. Fast scheint es so, als könne er gar nicht mehr aufhören. Dann zeigt er hinter sich und fragt : "Du hast doch jetzt Unterricht bei mir. Wollen wir schon mal zum Klassenzimmer gehen, bevor hier noch mehr Exfreund auftauchen?"
Ich beschließe, ihm nicht unbedingt erklären, dass keine weiteren Exfreunde existieren, und nicke einfach nur. "Nach Ihnen, Mr. Broke."
Daemon schmunzelt immer noch vor sich her, als wir das Klassenzimmer betreten. Ich weiß, dass wir noch fast 25 Minuten haben, bis hier der Rest eintreffen wird, weshalb ich kurzerhand beschließe, einen Kenner um Auskunft zu bitten. "Weißt du, dass heute die Schulsprecherwahlen sind?", fange ich langsam an. Nach der sechsten Stunde würden sie endlich statt finden. Daemon nickt und runzelt dann die glatte Stirn. "Interessierst du dich für die Wahlen?", hakt er skeptisch nach. Nein, denn interessieren war ein untertriebener Ausdruck. "Naja, ich bin Kandidatin.", erkläre ich mich und ernte daraufhin einen mehr als überraschten Blick. "Soll ich dir meine Stimme geben?"
Wow, dieser Typ war ja echt schwer von Begriff. "Nein. Also ja, wenn du magst natürlich, aber darauf wollte ich nicht hinaus. Heute, kurz vor der Wahl, wird die letzte Möglichkeit sein, um mich selbst in ein gutes Licht zu rücken. Durch die finale Rede. Bestehend aus Worten." Nun müsste er doch wirklich verstehen worauf ich hinaus will. Mit verschränkten Armen kommt er auf mich zu gelaufen, und bleibt dicht vor mir stehen. Ich kann seinen Duft riechen. Eine Mischung aus Meer und irgendetwas süßem, holunderartigen. "Nicht, dass ich es nicht tun würde, aber du weißt schon dass es Betrug wäre wenn ich deine Rede verfasse?"
Ich rolle mit den Augen. "Nicht verfassen. Es wäre nur cool, wenn du mir helfen könntest bei der Wortwahl." Daemon nickt und begutachtet meinen Ordner. "Ist die Rede da drin?" Ich nicke, blättere im Ordner zur passenden Stelle und reiche ihm dann das karierte Blatt. Wenigstens bekommt er beim Anblick der Kästchen, die deutlich keine Linien sind, keinen Durchfall wie die anderen Sprachlehrer.
Nach zwei Minuten hat er den Text durchgelesen und sieht mich skeptisch an. "Tausche "erreichen" gegen "verwirklichen" aus, und setze vor das "berührt" ein "zutiefst". Mehr würde ich nicht ändern. Wenn du das ganze mit dem richtigen Selbstbewusstsein rüber bringst, wird es wirklich gut werden. " Mein Gesicht bildet, wie von selbst, ein Honigkuchen-Pferd-lächeln.
Montag, 12:23 Uhr
Ich sitze nun in der ersten Reihe des Kurses, esse den Rest meines Brötchens und lese mir den Text zum hunderten Mal durch. Daemon blättert derweil in seinen Unterlagen, wirft ab und zu eine Frage wie "Habt ihr im letzten Jahr intensiv an Shakespeare gearbeitet?", oder "Denkst du dass sie mich überhaupt als Lehrer sehen werden?" in den Raum. Verwundert sehe ich ihn an, als ich meine Brötchentüte zum Papierkorb bringe.
"Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Du bist kaum älter als wir. Wahrscheinlich werden die meisten Mädchen dich eher als Objekt sehen. Mich wundert es sowieso, dass sie noch nicht hier sitzen und dich anhimmeln. ", äußere ich meine Gedanken und setze mich wieder auf meinen Platz vor ihm. Eine dunkle Haarsträhne fällt ihm ins Gesicht. Seine Augen sehen eher grau als blau aus. Und unter dem Hemd kann man deutlich die trainierten Oberarme erkennen, als er sich am Lehrerpult abstützt. "Denkst du wirklich sie werden mich anhimmeln?" Oh ja, das wusste ich sogar. "Höchstwahrscheinlich wird mich die weibliche Kurshälfte umbringen wollen weil ich am Tisch vor dir sitze.", meine ich nur leichthin und packe meine graue Stiftmappe aus. Nur ist dieser Platz der beste im Englischkurs, ich werde ihn sicher nicht wegen ein paar hormonabhängiger Teenies aufgeben. Daemon sieht mich mit einem so erschreckten Ausdruck in den Augen an, dass ich grinsen muss. "Du bist wie alt, zweiundzwanzig?", fange ich an und er schüttelt den Kopf. "Einundzwanzig."
Langsam nicke ich. "Siehs positiv, wenn die drei Monate hier abgelaufen sind hast du dermaßen viele Anwärterinnen, unter denen du dir deine zukünftige Frau erwählen kannst, dass du diese Blicke gekonnt ignorieren können wirst." Indem ich aufblicke und ihm in die Augen sehe, begehen ich den größten Fehler meines Lebens. Irgendwas ist in seinen Augen, das mich zum Innehalten bringt. Etwas, das mich nahezu dazu zwingt, mich in diesem Moment zu verlieren. In diesem Lächeln. In diesem Geruch. Es ist, als sei ich in Trance.
"Mir sind alle anderen egal, solang ich die bekomme, die ich liebe. " Seine Stimme klingt so angestrengt und rau, als sei er einen Marathon in der Wüste gelaufen. Seine Worte kann ich kaum begreifen, nur am Rand nehme ich wahr wie sich Luke auf den Platz links neben mir setzt und Mary den Stuhl auf meiner anderen Seite zurück zieht. Und er scheint das alles auch nicht zu sehen. Er sieht nur meine Augen. Nur mich.
Auf einmal rüttelt jemand an meiner rechten Schulter und ich atme tief ein, unterbreche den Blickkontakt mit dem schönen Lehrer und sehe nach rechts zu Mary, die mich mit einem Grinsen betrachtet. "Aufwachen, Dornröschen. Dein Prinz kann dich nicht vor dem ganzen Kurs aufwecken."
"Er ist nicht mein.. ", beginne ich benommen, werde aber von Aly hinter mir unterbrochen." Erkläre das mal dem Kurs.", meint sie und ich werde auf meinem Platz automatisch kleiner. "Oder Luke.", höre ich dann Mary nuscheln und sehe gleich zu meinem besten Freund, dessen Blick allerdings nur stur auf sein Handy gerichtet scheint. Toll, das wird eine unfassbare Zeit.
Neues Kapitel ❤ Falls ihr euch fragt, was Niall da oben macht: Der süße soll Luke darstellen. 💋
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