Kapitel 42 - Badeente

Kaito schwieg, genauso wie Yukine. Die Luft im Raum schien dicker zu werden, es fühlte sich an, als lastete sie schwer auf ihren Schultern. Noch immer war der Körper des Rotschopfs angespannt. So verkrampft.

Yukine wusste nicht, was er sagen sollte. In diesem Moment war er einfach nur wütend. Nicht auf Kaito, auf den Unbekannten, der ihm Leid zugefügt hatte. Derjenige, der auch jetzt noch eine unglaubliche Last für seinen Partner sein musste.

Kaito in seiner Umarmung regte sich. Er bewegte sein Bein und stieß die gelbe Badeente vom Badewannenrand hinab ins Wasser. Sie landete mit einem leisen Platschen kopfüber im Nass und trieb anschließend vor sich hin. Ein weiteres Mal stupste Kaito sie an, dann seufzte er.

Immer mehr Regung kam in seinen Partner, bevor er die Umarmung löste und sich erhob.
»Deshalb wollte ich es eigentlich für mich behalten.« Er stieg aus, verteilte einen Teil des Badewanneninhaltes auf den dunkelgrünen Fliesen und griff nach einem Handtuch, mit dem er sich abzutrocknen begann. »Ich will kein Mitleid, nur weil mein Ex ...«

Yukines Blick war ihm gefolgt. Er betrachtete die Rückansicht seines Geliebten, dessen Reaktion er in diesem Moment noch nicht nachvollziehen konnte. War Kaito nun sauer auf ihn? Wenn ja, warum genau? Er hatte doch nichts gesagt. Oder war vielleicht genau das das Problem? Yukine war sich unsicher.

Genauso wie der Rotschopf, erhob auch er sich. Wie nebenbei zog der Fae den Stöpsel aus der Wanne und stieg aus. Kaito war gerade dabei, das Handtuch um seine Hüfte zu binden, als er an ihn herantrat. Ohne weiter darüber nachzudenken, schloss er den Rotschopf in eine Umarmung und zog ihn an sich. »Hey, ich habe mich gerade abgetrocknet!«

»Kaito ...«, sagte Yukine leise und drückte den zierlichen Mann noch etwas fester. »Sei mir nicht böse.« Ein flehender Unterton machte sich in Yukines Stimme bemerkbar.
»Was? Ich bin nicht ...« Seufzend drehte sich Kaito in seiner Umarmung, schlang seine Arme um Yukines Nacken und lächelte. Nicht fröhlich. Traurig, ein wenig gebrochen. »Dein Schweigen hat mich verunsichert.«

Yukine lehnte seine Stirn an Kaitos und schloss die Augen. Er versuchte, die Gedanken zu ordnen, die Wut auf den Fremden, die Verwirrung über Kaitos Reaktion.
»Das war keine Absicht. Ich wusste in dem Moment nicht, was ich sagen soll.« Er spürte, wie sich Kaitos Lippen an seine pressten und erwiderte den Kuss sogleich.

Es war nur ein kurzer Moment und Yukine hätte ihn viel lieber vertieft. Doch Kaito schob ihn wieder von sich.
»Trockne dich erst einmal ab.« Ihm wurde ein Badetuch gereicht, und während er sich abtrocknete, streifte Kaito seine Boxers über. Stoff raschelte, als der Rotschopf Yukines Kleidung in den Wäschekorb warf. »Weißt du ... Ich habe nur mit meiner Therapeutin, Amara und ... der Polizei darüber geredet.«

Er hängte das nasse Tuch über die Heizung, zog sich ebenfalls die Unterwäsche über und öffnete seinen unordentlichen Dutt. Sein Blick wanderte zu Kaito, der noch immer vor dem Wäschekorb stand, das Gesicht von ihm abgewandt. »Und wenn ich ehrlich bin, würde ich es viel lieber tief in meinen Erinnerungen einschließen.«

Langsam drehte sich der Rotschopf zu Yukine um. Sein unsicherer Blick richtete sich auf das Gesicht des Faes. »Aber ich fühle mich bei dir unglaublich wohl und sicher. Ich vertraue dir.« Mit der Zunge fuhr Kaito über seine Lippen, nicht nur einmal. »Nur ist es unglaublich schwer, über diese Zeit zu sprechen.«

Yukine ging langsam auf ihn zu, während Kaito weitersprach: »Und ich ... fürchte mich davor, verurteilt zu werden.« Vor ihm blieb der Fae stehen. Seine Hand wanderte zu Kaitos Gesicht, strich zärtlich über seine Wange, dann ließ er sie an seinen Hinterkopf wandern und zog ihn sanft an seine Brust. Der Körper seines Partners spannte sich erneut an.
»Das würde ich niemals tun.«

Er wiederholte seinen Satz, versicherte Kaito, dass er es ernst meinte. Mehr als das. »Du bist, wer du bist. Mit deiner Vergangenheit, deiner Gegenwart und Zukunft. Nichts, was du sagst, wird meine Gefühle für dich ändern. Versprochen.« Seine Finger glitten durch die dunkelroten Haare, liebkosten ihn am Nacken.

