2. Kapitel
Auf dem Weg zum Direktor sprechen wir eigentlich garnicht. Mein Blick ist gesenkt, doch der seine scheint meine Augen regelrecht zu suchen. Ja, sie sehen ganz annehmbar aus, aber so speziell sind sie nicht. Oder doch? Nein. Wer weiß, was in ihm vor sich geht. Wer weiß, ob ich es überhaupt wissen will? Eben, niemand. "Und du willst Lehrer werden?", frage ich um die unangenehme Stille zu beenden. Wenn ich auch nicht hundertprozentig weiß was ich mal machen möchte, so weiß ich doch dass 'Lehrer' an allerletzter Stelle steht. Sogar noch hinter 'Kindergärter'. Er schüttelt den Kopf. "Nicht wirklich. Ich möchte nur etwas ausprobieren." Ich nicke. Okay, er möchte es ausprobieren Lehrer zu sein. Jeder wie er will. "Was möchtest du nach der Schule machen?", fragt er leise als wir schon fast beim Direktor sind. "Studieren. Irgendetwas in Richtung Psychologie. Das interessiert mich sehr." Das hat es schon immer. seit Jahren war ich ein neugieriger Mensch. Mein Onkel Mike war bis vor zwei Jahren ein Professor, seine Fachrichtung war die Psychologie. Vor ein paar Jahren hatte er mich einmal mitgenommen, ich war damals elf Jahre alt und sofort verliebt. "Psychologie? Warum denn nicht Medizin?", fragte Daemon mit gerunzelter Stirn nach. Mit erhobener Augenbraue betrachte ich ihn. "Medizin? Sehe ich aus wie eine Medizinstudentin? Interessant." Das war es wirklich. Bisher stellte ich mir Mädchen in diesem Beruf so hübsch wie Meredith aus GA vor, oder so talentiert wie Bones. Freundlich lächle ich ihn an und fahre dann fort. "Medizin ist wichtig und alles, aber das ist so gar nichts für mich. Ich mag zwar den Verstand anderer Menschen, doch vom Körper bin ich nicht so begeistert." Nicht dass ich mich davor ekeln würde oder so, ich mag nur den Gedanken, an fremden und in fremden Menschen rum zu schnippeln nicht. Daemon nickt und schüttelt dann kurz den Kopf. Warum müssten heiße Typen immer so merkwürdig sein? Kenneth, mein Schwarm aus der achten Klasse, war mehr als nur gutaussehend, er hätte dieses Badboy-Ding voll drauf, obwohl er erst fünfzehn war. Aber sobald er den Mund öffnete, kam nur Scheiße heraus. Also hatte ich die Schwärmerei dann nach dem dritten Gespräch aufgeben müssen. Zu schade.
Vor dem Raum bleibe ich stehen und drehe mich noch einmal zu Daemon um, bevor ich in meine violette Tasche greife und meine halbvolle Wasserflasche nehme. Nach kurzer Überlegung halte ich sie ihm vors Gesicht. "Bitte, trink was, wenn du möchtest. Du scheinst mir doch noch etwas durcheinander zu sein." Der junge Mann lacht kurz auf, zeigt dabei strahlend weiße Zähne und süße Wangengrübchen, und greift dann nach der Flasche. Dabei berühren seine Finger die meinen wie zufällig, und schicken einen angenehm kribbelnden Stromschlag von meiner Fingerspitze bis zu den Zehn. "Sicher, dass du es nicht mit der Medizin versuchen willst?" Seine Aussage bringt mich zum schmunzeln. "Ja, definitiv. Also, bereit deinen Chef zu treffen?" Tief durchatmend gibt er mir das Wasser zurück und sieht mir erneut in die Augen. "Es wird schon gut werden.", nuschelt er wie benebelt. Gott, vielleicht sollte ich ihn doch zur Krankenschwester bringen? Doch bevor ich etwas sagen kann, klopft er auch schon an die große Tür.
Settle Church, 15. Februar 2016; Montag; 08:04 Uhr:
Fünf Minuten und Zehn auf-und-ab-Bewegungen meines Kopfes später verlassen Daemon und ich gemeinsam das Zimmer. Er hat sich Mrs. Cloud gegenüber tapfer gehalten, dass schafft nicht jeder. Gut, vielleicht möchte ihn Mrs. Cloud auch einfach weil er wie eine jüngere Version von Ian Sommerhalder, gemischt mit Stiles aus Teen Wolf aussieht. Sollte ich so über meinen zukünftigen Lehrer denken? Wobei, wahrscheinlich wird jedes weibliche Wesen im Umkreis von 10 Kilometern in nächster Zeit nur so dahin schmelzen. Das wird ja witzig. Meine beste Freundin Mary wird durchdrehen. Zum Glück ist Alice nicht an Männern interessiert. Zwei vor sich her träumende Freunde würde ich nicht mal einen Tag, geschweige denn die drei Monate die er gedachte hier zu arbeiten, aushalten.