Kaito in seinen Armen entspannte sich langsam. Ein zögerliches Nicken folgte, dann atmete der Rotschopf tief durch. »Lass uns reden, wenn du bereit bist. Aber nicht hier im Badezimmer«, sagte Yukine, bevor er Kaito einen Kuss auf die Stirn gab.
»Was ist mit Naoki? Ich will ihn nicht ausschließen.«
»Mach dir nicht so viele Gedanken um ihn.«

Yukine machte eine kleine Pause. »Er wird es schon verstehen.« Erneut nickte Kaito - und ehe er sich versah, noch lange bevor er protestieren konnte, hob Yukine ihn an und öffnete gleich darauf die Tür. Sein Partner zappelte, doch Yukine hielt ihn fest im Griff. Mit Naoki hatte er es oft genug getan, es gab kaum Unterschiede. Vermutlich war Kaito sogar leichter als der kleine Heiler.

»Lass mich runter! Ich bin viel zu schwer!«, protestierte der Rotschopf, während er versuchte, sich irgendwie an Yukine zu klammern.
»Red keinen Unsinn«, entgegnete der Fae sanft. »Du bist ein Federgewicht.« Mit Kaito zusammen steuerte er das Schlafzimmer an und als er am Wohnzimmer vorbei ging, entdeckte er Naoki, der neugierig zu ihnen schaute.

Sie tauschten kurze, intensive Blicke aus, dann wandte der Heiler den Kopf ab. Yukine verharrte an Ort und Stelle. Es fühlte sich wie eine Abweisung an. Zu gerne hätte er ihn ebenfalls bei sich.
»Lass uns zu Naoki gehen und mit ihm unter die Decke kuscheln«, sagte Kaito leise. Gleichzeitig hatte er aufgehört zu zappeln - anscheinend hatte er mitbekommen, was in diesem winzigen Augenblick passiert war.

Doch Yukine rührte sich nicht. Unsicher stand er weiterhin da, den Blick auf einen Punkt in der Ferne liegend. »Es ist in Ordnung, wenn er es weiß. Im Grunde gehört er schon zur ... Familie. Oder so ähnlich.« Kaito tätschelte ihm den Rücken, als wollte er seine Aussage bekräftigen. »Er gehört zu dir, nein, zu uns.«

Zwar hatte Yukine sich an die Gegenwart des geisterhaften Naoki gewöhnt und akzeptierte, dass er da war, jedoch fiel es ihm noch etwas schwer, es vor Kaito offen zu zeigen, dass er seine Nähe ebenfalls wollte. Meistens fühlte er sich hin- und hergerissen. Nicht wissend, wen er wann mehr priorisieren sollte. Am liebsten würde er nicht wählen. Es war ganz klar: Er wollte und brauchte beide.

»Na los, hier im Flur zu stehen, bringt nichts. Außer kalte Füße.« Kaitos nachdrückliche Stimme gab ihm einen Ruck, dann trat er in das warme Wohnzimmer ein und schob die Tür zu. Er setzte Kaito auf dem Sofa ab, griff nach der Decke und warf sie ihm zu.
»Tee? Kaffee? Nervennahrung?« Von der Seite konnte er Naokis fragenden, vielleicht auch verwirrten oder verwunderten Blick spüren.

»Nein, nicht nötig«, antwortete Kaito, während er sich unter die Decke murmelte. Er klopfte neben sich und lächelte erneut, dieses Mal an Naoki gewandt. Yukine nahm zwischen den beiden Platz, legte die Arme um die Männer und zog sie an sich. Ein wohliges Gefühl durchflutete ihn, als die beiden sich an ihn schmiegten. Er konnte nicht anders, als zufrieden zu seufzen.

Naoki, als wüsste er, dass es nötig war, stellte den Fernseher leiser. Die Serie, die er geschaut hatte, lief nun im Hintergrund, ohne sie zu stören.
»Ist etwas passiert?«, fragte Naoki. Als er den Kopf hob, um Yukine anzusehen, streiften seine Haare über den entblößten Körper des Faes. Es kitzelte ein wenig.

»Nein, nicht direkt«, antwortete Kaito leise. Er hatte die Decke bis über die Nase gezogen und die Beine angewinkelt. »Nur ...« Yukine streichelte ihm beruhigend über die Seite. Er wollte ihn nicht drängen und Naoki tat es ebenfalls nicht.

Es dauerte eine Weile, bevor Kaito zu erzählen begann. Ganz am Anfang. Wahrscheinlich, um seine Situation besser zu verstehen. »Ich bin damals nach meinem Abi zusammen mit Tristan und Amara nach Berlin gezogen. Wir wollten hier studieren und uns irgendwann selbständig machen. Kurz nach meinem Umzug ging meine Beziehung zu Ende - was ich ehrlich gesagt nicht bereue.«

Ein bitteres Lachen entfloh dem Rotschopf. Naoki sah Yukine nur verwirrt an, dann senkte er den Blick und legte den Kopf auf die Brust des Faes. Währenddessen fuhr Kaito auch schon fort: »Wir hatten das Pech, dass wir keine Wohnung für uns drei gefunden haben, weshalb ich bei zwei fremden, aber sehr netten, Mädels eingezogen bin.«

Yukine fragte sich, wieso Kaito nicht einfach eine eigene Wohnung bezogen hatte, wie hier auch. Doch dann dachte er daran zurück, dass er und Naoki einst ebenfalls hier gewesen waren, weil der Heiler an einer menschlichen Universität studieren wollte. Das Geld war immer etwas knapp gewesen und Yukine viel am arbeiten, um seinem Gefährten den Wunsch erfüllen zu können. Die Wohnungen waren schlichtweg unbezahlbar gewesen. Schon damals.

»Und weil ich meinen Eltern nicht auf der Tasche liegen wollte, habe ich mir einen gut bezahlten Job gesucht. Dort traf ich dann ihn ... den Sohn der Chefin und meinen Vorgesetzten. Ab da nahm mein Leben eine neue Wendung.«

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