"Also du bist in der 12..?", fängt Daemon neben mir zögerlich an.
Ich grinse "B. Ich bin in der 12b." Mein neuer heißer Lehrer nickt und sieht sich dann den Plan in seinen Händen an. "Dann sehen wir uns jeden Tag in der fünften Stunde, zum Englischunterricht." Super, auch noch eines meiner Lieblingsfächer, welches bald nicht mehr von Mr. Richards sondern von Daemon.. Mr. Broke, unterrichtet werden wird. Himmel, ich muss mich daran gewöhnen ihn beim Nachname anzusprechen. "Das ist gut, dann mache ich wenigstens keinen ganz so schlechten Eindruck wie in Mathematik oder Chemie.", meine ich und sehe ihm ins Gesicht. In der zehnten Klasse hatte ich im Chemiekurs beinahe doppelt solang gebraucht, um den Brenner an zu schalten, wie die anderen. Und im Mathematikunterricht an der Highschool war meine beste Note eine Drei. Ein Wunder, dass Mrs. Cloud mich noch nicht zum Einzelgespräch vorgeladen hatte. "Trägst du Kontaktlinsen?", kommt es da völlig aus dem Zusammenhang gerissen aus dem Mund meines Gegenübers. Überrumpelt schüttel ich den Kopf. "Ähm, nein. Die sind immer so."
Irgendwie ist mir sein folgender Blick unangenehm, sehr unangenehm. Also zeige ich mit dem Daumen hinter mich und fange dann an, rückwärts zu gehen. "Du wirst den Weg zu deinem Kurs doch finden, oder? Dann gehe ich mal zum Unterricht. Wir sehen uns.", sage ich schnell und stolpere rückwärts fast über eine Topfpflanze. Gott, wie peinlich! Mit einem rosa Kopf sehe ich zu ihm und in sein belustigtes Grinsen. "Bis später, Carter."
Montag, 09:40 Uhr
Zwei Sportstunden und drei Wasserflaschen später sitze ich mit Mary auf dem Rasen. Sie hat einen Fable für kaltes Wetter und warmen Kakao. Also sitzen wir dick eingepackt hier draußen, während drinnen wahrscheinlich schon Luke und Alice auf uns warten. Diese Pause war immerhin nur fünfzehn Minuten lang, neun davon hatte ich schon mit Erklärungen vergeudet. Schon zum dritten Mal erzähle ich von meiner Begegnung mit Mr. Black, und obwohl Marys Lippen an dem Plastikbecher hängen, liegt ihr Blick stur auf mir. Mir war klar, dass sie Interesse für unseren neuen Lehrer zeigen würde, dass sie dies aber noch vor der ersten Begegnung mit ihm zeigt, hielt ich für eher unwahrscheinlich. Tja, wie man sich doch täuschen kann. Marys pinkes Haar ist unter der grauen Bommelmütze beinahe verschwunden, ihre Augen erinnern an die eines Rehs. Ich hoffe schwer, dass sie kein Problem für Mr. Black.. oder Daemon wird.
"Und du bist wirklich gegen ihn geknallt? Wow. Das ist mehr als nur peinlich, Carty, das ist die ultimative Scheiße. ", lacht meine beste Freundin und trinkt den Rest ihres Kakaos. Meiner ist fast voll, und mittlerweile ganz kalt, weil ich so viel reden müsste. Schnell stelle ich den Becher zur Seite.
" So schlimm war es gar nicht. Ich meine, so wie er drauf war hat er eh nichts mitbekommen. ", erwiderte ich und sehe Mary dabei zu, wie sie nach meinem Becher greift und ihn hinunter kippt. Unfair, dass sie so viele Kalorien zu sich nehmen konnte und trotzdem knapp fünf Kilo weniger als ich wog.
"Bah, der war ja total kalt.", meckert sie und sieht dann wieder zu mir. "Hör zu, Schatz. Es ist die ultimative Scheiße, weil er das bei seiner Hochzeitsrede erwähnen wird, und alle werden wissen wie tollpatschig du sein kannst."
Ich lache kurz erschrocken auf. Hochzeitsrede? War sie verrückt?!
"Was genau meinst du Mary?", hake ich zögernd nach. Mary hebt nur die dichten Augenbrauen, als sei es doch total offensichtlich. "Ich bin Trauzeugin, egal was Alice sagt." Unglaublich, dass sie sowas sagt.. Und auch noch wirklich ernst meint. Ich lache und schubse sie spaßeshalber an der Schulter. "Du bist doch bescheuert. Komm schon, lass uns zum Unterricht gehen. Wir werden erwartet."
"Carter, deinen Schatz haben wir doch erst in zwei Stunden. ", neckt sie mich, obwohl sie genau weiß, dass ich unsere Freunde meine. Ich bin wirklich versucht sie zu erwürgen.
Oben seht ihr Daemon, jedenfalls stelle ich ihn mir in etwa so vor. Übrigens ist das Kapitel jetzt abgeschlossen, später geht's mit dem nächsten weiter. 👑
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